9ObA510/89 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Prohaska und Franz Murmann als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der antragstellenden Partei Ö*** G*** FÜR D*** G*** DER
P***, Wien 1., Deutschmeisterplatz 2, wider den Antragsgegner H*** DER Ö***
S***, Wien 3., Kundmanngasse 21, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Feststellungsantrag in nichtöffentlicher
Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Antrag auf Feststellung, daß § 21 Abs 3 DO.A die Zulassungsvoraussetzungen für die besondere Fachprüfung abschließend regle und die vom Antragsgegner mit Wirkung vom 1.Juli 1989 eingeführte Verpflichtung zur Ablegung einer Zulassungsprüfung als Zulassungsvoraussetzung zur besonderen Fachprüfung rechtsunwirksam sei, wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Der für die Fachgewerkschaft der Privatangestellten auftretende Antragsteller ist eine kollektivvertragsfähige Berufsvereinigung der Arbeitnehmer im Sinn des § 4 Abs 2 ArbVG (Floretta-Strasser, Handkommentar zum ArbVG 1025), der Antragsgegner ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts (§ 32 Abs 1 ASVG) und daher gemäß § 7 ArbVG kollektivvertragsfähig. Beide Parteien sind sohin im Sinn des § 54 Abs 2 erster Satz ASGG als Parteien des gegenständlichen besonderen Feststellungsverfahrens legitimiert (vgl Gamerith, Die besonderen Feststellungsverfahren nach § 54 ASGG dRdA 1988, 311). Die Bestimmung des § 21 der Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.A) hat auszugsweise nachstehenden Inhalt:
(1) Die Verwaltungsangestellten, deren regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit mindestens 30 Stunden beträgt, haben die allgemeine Verwaltungsprüfung (A-Prüfung) abzulegen. Voraussetzung für die Zulassung zu dieser Prüfung ist, daß nach Vollendung des 18. Lebensjahres mindestens 1 Jahr, höchstens aber 10 Jahre als Verwaltungsangestellter bei österreichischen Sozialversicherungsträgern zurückgelegt wurden. Die Ablegung der Prüfung nach Ablauf dieses Zeitraumes ist ausgeschlossen. Auf die vorangeführten Fristen zählen nur die unmittelbar aneinander anschließenden Dienstzeiten, während der die wöchentliche Arbeitszeit mindestens 30 Stunden betragen hat; Zeiten, während der ein Verwaltungsangestellter gemäß Abs 2 Z 1 oder 2 von der Verpflichtung zur Ablegung der allgemeinen Verwaltungsprüfung ausgenommen war, sowie Zeiten eines Karenzurlaubes gemäß § 15 Mutterschutzgesetz, eines Sonderurlaubes gemäß § 20 Abs 2 oder der Ableistung des ordentlichen bzw. außerordentlichen Präsenz- bzw Zivildienstes zählen nicht auf diese Fristen. Die allgemeine Verwaltungsprüfung hat Aufschluß über die Vertrautheit des Angestellten mit den wichtigsten Bestimmungen des österreichischen Sozialversicherungsrechtes unter besonderer Berücksichtigung des dienstlichen Aufgabenbereiches des Angestellten, mit den wichtigsten Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, ferner mit den Grundzügen der Staatsbürgerkunde, des Arbeitsrechtes sowie des Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrechtes der Verwaltungsangestellten zu geben.
(2) Von der Verpflichtung zur Ablegung der allgemeinen Verwaltungsprüfung sind ausgenommen: .......
(3) Die Verwaltungsangestellten haben, um in eine der Gehaltsgruppen D bis G eingereiht werden zu können, die besondere Fachprüfung (B-Prüfung) abzulegen. Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung ist, soweit nicht Abs 2 anzuwenden ist, die erfolgreiche Ablegung der allgemeinen Verwaltungsprüfung. Verwaltungsangestellte, die aufgrund ihrer dauernden Verwendung in eine der Gehaltsgruppen D bis G einzureihen wären und über eine einschlägige theoretische Vorbildung (Abs 7) verfügen, sind, wenn sie sich zur Ablegung der B-Prüfung innerhalb von 3 Jahren ab dem Zeitpunkt der entsprechenden Verwendung verpflichten, ohne Ablegung der A-Prüfung zur B-Prüfung zuzulassen; die erfolgreich abgelegte B-Prüfung ersetzt in diesem Fall die A-Prüfung. Zeiten eines Karenzurlaubes gemäß § 15 des Mutterschutzgesetzes, eines Sonderurlaubes gemäß § 20 Abs 2 oder der Ableistung des ordentlichen bzw. außerordentlichen Präsenz- bzw Zivildienstes zählen nicht auf diese Frist. Die besondere Fachprüfung hat Aufschluß über die Vertrautheit des Angestellten mit dem österreichischen Sozialversicherungsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Aufgabenbereiches des Versicherungsträgers, bei dem der Angestellte tätig ist, mit dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, mit den Grundzügen der österreichischen Rechtsordnung (einschlägige Bestimmungen des ABGB, des Verfassungs-, Verwaltungs- und Arbeitsrechtes etc) sowie mit dem Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrecht der Verwaltungsangestellten zu geben.
