10ObS27/87 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johann Herbst und Reinhold Ludwig als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Matthias L***, Margetinstraße 8/12, 1110 Wien, vertreten durch Dr. Rudolf Müller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***,
Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1020 Wien, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Höhe der vorzeitigen Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 1987, GZ 33 Rs 27/87-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Wien in Wien vom 9. Dezember 1986, GZ 18 b C 168/86-11 (18 b Cgs 168/86 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien), bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Arbeits- und Sozialgericht Wien zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit Bescheid vom 27. Juni 1986 anerkannte die beklagte Partei den Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit und setzte die monatliche Pensionsleistung unter Zugrundelegung von 342 Versicherungsmonaten, die der im Jahr 1956 aus Ungarn nach Österreich geflüchtete Kläger in Österreich erwarb, mit S 9.168,70 und den Beginn der Leistung mit 1. Juli 1986 fest. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage. Die beklagte Partei habe zu Unrecht von ihm in Ungarn zurückgelegte Versicherungszeiten nicht berücksichtigt. Er sei von 1938 bis 1945 als Lehrling und Geselle in der Schmiedewerkstatt seines Vaters tätig gewesen, sei als Volksdeutscher 1945 nach Rußland verschleppt worden, wo er bis 1948 als Zivilist gearbeitet habe und habe nach seiner Rückkehr nach Ungarn vom 1. Jänner 1949 bis Dezember 1956 als Schmiedegeselle bei der Firma C*** gearbeitet.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Der Kläger sei im Zug der Ereignisse des Jahres 1956 nach Österreich geflüchtet. Er erfülle daher nicht die Voraussetzungen des § 2 ARÜG, sodaß in Ungarn zurückgelegte Versicherungszeiten nicht zu berücksichtigen seien.
Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. Unter Volksdeutschen im Sinn des § 2 ARÜG seien nur Heimatvertriebene deutscher Sprachzugehörigkeit zu verstehen, die im Zug der Kriegs- oder Nachkriegsereignisse wegen der ihnen aus ihrer deutschen Sprachzugehörigkeit erwachsenen Schwierigkeiten ihre Heimat verlassen hätten oder zum Verlassen der Heimat gezwungen worden seien. Die Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe allein reiche nach der Judikatur zur Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen des § 2 ARÜG nicht aus.
Das Oberlandesgericht Wien gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die Anwendung der Bestimmungen des § 2 ARÜG, der den persönlichen Geltungsbereich regle bilde keine Schwierigkeiten, wenn es sich um Leistungswerber handle, die sich an den dort genannten Tagen (11. Juli 1953, 1. Jänner oder - richtig - 27. November 1961) im Gebiet der Republik Österreich nicht nur vorübergehend aufgehalten, vor dem 27. November 1961 Versicherungszeiten in Territorien der im § 1 Abs 3 ARÜG genannten Staaten erworben hätten und bereits an einem der genannten Tage deutsche oder österreichische Staatsbürger gewesen seien. In diesen Fällen komme es nicht darauf an, ob es sich bei diesen Personen um "Volksdeutsche" handle. Ausschlaggebend sei nur, daß es diesen Personen gelungen sei bis zu diesen Tagen über eine der beiden Staatsbürgerschaften zu verfügen. Zu untersuchen seien nur die Fälle jener Leistungswerber, die sich an den maßgeblichen Tagen nicht nur vorübergehend im Gebiet der Republik Österreich aufgehalten hätten, und als "Volksdeutsche (Personen deutscher Sprachzugehörigkeit die staatenlos sind oder deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist)" anzusehen seien. Ob und wann dieser Personenkreis die österreichische Staatsbürgerschaft erworben habe, sei ohne Belang. Diese Personen müßten an dem nach § 223 Abs 2 ASVG in Betracht kommenden, - durch den Pensionsantrag ausgelösten - Stichtag als Volksdeutsche anzusehen seien. Diese Volksdeutscheneigenschaft müsse jedenfalls zur Zeit der Vertreibung, der Flucht oder der Auswanderung bestanden haben, sie könne nicht später begründet werden. Das ARÜG enthalte keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, aus welchen Gründen diese "Volksdeutschen" vor den drei genannten Terminen die in § 1 Abs 3 ARÜG angeführten Gebiete anderer Staaten verlassen haben müssen um die Übernahme der in diesen Staaten vor dem 27. November 1961 erworbenen Pensionsansprüche durch den österreichischen Pensionsversicherungsträger erwirken zu können. Die im § 2 Abs 2 ARÜG genannten 3 "Stichtage" orientierten sich nach Daten, die in zwischenstaatlichen Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland von Relevanz seien. Es sei davon auszugehen, daß dem Gesetzgeber des ARÜG sowohl die Regelungen der zwischenstaatlichen Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland (des ersten und zweiten Abkommens über Sozialversicherung sowie des Finanz- und Ausgleichsvertrages), die bis dahin erlassenen österreichischen Sozialversicherungsvorschriften, das mit 1. Mai 1956 in Kraft getretene ASVG, sowie das ab 1. Jänner 1958 in Kraft getretene GSPVG und das LZVG - sowie die bis dahin eingetretenen "Nachkriegsereignisse" wie etwa die mit den Ungarnflüchtlingen des Jahres 1956 zusammenhängenden sozialversicherungsrechtlichen Probleme bekannt gewesen seien. So sei die Ersatzzeitenregelung der §§ 62 Abs 6 GSPVG und 60 Abs 6 LZVG (bzw. §§ 116 Abs 6 GSVG und 107 Abs 2 BSVG) die darauf abstellten, daß sich die Leistungswerber am 11. Juni 1953 nicht nur vorübergehend im Gebiet der Republik Österreich aufgehalten hätten bis heute nicht an die beiden weiteren im Jahre 1961 gelegenen "Stichtage" des ARÜG angeglichen worden. Das Notstandshilfegesetz 1951, die Volksdeutschengesetzgebung 1952, die Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland über Sozialversicherung bzw. soziale Sicherheit sowie weitere multilaterale Verträge und Gesetze, schließlich die im GSPVG bzw. im LZVG vorgesehenen Ersatzzeitenregelungen und die den Gesetzgeber leitenden Beweggründe (Erl. Bem. zu § 62 Abs 6 des Entwurfes des GSPVG, 343 BlgNR 8.GP, 58) sowie der Hinweis in den Erl. Bem. zu § 2 ARÜG (327 BlgNR 9.GP, 13), wonach die Regelung des § 62 Abs 6 GSPVG als Vorbild gedient habe, hätten der Rechtsprechung die Handhabe geboten, den Begriff des "Volksdeutschen (Person deutscher Sprachzugehörigkeit)" näher zu interpretieren. Die Entstehungsgeschichte zeige, daß im ARÜG unter Volksdeutschen die Heimatvertriebenen deutscher Sprachzugehörigkeit zu verstehen seien, die im Zug der Kriegs- und Nachkriegsereignisse wegen der ihnen aus ihrer deutschen Sprachzugehörigkeit erwachsenen Schwierigkeiten ihre Heimat verlassen hätten oder verlassen hätten müssen. Dies treffe auf den Kläger nicht zu, der 11 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nach Österreich eingewandert sei, auch wenn er als Angehöriger des Jahrganges 1925 in Ungarn Schwierigkeiten im Zusammenhang mit seiner deutschen Sprachzugehörigkeit gehabt haben sollte. Es sei nicht die Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe entscheidend, sondern daß es sich bei ihm um keinen "Heimatvertriebenen" im aufgezeigten Sinn gehandelt habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinn des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages berechtigt.
