8Ob621/88 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Honorarprofessor Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** Transportgesellschaft mbH, in Liquidation, Internationale Speditions- und Lagerhausgesellschaft, 8041 Graz, Riedweg, vertreten durch Dr. Anton Gruber und Dr. Arno Gruber, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Gottfried E***, Rechtsanwalt, 8010 Graz, Rechbauerstraße 4/II, vertreten durch Dr. Jörg Herzog, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 5,783.321,90 sA infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 18. Mai 1988, GZ 6 R 84/88-13, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 22. Jänner 1988, GZ 13 Cg 200/87-9, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 27.989,77 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (einschließlich S 2.544,52 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die klagende Partei begehrt vom Beklagten als ihrem im Verfahren, AZ 19 Cg 134/81 (ursprünglich 19 Cg 101/78) des Landes- als Handelsgerichtes Graz tätig gewordenen Rechtsvertreter gemäß § 1299 ABGB Schadenersatz in der Höhe von S 5,783.321,90 sA mit der Begründung, er habe den Eintritt der Verjährung eines Teiles ihrer im vorgenannten Verfahren durch Klageausdehnung geltend gemachten Ansprüche und demgemäß den teilweisen Prozeßverlust schuldhaft herbeigeführt.
Der Beklagte beantragte die Abweisung dieses Klagebegehrens. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Die klagende Partei hatte sich im Jahre 1974 vertraglich gegenüber der S*** - Oberglas AG in Wien verpflichtet. Sodatransporte von Ebensee nach Graz und Köflach gegen einen jeweils den ÖBB-Tarifen anzupassenden Frachtsatz durchzuführen. Die klagende Partei hat die ihr von der S*** - Oberglas AG jeweils mitgeteilten Frachtraten vorerst ohne Nachprüfung akzeptiert. Im Laufe des Jahres 1977 boten die ÖBB der S*** - Oberglas AG auf Grund individueller Vereinbarung unter ihrem für Sodatransporte geltenden Ausnahmetarif liegende Beförderungspreise an. Diese teilte die angebotenen Preise der klagenden Partei mit Schreiben vom 13. September 1977 mit und erklärte in der Folge, Fakturen nur mehr anzuerkennen, wenn die Abrechnung auch zu diesen Frachtraten erfolge. Als sich die klagende Partei weigerte, darauf einzugehen, kündigte die S*** - Oberglas AG die bestehende Vereinbarung auf, indem sie mit Schreiben vom 17. Feber 1978 erklärte, diese Vereinbarung sei "als aufgelöst zu betrachten" und die klagende Partei werde ab 20. Feber 1978 "nicht weiter beschäftigt" (ON 124, AS 182; Beilage./5 jeweils des Aktes 19 Cg 134/81 des Landesgerichtes für ZRS Graz).
