JudikaturOGH

10ObS280/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. November 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst und Dr. Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Adametz (Arbeitgeber) und Dr. Sylvia Krieger (Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Angela M***, Mursberg 42, 4111 Walding, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, DDr. Heinz Mück, Dr. Peter Wagner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei S*** DER B***, Ghegastraße 1, 1031 Wien, vor

dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen S 4.750,90 und Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. August 1988, GZ 12 Rs 106/88-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. April 1988, GZ 13 Cgs 2013/87-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr aus Anlaß des Unfalles vom 20. September 1986 an Heilbehandlungskosten S 4.750,90 und weiters eine Versehrtenrente von 100 % der Vollrente samt Zusatzrente für die Zeit vom 20. November 1986 bis 12. Februar 1987 und eine Versehrtenrente von 30 % der Vollrente ab 13. Februar 1987 zu zahlen.

Die Klägerin ist seit 1. März 1978 Pächterin des landwirtschaftlichen Betriebes Mursberg 42 in Walding. Es handelt sich um einen Betrieb mit 10,47 ha Gesamtfläche, davon 7,82 ha landwirtschaftliche Nutzfläche (Grünland und Acker) sowie 2,05 ha Wald, der zur Erzeugung von Brenn- und Bauholz für die Eigenversorgung genutzt wird. Der Betrieb liegt am Rande des Bergbauerngebietes und ist ein Bergbauernbetrieb der Zone 1. Die traditionelle in dieser Gegend übliche Tierhaltung ist eingeschränkt. Es werden nur zwei Kühe mit Milchlieferungen an eine Molkerei, zwei Jungrinder, zwei Schweine und 40 Legehennen gehalten. Dafür sind rund 40 Pferde und eine Reihe von exotischen Tieren vorhanden. Zu Zugarbeiten werden nur zwei Pferde eingesetzt, alle anderen dienen der Zucht oder als Reitpferde für Besucher und Gäste. Einige Pferde sind nicht mehr einsetzbare Altpferde. Unter den zahlreichen exotischen Tieren sind auch zwei indische Elefanten, drei Kamele und drei Jungkamele, zwei Zebras, fünf Löwen, drei Tiger, zwei Jaguare und ein Panther. Diese werden teilweise zur Zucht verwendet, dienen zum Reiten (Elefanten, Kamele) und werden bei besonderen Anlässen auch vermietet. Mit den Elefanten und den Raubtieren (die unverkäuflich sind) wird keine Vermehrungszucht betrieben. Die meisten der gehaltenen Raubtiere sind Spenden von Tierschutzverbänden und Privatpersonen.

Der Tierbesatz ist insgesamt relativ groß, sodaß ein Teil des Grundfutters durch Zukauf, durch Abmähen von Gärten ohne Entgelt oder durch Tausch gegen Mist etc. besorgt werden muß. Futter für die Raubtiere wird von Schlächtereien in Form von Schlachtabfällen und minderwertigem Fleisch zugekauft. Im Jahr 1986 wurden hiefür rund 8.000 S ausgegeben. Abfallobst wird von Märkten und Großhändlern unentgeltlich abgegeben und im Tierpark der Klägerin verfüttert. Altbrot wird von den Bäckereien zugekauft, teilweise ist es auch ohne Entgelt bei Selbstabholung erhältlich. In den vergangenen Jahren mußten jährlich rund 15.000 bis 30.000 kg Heu zugekauft werden. Insgesamt war 1986 für den Futtermittelzukauf ein Aufwand von 42.000 S erforderlich. Dieser Futtermittelzukauf ist in Relation zur betriebseigenen Produktion untergeordnet.