Gemäß § 1 Abs 1 ARÜG regelt dieses Bundesgesetz unter anderem, ob und inwieweit in der Österreichischen Pensionsversicherung Rentenansprüche und Versicherungszeiten, die vor dem 27. November 1961 in Rentenversicherungen anderer Staaten (§ 1 Abs 3 - hiezu zählt auch Ungarn) nach dem Recht dieser Staaten erworben wurden, zu berücksichtigen sind. Die Regelung des § 1 gilt gemäß § 2 Abs 1 lit a leg. cit unter anderem für Personen, die sich am 11. Juli 1953, am 1. Jänner 1961 oder am 27. November 1961 im Gebiet der Republik Österreich nicht nur vorübergehend aufgehalten haben und an dem danach in Betracht kommenden Tag entweder österreichische oder deutsche Staatsangehörige waren oder als Volksdeutsche (Personen deutscher Sprachzugehörigkeit, die staatenlos sind oder deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist) anzusehen sind. Unbestritten ist, daß der Kläger zu den in § 2 Abs 1 lit a genannten Zeitpunkten die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besaß, und daß er sich im Jahre 1961 nicht nur vorübergehend im Gebiet der Republik Österreich aufgehalten hat. Wesentlich ist daher die Frage, ob der Kläger als Volksdeutscher im Sinn des Gesetzes anzusehen ist. Das Berufungsgericht hat dies mit der Begründung verneint, daß als Volksdeutsche nur Personen anzusehen seien, die im Zug der Kriegs- und Nachkriegsereignisse wegen der ihnen aus ihrer deutschen Sprachzugehörigkeit erwachsenen Schwierigkeiten ihre Heimat verlassen hätten oder hätten verlassen müssen. Da der Kläger seine Heimat erst 11 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verlassen habe, handle es sich bei ihm nicht um einen Heimatvertriebenen. Damit seien die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit a ARÜG nicht erfüllt.
Für eine derart einschränkende Auslegung des Begriffes "Volksdeutsche" bietet das Gesetz jedoch keine Grundlage. Der Begriff "Volksdeutsche" wird in der Gesetzgebung nicht näher definiert, vielmehr vorausgesetzt. Er findet sich in der österreichischen Gesetzgebung seit dem Notstandshilfegesetz 1951, BGBl. 70/1951. Im § 1 dieses Gesetzes werden die Bestimmungen über die Gewährung der Notstandshilfe auf "Personen deutscher Sprachzugehörigkeit (Volksdeutsche), die staatenlos sind und deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist", ausgedehnt. Im ARÜG findet sich, wenn auch in etwas modifierter Form "Volksdeutsche (Personen deutscher Sprachzugehörigkeit)" eine gleichartige Definition. Auch in anderen Gesetzen wurde mehrfach diese Umschreibung übernommen. Eine genaue Begriffsbestimmung läßt sich hieraus nicht ableiten. Im Sprachgebrauch versteht man unter "Volksdeutsche" allgemein die in den im § 1 Abs 3 ARÜG genannten Ländern ansässigen Bewohner deutscher Herkunft, die sich sowohl bezüglich Sprache als auch Kultur häufig über Generationen hinaus die Zugehörigkeit zum ursprünglichen Herkunftsland bewahrt hatten. Auch § 62 Abs 6 GSPVG und § 60 Abs 6 LZVG (nunmehr § 116 Abs 6 GSVG und § 107 Abs 2 BSVG), verwenden im Zusammenhang mit dem Begriff "Volksdeutsche" dieselbe Wortfolge wie § 2 (1) lit a ARÜG, stellen allerdings darüber hinaus noch weitere Voraussetzungen für die in diesen Bestiumdngen vorgesehenen Ersatzzeitenregelungen auf. Aus der Fassung des § 62 Abs 6 GSPVG (entsprechendes gilt auch für die anderen oben angeführten Gesetze) - auszugsweise lit a - "daß sie sich am 11. Juli 1953 im Gebiet der Republik Österreich nicht nur vorübergehend aufgehalten haben und an diesem Tag entweder österreichische Staatsangehörige waren oder als Volksdeutsche (Personen deutscher