JudikaturOGH

10ObS257/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. September 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Trabauer (Arbeitgeber) und Gerhard Gotschy (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. Gerhard K***, Pensionist, 9800 Spittal an der Drau, Höhenstraße 10, vertreten durch Dr. Johann Quendler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei P*** FÜR V*** UND Ö*** E*** (früher P*** DER Ö*** P***), 1030 Wien,

Untere Weißgerberstraße 37/9, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ruhegenusses wegen Dienstunfähigkeit infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.März 1990, GZ 7 Rs 3/90-8, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 27.Oktober 1989, GZ 31 Cgs 210/89-5, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger beantragte am 12.1.1989 bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eine Berufsunfähigkeitspension. Mit Verständigung vom 8.6.1989 teilte diese Anstalt dem Kläger und der beklagten Partei mit, daß der Anspruch des Klägers auf eine Berufsunfähigkeitspension nach § 271 ASVG dem Grunde nach anerkannt werde, über die Höhe der Leistung aber noch nicht mit Bescheid abgesprochen werden könne, weshalb vom 1.2.1989 an ein laufender Vorschuß gewährt werde. Daraufhin gewährte die beklagte Partei dem Kläger mit Bescheid vom 5.7.1989 auf Grund des (auch bei ihr gestellten) Antrages vom 12.1.1989 vom 1.2.1989 an nach § 74 Abs 1 ihrer Satzung den Ruhegenuß wegen Dienstunfähigkeit in der monatlichen Höhe von

37.920 S, den sie nach § 45 Abs 1 Z 2 der Satzung bis 30.6.1989 ruhend stellte. Der Ruhegenußbemessung legte sie bis 31.1.1989 erworbene 29 anrechenbare Beitragsjahre zugrunde.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage begehrte der Kläger die Verurteilung der beklagten Partei, ihm vom 1.7.1989 an eine Zuschußleistung nach § 85 ihrer Satzung auf der Grundlage von 30 anrechenbaren Beitragsjahren zu zahlen, weil seine Berufsunfähigkeit erst mit dem ihm einige Tage später zugestellten rechtskräftig gewordenen Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 16.8.1989 und daher erst nach dem 6.4.1989 festgestellt worden sei, an dem er 30 anrechenbare Beitragsjahre erworben hatte.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete im wesentlichen ein, daß die nach dem 1.2.1989 (Stichtag) erworbenen Beitragszeiten für die eingeklagte Leistung nicht mehr berücksichtigt werden könnten.

Das Erstgericht wies die Klage ab, weil es die Rechtsansicht der beklagten Partei teilte.

Das Berufungsgericht gab der dagegen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil insofern ab, als es die beklagte Partei schuldig erkannte, dem Kläger (im Sinne des Bescheides vom 5.7.1989) vom 1.2.1989 an einen Ruhegenuß wegen Dienstunfähigkeit in Form einer Zuschußleistung zur Leistung aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG in der Höhe von monatlich 37.920 S zu zahlen, wobei dieser Anspruch auf Ruhegenuß vom 1.2. bis 30.6.1989 ruhe. Hinsichtlich der Abweisung des in der Klage gestellten Begehrens wurde das erstgerichtliche Urteil bestätigt. Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im Sinne seines Klagebegehrens abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

(Paragraphen, nach denen keine Norm angeführt ist, sind solche der seit 1.1.1989 geltenden Satzung der beklagten Partei.)

Nach § 39 entstehen die Ansprüche auf Versicherungsleistungen in dem Zeitpunkt, in dem die im Abschnitt VI, §§ 60 bis 89) hiefür vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt werden.

Ruhegenüsse fallen nach § 41 Abs 2 mit Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen an, wenn sie auf einen Monatsersten fallen, sonst mit dem der Erfülllung der Voraussetzungen folgenden Monatsersten, sofern der Ruhegenuß binnen einem Monat nach Erfüllung der Voraussetzungen beantragt wird. Wird der Antrag auf Ruhegenuß erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so fällt er mit dem Stichtag (§ 61) an (§ 86 Abs 3 ASVG).

Nach § 60 Abs 1 Z 2 ist in der zusätzlichen Pensionsversicherung nach dieser Satzung aus den Versicherungsfällen der Dienstunfähigkeit der Ruhegenuß wegen Dienstunfähigkeit (§ 74) zu gewähren.

Nach § 61 Abs 1 Z 2 lit a gilt der Versicherungsfall bei Leistungen aus den Versicherungsfällen der Dienstunfähigkeit im Falle dauernder Dienstunfähigkeit, wenn in der Pensionsversicherung dauernde Invalidität oder Berufsunfähigkeit besteht, mit deren Feststellung durch die Pensionsversicherung als eingetreten. Stichtag für die Feststellung, ob und in welchem Ausmaß eine Leistung gebührt, ist nach § 61 Abs 2 der Eintritt des Versicherungsfalles, wenn er auf einen Monatsersten fällt, sonst der dem Eintritt des Versicherungsfalles folgende Monatserste. Wird jedoch der Antrag auf eine Leistung nach Abs 1 erst nach Eintritt des Versicherungsfalles gestellt, so ist Stichtag für diese Feststellung der Zeitpunkt der Antragstellung, wenn er auf einen Monatsersten fällt, sonst der dem Zeitpunkt der Antragstellung folgende Monatserste.