(4) Von der Verpflichtung zur Ablegung der besonderen
Fachprüfung sind ausgenommen: ........
(5) Die näheren Bestimmungen über die Prüfungen und die
Zulassung zu diesen (Prüfungsordnungen) erläßt der H*** DER
Ö*** S*** nach Anhören der
Gewerkschaft der Privatangestellten, Sektion Sozialversicherung.
(6) Im Fall eines ungenügenden Prüfungsergebnisses können die
Prüfungen zweimal wiederholt werden.
(7) .......
Der Antragsteller führt zur Begründung seines aus dem Spruch ersichtlichen Feststellungsantrages aus, daß zwischen den Parteien des Verfahrens die Auslegung des § 21 Abs 3 DO.A strittig geworden sei; hievon seien mehr als 3 Dienstnehmer betroffen. Der Antragsgegner habe mit Wirkung vom 1.Juli 1989 eine in dieser Bestimmung nicht vorgesehene schriftliche Zulassungsprüfung eingeführt und gehe davon aus, daß Voraussetzung für die Zulassung zur besonderen Fachprüfung unbeschadet der Voraussetzungen des § 21 Abs 3 DO.A die erfolgreiche Ablegung dieser Zulassungsprüfung sei. Die Zulassungsprüfung umfasse die Beantwortung von 30 Fragen aus jenen Bereichen des Prüfungsstoffes, die im Basiskurs behandelt worden seien. Diese Fragen würden von dem Versicherungsträger, bei dem der Prüfungskandidat angestellt sei, bestimmt. Für diese Prüfung stehe ein Zeitraum von 3 Stunden netto zur Verfügung. Das Ergebnis der Zulassungsprüfung sei dem Prüfungskandidaten und dem Dienstgeber schriftlich mitzuteilen. Durch die Anordnung der Zulassungsprüfung werde einseitig eine weitere durch § 21 Abs 3 DO.A nicht gedeckte Zulassungsvoraussetzung für die Zulassung zur besonderen Fachprüfung festgelegt. Dies sei jedoch unzulässig, weil § 21 Abs 3 DO.A die Voraussetzungen für die Zulassung zu dieser Prüfung taxativ festlege und die einseitige Anordnung von weiteren Voraussetzungen durch den Dienstgeber zwingende Bestimmungen des Kollektivvertrages verletze. Der Antragsgegner beantragt die Abweisung des Antrages. § 23 Abs 5 DO.A übertrage dem Antragsgegner ausdrücklich die einseitige Regelung der näheren Bestimmungen über die Zulassung zur besonderen Fachprüfung. Im Zusammenhang mit dieser Regelung könne § 21 Abs 3 DO.A nicht als taxative Aufzählung verstanden werden. Diese Bestimmung befasse sich nur mit einigen Grundsatzfragen der besonderen Fachprüfung und überlasse dem Antragsgegner eine besondere Ausformung. Die Anordnung der Zulassungsprüfung ab 1. Juli 1989 sei daher durch die Bestimmungen der DO.A gedeckt. Der Feststellungsantrag ist nicht berechtigt.
Die Bestimmung des § 21 Abs 3 DO.A legt den Personenkreis fest, der die besondere Fachprüfung abzulegen hat, und bestimmt die Ablegung der allgemeinen Verwaltungsprüfung - abgesehen von den besonders normierten Ausnahmen - als Voraussetzung für die Ablegung der besonderen Fachprüfung. Weiters wird das den Gegenstand der besonderen Fachprüfung bildende Stoffgebiet festgelegt. Abs 5 bestimmt, daß der Antragsgegner nach Anhörung der Gewerkschaft der Privatangestellten, Sektion Sozialversicherungsangestellte, die näheren Bestimmungen über die Prüfungen und die Zulassung zu diesen zu erlassen hat. Die Übertragung der Regelungsbefugnis bezüglich der Zulassung zur Prüfung an den Antragsgegner wäre inhaltsleer, wollte man im Sinn der vom Antragsteller vertretenen Ansicht § 21 Abs 3 DO.A als abschließende Regelung bezüglich der Zulassung verstehen.
