8Ob19/89 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Schwarz, Dr. Graf und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hoch- und Tiefbauunternehmung Ing. B*** Gesellschaft mbH, Marktstraße 37, 8967 Haus, vertreten durch Dr. Franz J. Rainer, Rechtsanwalt in Schladming, wider die beklagte Partei Gertraud K***, Hausfrau, Rathausplatz 4/11, 8940 Liezen, vertreten durch Dr. Johannes Schuster, Rechtswalt in Wien, wegen S 384.021,73 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 10.Jänner 1989, GZ 6 R 179/88-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 30.Juni 1988, GZ 5 Cg 76/88-22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.221,80 (einschließlich S 2.370,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei führte unter ihrer früheren Firma "Hoch- und Tiefbauunternehmung Franz S*** Gesellschaft mbH" (folgend kurz: Firma S*** GmbH) im Auftrag einer Interessengemeinschaft, der ua die Beklagte angehörte, Bauarbeiten an der Wohnungsanlage "Wohnmodell Friedau" in Liezen durch. Nach Erbringung von Teilleistungen ergab sich zu Lasten der Beklagten eine offene Forderung der klagenden Partei im Betrag von S 384.021,73. Am 13.4.1988 akzeptierte die Beklagte als Bezogene einen von der klagenden Partei unter ihrer damaligen Firma S*** GmbH über die Summe von S 384.021,72 ausgestellten Wechsel an eigene Order mit Fälligkeit am 12.7.1988.
Mit der am 7.3.1988 erhobenen Klage hatte die S*** GmbH die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 384.021,73 sA begehrt und dazu vorgebracht: Die Beklagte schulde diesen seit 10.11.1987 fälligen Betrag für erbrachte Bauleistungen. Der Wechsel vom 13.4.1988 sei vereinbarungsgemäß nur unter der Bedingung seines Ankaufes (Eskomptes) durch die V*** S*** ausgestellt und angenommen worden. Die Bank habe jedoch nach Bonitätsprüfung (der Beklagten) den Wechsel nicht eskomptiert. Mangels Eintritts dieser Bedingung bzw. wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage sei der Wechsel samt dem damit gewährten Zahlungsaufschub hinfällig. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit dem - im Revisionsstadium allein aufrecht erhaltenen - Einwand, die von der Wechselausstellerin behauptete Bedingung (des Wechseleskomptes) sei nicht vereinbart worden, vielmehr sei das Klagebegehren mit Rücksicht auf den im Wechselakzept enthaltenen Zahlungstermin nicht fällig.
Der Erstrichter schloß die Verhandlung am 29.6.1988 und wies das Klagebegehren ab. Er sah die Behauptung der klagenden Partei, das unbestrittenermaßen nicht eskomptierte Akzept sei von ihr nur unter der Bedingung genommen worden, daß es von einem Geldinstitut eskomptiert werde, als nicht erwiesen an. Deshalb und weil der Wechsel an Zahlungsstatt gegeben worden sei, sei die klagende Partei auf die wechselmäßigen Ansprüche verwiesen und könne - noch dazu ohne Aushändigung des Wechsels - den Vertragsanspruch nicht geltend machen.
Infolge Berufung der klagenden Partei änderte das Gericht zweiter Instanz nach Beweiswiederholung das Ersturteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Es nahm folgende Feststellungen als erwiesen an:
Dr. Angelika S***, die seinerzeitige Geschäftsführerin der klagenden Partei, habe am 13.4.1988 der - mit dem Klagspunktum in Verzug befindlichen - Beklagten erklärt, daß die klagende Partei Geld brauche und die Beklagte daher einen Wechsel über den Betrag von S 384.021,73 akzeptieren solle, damit dieser zum Eskompte eingereicht werden könnte. Der Beklagten, die an der Fortsetzung des Prozesses über den Werklohn nicht interessiert gewesen sei, sei bei der Unterfertigung des Wechsels als Akzeptantin vollkommen klar gewesen, daß der Zweck des Akzeptes die unverzügliche Geldbeschaffung der Wechselausstellerin im Wege des Eskomptes gewesen sei. Nur nebenher sei über Ersuchen der Beklagten bzw. ihres Ehegatten im Hinblick darauf, daß nach dem Wechselankauf die Bank neue Gläubigerin wäre, als Verfallstag der 12.Juli 1988 eingesetzt worden. Keinesfalls sei der Beklagten damit nach übereinstimmender Parteienabsicht eine Stundung der eingeklagten Werklohnforderung auch für den Fall gewährt worden, daß der Wechsel wider Erwarten nicht eskomptiert werden sollte. Die Beklagte selbst habe Dr. Angelika S*** die S*** L*** als jenes Geldinstitut benannt, bei dem das Akzept zum Eskompt eingereicht werden solle, damit der klagenden Partei der Wechselbetrag in voller Höhe überwiesen werde. Eine ausdrückliche schriftliche Erklärung dieses Inhalts, die dem Wechsel als Allonge angefügt sei, habe die Beklagte eigenhändig unterfertigt. Die Hingabe des Wechsels sei außerdem nicht an Zahlungsstatt vereinbart worden.