Im oben genannten Verfahren AZ 19 Cg 134/81
(ursprünglich 19 Cg 101/78) des Erstgerichtes stellte hierauf die damals durch den nunmehrigen Beklagten vertretene klagende Partei gegenüber der S*** - Oberglas AG ein Zahlungsbegehren auf
S 287.559,87 für offene Frachtraten und auf weitere
S 2,912.000,-- mit der Begründung, sie habe infolge des unberechtigten Stornos der Vereinbarung die eigens für Sodatransporte angeschafften Silofahrzeuge nicht zum Einsatz bringen können. Weiters stellte sie das Feststellungsbegehren, die S*** - Oberglas AG sei schuldig, die Sodalieferungen durch die klagende Partei zu den von den ÖBB veröffentlichten und allgemein gültigen Ausnahmetarifsätzen durchführen zu lassen. Der erste Rechtsgang des Verfahrens endete mit dem Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes vom 15. Jänner 1981 (ON 44), worin ausgesprochen wurde, daß mangels allenfalls festzustellender weiterer Vereinbarungen die Weigerung der S*** - Oberglas AG, die Transporte der klagenden Partei zu den allgemein gültigen Ausnahmetarifen der ÖBB durchführen zu lassen, rechtswidrig sei. Im zweiten Rechtsgang dehnte die klagende Partei ihr Begehren um
S 248.598,13 für frustrierten Investitionsaufwand, um
S 7,655.256,-- für Verdienstentgang (= Stehzeit für
4 Silofahrzeuge vom 1. Juli 1978 bis 9. Oktober 1980) und um
S 1,902.106,-- an Umsatzsteuer, insgesamt somit auf
S 13,005.520,-- aus; als Rechtsgrund wurde Schadenersatz geltend gemacht. Die erste dieser Ausdehnungen erfolgte am 12. März 1981. Das Feststellungsbegehren wurde infolge Ablaufes der vereinbarten Vertragsdauer wieder fallen gelassen. Das Erstgericht erkannte die S*** - Oberglas AG schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von S 297.858,63 sA zu zahlen, und wies das Mehrbegehren wegen Verjährung ab. Es traf die Feststellung, daß unter dem zwischen den Parteien vereinbarten Frachtsatz nicht auch die der S*** - Oberglas AG von den ÖBB gewährten Sonderkonditionen zu verstehen seien. Davon ausgehend errechnete es als offene Differenz aus den unterschiedlichen Frachtsätzen einen der klagenden Partei zustehenden Betrag von S 287.595,87. Es stellte fest, daß die klagende Partei, hätte sie weiterhin ihre nach dem Vertrag zustehenden Transportleistungen erbracht, unter Anwendung des Regeltarifes der ÖBB einen Beförderungspreis von S 7,493.801,20 erzielt hätte, welchem ein Eigenaufwand von S 5,547.144,-- gegenüber gestanden wäre, so daß der Verdienstentgang S 1,946.657,20 und unter Berücksichtigung eines bei der Berechnung ausscheidenden Silofahrzeuges insgesamt S 1,557.325,76 beträgt, der zu ersetzen sei. Hievon müsse jedoch der Vorteil, welche die klagende Partei aus der Veräußerung der Silofahrzeuge in Höhe von
S 1.547.000,-- erzielen hätte können, in Abzug gebracht werden, so daß sich die Klageforderung mit S 297.885,63 errechne. Das Mehrbegehren sei wegen Verjährung abzuweisen. Das Berufungsgericht sprach der klagenden Partei auch den Betrag von S 1,547.000,--, somit insgesamt S 1,844.885,65 zu. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei mit der Entscheidung 7 Ob 519/86 vom 20. Februar 1986 nicht Folge. Er führte aus, die
S*** - Oberglas AG habe zufolge Ablehnung weiterer Transporte durch die (dort) klagende Partei und Vornahme dieser Transporte durch die ÖBB gegen eine vertragliche Verpflichtung verstoßen, was schon nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 1293 ff ABGB zur Schadenersatzpflicht führen müsse. Hinsichtlich des Betrages von S 1,557.325,76 könne dahingestellt bleiben, ob dieser der klagenden Partei aus dem Titel des Schadenersatzes oder auf Grund Werkvertrages gebühre. Immerhin habe zwischen den Streitteilen ein Dauerschuldverhältnis bestanden. Selbst wenn man dem Standpunkt der S*** - Oberglas AG