Sprachzugehörigkeit, die staatenlos sind oder deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist) anzusehen sind;" lit b "daß sie als Volksdeutsche im Sinn der lit a anzusehen sind, ferner daß ihnen die Einreise nach Österreich bis zum 11. Juli 1953 bewilligt wurde....." ergibt sich, daß damit nicht eine Definition des Begriffes "Volksdeutsche" (über den Klammerausdruck "Personen deutscher Sprachzugehörigkeit, die staatenlos sind und deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist") hinaus - vorgenommen wurde. Nach dem Wortlaut des Gesetzes soll die dort bezeichnete Ersatzzeitenregelung nur zur Anwendung kommen, wenn die betreffende Person Volksdeutscher ist und die weiter dort normierten Voraussetzungen zutreffen. Daraus ergibt sich, daß nach den Vorstellungen des Gesetzgebers der Begriff "Volksdeutsche" einen weiteren Personenkreis umfaßt, als den für den die Ersatzzeitenregelung des § 62 Abs 2 GSPVG getroffen wurde. Eine einschränkende Definition des Begriffes "Volksdeutscher" läßt sich hieraus nicht ableiten. Diese in § 62 Abs 6 getroffene zusätzliche Einschränkung innerhalb des Begriffes "Volksdeutscher" (Stichzeitpunkt 11. Juli 1953) ist jedoch in § 2 Abs 1 lit a ARÜG nicht enthalten. Allein der Umstand, daß in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum ARÜG (327 BlgNR 9.GP, 13) der Hinweis enthalten ist, § 62 Abs 6 GSVG habe als Vorbild für die Regelung des § 2 ARÜG gedient, rechtfertigt nicht die Übernahme von in diesem Gesetz ausdrücklich getroffenen einschränkenden Bestimmungen innerhalb des Begriffes "Volksdeutsche" zur Auslegung des Begriffes "Volksdeutsche" im Sinn des derartige Einschränkungen nicht enthaltenden § 2 Abs 1 lit a ARÜG, zumal die Stichtagsregelung des § 62 Abs 6 GSPVG, auf die das Berufungsgericht seine Argumentation stützt in § 2 Abs 1 lit a ARÜG einen völlig anderen Inhalt hat. Das Anmeldegesetz und die dazu ergangene Literatur bieten keine geeignete Interpretationshilfe, da dort der Begriff "Volksdeutsche" nicht vorkommt. Geregelt werden in diesem Gesetz die Anmeldung von Sachschäden, die Umsiedlern oder Vertriebenen entstanden sind. Die vom Berufungsgericht zitierte Literaturstelle befaßt sich mit dem Begriff "Vertriebene", der nicht mit dem Begriff "Volksdeutsche" gleichgestellt werden kann. Die Entstehung des ARÜG ist unmittelbar mit den Verhandlungen und dem Abschluß des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Regelung von Schäden der Vertriebenen, Umsiedler und Verfolgten, über weitere finanzielle Fragen und Fragen aus dem sozialen Bereich (Finanz- und Ausgleichsvertrag) BGBl. 283/1962 verbunden. Nachdem die Frage der Behandlung von sozialversicherungsrechtlichen Leistungsansprüchen und Anwartschaften, die aus Versicherungen mit dem Beschäftigungsort (bei freiwilliger Versicherung mit dem Wohnort) außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich herrührten, ursprünglich Gegenstand von Staatsverträgen zwischen diesen Staaten war (erstes und zweites AbkSozSi BRD), kamen beide Seiten letztlich überein, daß es zweckmäßiger wäre, den gegenständlichen Rechtskomplex durch die beiderseitige innerstaatliche Gesetzgebung zu regeln. Entsprechend einer Entschließung des Nationalrates und des Bundesrates aus dem Jahr 1956 und der übereinstimmenden Meinung der Delegationen der beiden Staaten wurde im Oktober 1960 die Regierungsvorlage Nr. 327 BlgNR IX.GP betreffend das Bundesgesetz über Leistungsansprüche und Anwartschaften in der Pensionsversicherung (Rentenversicherung) und Unfallversicherung aufgrund von Beschäftigungen im Ausland (Auslandsrentenübernahmegesetz-ARÜG) im Nationalrat eingebracht. Als im Oktober 1961 die Verhandlungen über den Finanz- und Ausgleichsvertrag soweit fortgeschritten waren, daß sich deren Ergebnis ungefähr abzeichnete, wurden die Ausschußberatungen über diese Regierungsvorlage wieder aufgenommen. Am 17. November 1961 legte der Ausschuß für soziale Verwaltung dem Nationalrat einen vollständig umgearbeiteten Gesetzestext vor. Das Gesetz wurde am 22. November 1961 beschlossen. Kurz danach, am 27. November 1961, wurde in Bonn der erwähnte Finanz- und Ausgleichsvertrag unterzeichnet. Am Tag der Unterzeichnung des Vertrages, am 27. November 1961 wurden auch Noten des Außenministers der Bundesrepublik Deutschland und des österreichischen Botschafters in Bonn ausgetauscht, in denen die von Österreich hinsichtlich der Übernahme von Leistungsansprüchen und Anwartschaften der Pensionsversicherung (Rentenversicherung) und der Unfallsversicherung aufgrund von Beschäftigungen im Ausland zu treffende gesetzliche Regelung näher festgelegt wurde (BGBl. 283/1962). Der vom Nationalrat beschlossene Text des ARÜG bedurfte zur vollen Anpassung an die Regelung, die Österreich nach dem Notenwechsel zu treffen hatte, noch gewisser Änderungen. Auch mußte noch die Tragung der aus der Durchführung des Gesetzes den Versicherungsträgern erwachsenden Belastungen geregelt werden. Dies geschah mit dem Bundesgesetz vom 5. April 1962, BGBl. 114/62 mit dem das ARÜG ergänzt wurde (Gehrmann-Rudolph-Teschner ASVG III, N 4, 41. Erglfg). Der Inhalt der Noten bestimmte daher wesentlich das ARÜG. Auch dort findet sich jedoch ebensowenig wie in der Regierungsvorlage zum ARÜG eine Definition des Begriffes "Volksdeutsche", allerdings auch kein Anhaltspunkt, der eine Einschränkung dieses Begriffes auf Personen zuließe, die im unmittelbaren Zusammenhang mit den Kriegs- und Nachkriegsereignissen ihre Heimat verlassen haben. Der erkennende Senat schließt sich der von Müller (DRdA 1985, 20 ff insbesonders 28) vertretenen Ansicht an, daß sich zur Interpretation des Begriffes "Volksdeutsche" im Sinn § 2 Abs 1 lit a ARÜG am ehesten die in Anlage 1 Punkt B Abs 5 zum Finanz- und Ausgleichsvertrag, BGBL. 283/1962 gegebene Definition (dort für den Begriff "deutsche Volkszugehörige") eignet. Volksdeutsche sind demnach Personen, die in ihrer Heimat nach bestimmten Merkmalen wie Abstammung, Erziehung, Sprache, Kultur zur deutschen Volksgruppe gerechnet wurden. Dies entspricht auch der Bedeutung dieses Wortes im Sprachgebrauch. Eine darüber hinausgehende Einschränkung des persönlichen Geltungsbereiches des ARÜG läßt sich, abgesehen von den in § 2 Abs 1 lit a getroffenen Stichtagsregelungen, aus dem Gesetz nicht entnehmen. Auch die Tatsache, daß in § 1 Abs 1 Z 1 lit a ARÜG die Berücksichtigung von Rentenansprüchen und Versicherungszeiten aus den im § 1 Abs 3 genannten Staaten bis 27. November 1961 vorgesehen wird, spricht dagegen, den Begriff in dem vom Berufungsgericht verstandenen einschränkenden Sinn auszulegen, da damit, worauf die Revision zutreffend verweist, § 1 Abs 1 Z 1 lit a ARÜG, zumindest für die Jahre 1953 bis 1961 hinsichtlich der Volksdeutschen inhaltslos wäre. Wesentlich ist daher die Frage, ob der Kläger als Volksdeutscher im dargestellten Sinn anzusehen ist und bejahendenfalls, welche Versicherungszeiten er vor seiner Ausreise in Ungarn erworben hat. Die Entscheidungen der Vorinstanzen enthalten keine Feststellungen zu diesen Fragen. Das Verfahren erweist sich daher aus diesem Grund ergänzungsbedürftig.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.