7Ob726/87 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dkfm. Peter K***, Kaufmann, und 2.) Johann-Ulrich K***, Kaufmann, beide Wien 18, Weimarerstraße 22, beide vertreten durch Dr. Ludwig Hötzl und Dr. Manfred Michalek, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Parfümerie R***, E, K*** KG, Wien 1, Kärntnerstraße 22, und 2.) Margarete K***, Gesellschafterin, Wien 18, Edelhofgasse 3, beide vertreten durch Dr. Peter Prenner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 6,600.000,-- s.A., infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 10.September 1987, GZ 3 R 23/87-14, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 13.November 1986, GZ 14 Cg 76/86-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit S 33.340,97 (darin enthalten S 3.031,-- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 18.7.1973 schlossen die Erstbeklagte und ihre Gesellschafter, darunter die Eheleute Eugen und Margarete (die Zweitbeklagte) K***, mit den Klägern, den Söhnen des Eugen K***, einen Vertrag, mit die die Erstbeklagte den Klägern für den Fall des Ablebens der Margarete K*** nach ihrem Ehemann Eugen K*** das Recht einräumte, "die Unternehmungen am Standort Kärntnerstraße 22 (Parfümerie R***) und Kärntnerstraße 2 (Parfümerie P***) zum "Verkehrswert" zu übernehmen", bei dessen Ermittlung der "Firmenwert (Goodwill)" allerdings nicht veranschlagt werden sollte (Art.1). Die Erstbeklagte sollte auch von sich aus diese Übernahme von den Klägern verlangen können (Art.2). Das Recht, "diese Unternehmungen" anderweitig zu veräußern wurde ausdrücklich ausgeschlossen, falls die Betriebe nicht vorher den Klägern zur Übernahme im Sinne des Art.2 des Vertrages angeboten wurden (Art.3). Für den Fall der Verletzung dieser Bestimmung verpflichtete sich die Erstbeklagte mit ihren Gesellschaftern zur ungeteilten Hand, an die Kläger je zur Hälfte eine nicht dem richterlichen Mäßigungsrecht unterliegende Konventionalstrafe in der Höhe des vollen Verkaufserlöses zu entrichten. Das Verkaufsverbot sollte jedoch erst mit dem Ausscheiden des Eugen K*** aus der Gesellschaft wirksam werden.
Am 8.11.1979 starb Eugen K***. Damals war die Erstbeklagte schwer verschuldet. In dem Testament vom 26.7.1979 heißt es unter anderem:
"Meine Frau Margarete K*** erhält.....von meiner Kommanditeinlage in der Parfümerie R*** E. K*** KG in der Höhe von S 160.000,-- weitere S 100.000,-- auf ihren Anteil dazu, sodaß ihre Anteile insgesamt S 340.000,-- betragen werden. Die restlichen S 60.000,-- soll mein Sohn Peter K*** erhalten, damit die Kommanditgesellschaft aufrecht erhalten bleiben kann. Ich empfehle meinen Erben, die P*** zu verkaufen und mit dem Erlös die Zahlungsverpflichtungen, wie Schulden zu tilgen, vorausgesetzt, daß der Verkauf nicht schon früher erfolgte....
Der Betrieb E. K*** Gesellschaft mbH Co KG ist durch Verträge abgesichert und ist lediglich zu klären, ob meine Frau Margarete K*** weiterhin Kommanditistin über die R*** KG bleiben will, oder ein Modus Vivendi gefunden wird, der keinen der Beteiligten benachteiligt. Ich appeliere an meinen Sohn Peter in jeder Hinsicht fair gegenüber meiner Frau zu sein."
Nach dem Tod des Eugen K*** gingen die Zweitbeklagte und die Kläger daran, die einzelnen Firmen, nämlich die Erstbeklagte, die Eugen K*** Gesellschaft mbH Co KG und die Komplementärgesellschaft zu entflechten. Sie beabsichtigten durch einen Vertrag alle wechselseitigen Ansprüche abzugelten und auszuschließen. Mit dem Vertrag sollte aber nicht nur die vermögensrechtliche Abgrenzung erreicht werden. Jeder (Vertragsteil) sollte mit seinem Teil der Vermögensmasse auch tun und lassen können, was er wollte.
