4Ob401/87 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kurt K***, Inhaber des S***-V***, Graz, Steyrergasse 49, vertreten durch Dr. Josef Friedrich, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklatgte Partei U*** Verlagsgesellschaft Karl R*** Gesellschaft m.b.H. Co., Graz, Laboratoriumstraße 33, vertreten durch Dr. Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 310.000,--) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 4.August 1987, GZ 2 R 153,154/87-11, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 19.Juni 1987, GZ 6 Cg 241/87-3, teilweise aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen; die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Beide Streitteile betreiben das Verlagsgewerbe. Der Kläger war vom 1.3.1980 bis zum 31.12.1985 bei der Beklagten angestellt. Jede der Parteien hat in ihrem Verlag eine "Feuerwehrchronik" herausgebracht (ON 1 und 2).
Der Kläger beantragt zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten,
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Die Frage der Zulässigkeit dieses Revisionsrekurses ist gemäß §§ 78, 402 Abs 2 EO nach den Bestimmungen der ZPO über das Rechtsmittel des Rekurses zu beurteilen.
Nach § 527 Abs 2, letzter Satz, ZPO darf das Rekursgericht einen Rechtskraftvorbehalt nur aussprechen, wenn der Rekurs nicht schon nach § 528 ZPO unstatthaft ist und es die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 ZPO für gegeben erachtet. Da der Streitwert nach dem Ausspruch des Rekursgerichtes zwar über S 15.000,--, jedoch unter S 300.000,-- liegt, ist der Revisionsrekurs nicht schon nach § 502 Abs 4 Z 2, § 528 Abs 2 ZPO zulässig. Voraussetzung für die Zulässigkeit ist vielmehr, daß die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechtes abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Gericht zweiter Instanz von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 502 Abs 4 Z 1, § 528 Abs 2 ZPO). Diese Voraussetzung liegt - entgegen der Meinung des Rekursgerichtes - hier nicht vor:
Es trifft zwar zu, daß - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage fehlt, ob und wie weit das Gericht erster Instanz im Bescheinigungsverfahren (§ 274 ZPO), insbesondere im Provisorialverfahren (§ 389 EO), auch zu weitwendigen Beweisaufnahmen verpflichtet ist. Der Oberste Gerichtshof hat lediglich mehrmals ausgesprochen, daß sich aus der Beschränkung des Bescheinigungsverfahrens auf parate Beweismittel (§ 274 ZPO) und dem summarischen Charakter dieses Verfahrens der Grundsatz ableiten läßt, daß Gegenbescheinigungsmittel nur dann aufzunehmen sind, wenn damit ein einfach gelagerter Sachverhalt glaubhaft gemacht werden soll (4 Ob 387/77; Heller-Berger-Stix 2836 mwN). Die von den Vorinstanzen zitierte Entscheidung, nach der der Sicherungsantrag abzuweisen sei, wenn die Anspruchsbescheinigung weitwendige Beweisaufnahmen erfordern würde, stammt vom Oberlandesgericht Wien (MuW 1931, 463). Dennoch liegen aber die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht vor, weil die hier zu treffende Entscheidung nicht von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt.
Der Kläger hat zur Erstattung des Vorbringens, auf das er den Anspruch auf Unterlassung einer herabsetzenden Äußerung gestützt hat, nur wenige Sätze benötigt; zur Bescheinigung dieses Sachverhaltes hat er sich auf einen Zeugen und auf Parteienvernehmung berufen. Die Auffassung, daß die Vernehmung einiger weniger Personen zur Glaubhaftmachung eines in so kurzen Worten wiederzugebenden Sachverhaltes zu aufwendig sei, ist aber mit dem Gesetz, das zur Bescheinigung von Behauptungen alle Beweismittel mit Ausnahme der eidlichen Vernehmung einer Partei, insbesondere auch die Vernehmung von Zeugen - sofern sich die Beweisaufnahme nur sofort ausführen läßt (§ 274 Abs 1 ZPO) vorsieht, völlig unvereinbar. Selbst wenn man also die Meinung vertreten wollte, "weitwendige Beweisaufnahmen" hätten im Bescheinigungs-, zumindest aber im Provisorialverfahren keinen Platz, müßte hier doch die Pflicht des Erstrichters bejaht werden, die vom Kläger angebotenen Bescheinigungsmittel aufzunehmen.