Nach § 62 Abs 1 Z 2 sind unter Beitragszeiten Zeiten zu verstehen, für die nach dem 31.12.1939 beim Institut Beiträge wirksam entrichtet worden sind.

Beiträge, die nach dem Stichtag (§ 61 Abs 2) für einen anderen Beitragszeitraum als den letzten dem Stichtag zeitlich unmittelbar vorangehenden entrichtet werden, sind nach § 63 Abs 1 für die Leistung nach dem eingetretenen Versicherungsfall - mit hier nicht vorliegenden Ausnahmen - unwirksam.

Nach § 74 hat der Versicherte Anspruch auf Ruhegenuß wegen Dienstunfähigkeit, wenn die Wartezeit (§ 65) erfüllt ist bei dauernder oder vorübergehender - bei letzterer allerdings erst ab der 27.Woche ihres Bestandes - Dienstunfähigkeit, wenn ein bescheidmäßig festgestellter Anspruch auf vorübergehende oder dauernde Invaliditäts(Berufsunfähigkeits)pension aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG besteht (Abs 1), oder wenn ein Antrag auf eine Pension wegen dauernder oder vorübergehender Invaliditäts(Berufsunfähigkeits)pension aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG bescheidmäßig rechtskräftig abgewiesen worden ist und das Dienstverhältnis wegen eingetretener Dienstunfähigkeit von der Mitgliedsunternehmung, bei der die letzte Beschäftigung bestanden hat, beendet worden ist oder durch Zeitablauf als beendet gilt, ohne daß es einer Kündigung bedarf (Abs 2).

Nach § 76 gelten Versicherte als dienstunfähig, die infolge einer körperlichen oder geistigen Krankheit oder eines Gebrechens außerstande sind, einen Dienst zu verrichten, der ihnen mit Rücksicht auf den bisherigen Berufsverlauf und auf die vorangegangene Berufsausbildung zugemutet werden kann und mit keiner Minderung der bisherigen ständigen Bezüge verbunden ist (Abs 1), oder aus den genannten gesundheitlichen Gründen außerstande sind, ihren bisher überwiegend ausgeübten Dienst zu verrichten, wohl aber einen anderen Dienst verrichten können, der ihnen mit Rücksicht auf den bisherigen Berufsverlauf und auf die vorangegangene Berufsausbildung zugemutet werden kann und mit keiner Minderung der bisherigen ständigen Bezüge verbunden ist, wenn ihnen ein solcher Dienst von der Mitgliedsunternehmung, bei der die letzte Beschäftigung bestanden hat, nicht angeboten wird (Abs 2). Besteht neben einem Anspruch auf Ruhegenuß ... ein bescheidmäßig festgestellter Anspruch auf eine entsprechende Leistung aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG, so gebührt nach § 85 Abs 1 nicht die Volleistung, sondern nur eine Zuschußleistung, die nach dessen Abs 2 für die Summe aus Grund und Steigerungsbetrag der Bemessungsgrundlage bis zum Grenzbetrag 20 vH und über den Grenzbetrag 100 vH der vollen satzungsmäßigen Leistung beträgt. Nach Abs 3 des zitierten Paragraphen gebührt als satzungsmäßige Leistung, wenn nichts anderes bestimmt ist, auch dann nur die Zuschußleistung nach Abs 2, wenn der entsprechende Anspruch aus der Pensionsversicherung nach ASVG erlischt, verfällt, ganz oder teilweise ruht, verwirkt, entzogen oder gekürzt wird. Der Anspruch auf Ruhegenuß wegen Dienstunfähigkeit nach § 74 hängt daher von der Erfüllung der allgemeinen Voraussetzung der Wartezeit und der besonderen Voraussetzung der Dienstunfähigkeit und von den alternativen weiteren besonderen Voraussetzungen ab, daß ein bescheidmäßig festgestellter Anspruch auf Invaliditäts(Berufsunfähigkeits)pension aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG besteht (Abs 1) oder daß ein Antrag auf eine Pension wegen Invalidität (Berufsunfähigkeit) aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG bescheidmäßig rechtskräftig abgewiesen worden ist und das Dienstverhältnis wegen eingetretener Dienstunfähigkeit von der Mitgliedsunternehmung, bei der die letzte Beschäftigung bestanden hat, beendet worden ist oder durch Zeitablauf als beendet gilt, ohne daß es einer Kündigung bedarf (Abs 2). Im ersteren Fall gebührt als satzungsmäßige Leistung nur eine Zuschußleistung, im zweiten Fall die Volleistung (§ 85).

