JudikaturOGH

5Ob71/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. September 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Ernst R***,

4222 Luftenberg, Statzing Nr. 58, vertreten durch Wolfgang W***, Angestellter des Mieterschutzverbandes Österreichs (Landesleitung für Oberösterreich), 4020 Linz, Museumstraße 5, gegen die Antragsgegnerin L***-Gemeinnützige Landeswohnungsgenossenschaft mbH, 4020 Linz, Garnisonstraße 22, vertreten durch Dr. Manfred Klicnik, Rechtsanwalt in Linz, wegen § 22 Abs 1 Z 7 WGG (§ 14 d WGG) infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 10. Mai 1988, GZ 18 R 310/88-15, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mauthausen vom 15. Jänner 1988, GZ Msch 10/87-11, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist Mieter (oder Nutzungsberechtigter) in dem der Antragsgegnerin gehörenden Wohnhaus in Statzing Nr. 58. Die Antragsgegnerin hebt ab 1. Oktober 1987 vom Antragsteller einen monatlichen Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag gemäß § 14 d WGG von S 459,24 ein. Dieser Betrag liegt innerhalb des durch § 14 d Abs 3 WGG normierten Rahmens. Für dieses Wohnobjekt ist der Abbruch weder bewilligt noch aufgetragen. Die Baubewilligung lag im Zeitpunkt des erstmaligen Einhebens des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages mindestens 10 Jahre zurück.

Der Antragsteller begehrte die Entscheidung, daß durch die Vorschreibung dieses Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages das höchstzulässige Entgelt ab 1. Oktober 1987 um monatlich S 459,24 überschritten wurde. Die Einhebung dieses Betrages sei unzulässig, weil notwendige Erhaltungsarbeiten bzw. nützliche Verbesserungen weder erkennbar seien noch in absehbarer Zeit notwendig würden. Die ordnungsgemäße Erhaltung des Hauses sei durch die Bauerneuerungsrückstellung gesichert.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Grund des wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhaltes das Begehren des Antragstellers ab. Die Entscheidung, ob und in welcher Höhe ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag einzuheben sei, treffe eigenverantwortlich die gemeinnützige Bauvereinigung. Das Gericht könne daher nicht prüfen, ob Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten überhaupt notwendig seien und ob nicht deren Kosten durch die Bauerneuerungsrückstellung ohnehin gedeckt seien. Die Voraussetzungen des § 14 d WGG für die Einhebung des Erhaltungsbeitrages seien dem Grunde und der Höhe nach erfüllt.

Gegen diese Entscheidung erhob der Antragsteller Rekurs. Seiner Ansicht nach müsse die Antragsgegnerin beweisen, ob überhaupt Erhaltungs- oder Verbesserungsmaßnahmen notwendig seien und daß hiefür die für die Erhaltungs- und Verbesserungsmaßnahmen nach § 14 Abs 1 Z 5 WGG eingehobenen und einzuhebenden Beträge nicht ausreichten. Die erstgerichtliche Rechtsansicht, daß die Bauvereinigung allein darüber zu entscheiden habe, ob und welcher Höhe sie einen Beitrag nach § 14 d WGG einhebe, sei unrichtig. Sollte § 14 d WGG tatsächlich in diesem Sinn ausgelegt werden müssen, dann sei er verfassungswidrig, weil durch das alleinige Entscheidungsrecht der gemeinnützigen Bauvereinigung der Anspruch des Antragsgegners auf Entscheidung durch unabhängiges und unparteiisches Gericht verletzt werde (Art. 6 MRK), durch die Beitragsleistung erst gegen Abrechnung und Überprüfung auf widmungsgemäße Verwendung nach 10 Jahren das Recht des Antragstellers auf Unverletzlichkeit seines Eigentums verletzt werde (Art. 5 StGG, Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur MRK) und schließlich der Gleichheitsgrundsatz verletzt würde (keine Pflicht zur Gleichbehandlung aller Mieter bzw. Nutzungsberechtigten eines Hauses; Entstehen völlig unterschiedlicher Preisklassen von Wohnungen allein auf Grund einer willkürlichen Vorschreibung durch die gemeinnützige Bauvereinigung).