In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Berufungsgericht auf Grund des Vorbringens der Beklagten in der Berufungsbeantwortung, daß sie die Klagsforderung entsprechend dem im Wechsel enthaltenen Verfallstermin 12.7.1988 mittlerweile bezahlt habe, davon aus, daß die Beklagte den Einwand mangelnder Fälligkeit nicht mehr wegen mangelhafter Werkleistung, sondern nur noch wegen des im Wechsel angegebenen Verfallstages 12.7.1988 aufrecht erhalte. Nach dem Wechselbegebungsvertrag vom 13.4.1988 sei von beiden Vertragspartnern gemeinsam als Vertragsvoraussetzung für die Entgegennahme des Wechsels durch die klagende Partei unterstellt gewesen, daß der Wechsel zum Eskompte gegeben werden könne; dies sei darüber hinaus auch zur vertraglichen Bedingung gemacht worden. Eine solche Vereinbarung könne ungeachtet des Wortes "ausdrücklich" in § 901 ABGB bei Überlegung aller Umstände auch stillschweigend (§ 863 ABGB) getroffen werden. Es sei auch der Beklagten vollkommen klar gewesen, daß die Wechselhingabe einzig und allein zu dem Zweck erfolgte, der klagenden Partei unverzüglich im Wege des Eskomptes zu Geld zu verhelfen. Da der Wechsel aber entgegen der Erwartung beider Teile des Wechselbegebungsvertrages von keinem Bankinstitut eskomptiert wurde, sei er "inter partes" hinfällig geworden. Die Beklagte könne sich daher nicht auf die im Wechsel enthaltene Verfallszeit berufen, vielmehr sei die Stundung der Wechselsumme zwischen den Kontrahenten nicht rechtswirksam. Da der Wechsel somit unter den Kontrahenten keinen Bestand habe und im übrigen nicht an Zahlungsstatt gegeben worden sei, weil die Hingabe eines Wechsels auf Schuld regelmäßig nur zahlungshalber erfolge, könne die klagende Partei die Zahlung der bei Schluß der Verhandlung erster Instanz fälligen Vertragsschuld begehren.
Die klagende Partei mache keine wechselmäßigen Ansprüche geltend, so daß der Grundsatz des Art. 39 Abs. 1 WG, wonach der Bezogene vom Inhaber gegen Zahlung die Aushändigung des quittierten Wechsels verlangen könne, nicht unmittelbar Anwendung finde. Zwar gehe auch die allgemeine Regel dahin, daß Zahlung nur Zug um Zug gegen Quittung zu leisten sei und die Rückstellung des Schuldscheines gegen das Leistungsbegehren des Gläubigers derart geltend gemacht werden könne, daß die Hauptleistung bis zur Rückgabe des Schuldscheines zurückgehalten werde; Zug-um-Zug-Verpflichtungen seien aber nicht von Amts wegen wahrzunehmen, so daß hier die Statuierung einer Zug-um-Zug-Verpflichtung der klagenden Partei zu unterbleiben habe. Die im Berufungsverfahren von der Beklagten behauptete Zahlung der Klagsschuld stelle einen nach Schluß der Verhandlung erster Instanz eingetretenen, sohin nicht mehr zu berücksichtigenden Umstand dar.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, weil für die von diesem Vorwurf betroffene Feststellung des Berufungsgerichtes, es sei nach der übereinstimmenden Parteiabsicht keinesfalls eine Stundung der eingeklagten Werklohnforderung für den Fall gewährt worden, daß der Wechsel wider Erwarten nicht eskomptiert werden sollte, in der Zeugenaussage der Dr. Angelika S*** ein Beweisergebnis und damit eine den Prozeßakten entnehmbare tatsächliche Voraussetzung zugrunde liegt.
Auf der im Revisionsverfahren unanfechtbaren Tatsachengrundlage der Entscheidung des Berufungsgerichtes kann die Rechtsrüge der Beklagten keinen Erfolg haben. Demnach war nämlich der Beklagten bei Abschluß des Wechselbegebungsvertrages und Hingabe des Wechsels vollkommen klar, daß die Wechselhingabe einzig und allein zu dem Zweck erfolgt, der klagenden Partei als Wechselnehmerin und Gläubigerin unverzüglich im Wege der Wechseleskomptierung zu Bargeld zu verhelfen. Allein aus diesem Grunde und keinesfalls deshalb, um der Beklagten eine Stundung ihrer Schuld zu gewähren, wurde in dem zum Eskompt bestimmten Wechsel als Fälligkeitstag der 12.7.1988 angegeben. Zutreffend hat das Berufungsgericht bei dieser Sachlage den Schluß gezogen, daß die Eskomptierung des Wechsels demnach eine Bedingung des Wechselbegebungsvertrages und der Wechselhingabe war, und es hat deshalb mit Recht auf Grund der feststehenden Tatsache, daß der Wechsel nicht eskomptiert werden konnte, den Nichteintritt der vereinbarten Bedingung und damit die Hinfälligkeit der diesbezüglichen Vereinbarung der Parteien angenommen. Alle Erwägungen der Beklagten über den Grund der unterbliebenen Eskomptierung des Wechsels durch ein Kreditinstitut - sie meint, er sei in der mangelnden Bonität der Klägerin und nicht in ihrer eigenen Kreditwürdigkeit oder -unwürdigkeit gelegen - sind unbeachtlich, weil in erster Instanz nicht der allein erhebliche Einwand vorgebracht wurde, die Klägerin selbst habe den Eintritt der Bedingung, nämlich die Eskomptierung des Wechsels, wider Treu und Glauben vereitelt (E 8 zu § 897 ABGB in MGA 233), so daß die Bedingung doch als eingetreten gelte. Da dies nicht der Fall war, konnte die Klägerin mit Recht auf die Fälligkeit der Forderung aus dem Grundgeschäft zurückgreifen und diese Forderung ist auch Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites gewesen. Das Urteil des Berufungsgerichtes ist demnach zu bestätigen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.