3Ob564/90 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Schalich als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen Maria B***, Angestellte, Peilsteinerstraße 3, 5020 Salzburg, infolge Revisionsrekurses der Betroffenen und des Sachwalters Dipl.Ing.Dr.Christoph A***, Rechtsanwalt, Sigmund Haffner-Gasse 16, 5020 Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 28. Dezember 1989, GZ 22a R 170, 171, 181/89-298, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 1.August 1989, GZ 4 SW 29/85-229, abgeändert, der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 16.August 1989, GZ 4 SW 29/85-249, aufgehoben und Rekurse der Betroffenen zurückgewiesen wurden, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs der Betroffenen und ihres Sachwalters wird insoweit Folge gegeben, als der Punkt 3) des angefochtenen Beschlusses und der Beschluß des Erstgerichtes vom 1.August 1989 aufgehoben und dem Erstgericht die neue Entscheidung über die Enthebung des bisherigen Sachwalters Dipl.Ing.Dr.Christoph A*** und die Bestellung eines anderen Sachwalters aufgetragen wird.
Dem Rekurs der Betroffenen gegen den Punkt 2) des angefochtenen Beschlusses (Zurückweisung ihrer Rekurse gegen die Beschlüsse des Erstgerichtes vom 20.Juli 1989 und vom 16.August 1989) wird nicht Folge gegeben.
Im übrigen wird der Revisionsrekurs der Betroffenen zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Maria B*** litt seit etwa 1979 an einer psychischen Erkrankung. Ihr wurde von Amts wegen ein Sachwalter bestellt, der sie in sämtlichen bei Gericht anhängigen Verfahren, in über alltägliche Rechtsgeschäfte hinaus gehenden rechtlichen Angelegenheiten, gegenüber Behörden sowie der Pensionsversicherungsanstalt und bei der Verwaltung ihres Einkommens zu vertreten hat.
Am 22.Mai 1989 beantragte der Sachwalter Dipl.Ing.Dr.Christoph A***, ihn zu entheben, weil es immer wieder zu Spannungen mit der Betroffenen kam und diese im Haus einen Anschlag anbrachte, alle gegen sie gerichteten Beschwerden an den Sachwalter in dessen Rechtsanwaltskanzlei oder bei ihm zu Hause anzubringen, weil er nicht mehr ihr Geliebter sei.
Das Erstgericht enthob am 1.August 1989 den Sachwalter Dipl.Ing.Dr.Christoph A*** und bestellte mit dem unverändert bleibenden Umfang der von ihm zu besorgenden Angelegenheiten den vom Verein für Sachwalterschaft namhaft gemachten Heinz K*** zum Sachwalter, weil eine fruchtbare Zusammenarbeit des bisherigen Sachwalters mit der Betroffenen nicht mehr möglich sei und die Voraussetzungen nach § 281 Abs 3 ABGB nicht mehr vorlägen. Der vom Verein namhaft gemachte Sachwalter könne erforderlichenfalls die Beigebung eines Rechtsanwaltes zur Verfahrenshilfe veranlassen. Am 16. August 1989 verfügte das Erstgericht, das Guthaben auf dem gesperrten Sparbuch, das der Sachwalter mit dem in einer Arbeitsrechtssache von der Betroffenen ersiegten Geldbetrag angelegt hatte, auf ein Sparkonto bei einer anderen Bank zu überweisen und dieses Konto zu sperren.
Das Rekursgericht gab Rekursen der Betroffenen statt, hob den Beschluß vom 16.August 1989 mit dem Auftrag zu neuerlicher Entscheidung als nichtig auf und änderte den Beschluß vom 1.August 1989 dahin ab, daß es den Enthebungsantrag des Sachwalters abwies. Weitere Rekurse der Betroffenen wies das Rekursgericht zurück. Es meinte zur Sachwalterumbestellung, daß das gespannte Verhältnis auf Verhaltensweisen der Betroffenen zurückzuführen sei, die inzwischen doch wieder den bisherigen Sachwalter bevorzuge und bereit sein werde, mit ihm zusammenzuarbeiten. Die Hauptaufgabe des Sachwalters sei die Vertretung in Prozessen. Es sei zweckmäßig, ihr einen Rechtsanwalt als Sachwalter zu belassen, nicht aber, eine vom Verein namhaft gemachte Person zu bestellen, die von der Betroffenen schon jetzt abgelehnt werde.
Gegen diesen Beschluß richten sich Rekurse der Betroffenen, die sich vor allem dagegen wendet, daß der bisherige Sachwalter nicht enthoben wurde, jedoch am 9.Feber 1990 vor dem Erstgericht erklärte, sie bekämpfe den Beschluß des Rekursgerichtes "im vollen Umfang", und des Sachwalters.
