JudikaturOGH

9ObA299/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Dezember 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Müller und Dr. Bernhard Schwarz als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1.) Konrad S***, Steinmetz, Unterwaltersdorf, Wienerstraße 37, 2.) Roland W***, Steinmetz, Schwechat, Sendnerstraße 19/3/12, beide vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Franz B*** Gesellschaft mbH, Steinmetzbetriebe, Traiskirchen, Wiener Neustädter Bundesstraße 137-139, vertreten durch Dr. Rudolf Gimborn und Dr. Fritz Wintersberger, Rechtsanwälte in Mödling, wegen S 12.584,28 brutto und S 12.981,92 brutto sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. August 1988, GZ 33 Ra 52/88-12, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. März 1988, GZ 4 Cga 1698/87-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kläger sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.112,72 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 282,97 Umsatzsteuer) je zur Hälfte (sohin je S 1.556,36) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger, deren Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden, waren in den Steinmetzbetrieben der beklagten Partei beschäftigt, der Kläger Konrad S*** (im folgenden auch: Erstkläger) seit 23. Februar 1987 und der Kläger Roland W*** (im folgenden auch: Zweitkläger) seit 1. Oktober 1984. Auf das Arbeitsverhältnis der Kläger findet der Kollektivvertrag für Steinarbeiter (im folgenden: KV) Anwendung. In diesem wird der Anspruch auf Weihnachtsremuneration in § 13 wie folgt geregelt:

"1.) Jeder Arbeitnehmer, der im Kalenderjahr wenigstens zwei Monate im Unternehmen beschäftigt war, erhält am ersten Freitag im Dezember ein Weihnachtsgeld von 8 % des von ihm im Unternehmen im laufenden Kalenderjahr erzielten Jahresnettoverdienstes ......

2.) Wird ein Arbeitnehmer, nachdem er länger als zwei Monate im Unternehmen beschäftigt war, vom Arbeitgeber gekündigt, so bleibt sein Anspruch auf das Weihnachtsgeld bestehen, desgleichen, wenn er aus Gründen des § 82 a der Gewerbeordnung vorzeitig austritt. Die Auszahlung erfolgt auf Wunsch des Arbeitnehmers bereits bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

3.) Wird das Arbeitsverhältnis nach mindestens fünfmonatiger Dauer vom Arbeitnehmer nach dem 1. Oktober des laufenden Jahres durch Kündigung gelöst, so gebührt diesem der aliquote Teil der nach den vorangeführten Grundsätzen errechneten Weihnachtsremuneration.

4.) Kein Anspruch auf Weihnachtsgeld besteht dann, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis gekündigt hat oder wenn das Arbeitsverhältnis aus Verschulden des Arbeitnehmers gemäß § 82 (ausgenommen lit h) der Gewerbeordnung gelöst wurde.

5.) bis 7.) ......".

Nach § 9 Z 1 KV gelten bei Lösung des Arbeitsverhältnisses folgende Kündigungsfristen:

"Bei einer Beschäftigungsdauer bis zu drei Monaten kann das Arbeitsverhältnis jederzeit gelöst werden. Bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als drei Monaten bis zu zwei Jahren ist eine dreitägige Kündigungsfrist einzuhalten, die sich bei einer Beschäftigung von mehr als 2 bis 15 Jahren auf eine Woche ..... verlängert.

Eine Kündigungsfrist entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis auf eine bestimmte Zeit abgeschlossen wurde. Bei beiderseitigem Einvernehmen kann das Arbeitsverhältnis sofort gelöst werden."

Der Erstkläger begehrt die Zahlung einer (der Höhe nach außer Streit stehenden) Weihnachtsremuneration von

(richtig:) S 12.584,28 brutto sA, der Zweitkläger von S 12.981,92 brutto sA. Beide Kläger behaupten, sie hätten am 29. Oktober 1987 gekündigt. Dem Erstkläger habe der Lohnverrechner der Beklagten gestattet, seinen ausständigen Urlaub zu verbrauchen, sodaß er erst zum 30. November 1987 abgemeldet worden sei. Den Zweitkläger habe der Lohnverrechner nach der Kündigung gefragt, "wie es mit der Kündigungsfrist sei". Nach der Antwort des Zweitklägers, er wolle am folgenden Montag bei einem anderen Unternehmen zu arbeiten beginnen, habe der Lohnverrechner gesagt, das gehe in Ordnung. Den Klägern stehe daher gemäß § 13 Z 3 KV die aliquote Weihnachtsremuneration im begehrten Betrag zu.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, beide Kläger hätten sich am 28. Oktober 1987 ohne Angabe von Gründen von der Arbeitsstätte entfernt und am nächsten Tag im Lohnbüro vorgesprochen, wo sie aufgefordert worden seien, die Kündigungsfrist einzuhalten, was sie aber abgelehnt hätten. Da der Erstkläger schon Vorschüsse auf das Urlaubsgeld erhalten habe, sei ihm - ohne Vereinbarung einer einvernehmlichen Lösung des Arbeitsverhältnisses - "die Abrechnung des Resturlaubs" zugestanden worden, um eine Rückverrechnung dieses Betrages mit der Urlaubskasse zu vermeiden.