Die von der Klägerin betriebene Haltung exotischer Tiere ist relativ umfassend, das gilt jedoch nicht hinsichtlich des Einkommens. Das von der Klägerin in den letzten zwei Jahren im Pachtbetrieb erzielte Einkommen war relativ niedrig. Ursachen hiefür sind der hohe Arbeitsaufwand, der eine bezahlte Fremdarbeitskraft erforderte, die hohen Ausgaben für Maschinen, der Futtermittelzukauf und die relativ niedrigen Betriebseinnahmen. Es ergab sich für 1986 ein Ertrag von rund S 74.000. Der Einkommensanteil aus der Haltung exotischer Tiere beträgt rund S 16.000 pro Jahr, das sind etwa 22 % des Betriebseinkommens. Die von der Klägerin betriebene Tierhaltung ist damit gegenüber ihrer Tätigkeit in der landwirtschaftlichen Produktion untergeordnet. Nach wirtschaftlicher Kalkulation ist die Unterordnung noch ausgeprägter, wenn das aus der Haltung exotischer Tiere erwirtschaftete Einkommen mit dem erzielbaren landwirtschaftlichen Einkommen aus einer üblichen Tierhaltung verglichen wird, wie sie von den Bauern der Umgebung betrieben wird. Die beiden Elefantenkühe sind 16 und 18 Jahre alt und haben ihr bisheriges Leben fast zur Gänze in dem von der Klägerin geführten Privatzoo verbracht. Sie wurden zwar gelegentlich auch für Waldarbeiten eingesetzt, im Vordergrund steht aber nicht die Verwendung der Elefanten als landwirtschaftliche Nutztiere, sondern sie stellen in erster Linie eine Attraktion im Tiergarten dar. Ein wesentliches Element ist dabei das Vermieten der Tiere zum Kinderreiten und für gelegentliche Veranstaltungen, zu denen die Klägerin etwa drei- bis fünfmal jährlich eingeladen wird. Bei solchen Veranstaltungen werden die Elefanten entweder nur zur Schau gestellt, führen kleine Kunststücke vor oder werden unter Umständen für kleinere Auftritte an Filmproduzenten verliehen. Im Vordergrund der Beschäftigung mit den Elefanten steht der Umstand, daß diese als sensible Tiere möglichst viel Abwechslung brauchen, um nicht zu verkümmern. Das Kinderreiten und die gelegentlichen entgeltlichen Veranstaltungen kommen diesem Zweck entgegen, wobei zusätzlich die Möglichkeit besteht, dadurch Einnahmen zu erzielen. Der von der Klägerin gemeinsam mit ihren Angehörigen betriebene Tiergarten ist besonders am Wochenende stark frequentiert. Es ist kein Eintrittsgeld zu entrichten, den Besuchern wird allerdings nahegelegt, eine angemessene Spende zu geben.

Um möglichst viele Gäste für einen Besuch des Tiergartens zu gewinnen, macht die Klägerin in gewissem Sinn auch Werbung durch Auflage von Prospekten in Geschäften im Großraum Linz. Auch Auftritte der Elefanten bei gelegentlichen Veranstaltungen bewirken einen gewissen Werbeeffekt.

Ein solcher Auftritt war auch am 20. September 1986 geplant, als die Klägerin von einer Wohnbaugesellschaft die Einladung zur Schaustellung eines Elefanten anläßlich der Eröffnung des Volkshauses in der Neuen Heimat bekam. Es war dabei mit dem Auftraggeber ein Entgelt von 4.500 S vereinbart. Wie üblich mußte auch der Transport des Elefanten vom Auftraggeber unmittelbar veranlaßt werden, da die Klägerin selbst keine Möglichkeit hat, einen solchen Transport durchzuführen, weil dafür ein eigener Sattelschlepper für Schwertransporte erforderlich ist. Der Elefant ist im Transporter angekettet, allerdings ist es notwendig, daß die Klägerin auf der Ladefläche mitfährt, um sich während des Transportes mit dem sensiblen Tier unterhalten zu können. Auf der Fahrt vom Römerbergtunnel in Richtung Hauptbahnhof im Stadtgebiet von Linz am 20. September 1986 verlor der Elefant in einer Kurve das Gleichgewicht und fiel wegen eines Fahrmanövers des Fahrzeuglenkers zur Seite. Dabei wurde die Klägerin durch den Elefanten schwer verletzt. Sie erlitt eine Verrenkung der rechten Hüfte mit Hüftpfannenbruch. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch den Unfall beträgt vom 20. November 1986 bis 12. Februar 1987 100 % und ab 13. Februar 1987 30 %. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach dem dargelegten Sachverhalt könne ein Arbeitsunfall im Sinne des § 175 Abs. 1 ASVG nicht angenommen werden, weil das Unfallgeschehen nicht mehr dem Gefahrenbereich der betrieblichen Tätigkeit in der Landwirtschaft zugeordnet werden könne. Der Transport eines exotischen Tieres mit einem für Schwertransporte geeigneten Sattelschlepper stelle keine Tätigkeit dar, die üblicherweise von Landwirten verrichtet werde und geeignet sei, die Interessen des Betriebes zu fördern. Im Vordergrund sei die Schaustellung des Elefanten gestanden. Es fehle auch am örtlichen Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Unternehmen.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin keine Folge. Die Zuordnung einer bestimmten Betätigung des Versicherten zum betrieblichen Geschehen sei nicht schon dann gerechtfertigt, wenn die Tätigkeit nur überhaupt zur Erzielung von Einkommen geeignet sei sondern nur dann, wenn sie nach objektiven Maßstäben geeignet sei, die betrieblichen Interessen unmittelbar oder mittelbar zu fördern. Der Unfall der Klägerin, der anläßlich einer Schaustellung des Elefanten stattgefunden habe, sei nicht Folge einer aus der Gefahrenssphäre der Unfallversicherung herrührenden Ursache, weil es am erforderlichen örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit fehle. Darüber hinaus bestehe auch deshalb kein Versicherungsschutz, weil das Mitfahren der Klägerin auf der Ladefläche im großstädtischen Verkehr nicht hätte erfolgen dürfen. Dadurch sei eine Erhöhung der erkennbaren Gefahr bewirkt worden, der für sich allein schon zum Versicherungsausschluß führe.

