JudikaturOGH

1Ob679/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Dezember 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** DER Ö*** P*** AG, Wien 1.,Opernring 3-5,

vertreten durch Dr.Gerhard Eckert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Johann K***, Angestellter, Krems,

Mühlhofstraße 4/4/61, vertreten durch Dr.Ferdinand Weber und Dr.Hannes Hirtzberger, Rechtsanwälte in Krems, wegen S 90.277,58 samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 26. Juni 1987, GZ. 3 R 14/87-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 19. August 1986, GZ. 4 Cg 142/84-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.443,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 385,80 Umsatzsteuer und S 1.200,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

An der Firma I*** FÜR V*** UND A***

Gesellschaft mbH Co KG (im folgenden Firma I***) waren u.a. die

klagende B*** DER Ö*** P*** AG, die Firma

A*** K***-K*** T*** reg.Gen.mbH (im folgenden: Firma A***), die später mit der klagenden Partei fusioniert wurde,

und die E*** A*** V***-AG als Gesellschafter

beteiligt. Die Firma I*** bot unter Zugrundelegung der damals bestehenden Steuerbegünstigungen für Wertpapierankauf und Lebensversicherungsprämien Pläne auf Durchführung eines steuerbegünstigten Vermögensaufbaues und eines steuerbegünstigten Pensionsplanes an. Einer der von der Firma I*** angebotenen Vermögensaufbaupläne sah u.a. vor, daß der Bewerber über Auftrag der I*** bei der Firma A*** einen Kontokorrentkredit aufnimmt; mit diesem sollten steuerbegünstigte Wertpapiere angekauft werden, an denen die klagende Partei ein Lombarddarlehen einräumte. Der Beklagte wurde am 14.4.1977 von dem ihm persönlich bekannten Erich S*** geworben, an die Firma I*** einen Antrag auf Durchführung eines steuerbegünstigten Pensionsplanes zu stellen. Dieser Plan hatte eine Laufzeit von 19 Jahren. Die monatlichen Einzahlungen des Beklagten sollten S 1.000 betragen. Vorgesehen war der Abschluß einer Lebensversicherung in der Höhe von S 203.000, zur allfälligen Deckung der Lebensversicherungsprämien der Abschluß einer Unfallversicherung und der steuerbegünstigte Ankauf von Wertpapieren (für den Beklagten und Annemarie T***). Dem Antrag lagen Geschäftsbedingungen zugrunde, die im wesentlichen lauten:

"1.) Allgemeine Grundlagen: Die Berechnung des

Vermögensaufbauplanes erfolgt auf Grund der persönlichen Angaben des

Kunden. Das errechnete Ergebnis basiert auf den geltenden

steuerlichen Gegebenheiten und der derzeitigen

Kapitalmarktsituation. Die im Vermögensaufbauplan vorgesehene

Lebensversicherung wird mit der A*** G***, Direktion

für Österreich, abgeschlossen, die Unfallversicherung mit der E***

A*** V***-Aktiengesellschaft; die Wertpapierankäufe

erfolgen bei der Ö*** P***. Der Kunde nimmt zur

Kenntnis, daß im Rahmen des Vermögensaufbauplanes der Ankauf von

jährlich Nominale S 100.000 steuerbegünstigter Wertpapiere

angestrebt wird; darüber hinausgehende steuerbegünstigte

Wertpapierankäufe durch den Kunden sind gemäß § 107 EStG nicht

zulässig.... Die I*** ist erst mit der ausdrücklichen schriftlichen

Annahme eines diesbezüglichen Antrages des Kunden zur Durchführung

des Vermögensaufbauplanes verpflichtet. 2.) Konto und Depotführung:

Der Kunde eröffnet bei der Ö*** P*** ein

Lombardkreditkonto und ein Wertpapierdepot .... Dieses Konto und

Depot dient ausschließlich zur Abwicklung des Vermögensaufbauplanes.

Entnahmen aus Konto oder Depot sind nur in vorherigem Einvernehmen mit der I*** möglich. 3.) Verwaltung: Die I*** verwaltet Konto und Depot für den Kunden, veranlaßt die Bezahlung der Versicherungsprämien, Wertpapierankäufe aus Einzahlungen, Wiederveranlagungen etc. Zu diesem Zweck räumt der Kunde der I*** Zeichnungsrechte über Konto und Depot ein. Jeweils zum 31.12. eines jeden Jahres erhält der Kunde eine Aufstellung über seinen Kontenstand, Depotwert und allfällige Zwischenkredite bzw. sonstige Werte wie insbesondere Rückkaufswerte der abgeschlossenen Lebensversicherung .... Im Interesse des Kunden ist die I*** berechtigt, die Prämien für die abgeschlossene Lebens- und Unfallversicherung im vorhinein für das jeweils gesamte Versicherungsjahr durch Belastung des Kundenkontos zu entrichten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. In ihrer Rechtsrüge vertritt die klagende Partei den Standpunkt, der vom Beklagten gestellte Antrag an die Firma I*** auf Durchführung eines steuerbegünstigten Pensionsplanes sei auf Grund des Stillschweigens der Firma I*** nach § 362 HGB oder kraft deren konkludenten Verhaltens angenommen worden, so daß sich die Frage nach dem Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht stelle. Durch die erfolgte Aufkündigung sei der Beklagte selbst davon ausgegangen, daß zwischen ihm und der Firma I*** ein Vertragsverhältnis bestanden habe.