folge, wäre die Ausführung des Werkes aus einem Umstand unterblieben, der auf ihrer Seite gelegen sei. Die leistungsbereite klagende Partei könne daher das vereinbarte Entgelt unter Berücksichtigung des Ersparten verlangen. Der Betrag von S 1,557.325,76 ergebe sich aus der Differenz zwischen jenem Betrag, den die klagende Partei bei vertragsgemäßer Leistung hätte erlangen können und jenem, den sie sich durch die Nichtleistung erspart habe. Es sei ihr somit gerade jener Differenzbetrag zugesprochen worden, den § 1168 ABGB vorsehe, so daß die auf diese Gesetzesstelle gestützte Argumentation der S*** - Oberglas AG nicht zielführend sei. Eine Mehrwertsteuerforderung sei von der klagenden Partei erst mit Schriftsatz vom 30. Juni 1981 verlangt worden. Für den Beginn der kurzen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB sei die Kenntnis der Höhe des Schadens nicht erforderlich; es genüge auch die Möglichkeit der Ermittlung der Schadensziffer. Gefordert werde die Kenntnis der schädlichen Wirkungen des schädigenden Ereignisses. Nicht erforderlich sei, daß die im voraus erkennbaren Wirkungen bereits eingetreten seien. Demnach beginne die Verjährungsfrist bereits zu laufen, wenn das schädigende Ereignis und der Schädiger bekannt und die Schäden vorhersehbar seien. Bei künftigen, jedoch voraussehbaren Schäden könne der Verjährung nur durch eine Feststellungsklage begegnet werden. Beispielsweise beginne die Verjährung bei Unterlassungen, sobald erkennbar sei, daß die pflichtwidrige Untätigkeit anderer zum Schadenseintritt führen werde. Bei vertragswidriger vorzeitiger Auflösung eines Bestandverhältnisses als eines Dauerschuldverhältnisses beginne die Verjährungszeit, sobald dem Bestandnehmer der Schaden soweit bekannt sei, daß er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg anstellen könne. Vor allem beginne die Verjährung bezüglich der vom Schädiger zu vertretenden Folgeschäden in jenem Zeitpunkt, in dem die Rechtsgutbeeinträchtigung, deren Folge sie seien, bekannt werde. Beurteile man den gegenständlichen Anspruch nach § 1168 ABGB, so hätte die Verjährung auf jeden Fall mit der Erfüllungsverweigerung zu laufen begonnen. Diese sei von der S*** - Oberglas AG mit Schreiben vom 17. Dezember 1976 klar ausgesprochen worden, so daß es zu diesem Zeitpunkt offenkundig gewesen sei, daß durch das vertragswidrige Verhalten der S*** - Oberglas AG Schäden im Vermögen der klagenden Partei entreten würden. Lediglich deren Höhe sei noch nicht im einzelnen feststellbar, der klagenden Partei der erwachsende Schaden aber bereits vorsehbar gewesen. Aus diesem Grunde habe die Verjährungsfrist im Oktober 1977, zumindest aber im Februar 1978 zu laufen begonnen und zwar bezüglich sämtlicher Schäden, die zu diesem Zeitpunkt bereits voraussehbar gewesen seien. Bei allen von der klagenden Partei nunmehr geltend gemachten Schäden handle es sich um solche, deren Eintritt im Hinblick auf das eindeutige Verhalten der S*** - Oberglas AG voraussehbar gewesen sei. Demnach hätte die klagende Partei einer Verjährung ihrer Schadenersatzansprüche nur mit einer Feststellungsklage begegnen können. Da bezüglich jener Forderungen, die Gegenstand der Klageabweisung gewesen seien, weder eine Feststellungsklage noch eine Leistungsklage innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist eingebracht worden sei, erweise sich die Entscheidung der Vorinstanzen betreffend diese Forderungen als richtig. Die gesamte Argumentation der Revision gehe zwar von der richtigen Rechtsansicht aus, daß die Verjährung erst mit Kenntnis des Schädigers und des grundsätzlichen Schadenseintrittes zu laufen beginne. Sie übersehe aber, daß die mangelnde Kenntnis der genauen Höhe der voraussehbaren Schäden den Beginn der Verjährungsfrist nicht hinausschiebe.