Am 2.6.1981 vereinbarten die Zweitbeklagte und die Kläger die Erbteilung. Nach Ausarbeitung und Korrektur der Unterlagen schlossen sie im Verlassenschaftsverfahren in Ansehung des gesamten Nachlasses nachstehendes Erbübereinkommen:
"Im Rahmen dieses Erbenübereinkommens wird von einer direkten oder indirekten wechselseitigen Beteiligung der unter "Geschäftsvermögen" in Position 5 des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses angeführten jeweils beim Handelsgericht Wien zu den nachfolgenden Daten registrierten Firmen unter nachstehender Maßgabe Abstand genommen:
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Mit dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügen die Kläger in Wahrheit eine unrichtige rechtliche Beurteilung, so daß auf diese Revisionsausführungen erst bei der Behandlung der Rechtsrüge eingegangen wird. Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Ab.3 ZPO). In der Rechtsrüge führen die Kläger im wesentlichen aus, die Bereinigungswirkung des Erbübereinkommens habe sich nur auf die Ansprüche im Verlassenschaftsverfahren, nicht aber auf die Rechte aus dem Vertrag vom 18.7.1973 erstreckt. Die Erstbeklagte habe am Erbübereinkommen nicht teilgenommen. Daher hätte dieses ihre Verpflichtung aus dem Vertrag vom 18.7.1973 nicht berühren können. Der Zweck des Optionsvertrages, mit dem der Firmengründer Eugen K*** die Erhaltung der Gesellschaften im Familienbesitz habe erreichen wollen, sei durch das Erbübereinkommen nicht beseitigt worden. Schließlich sei auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichts unzutreffend, daß das Beharren auf Zahlung der Vertragsstrafe gegen die guten Sitten verstoße. Selbst wenn dies der Fall wäre, hätte das Berufungsgericht die Vertragsstrafe auf ein vertretbares Ausmaß reduzieren müssen.
Den Revisonsausführungen ist entgegenzuhalten, daß durch Art.3 des Vertrages vom 18.7.1973 den Klägern ein als Veräußerungsverbot bezeichnetes Vorkaufsrecht im Sinne der §§ 1072 ff ABGB an den beiden zum Unternehmen der Erstbeklagten gehörenden Betrieben eingeräumt wurde, das im Sinne des § 1077 ABGB eine besondere Vereinbarung über den von den vorkaufsberechtigten Klägern zu entrichtenden (günstigen) Kaufpreis enthielt und dessen Einhaltung durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe gesichert war. Das Recht, eine Sache im Fall des beabsichtigten Verkaufs einem Vorkaufsberechtigten zur Einlösung anzubieten, kann nicht nur, wie das Wiederkaufs- und das Rückverkaufsrecht, im Zusammenhang mit einem Kauf vereinbart, sondern auch selbständig begründet werden (Bydlinski in Klang2 IV/2, 758 f, Koziol-Welser8 I 312). Gegenstand eines Vorkaufsrechts können auch bewegliche Sachen sein. Im vorliegenden Fall ist nicht strittig, daß die Beklagten als Vorkaufsverpflichtete den Klägern als Vorkaufsberechtigten aus Anlaß eines beabsichtigten Verkaufs eines Teilbetriebs nicht die Einlösung angeboten haben und die Erfüllung dieser Pflicht nicht mehr möglich ist, so daß die Kläger lediglich auf Schadenersatzansprüche verwiesen sind (vgl. dazu Koziol-Welser aaO 313 und die dort zitierte weitere Literatur).
Der Zweck des Vertrages vom 18.7.1973, den Klägern im Fall des Todes der Zweitbeklagten nach ihrem Ehemann bzw. im Falle der beabsichtigten Veräußerung des Unternehmens oder einzelner dazugehörender Betriebe deren Übernahme zu ermöglichen, ist zwar durch die Erbteilung, die die Kläger und die Zweitbeklagte im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens nach Eugen K*** vorgenommen haben, nicht weggefallen. Durch die Erbteilung wird lediglich die im Fall des Vorhandenseins mehrerer Erben bestehende Erbengemeinschaft aufgehoben (Koziol-Welser7 II 368). Erbteilungsübereinkommen sind jedoch nach den im § 914 ABGB enthaltenen Regeln auszulegen. Demnach ist dabei nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Unter Absicht der Parteien ist der Geschäftszweck zu verstehen (EvBl 1972/111; MietSlg.XXXIV/14 uva), über den der Konsens erklärt ist (EvBl 1974/220) und den jeder der vertragschließenden Teile redlicherweise der Vereinbarung unterstellen muß (SZ 53/104). Zur Erforschung der Parteienabsicht sind vor allem die Erklärungen der Parteien heranzuziehen (EvBl 1973/177). Nur die Feststellung der Willenserklärungen der Parteien ist Tatsachenfeststellung, die Auslegung der festgestellten Willenserklärungen hingegen rechtliche Beurteilung (8 Ob 528/86). Die aus einer Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen sind nicht danach zu beurteilen, was der Erklärende sagen wollte und was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern danach, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sache zu verstehen war (JBl 1986, 46 uva).