Nach § 362 HGB gilt Schweigen des Kaufmannes, dessen Gewerbebetrieb die Besorgung von Geschäften für andere mit sich bringt, auf einen Antrag über die Besorgung solcher Geschäfte als Annahme des Antrages, wenn er mit dem Antragsteller in Geschäftsverbindung steht oder wenn er sich dem Antragsteller gegenüber zur Besorgung solcher Geschäfte erboten hat. Die Firma I*** war ein Kaufmann, der Geschäfte im Sinne des § 362 HGB besorgte. Von ihr ging durch Erich S*** auch die Aufforderung an den Beklagten zur Antragstellung aus. Der Antragsteller selbst muß nicht Kaufmann sein (Canaris in Großkommentar HGB3 III/2 Rz 4 zu § 362; Heymann-Kötter, HGB21 769; Schuhmacher in Straube, HGB, Rz 5 zu § 362). Auch der Antragstellende ist an einen durch Schweigen zustande gekommenen Vertrag gebunden (Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht3 III 32; Hopt, Nichtvertragliche Haftung, AcP 183, 688). § 362 HGB ist aber eine dispositive Vorschrift. Sie war entgegen der Auffassung der Revision durch die Firma I*** in Punkt 1 Abs 4 der dem Antrag zugrunde liegenden, von ihr entworfenen Geschäftsbedingungen mit nicht mißzuverstehender und nach den Umständen (Antragsentgegennahme durch einen Vertreter) auch zu erwartender Deutlichkeit abbedungen worden. Nach dieser Bestimmung sollte die Firma I*** erst nach einer ausdrücklichen schriftlichen Annahme des Antrages zur Durchführung des Vermögensaufbauplanes verpflichtet sein. Dies konnte nur bedeuten, daß sie bloßes Schweigen als Rechtsschein der Annahme ausschließen wollte. Schwieg sie zum Antrag und gab sie keine schriftliche Annahmeerklärung ab, war demnach eine vertragliche Bindung für keine Seite eingetreten.

Mußte der Antrag aber in schriftlicher Form angenommen werden, blieb

für eine Annahme durch Erfüllungshandlung (§ 864 ABGB) kein Raum

mehr. Eine solche Erklärung ist eine Formvorschrift, die dem

Interesse beider Teile dient. Um trotz unterlassener ausdrücklicher

Annahmeerklärung das Zustandekommen des Vertrages annehmen zu

können, bedürfte es neben der Erfüllungshandlung eines zusätzlichen

Verhaltens der Parteien, aus dem sich unmißverständlich ergeben

hätte, daß sie den Vertrag dennoch als zustande gekommen ansehen

wollten (SZ 55/134). Ein solches Verhalten wurde weder behauptet

noch festgestellt. Die Unterstellung der Revision, es wäre Sache des Beklagten gewesen, sich selbst über das tatsächliche Zustandekommen der Verträge zu vergewissern macht vielmehr die Unhaltbarkeit ihrer Rechtsauffassung deutlich.