Im vorliegenden Verfahren äußerte das Erstgericht die Rechtsansicht, dem Beklagten falle der behauptete Verstoß gegen § 1299 ABGB nicht zur Last, weil sein im Verfahren AZ 19 Cg 134/81 (vormals AZ 19 Cg 101/78) des Landes- als Handelsgerichtes Graz eingenommener Prozeßstandpunkt, die Verjährung eines Schadenersatzanspruches setze die "Möglichkeit der Ermittlung der Schadensziffer voraus", aufgrund einer diesbezüglichen "Rechtsprechungslinie", wie sie auch in der dortigen letztinstanzlichen Entscheidung 7 Ob 519/86 referiert werde, vertretbar gewesen sei. Im übrigen habe der Beklagte damals für die nunmehr klagende Partei einen Erfüllungsanspruch nach § 1168 ABGB verfolgt, so daß Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung noch gar nicht bestanden hätten.
Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Es ging davon aus, daß aufgrund der oberstgerichtlichen Entscheidung des Vorprozesses die Verjährung der Ansprüche der klagenden Partei gegenüber der S*** - Oberglas AG und ein dementsprechender Schaden der klagenden Partei feststehe, für den der Beklagte entgegen der erstgerichtlichen Ansicht einzustehen habe. Das Berufungsgericht gab die Lehre und Rechtsprechung zur Verjährung von Schadenersatzansprüchen wieder und vertrat die Ansicht, für die klagende Partei sei aufgrund des Auflösungsschreibens der S*** - Oberglas AG vom 17. Februar 1978 der Eintritt des Schadens vorhersehbar gewesen, so daß spätestens mit diesem Zeitpunkt die Verjährungszeit zu laufen begonnen habe. Zur Vermeidung der Verjährung hätte die klagende Partei daher eine Feststellungsklage erheben müssen. Stelle sich für einen Rechtsanwalt die Frage, ob er zur Vermeidung eines Schadens seines Mandanten eine Maßnahme zu treffen habe, die keinen Nachteil mit sich bringen könnte - hier die rechtzeitige Klageausdehnung oder Einbringung einer Feststellungsklage - dann habe er diese Maßnahmen zu ergreifen, auch wenn sie - aufgrund einer vertretbaren
Rechtsansicht - möglicherweise nicht notwendig erschienen. Sei es auch nur möglich, daß ein Anspruch verjähre, dann habe der Rechtsanwalt, sofern damit keine Nachteile für seinen Mandanten verbunden seien, zur Vermeidung der Verjährung die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, selbst wenn bei nicht eindeutiger Rechtslage die Ansicht vertretber wäre, die Verjährung würde ohnedies nicht eintreten. Schon so gesehen hätte der Beklagte zur Vermeidung eines Schadens der klagenden Partei rechtzeitig eine Feststellungsklage einbringen müssen. Im übrigen sei aber eine von der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes im Vorprozeß hinsichtllich der Verjährungsfrage abweichende Rechtsansicht auch nicht als vertretbar anzusehen, da die ständige Rechtsprechung gegenteilig laute. Darauf, daß die klagende Partei im Vorprozeß nach der nunmehrigen Ansicht des Beklagten einen der dreißigjährigen Verjährungsfrist unterliegenden Erfüllungsanspruch gemäß § 1168 ABGB geltend gemacht habe oder daß diese Anspruchsqualifikation und Beurteilung der Verjährungsfrage zumindest vertretbar gewesen sei, könne sich der Beklagte schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil er noch in der von ihm verfaßten Revision selbst von einem - seiner unrichtigen Ansicht zufolge allerdings noch nicht
verjährten - Schadenersatzanspruch ausgegangen sei. Die Unterlassung der Einbringung einer Feststellungsklage sei daher als eine seine Haftung begründende schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten im Sinne des § 1299 ABGB anzusehen. Ein Schaden des Mandanten trete aber nur ein, wenn bei entsprechender Diligenz des Anwaltes ein anderer Prozeßerfolg zu erwarten gewesen wäre. Der Erfolg einer rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruches mittels Feststellungsklage sei daher hypothetisch nachzuvollziehen und dabei sei auch zu beurteilen, wie das Verfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte. In dieser Richtung lägen hier Feststellungsmängel vor, welche zur Aufhebung des angefochtenen Urteil führten.
Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt der Beklagte Rekurs mit den Antrag, das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen. Er führt aus, die klagende Partei habe als vertragstreuer Partner gegenüber der S*** - Oberglas AG entweder Schadenersatz wegen Nichterfüllung oder aber die Erfüllung des Werkvertrages verlangen können. Die Erklärung, den Werkvertrag nicht zuhalten zu wollen, stelle noch kein schädigendes Ereignis dar, vielmehr sei der Schaden der klagenden Partei aus einer dann folgenden Kette schädigender Einzelereignisse, nämlich aus der Nichtvergabe der Transportaufträge an sie, entstanden. Die klagende Partei hätte die Vertragsrücktrittserklärung der
S*** - Oberglas AG akzeptieren und damit schlüssig erklären können, daß sie mit der Aufhebung des Werkvertrags einverstanden sei; in diesem Falle sei ihr unter Bedachtnahme auf anderweitige Verwendungsmöglichkeiten der Transportmittel der Anspruch auf Schadenersatz zugestanden. Statt dessen habe sie aber auch auf Erfüllung dringen und ihren Fuhrpark weiterhin bereitstellen können. Das von der klagenden Partei erhobene Erfüllungsbegehren sei daher bis zum Ablauf der Vertragsdauer sinnvoll gewesen. Ein Schadenersatzbegehren in Zusammenhang mit der Klage auf Erfüllung erscheine sinnwidrig. Das berufungsgerichtliche Argument, in der Revision des Vorprozesses sei ein Schadenersatzanspruch geltend gemacht worden, sei nicht stichhältig, weil im Rahmen der rechtlichen Beurteilung von amtswegen die Frage des Vorliegen eines der langen Verjährungszeit unterliegenden Erfüllungsanspruches hätte geprüft werden müssen. Die Verbindung eines Erfüllungsbegehrens mit einem Feststellungsbegehren hätte zum Ausdruck gebracht, daß eine Erfüllung ohnehin nicht erwartet und es daher zu weiteren Schäden komme würde. Bei fortgesetzter Schädigung beginne für jede weitere Schädigung eine neue Verjährungsfrist. Vorliegendenfalls sei jeder einzelne, nicht an die klagende Partei erteilte Transportauftrag für sich eine Schadensursache, so daß es solcherart jeweils zu einem neuen Schadenseintritt gekommen sei. Die vom Beklagten vertretene Rechtsansicht, daß Erfüllungsansprüche und Schadensersatzansprüche nicht kumulativ geltend gemacht werden könnten, werde von der Lehre und Rechtsprechung bestätigt. Die vom Berufungsgericht zitierte Judikaturkette beziehe sich auf künftige vorhersehbare Schäden, doch seien solche zufolge des Erfüllungsinteresses der klagenden Partei überhaupt nicht zur Diskussion gestanden. Allein die Möglichkeit der Ermittlung der Schadensziffer bedeute sicher nicht auch schon die Notwendigkeit, zur Vermeidung der Verjährung eine Feststellungsklage einzubringen. Vorliegendenfalls hätte ein den Erfüllungsanspruch bejahendes Leistungsurteil den Eintritt von Schäden überhaupt verhindert. Solange ein Erfüllungsanspruch bestehe, könne ein Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung nicht verjähren, eine Feststellungsklage neben der Leistungsklage hätte abgewiesen werden müssen. Auch nach der Rechtsansicht der S*** - Oberglas AG habe es sich im Vorprozeß um einen nach § 1168 ABGB zu beurteilenden Klageanspruch gehandelt, der erst nach dreißig Jahren verjähre. Die Bestimmung des § 1486 Z 1 ABGB sei auf Ansprüche nach § 1168 Abs. 1 ABGB offensichtlich unanwendbar, denn es werde hier eben die vertragliche Leistung im Hinblick auf das Verhalten des Bestellers gar nicht erbracht. Auch die Zwecke der kurzen Verjährung bewiesen diese Unanwendbarkeit. Somit sei insgesamt davon auszugehen, daß die Erfüllungsansprüche der klagenden Partei nicht verjährt seien und den Beklagten daher mangels Eintrittes eines Schadens keine Haftung treffen könne.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekursausführungen sind insgesamt nicht stichhältig und der Rekurs ist demgemäß auch nicht gerechtfertigt.