§ 21 Abs 5 DO.A kann daher nur dahin ausgelegt werden, daß dem Antragsgegner die Festlegung des Zulassungsmodus zukommt, sofern die dabei festgelegten Voraussetzungen inhaltlich den von der DO.A festgelegten Rahmen nicht überschreiten.
Die allgemeine Verwaltungsprüfung ist die Vorstufe der besonderen Fachprüfung. Sie hat Aufschluß über die Vertrautheit des Angestellten mit den wichtigsten Bestimmungen des österreichischen Sozialversicherungsrechtes unter besonderer Berücksichtigung des dienstlichen Aufgabenbereiches des Angestellten, mit den wichtigsten Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, ferner mit den Grundzügen der Staatsbürgerkunde, des Arbeitsrechtes sowie des Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrechtes der Verwaltungsangestellten zu geben. Die besondere Fachprüfung hat Aufschluß über die Vertrautheit des Angestellten mit dem österreichischen Sozialversicherungsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Aufgabenbereiches des Versicherungsträgers, bei dem der Angestellte tätig ist, mit dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, mit den Grundzügen der österreichischen Rechtsordnung (einschlägige Bestimmungen des ABGB, des Verfassungs-, Verwaltungs- und Arbeitsrechtes etc.) sowie mit dem Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrecht der Verwaltungsangestellten zu geben. Der Themenkreis des Prüfungsstoffes ist sohin im wesentlichen ähnlich, wobei allerdings die besondere Fachprüfung insbesonders im Bereich des Sozialversicherungsrechtes, Arbeitslosenversicherungsrechtes sowie Dienst- und Besoldungsrechtes nicht auf die Grundzüge dieser Rechtsgebiete beschränkt, sondern eingehender zu behandeln ist. Teilweise geht der Stoff der besonderen Fachprüfung (im Bereich des Prüfungsgebietes Grundzüge der österreichischen Rechtsordnung) über den Stoff der allgemeinen Verwaltungsprüfung hinaus. Die allgemeine Verwaltungsprüfung umfaßt jedoch kein Stoffgebiet, das nicht auch - dort jedoch in eingehenderer Form - Gegenstand der besonderen Fachprüfung ist.
Rechtliche Beurteilung
Nach dem Vorbringen des Antragstellers ist Gegenstand der Zulassungsprüfung der Stoff der allgemeinen Verwaltungsprüfung und umfaßt daher das Basiswissen, auf dem die besondere Fachprüfung aufbaut. Die Zulassungsprüfung geht daher nicht über die Stoffabgrenzung hinaus, die § 21 Abs 3 DO.A festlegt, sondern beschränkt sich auf die Grundzüge der dort bezeichneten Stoffgebiete. Die bekämpfte Regelung, die durch Prüfung des Basiswissens im Rahmen einer Zulassungsprüfung und Prüfung des vertieften Wissens bei der besonderen Fachprüfung eine Zweistufigkeit der besonderen Fachprüfung vorsieht, überschreitet nicht den Rahmen der dem Antragsgegner durch § 21 Abs 5 DO.A eingeräumten Befugnis. Dem Antragsgegner stünde es aufgrund dieser Bestimmung auch frei, anzuordnen, daß innerhalb eines Prüfungsvorganges - allenfalls in zwei Abschnitten - einerseits Fragen aus dem Basiswissen und andererseits aus dem qualifizierten Wissen im Sinn des § 21 Abs 3 DO.A zu stellen sind. Auch diese Regelung stünde mit § 21 Abs 5 DO.A in vollem Einklang. Dies wäre für die Dienstnehmer jedoch gegenüber der Einführung der Zulassungsprüfung keineswegs vorteilhaft. Fehler bei Beantwortung von Fragen aus dem Basiswissen, die naturgemäß maßgeblichen Einfluß auf die Gesamtbewertung hätten, könnten auf diese Weise zu einem negativen Ergebnis der besonderen Fachprüfung führen, die gemäß § 21 Abs 6 DO.A im Fall eines ungenügenden Prüfungsergebnisses nur zweimal wiederholt werden kann. Ein negatives Ergebnis der Zulassungsprüfung hat hingegen nur zur Folge, daß vorerst die besondere Fachprüfung nicht abgelegt werden kann, zieht jedoch auch im Wiederholungsfall keine dem § 21 Abs 6 DO.A entsprechende Folge nach sich.
Die den Gegenstand des Feststellungsantrages bildende Regelung ist durch § 21 Abs. 5 DO.A gedeckt und widerspricht nicht der Bestimmung des § 21 Abs. 3 DO.A.
Der Feststellungsantrag ist daher abzuweisen.