Das Erstgericht wies die verbundenen Klagebegehren ab und traf folgende weitere Feststellungen:

Die Kläger arbeiteten nur bis zum 28. Oktober 1987, nachdem sie bereits an den Vortagen von ihrem unmittelbaren Vorgesetzten eine Lohnerhöhung gefordert hatten. Am 28. Oktober 1987 verließen sie am Morgen die Baustelle und begaben sich in das Lohnbüro der beklagten Partei, wo sie dem Buchhalter Hermann P*** erklärten, daß sie "kündigen". Gleichzeitig forderten sie im Hinblick auf § 13 Z 3 und 4 KV die Weihnachtsremuneration. Hermann P*** erwiderte, ihr Anspruch auf Zahlung der Weihnachtsremuneration würde anerkannt werden, wenn er nach dem Kollektivvertrag zu Recht bestehe. Die Kläger sagten, es hätte keinen Sinn, daß sie innerhalb der Kündigungsfrist für die beklagte Partei weiterarbeiteten, da die beklagte Partei ihre Forderung auf Gewährung einer Lohnerhöhung abgelehnt habe. Hermann P*** erwiderte, daß die Kläger während der Kündigungsfrist weiterarbeiten sollten. Die Kläger verließen aber die Baustelle und arbeiteten während der Kündigungsfrist nicht mehr für die beklagte Partei. Nur infolge eines Versehens wurden in die den Klägern ausgestellten Arbeitsbestätigungen als Endigungsgrund "Kündigung durch den Dienstnehmer" angegeben. Der Erstkläger wurde zum 30. November 1987 und der Zweitkläger zum 30. Oktober 1987 abgemeldet; dies nur deshalb, um eine Rückverrechnung der den Klägern bereits gewährten Urlaubsvorschüsse zu vermeiden. Es liege daher ein vorzeitiger unberechtigter Austritt der Kläger vor, so daß ihnen die Weihnachtsremuneration nicht gebühre.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer einwandfreien Beweiswürdigung und billigte die Ansicht des Erstgerichtes, daß die Kläger vorzeitig und unberechtigt ausgetreten seien. Die beklagte Partei sei nicht verpflichtet gewesen, wegen der Pflichtverletzung durch die Kläger eine Entlassung auszusprechen. Sie habe auf die Weiterarbeit der Kläger bis zum Ende der Kündigungsfrist nicht verzichtet, sondern die Kläger zur Weiterarbeit aufgefordert. Entscheidend sei nicht der Gebrauch des Wortes "Kündigung" sondern der Umstand, daß die Kläger offenkundig während der Kündigungsfrist nicht mehr arbeiten wollten. Nach § 13 Z 3 KV gebühre der aliquote Teil der Weihnachtsremuneration nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis nach dem 1. Oktober des laufenden Jahres durch Kündigung gelöst werde. Das sei aber bei einem vorzeitigen und unberechtigten Austritt nicht der Fall.

Die Kläger bekämpfen das Urteil das Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragen, das angefochtene Urteil im Sinne der Klagebegehren abzuändern oder es aufzuheben.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der Kläger nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist nicht berechtigt.

Die Revisionswerber bestreiten nicht, unberechtigt vorzeitig ausgetreten zu sein; sie sind aber der Ansicht, daß im Kollektivvertrag für den Fall, daß der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis anders als durch Kündigung löse, eine Regelungslücke bestehe. Diese sei, so wie in der Entscheidung Arb. 9.898, durch teleologische Auslegung zu schließen. Dem Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis nach mindestens fünfmonatiger Dauer nach dem 1. Oktober des laufenden Jahres gelöst habe, gebühre daher das Weihnachtsgeld auch bei Lösung durch ungerechtfertigten vorzeitigen Austritt.

Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen.

Die von den Revisionswerbern angenommene Regelungslücke besteht nicht. Die Bestimmungen des § 13 Z 2 bis 4 KV sind in ihrem Zusammenhang dahin zu verstehen, daß dem Arbeitnehmer das Weihnachtsgeld bei mehr als zweimonatiger Beschäftigung dann gebührt, wenn er vom Arbeitgeber gekündigt wird oder aus den Gründen des § 82 a GewO 1859 berechtigt vorzeitig austritt. Bei eigener Kündigung steht dem Arbeitnehmer das Weihnachtsgeld zu, wenn er das Arbeitsverhältnis nach dem 1. Oktober des laufenden Jahres durch Kündigung löst. Keinen Anspruch auf Weihnachtsgeld hat der Arbeitnehmer bei eigener Kündigung, wenn die vorher genannten Voraussetzungen nicht zutreffen, sowie dann, wenn er aus seinem Verschulden gemäß § 82 GewO 1859 (ausgenommen lit h) entlassen wird. Aus dieser Regelungssystematik folgt zwingend, daß dieselben Rechtsfolgen wie bei der verschuldeten Entlassung auch dann gelten, wenn der Arbeitnehmer unberechtigt vorzeitig austritt. Auch das Gesetz behandelt in der Regel den Austritt ohne wichtigen Grund und die verschuldete Entlassung in den Rechtsfolgen weitgehend gleich (§ 1162 a ABGB, § 28 AngG).

Aus der die Auslegung des § 12 des KV für Bauindustrie und Baugewerbe (im folgenden: BauKV) betreffenden Entscheidung Arb. 9.898 ist für die Kläger nichts zu gewinnen, da § 12 Z 5 Abs 1 BauKV (in der Entscheidung wiedergegebenen Fassung vom 1. April 1979) anders als § 13 Z 3 KV nicht den Fall der Kündigung durch den Arbeitnehmer, sondern den Fall der Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer schlechthin regelte. Da die Kollektivvertragsparteien in die damalige Bestimmung des § 12 Z 5 Abs 2 BauKV lediglich die Auflösung des Arbeitsverhältnisses als eine der Anspruchsvoraussetzungen aufgenommen haben, kam es auf die - unerwähnt gebliebene - Art der Auflösung nicht an, so daß der Anspruch auch den ungerechtfertigt ausgetretenen Arbeitnehmern zustand (Arb. 9.849). Die damaligen Erwägungen treffen jedoch auf den vorliegenden Fall nicht zu.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 46 Abs 1 und 50 ZPO.

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