Nach ständiger Rechtsprechung zu § 411 ZPO beschränkt sich die Bindungswirkung eines rechtskräftigen Urteils grundsätzlich auf die davon betroffenen Parteien und den geltend gemachten Anspruch, über den mit dem Urteil entschieden wurde. Die Tatbestandswirkung eines zur Leistung verurteilenden Entscheidung bewirkt, daß auch jeder Dritte die Tatsache der zivilgerichtlichen Verurteilung der beklagten Streitpartei zu einer Leistung gegen sich gelten lassen muß. Dieser Dritte kann aber im Rahmen eines Rechtsstreites über einen (von ihm oder) gegen ihn von einem anderen aus dieser Tatsache abgeleiteten Anspruch die Richtigkeit der urteilsmäßigen Entscheidung des Vorstreites und die Rechtsbeziehungen der damaligen Streitteile, insoweit sie für den gegenständlichen Rechtsstreit erheblich sind, neuerlich überprüfen lassen
(SZ 59/116 = JBl 1986, 791).
Dem Beklagten ist es somit im vorliegenden Verfahren nicht verwehrt, auch die Frage der Verjährung von Klageansprüchen der seinerzeit von ihm vertretenen klagenden Partei neuerlich aufzurollen. Er vertritt hiezu den Prozeßstandpunkt (siehe seine Klagebeantwortung S 10 bis 14, seine Berufungsbeantwortung S 8 sowie die Revisionsausführungen), bei den geltendgemachten Leistungsansprüchen habe es sich um solche nach § 1168 ABGB gehandelt, für die nicht die kurze dreijährige, sondern die dreißigjährige Verjährungszeit gelte. Diese Ansicht ist nur zum Teil richtig.
Die klagende Transportunternehmerin hatte mit dem im Jahre 1974 geschlossenen Vertrag die Verpflichtung übernommen, für die S*** - Oberglas AG auf die Dauer von 6 Jahren zu bestimmbaren Frachtsätzen Sodatransporte durchzuführen, also Güter zu befördern. Beförderungsverträge sind Werkverträge, insbesondere ist auch der Frachtvertrag (§ 425 ff HGB) ein Werkvertrag (Krejci in Rummel ABGB Rz 26 zu §§ 1165, 1166 sowie Schütz in Straube HGB Rz 24 zu § 425 jeweils mit Rechtsprechungs- und Literaturzitaten;
Helm im Großkommentar zum HGB Rz 81 zu § 425;
Schlegelberger-Gessler5 Rz 18 zu § 425; 6 Ob 636/77; 1 Ob 612/84). Der Anspruch auf die bedungene Fracht ist also eine Werklohnforderung. Beim Werkvertrag hat der Unternehmer zwar keinen Anspruch auf Erbringung der vereinbarten Werkleistung, doch hat er gemäß § 1168 ABGB insofern einen beschränkten Entgeltanspruch, als er sich auf das vereinbarte Entgelt das durch das Unterbleiben der Werkleistung Ersparte anrechnen lassen muß (SZ 45/11;
EvBl. 1972/331; SZ 52/178, 1 Ob 539/81; 1 Ob 576/76 uva). Demgemäß kann auch der Frachtführer das vereinbarte Entgelt nur unter Abzug des Ersparten fordern, wenn die Beförderung aus vom Absender zu vertretenden Gründen unterbleibt (SZ 40/18 = EvBl. 1957/384). Aus der Anwendbarkeit des § 1168 ABGB auf das Vertragsverhältnis der klagenden Partei mit der S*** - Oberglas AG ist aber für den Beklagten nichts gewonnen.