Das beklagte Pensionsinstitut ist daher hinsichtlich der Frage, ob ein Anspruch auf Invaliditäts(Berufsunfähigkeits)pension aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG besteht, an die den Bestand eines Anspruchs auf diese Versicherungsleistungen feststellenden (bejahenden) Bescheide der Träger der Pensionsversicherung nach dem ASVG bzw. an die einen Antrag auf eine solche Pensionsleistung abweisenden rechtskräftigen Bescheide dieser Träger gebunden, wobei es diese besonderen Voraussetzungen des von ihr nach den gemäß § 90 entsprechend anzuwendenden Bestimmungen des 7. Teiles des ASVG bescheidmäßig festzustellenden Bestandes eines Anspruchs auf einen Ruhegenuß wegen Dienstunfähigkeit auch nicht als Vorfrage selbständig beurteilen darf.

Wenn es im § 61 Abs 1 Z 2 lit a und b heißt, der Versicherungsfall gilt bei Leistungen aus den Versicherungsfällen der Dienstunfähigkeit im Falle dauernder bzw. vorübergehender Dienstunfähigkeit, wenn in der Pensionsversicherung dauernde oder vorübergehende Invalidität oder Berufsunfähigkeit besteht, mit deren Feststellung durch die Pensionsversicherung als eingetreten, so kann damit - entgegen der Meinung des Revisionswerbers - insbesondere aus folgenden Erwägungen nicht der Tag der Rechtskraft des Feststellungsbescheides gemeint sein.

Der Revisionswerber verkennt nämlich, daß die zitierte Paragraphenstelle nicht von der Feststellung des Anspruchs auf Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension durch die Pensionsversicherung, sondern von der Feststellung der dauernden bzw. vorübergehenden Invalidität oder Berufsunfähigkeit durch die Pensionsversicherung spricht und damit eindeutig auf den im § 223 Abs 1 Z 2 lit a bzw. b ASVG geregelten Eintritt des Versicherungsfalles im Falle dauernder bzw. vorübergehender Invalidität oder Berufsunfähigkeit abstellt.

Wenn in der Pensionsversicherung Invalidität oder Berufsunfähigkeit nicht bestehen, gilt der Versicherungsfall nach § 61 Abs 1 Z 2 lit c im Falle dauernder Dienstunfähigkeit mit deren Eintritt, wenn dieser Zeitpunkt nicht feststellbar ist, mit der Antragstellung, nach lit d im Falle vorübergehender Dienstunfähigkeit mit dem Ablauf der 26. Woche ihres Bestandes als eingetreten.

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, daß durch die Pensionsversicherung das Bestehen der dauernden Berufsunfähigkeit des Klägers und damit der Eintritt des Versicherungsfalles im Sinne des § 223 Abs 1 Z 2 lit a ASVG spätestens mit dem Zeitpunkt der Antragstellung am 12.1.1989 festgestellt wurde.

Mit diesem Tag gilt daher nach § 61 Abs 1 Z 2 lit a auch der Versicherungsfall der dauernden Dienstunfähigkeit als eingetreten, so daß nach Abs 2 dieses Paragraphen Stichtag für die Feststellung, ob und in welchem Ausmaß der am 12.1.1989 beantragte Ruhegenuß wegen Dienstunfähigkeit gebührt, der dem Eintritt des Versicherungsfalles folgende Monatserste, also der 1.2.1989, ist.

Da zu diesem Stichtag die Wartezeit erfüllt war und seither dauernde Dienstunfähigkeit und auch ein bescheidmäßig festgestellter Anspruch auf dauernde Berufsunfähigkeit der Pensionsversicherung nach dem ASVG gegeben sind, letzteres ergibt sich jedenfalls aus dem in der Revision als rechtskräftig bezeichneten Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 16.8.1989, womit dem Kläger vom 1.2.1989 an eine Berufsunfähigkeitspension zuerkannt wurde, hat der Kläger seit 1.2.1989 auch Anspruch auf Ruhegenuß wegen Dienstunfähigkeit nach § 74 Abs 1 Z 1, wobei ihm nach § 85 Abs 1 als satzungsmäßige Leistung nur eine Zuschußleistung nach Maßgabe des Abs 2 gebührt. Für eine Anrechnung von Zeiten nach dem durch den Stichtag bestimmten Anfall des Ruhegenusses besteht daher keine Grundlage. Daß der Kläger bis 30.6.1989 Anspruch auf Fortbezug seines Entgelts aus dem Dienstverhältnis hatte, weshalb die zuerkannte Pension bis dahin nach § 45 Abs 1 Z 2 der Satzung ruhte, ändert daran nichts.

Daher war der Revision nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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