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Es billigte die erstgerichtliche Rechtsansicht betreffend die Auslegung des § 14 d Abs 1 WGG. Es hatte keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der den Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag betreffenden Vorschriften des WGG, weil

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt. Der Oberste Gerichtshof hat keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der für diese Entscheidung präjudiziellen Bestimmungen des § 14 d WGG.

1. Zur Auslegung des § 14 d Abs 1 WGG:

Der Oberste Gerichtshof legte § 45 Abs 2 Satz 1 MRG, dessen Regelung derjenigen des § 14 d Abs 1 Satz 1 WGG - mit Ausnahme der Maßgeblichkeit eines bestimmten Zeitpunktes der erteilten Baubewilligung - entspricht, so aus, daß die Einhebung von Erhaltungsbeiträgen auf einer eigenverantwortlichen Entscheidung des Vermieters beruhe. Er sei nicht verpflichtet, von vornherein bekannt zu geben, welche Erhaltungsarbeiten seiner Ansicht nach voraussichtlich erforderlich sein würden. Im Fall einer Fehleinschätzung habe er die gesetzlichen Folgen zu tragen (5 Ob 117/86; 5 Ob 105/87).

Der Oberste Gerichtshof ist nicht veranlaßt, bei Auslegung der entsprechenden Bestimmung des WGG einen anderen Maßstab anzulegen.

§ 14 d Abs 1 WGG gestattet der Bauvereinigung die Einhebung eines Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages in dem in § 14 d Abs 3 WGG beschriebenen Ausmaß zu einem bestimmten Zweck, ohne zu verlangen, daß die tatsächliche Verwendung der einzuhebenden Mittel schon im Zeitpunkt der Einhebung für konkrete Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten feststehen müsse. Die Diktion des § 14 d Abs 1 WGG gestattet der Bauvereinigung die Einhebung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages unter bestimmten dort genannten Bedingungen (Argument: ".... sofern der Miet- und Nutzungsgegenstand ..."), wobei gleichzeitig der Grund für diese Regelung angeführt wird (Argument: "im Interesse einer rechtzeitigen und vorausschauenden Sicherstellung ..."). Die normative Ausgestaltung dieser für den Gesetzgeber maßgebenden Begründung für die Zulässigkeit der Einhebung eines Erhaltungsbeitrages erfolgt allerdings erst in anderen Bestimmungen des WGG (z.B. Rückzahlungspflicht laut § 14 d Abs 7 WGG).

2. Zu geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken:

Der Antragsteller bezweifelt die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 14 d WGG, weil infolge der Einseitigkeit der Festsetzung des Erhaltungsbeitrages durch die gemeinnützige Bauvereinigung sein Recht auf ein gerichtliches Verfahren in Zivilsachen verletzt würde (Art. 6 Abs 1 MRK), wegen des möglicherweise 10 Jahre dauernden unberechtigten Vermögenstransfers vom Antragsteller auf die gemeinnützige Bauvereinigung der Antragsteller in dem verfassungsrechtlichen geschützten Eigentumsrecht verletzt würde (Art. 5 StGG; Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur MRK) und weil schließlich wegen der Möglichkeit der Einhebung unterschiedlich hoher Erhaltungsbeiträge der Gleichheitsgrundsatz verletzt würde.

Der Oberste Gerichtshof teilt die vom Antragsteller in der Rechtsmittelschrift ausführlich dargestellten Bedenken aus folgenden Erwägungen nicht:

§ 14 d WGG ist eine Bestimmung des materiellen Rechtes, welche einen Teil der zwischen der gemeinnützigen Bauvereinigung und dem Wohnungsbenützer bestehenden gegenseitigen Rechte und Pflichten regelt, ähnlich der vergleichbaren Bestimmung des § 45 Abs 2 MRG betreffend die diesbezüglich gegenseitigen Rechte und Pflichten zwischen Vermieter und Mieter. Ob sich ein Vertragsteil - im gegenständlichen Fall die gemeinnützige Bauvereinigung - normgerecht verhält, d.h., ob ihr Begehren auf Erbringung bestimmter Geldleistungen (hier: Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag) den Normen des materiellen Rechte entspricht, kann aber von der sich beschwert erachtenden Partei in dem hiefür vorgesehenen außerstreitigen Verfahren geltend gemacht werden. Ein Widerspruch der Bestimmung des § 14 d WGG gegen Art. 6 MRK, wonach jedermann Anspruch darauf hat, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat, gehört wird, ist daher nicht erkannbar. Art. 6 MRK soll gewisse verfahrensrechtliche Garantien für Streitigkeiten über zivilrechtliche Ansprüche bieten, nicht aber die materiellrechtliche Ausgestaltung zivilrechtlich zu beurteilender Rechte und Pflichten normieren.

Ebenso wie das Mietrechtsgesetz enthält auch das WGG Bestimmungen zum Schutz des Mieters (Nutzungsberechtigten), die sich als Beschränkung des Eigentums des Vermieters (der gemeinnützigen Bauvereinigung) darstellen. § 14 d WGG mildert nun die nach der früheren Regelung bestandenen Eigentumsbeschränkungen dadurch, daß der Vermieter (gemeinnützige Bauvereinigung) weitere Gegenleistungen vom Mieter (Nutzungsberechtigten) begehren darf. Während aber der Vermieter (gemeinnützige Bauvereinigung) wegen der gleichfalls eine Eigentumsbeschränkung darstellenden Beschränkung der Kündigungsgründe an das Vertragsverhältnis gebunden bleibt, kann der Mieter (Nutzungsberechtigte) das Vertragsverhältnis ohne Beschränkung auf gewisse Gründe beenden, so daß er sich nicht jeder vom Vermieter begehrten Gegenleistung, die dieser im Rahmen der gesetzlichen Begrenzungen verlangen kann, aussetzen muß. Von einer Enteignung kann daher bei der hier allein maßgebenden juristischen Betrachtungsweise dann keine Rede sein, wenn ein Vertragsteil im Falle eines Dauerschuldverhältnisses eine Gegenleistung zu erbringen hat, der er sich durch Beendigung dieses Vertragsverhältnisses entziehen könnte. Die in § 22 Abs 8 WGG normierte Rückforderungsberechtigung desjenigen, der im Zeitpunkt der Fälligkeit des Rückforderungsanspruches Mieter oder Nutzungsberechtigter des Mietgegenstandes ist, muß in diesem Verfahren auf ihre verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit nicht untersucht werden, weil sie in der hier zu entscheidenden Rechtssache vom Obersten Gerichtshof nicht anzuwenden ist. Da nicht widmungsgemäß verbrauchte Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge samt angemessener Verzinsung zurückzuerstatten sind, verfängt die auf dem Unterschied zwischen tatsächlich erzielten und gesetzlichen Zinsen beruhende Argumentation des Antragstellers nicht.

Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch den Gesetzgeber liegt nicht vor, wenn er in privatrechtlichen Normen die Vertragsteile nicht verpflichtet, im Falle gleichgearteter Sachverhalte auch Verträge gleichen Inhaltes abzuschließen oder wenn er es einem Vertragsteil freistellt, ihm gebührende Leistungen nicht von jedem anderen Vertragsteil zu begehren. Selbst wenn aber im Einzelfall eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes auch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes darstellen könnte, wäre damit für den Antragsteller nichts gewonnen. Obwohl nämlich der Gesetzgeber - wie schon das Rekursgericht zutreffend ausführte - in § 14 d WGG im Gegensatz zu § 45 Abs 3 MRG kein ausdrückliches Gleichheitsgebot normierte, ließe sich ein solches - für den Fall der Erforderlichkeit zweck verfassungskonformer Auslegung des Gesetzes - aus dem Kostendeckungsprinzip des § 13 Abs 1 WGG ableiten (vgl. Würth-Zingher, MRG2 Anm. 1 d zu § 14 d WGG). Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

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