Ein Vorkaufsrecht am Unternehmen einer Kommanditgesellschaft oder Teilen davon wird zwar im allgemeinen von einem Erbübereinkommen, mit dem unter anderem Beteiligungsverhältnisse an dieser Kommanditgesellschaft geregelt werden, nicht berührt. Im vorliegenden Fall stellte das Erstgericht jedoch im Rahmen eines ausdrücklichen Vorbringens der Beklagten (AS 10) unbekämpft fest, daß das Erbteilungsübereinkommen nicht nur der Bereinigung aller wechselseitigen Ansprüche und der vermögensrechtlichen Abgrenzung diente sondern auch zu dem Zweck geschlossen wurde, daß jeder Teil mit der ihm zukommenden Vermögensmasse tun und lassen können sollte, was er wollte, sohin unbeschränkt darüber verfügen können sollte. An diese Feststellung über die sich aus den Erklärungen der vertragsschließenden Teile ergebende Parteienabsicht ist der Oberste Gerichtshof gebunden. Durch die Einräumung eines unbeschränkten Verfügungsrechtes über das Vermögen bzw. Unternehmen der Erstbeklagten an die Zweitbeklagte, das dieser bis dahin wegen des Vorkaufsrechtes der Kläger nicht zugestanden ist, enthält das Erbübereinkommen auch das Element eines schlüssigen Verzichts auf das den Klägern im Vertrag vom 18.7.1973 eingeräumte Vorkaufsrecht, für dessen Einhaltung die Zweitbeklagte die Mithaftung in Form der geltend gemachten Vertragsstrafe übernommen hat. Ein Verzicht auf eine ganze Solidarforderung wirkt aber auch für den Mitschuldner (SZ 18/184). Ein solcher auch gegenüber der Erstbeklagten wirksamer Verzicht der Kläger könnte aber nur dann angenommen werden, wenn die Zweitbeklagte aus dem Verhalten der Kläger den Schluß gezogen hätte, daß die Kläger auf ihr Vorkaufsrecht verzichten wollten (SZ 41/123 uva). Im vorliegenden Fall steht aber fest, daß die Parteien des Erbübereinkommens nicht an den Vertrag vom 18.7.1973 gedacht haben. Somit läßt sich aus der Parteienabsicht kein eindeutiger Sinn dahin ermitteln, daß die Kläger auf das ihnen eingeräumte Vorkaufsrecht verzichten hätten wollen. Bei der Auslegung nach der Übung dieses redlichen Verkehrs ist aber auch die ergänzende Vertragsauslegung zulässig. Treten nach Abschluß des Geschäfts Konfliktsfälle auf, die von den Parteien nicht bedacht und die daher nicht ausdrücklich geregelt wurden, so ist unter Berücksichtigung der übrigen Geschäftsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zwecks zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (Koziol-Welser8 I 88 mit weiteren Literatur- und Judikaturhinweisen). Nach diesen Auslegungsgrundsätzen muß im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, daß die Kläger gegenüber der Zweitbeklagten, die im Zuge der Erbteilung ein verschuldetes Unternehmen erhielt, das nach dem Vorschlag des Erblassers im Testament durch den Verkauf eines Teilbetriebs saniert hätte werden sollen, auf die Ausübung des Vorkaufsrechtes aus Anlaß des für die Sanierung der Erstbeklagten erforderlichen Verkaufes eines Teilbetriebes verzichtet hätten, um die Erzielung eines höheren als im Vertrag vom 18.7.1973 vorgesehenen Übernahmspreises zu ermöglichen. Davon ist der Zweitkläger offensichtlich auch ausgegangen, weil sonst die Namhaftmachung eines Kaufinteressenten durch ihn nicht verständlich wäre. Dieser Verzicht wäre auch gegenüber der Erstbeklagten wirksam geworden. Daß der beim Verkauf des Teilbetriebs erzielte Erlös zur Abdeckung der Verbindlichkeiten der Erstbeklagten verwendet wurde und dafür erforderlich war, ist ebenfalls unbekämpft festgestellt. Auf Grund dieser Auslegung des Erbübereinkommens können die Kläger aus dem Verkauf der Parfümerie P*** an einen Dritten, ohne daß ihnen dieser Teilbetrieb zur Übernahme angeboten worden wäre, keine Verletzung des ihnen mit dem Vertrag vom 18.7.1973 eingeräumten Vorkaufsrechtes ableiten. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 46 Abs 1, 50 ZPO.
