1Ob612/88 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache Elfriede B***, geb. 12. Jänner 1940, Erzherzog Eugen- Straße 19 a/II, 5020 Salzburg, infolge Revisionsrekurses der Sachwalterin Elfriede L***, Verein für Sachwalterschaft, Geschäftsstelle Salzburg, Mühlbacherhofweg 4, 5020 Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 28. April 1988, GZ 22 a R 14/88-40, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 11. Jänner 1988, GZ 4 SW 37/86-28, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird dahin Folge gegeben, daß aus dem erstinstanzlichen Beschluß der an die Sachwalterin erteilte Auftrag, der Betroffenen den Sachwalterbestellungsbeschluß vom 29. Dezember 1987, GZ. 4 SW 37/86-26, persönlich auszufolgen und darüber mit einer schriftlichen Bestätigung zu berichten, zu entfallen hat.
Text
Begründung:
Das Erstgericht stellte den Sachwalterbestellungsbeschluß vom 29. Dezember 1987 nur der darin bestellten Sachwalterin zu, übermittelte dieser aber mit dem Beschluß vom 11. Jänner 1988 (ON 28) eine weitere (für die Betroffene bestimmte) Beschlußausfertigung mit dem Auftrag, "binnen 8 Tagen der Betroffenen diese Beschlußausfertigung erforderlichenfalls unter Beiziehung eines Arztes iS des § 246 Abs 2 AußStrG mündlich zu erläutern und sodann persönlich auszufolgen und darüber mit einem beiliegenden Formblatt (Bestätigung über die schriftlich bestätigte persönliche Ausfolgung des Beschlusses an die Betroffene) zu berichten".
Die Sachwalterin erhob dagegen Rekurs. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte den Beschluß vom 11. Jänner 1988 im wesentlichen mit der Begründung, die Zustellvorschrift des § 246 Abs 1 AußStrG sei als Einheit mit der Erläuterungsvorschrift des Abs 2 aufzufassen, so daß der vom Erstgericht an die Sachwalterin erteilte Auftrag zur persönlichen Ausfolgung des Sachwalterbestellungsbeschlusses an die Betroffene gegen entsprechende Bestätigung nicht etwa die Sachwalterin zum Zustellorgan des Gerichtes mache, sondern eine "sachgerechte, vernünftige, der Schutzfunktion des Gesetzes entsprechende und auch handhabbare Lösung" darstelle.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Sachwalterin ist zulässig und berechtigt.
Der Aufgabenkreis eines Sachwalters für behinderte Personen ist gesetzlich insbesondere durch § 273 Abs 3 ABGB und soweit er die Erläuterung des Sachwalterbestellungsbeschlusses umfaßt, durch § 246 Abs 2 AußStrG determiniert. Die Besorgung der Zustellung des Sachwalterbestellungsbeschlusses an den Betroffenen fällt nicht in den Aufgabenkreis eines Sachwalters; vielmehr ist im § 246 Abs 1 AußStrG ausdrücklich geregelt, daß der Beschluß über
die Bestellung des Sachwalters dem Betroffenen zu e i g e n e n
H a n d e n zuzustellen ist. Gemäß § 6 AußStrG, § 87 Abs 1 ZPO
hat daher in aller Regel die Zustellung nach § 21 ZustG zu erfolgen. Dem Revisionsrekurs ist darin beizupflichten, daß die eigenhändige Zustellung (= Übergabe der Beschlußausfertigung) des Sachwalterbestellungsbeschlusses an den Betroffenen nicht in den Aufgabenkreis des Sachwalters fällt. Ein derartiger Gerichtsauftrag berührt daher die materiell-rechtliche Position des Sachwalters, der nicht Vollzugsorgan des Gerichtes ist, in offenbar gesetzwidriger Weise. Die Bestimmung des § 7 ZustG soll im übrigen zwar in manchen Fällen Zustellmängel heilen, aber nicht dem Gesetz nicht entsprechende Zustellvorgänge eröffnen. Der der ausdrücklichen gegenteiligen gesetzlichen Anordnung des § 246 Abs 1 AußStrG widersprechende Auftrag des Erstgerichtes ist daher ersatzlos aufzuheben.