Im Falle der Abbestellung bzw. des Widerrufes des Auftrages tritt nämlich zum einen nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung sofortige Fälligkeit des beschränkten
Entgeltanspruches nach § 1168 ABGB ein, weil damit - ausgenommen
andere Vereinbarungen - das endgültige Unterbleiben des übernommenen
Geschäftes feststeht (Krejci in Rummel, ABGB, Rz 22 zu § 1168; 5 Ob 98/59; EvBl. 1961/342, 4 Ob 510/75; 7 Ob 529/88 ua); zum anderen unterliegt dieser beschränkte Entgeltanspruch nach § 1168 ABGB im Sinne der einhelligen Rechtsprechung gleich dem Entgeltanspruch nach § 1170 ABGB der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 ABGB (Adler-Höller in Klang2 V 403 P.4; 7 Ob 134/63; 8 Ob 146/64; 1 Ob 78/70; 1 Ob 76/74).
Auch unter Zugrundelegung der Ansicht des Beklagten, die von ihm als Klagevertreter des Vorprozesses durch Klageausdehnung geltend gemachten Ansprüche seien lediglich unrichtig als Schadenersatzansprüche bezeichnet worden, sie seien jedoch bei richtiger rechtlicher Beurteilung als Ansprüche nach § 1168 ABGB zu beurteilen gewesen, würde sich demnach an der Verjährung dieses Anspruches nichts ändern, weil ihre Fälligkeit auf Grund der eindeutigen Erklärung der S*** - Oberglas AG, den mit der klagenden Partei geschlossenen Transportvertrag "aufzulösen" und die klagende Partei "nicht weiter zu beschäftigen", spätestens mit 20. Februar 1978 eingetreten war.
Diese eindeutige Auflösungserklärung hätte aber auch dann, wenn man das auf sechs Jahre geschlossene Vertragsverhältnis im weiteren als ein Werkleistungen betreffendes Dauerschuldverhältnis betrachtet, jedenfalls eine endgültige Verweigerung der Erfüllung dieses Dauerschuldverhältnisses zum Ausdruck gebracht, so daß für die klagende Partei das gänzliche Unterbleiben auch der vereinbarten zukünftigen Transportleistungen und der Eintritt der damit verbundenen wirtschaftlichen Schäden mit Sicherheit voraussehbar war. Ihr eigenes Interesse an der Vertragserfüllung und das demgemäß erhobene Erfüllungsbegehren änderten an dieser Vorhersehbarkeit des Eintrittes künftiger Schäden nichts. Im Sinne der Darlegungen des Obersten Gerichtshofes in der Vorentscheidung 7 Ob 519/86 und der damit übereinstimmenden Ausführungen im nunmehr angefochtenen Urteil des Berufungsgerichtes hätte die klagende Partei daher zur Vermeidung der Verjährung der Ansprüche aus dieser mit Sicherheit vorhersehbaren künftigen Schädigung eine Feststellungsklage einbringen müssen (JBl. 1970, 621 uva, zuletzt etwa 2 Ob 582/87). Die Verjährungsfrist beginnt eben bereits dann, wenn dem Geschädigten die schädlichen Wirkungen des Ereignisses bekannt sind, ohne daß es erforderlich wäre, daß diese erkennbaren Wirkungen bereits tatsächlich eingetreten sind (6 Ob 680/82, 7 Ob 605/84 ua). Die Kenntnis der Schadenshöhe ist also nicht Voraussetzung des Verjährungsbeginnes (ZVR 1960/305 uva, zuletzt etwa 5 Ob 533/88), umso mehr genügt aber auch die Möglichkeit der Ermittlung der Schadensziffer.