In ihrer wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision wendet sich die Klägerin vor allem dagegen, daß ihren Argumenten, die Haltung der exotischen Tiere stelle einen landwirtschaftlichen Nebenbetrieb dar, der der Erzielung von Einkünften diene, es liege daher ein Wegunfall vor, nicht gefolgt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 3 Abs. 1 Z 1 BSVG sind in der Unfallversicherung die in § 2 Abs. 1 Z 1 bezeichneten Personen, das sind Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des Landarbeitsgesetzes 1984 führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird, versichert. § 5 Abs. 1 LAG bezeichnet als Betrieb der Land-(Forst )Wirtschaft Betriebe der land-(forst-)wirtschaftlichen Produktion und ihre Nebenbetriebe soweit diese in der Hauptsache die Verarbeitung der eigenen Erzeugnisse zum Gegenstand haben und sich nicht als selbständige, von der Land-(Forst )Wirtschaft getrennt verwaltete Wirtschaftskörper darstellen, ferner die Hilfsbetriebe, die der Herstellung und Instandhaltung der Betriebsmittel für den land-(forst-)wirtschaftlichen Hauptbetrieb dienen. In diesem Rahmen zählen zur land- und forstwirtschaftlichen Produktion die Hereinbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte einschließlich des Wein- und Obstbaues, des Gartenbaues und der Baumschulen, das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung und Gewinnung tierischer Erzeugnisse sowie Jagd und Fischerei. Man kann wohl nicht davon ausgehen, daß die Klägerin ihre beiden Elefanten, selbst wenn man diese als Nutztiere bezeichnen wollte, zur Zucht, Mästung oder zur Gewinnung tierischer Erzeugnisse verwendet hat oder verwenden könnte. Auch nach § 2 Abs. 3 Z 2 der Gewerbeordnung gehört zur Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses Bundesgesetzes gleichlautend das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse. Hier hat der Gesetzgeber in den Erläuternden Bemerkungen dargelegt, daß zu den Nutztieren nicht nur die "Haustiere", Geflügel jeder Art, Bienen usw. sondern zB auch Tiere gehören, die zum Zwecke der Pelzgewinnung gehalten und gezüchtet werden. Hingegen wäre es nicht sinnvoll, die Zucht wilder Tiere wie sie von Menagerien oder Zirkusunternehmen betrieben wird, dem Bereich der Landwirtschaft zu unterstellen (Mache-Kinscher GewO FN 161 zu § 2). Daß dies noch viel weniger zutreffen kann, wenn ein exotisches Tier nur zur Schaustellung und zum Vergnügungsreiten für Kinder verwendet wird, bedarf keiner weiteren Erörterungen und ergibt sich schon aus der gesonderten Anführung der ebenso wie die Land- und Forstwirtschaft und deren Nebenbetriebe von der Gewerbeordnung ausgenommenen Tätigkeiten in § 2 Abs. 1 Z 17 (.... Unternehmen öffentlicher Belustigungen und Schaustellungen aller Art). Daran vermag nichts zu ändern, daß diese Tätigkeiten neben einer Landwirtschaft betrieben und teilweise aus den landwirtschaftlichen Produkten finanziert werden. Unter dem Versicherungsschutz der Unfallversicherung nach dem BSVG stehen nur Verrichtungen, die der Erhaltung oder Verbesserung der Organisation des landwirtschaftlichen Betriebes dienen, soferne solche Verrichtungen üblicherweise von Landwirten selbst, d.h. unter ihrer eigenen Leitung und mit von ihnen herangezogenen Hilfskräften durchgeführt werden. Der Schutz endet bereits, wenn ein Aufgabenkreis eines Betriebes eines anderen Geschäftszweiges (hier Schaustellung) in den Vordergrund rückt (vgl. Tomandl System 287, 288). Die Fahrt der Klägerin zur Schaustellung des Elefanten am 20. September 1986 stand daher nicht unter Unfallversicherungsschutz nach dem BSVG.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.

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