Rechtliche Beurteilung
Nach dem Datum der Entscheidung des Rekursgerichtes sind die Bestimmungen der §§ 14 und 16 AußStrG idF vor WGN 1989 anzuwenden (Art XLI Z 5 WGN 1989).
Beide Rekurse sind insoweit berechtigt, als eine abschließende Entscheidung über die Enthebung des bisherigen Sachwalters und die dann allenfalls erforderliche Bestellung eines anderen Sachwalters noch nicht erfolgen kann. Die Erkrankung der Betroffenen geht mit einer auf fehlende Einsicht zurückzuführenden Ablehnung jeder Medikation und wahnhafter Wirklichkeitsinterpretation einher. Es wird nicht leicht möglich sein, daß sie stets mit dem Sachwalter einsichtig zu ihrem Besten zusammenarbeitet. Die wechselnde Einstellung gegenüber dem ihr bestellten Sachwalter ist wohl Ausfluß ihrer psychischen Krankheit. Sie allein würde keinen ausreichenden Grund abgeben, den bisherigen Sachwalter abzuberufen. Es ergibt sich aber, daß die Betroffene ihre Versuche, den bisherigen Sachwalter zu belangen, nicht endgültig aufgab und immer noch durch ihren Kollisionskurator die Genehmigung der Klagsführung gegen den bisherigen Sachwalter betreibt. Daß sie den neu bestellten Sachwalter noch mehr ablehnt, ändert nichts daran, daß die gegen den bisherigen Sachwalter erhobenen Vorwürfe wie die Einbringung von Schadenersatzklagen objektiv geeignet sind, die erforderliche Bemühung des Sachwalters um das Wohl der Betroffenen in Frage zu stellen, und es zweckmäßig erscheinen lassen, einen anderen Sachwalter zu bestellen. Der bisherige Sachwalter gerät in eine Interessenkollision, wenn er sich einerseits unbefangen für die Betroffene einsetzen soll, andererseits ihre Angriffe und Klagsführungen, selbst wenn dafür ein Widerstreitsachwalter bestellt ist, abwehren muß. Die Gründe, aus denen der Sachwalter zu entlassen ist (§ 282 und § 254 ABGB), sind im Gesetz nicht erschöpfend aufgezählt. Die Enthebung hat zu erfolgen, wenn die Beibehaltung dem Interesse des Betroffenen abträglich wäre (SZ 32/84; NZ 1969, 154 ua). Dies kann angenommen werden, wenn die Betroffene nicht nur wegen der ihr fehlenden Krankheitseinsicht meint, der Sachwalter vertrete sie in den von ihm zu besorgenden Angelegenheiten ungenügend, sondern wenn sie Schadenersatzansprüche gegen den bisherigen Beistand gerichtlich geltend zu machen versucht und dieser sich deshalb auch befangen fühlt.
Die Annahme des Rekursgerichtes, die Betroffene werde künftig mit dem bisherigen Sachwalter gedeihlich zusammenarbeiten, ist daher nicht begründet. Da aber, solange es nicht zu einer Beendigung der Sachwalterschaft kommt, die Bestellung des neuen Sachwalters an die Enthebung des bisherigen Sachwalters anschließen soll und es nach der Lage der Sache geboten erscheint, eine rechtskundige Person iSd § 281 Abs 3 ABGB zum Sachwalter zu bestellen, weil die Besorgung der Angelegenheit der behinderten Person vorwiegend Rechtskenntnisse erfordert (macht sie doch nun nach ihrer Entlassung wieder Ansprüche gegen den früheren Dienstgeber geltend und will sie auch gegen den bisherigen Sachwalter Klage erheben), ist es nicht vermeidbar, dem Erstgericht die neue Beschlußfassung aufzutragen, weil auch gegen die vom Verein namhaft gemachte Person Bedenken vorliegen. Die Betroffene bekämpft den rekursgerichtlichen Beschluß im vollem Umfang. Wenn sie damit die Aufhebung der Anordnung der Überweisung des Sparbuchguthabens als nichtig anficht, fehlt ihr das zur Berechtigung zum Rekurs vorausgesetzte Rechtsschutzbedürfnis, denn diese Beschlußfassung erfolgte in Stattgebung ihres Rekurses gegen den erstgerichtlichen Beschluß vom 16.August 1989. Im übrigen hat das Rekursgericht ohne Rechtsirrtum den Rekurs gegen die Anfrage beim Verein für Sachwalterschaft mangels Beeinträchtigung der Rechtssphäre und die verspäteten, inhaltsleeren wiederholten Rekurse gegen den erstgerichtlichen Beschluß vom 16.August 1989 zurückgewiesen.