Die verfahrensrechtliche Lage kann auch dadurch keine Änderung erfahren, daß etwa ein Beklagter ein umfangreiches und verwickeltes Vorbringen erstattet und dazu eine große Anzahl von Beweismitteln anbietet. Eine solche "Gegenbescheinigung" könnte zwar möglicherweise als unzulässig abgelehnt, keinesfalls aber der Sicherungsantrag selbst mangels Bescheinigung abgewiesen werden. Auch diese Frage ist aber hier nur von theoretischer Bedeutung, weil sich auch das Vorbringen der Beklagten zu der hier maßgeblichen Frage in engen Grenzen hält und sie sich nur auf die Vernehmung dreier Personen berufen hat (ON 2 S.15). Soweit die Beklagte in ihrem Revisionsrekurs meint, mit der Feststellung des genauen Inhaltes des umstrittenen Telefonats sei es nicht getan, es käme auch auf die Prüfung des Wahrheitsgehaltes der dabei gemachten Aussage an, zeigt sie auch damit nicht die Notwendigkeit weitwendiger Beweisaufnahmen auf. Sollten die Aussagen der zur Vernehmung erscheinenden Personen nicht ausreichen, um die Wahrheit oder Unwahrheit der telefonischen Äußerung einer Mitarbeiterin der Beklagten zu bescheinigen, dann schadet dies der Partei, die die Beweislast trifft; es rechtfertigt aber keineswegs, schon von vornherein auf die Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens zur Gänze zu verzichten.
Das Rekursgericht ist auch in der Frage der Wettbewerbsabsicht der Beklagten nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen. Der Beklagten ist selbst bewußt, daß bei abfälligen Äußerungen über einen Mitbewerber von vornherein die Vermutung für die Wettbewerbsabsicht spricht (ÖBl.1974, 137; ÖBl.1987, 23 uva), sofern der Beklagte nicht das Gegenteil beweist. Ob im vorliegenden Fall die Wettbewerbsabsicht letztlich zu bejahen sein wird, hängt von den Ergebnissen des Bescheinigungsverfahrens ab; seine Behauptungspflicht hat der Kläger aber im Hinblick auf die erwähnte Vermutung nicht verletzt.
Das Vorbringen der Beklagten, mittlerweile sei das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers dadurch weggefallen, daß ihm im Verfahren zu 8 Cg 1255/87 des Erstgerichtes rechtskräftig verboten worden sei, die in seinem Verlag erscheinende "Feuerwehrchronik" im geschäftlichen Verkehr anzubieten und/oder zu verkaufen, muß am Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO) scheitern. Überdies könnte ein solches - offenbar im Provisorialverfahren ergangenes (ON 10 S.57) - Verbot dem Kläger nicht das rechtliche Interesse daran nehmen, gegen herabsetzende Äußerungen über ihn oder sein Unternehmen - wenn auch nur im Zusammenhang mit der "Feuerwehrchronik" - vorzugehen.
Da sohin die Entscheidung des Rekursgerichtes weder von der von ihm für erheblich gehaltenen Frage des Verfahrensrechtes noch von einer anderen erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO abhängt, mußte der Revisionsrekurs zurückgewiesen werden (§ 526 Abs 2 ZPO).
Der Ausspruch über die Kosten der Beklagten beruht auf §§ 40, 50 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 2 EO, jener über die Kosten der Klägerin, die auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen hat, auf § 393 Abs 1 EO.