Entgegen der weiteren Ansicht des Revisionswerbers unterliegen auch alle Schadenersatzforderungen wegen Nichterfüllung eines Vertrages grundsätzlich der Triennalverjährung, mag auch der Erfüllungsanspruch selbst erst in 30 Jahren verjähren (Ehrenzweig System II/1, 76 f; Klang2 VI 623; 2 Ob 164/57; SZ 47/61; 5 Ob 702/81; JBl. 1986, 304). Von einer fortgesetzten Schädigung, bei welcher die einzelnen schädigenden Ereignisse den Beginn der Verjährungsfrist auslösen, kann hier nicht die Rede sein, weil durch die Erklärung der S*** - Oberglas AG, "den Vertrag aufzulösen" und die klagende Partei "nicht weiter zu beschäftigen", sämtliche künftigen Transportleistungen in eindeutiger, unzweifelhafter Weise storniert wurden und die Schädigung der klagenden Partei daher ausschließlich aus dieser Verweigerung der Vertragszuhaltung durch die S*** - Oberglas AG resultiert.
Sowohl bei Annahme des Vorliegens von beschränkten Entgeltforderungen nach § 1168 ABGB als auch bei Qualifikation der Ansprüche der klagenden Partei als Schadenersatzansprüche aus verweigerter Vertragszuhaltung mußte der Beklagte bei Anwendung entsprechender Sorgfalt annehmen, daß diese Forderungen nach der ständigen Rechtsprechung nur binnen der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB erhoben werden können. Selbst wenn ihn Unklarheiten in der Rechtsprechung - er behauptet das angebliche Vorliegen zweier verschiedener "Rechtssprechungslinien", die er allerdings nicht belegen kann - oder Kritik der Lehre an der Rechtsprechung betreffend die Notwendigkeit der Erhebung von Feststellungsklagen hinsichtlich künftiger Schäden usw. (vgl. hiezu z. B. die Glosse von P. Bydlinski in JBl 1986, 304) zu Zweifeln an dieser Verjährbarkeit berechtigt hätten, wäre er jedenfalls verpflichtet gewesen, diese allfällige Verjährbarkeit der Forderungen in Rechnung zu stellen und demgemäß entsprechend rechtzeitig Klageausdehnungen vorzunehmen. Ein Rechtsanwalt haftet nämlich bei Erfüllung seines berufsspezifischen Mandats für jedes Verschulden, wobei es genügt, daß überhaupt die Möglichkeit eines den Klienten schädigenden Erfolges für ihn vorhersehbar war (SZ 34/153; 3 Ob 681, 682/82; 5 Ob 556/88 ua). Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof bereits in mehrfachen Entscheidungen, so etwa in 6 Ob 784/82 und 2 Ob 582/83, ausgesprochen, ein Rechtsanwalt habe, wenn es auch nur möglich ist, daß ein Anspruch verjährt, sofern damit keine Nachteile für den Mandanten verbunden sind, die zur Vermeidung der Verjährung erforderlichen Maßnahmen zu treffen, und zwar selbst dann, wenn bei nicht eindeutiger Rechtslage auch die Ansicht vertretbar wäre, die Verjährung werde ohnedies nicht eintreten. Überhaupt hat ein Rechtsanwalt bei der Wahl der Prozeßmaßnahmen immer den zur Verfolgung des Prozeßzieles sichereren, den risikoärmeren Weg zu wählen; anderenfalls verletzt er die ihm obliegende Sorgfaltspflicht und wird der von ihm vertretenen Partei gemäß § 1299 ABGB schadenersatzpflichtig (JBl. 1956, 620; 1 Ob 608/81 ua).
Der Beklagte hätte demnach jedenfalls das Klagebegehren rechtzeitig ausdehnen bzw. ein Feststellungsbegehren stellen müssen. Da er dies unterließ, hat er die eingetretene Verjährung von Ansprüchen der klagenden Partei zu vertreten und haftet ihr für den daraus entstandenen Schaden. Dessen Feststellung hat im fortgesetzten Verfahren zu erfolgen.
Dem Rekurs war somit nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.