Nach dem vorliegenden Sachverhalt erhielt der Beklagte weder die im Antrag zur Einzahlung vorgesehenen Erlagscheine noch sonst eine Verständigung, daß die Firma I*** Verfügungen im Sinne des gestellten Antrages treffen werde oder schon getroffen habe. Der erste Kontakt mit dem Beklagten wurde erst durch ein Schreiben der Rechtsnachfolgerin der Firma I***, der Firma VVB, im April 1980 hergestellt. Diese Zahlungserinnerung nahm der Beklagte zum Anlaß, den Antrag aufzukündigen. Der Beklagte bezog sich zwar in der Aufkündigung des Antrages auf Punkt 9 lit c der Geschäftsbedingungen, wonach der Vermögensaufbauplan durch vorzeitige Kündigung seitens des Kunden mit dreimonatiger Kündigungsfrist jeweils zu den Kalenderquartalsenden endet, und damit auf eine Bestimmung, die nur für einen geltenden Vertrag gelten soll; aus der Verwendung des Wortes "Antrag", dem Hinweis, er betrachte die Angelegenheit - natürlich ohne alle Zahlungen oder Zahlungspflichten - für abgeschlossen, und dem Verhalten der Firma I*** mußte aber für die Firma VVB als Rechtsnachfolgerin der Firma I*** klar erkennbar sein, daß der Beklagte den Standpunkt vertrat, der von ihm gestellte Antrag sei noch nicht angenommen und könne von ihm (zumindest im Hinblick auf den Zeitablauf rechtswirksam widerrufen werden. Die Firma VVB hat dieser Ansicht des Beklagten, der Vertrag sei überhaupt nicht zustandegekommen, nicht widersprochen. Weder nach bürgerlichem Recht noch im Handelsrecht besteht allerdings eine Verkehrssitte, die dem Schweigen allgemein die Bedeutung eines Einverständnisses beilegte; unter besonderen Umständen, insbesondere dann, wenn nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte geredet hätte werden müssen, wird aber das Stillschweigen als Einverständnis gewertet (JBl 1974, 373; EvBl 1969/97; SZ 37/119 und 59 uva). Im vorliegenden Fall, in dem sich die Firma I*** ohnehin schon so verhalten hatte, daß mit dem Zustandekommen des im Jahre 1977 angestrebten Vertrages nicht mehr gerechnet werden konnte, hätte sich die Rechtsnachfolgerin der Firma I*** nach der Verkehrssitte unbedingt dahin äußern müssen, sie halte den Vertrag für zustandegekommen, wenn sie auch nur eine Chance wahren wollte, ihn doch gelten zu lassen. Ihr Schweigen konnte und mußte der Beklagte dahin werten, daß sie seine Auffassung, es sei kein Vertrag zustande kommen und ihn träfen keinerlei Verpflichtungen, akzeptierte. Der Beklagte konnte also auf Grund des Gesamtverhaltens der Firma I*** bzw. der Firma VVB annehmen, er sei mit diesen Unternehmen tatsächlich in keinem aufrechten Vertragsverhältnis gestanden.

Es trifft zwar zu, daß das Konsumentenschutzgesetz auf die vorliegenden Anträge noch nicht anwendbar ist (§ 39 KSchG); das Berufungsgericht hat aber die Abweisung des Klagebegehrens nicht auf eine analoge Anwendung des § 18 KSchG, sondern zutreffend auf das Fehlen der Geschäftsgrundlage gestützt. Die Firma A***, deren Rechtsnachfolgerin die klagende Partei ist, war nicht nur Gesellschafterin der Firma I***, durch den Abschluß eines Vertrages auf Durchführung steuerbegünstigter Pensionspläne sollten insbesondere auch ihre wirtschaftlichen Interessen gefördert werden. Der Antrag auf Gewährung eines Barkredites nimmt inhaltlich mehrfach auf die Rechtsbeziehungen des Beklagten mit der Firma I*** Bezug:

Die Laufzeit des Kredites entsprach der Zeit für die Durchführung des Pensionsplanes, die Ausnützung des Kredites oblag der Firma I*** im Einvernehmen mit der zweiten Gesellschafterin, die aus Kreditmitteln angekauften Wertpapiere sollten verpfändet werden, die Mitteilungen über diese Kreditkonten hatten nicht an den Beklagten, sondern an die Firma I*** übersendet zu werden. Es ist auch unzweifelhaft und mußte jedenfalls von jedem potentiellen Vertragspartner angenommen werden, daß der Vermögensaufbau- und Pensionsplan und dessen Abwicklung in allen Einzelheiten zwischen den Beteiligten abgesprochen und allen daran beteiligten Unternehmen bekannt war, unter welchen Voraussetzungen die Formularanträge an sie herangetragen wurden. Die Firma I*** und die Firma A*** bildeten damit weit über die Erfordernisse des § 18 KSchG bzw. § 2 Abs 2 RatG hinaus eine wirtschaftliche Einheit. Wähend beim Abzahlungsgeschäft Verkäufer und Kreditinstitut jeweils ihre eigenen wirtschaftlichen Zwecke verfolgen, waren hier Geschäftsbesorgungsvertrag und Kreditvertrag viel enger miteinander verknüpft. Die Firma I***, deren Gesellschafterin auch die Firma A*** war, förderte durch den von ihr vermittelten Abschluß der Kredit- und Versicherungsverträge in erster Linie die wirtschaftlichen Interessen ihrer Gesellschafter. Lag aber ein weit über das Wesen drittfinanzierter Verträge hinausgehende wirtschaftliche Einheit der Firma A*** und der Firma I*** vor, so hat sich die Firma A*** und damit auch die klagende Partei das rechtsgeschäftliche Verhalten der Firma I*** zurechnen zu lassen. Mag auch die Firma I*** auf Grund der ihr vom Beklagten erteilten Kontovollmacht formell die rechtliche Fähigkeit besessen haben, über das Kreditkonto des Beklagten zu verfügen, so setzte diese Verfügungsmacht materiell doch das aufrechte Bestehen des Geschäftsbesorgungsvertrages voraus. Aus dieser Vertragsgestaltung ergibt sich der Schluß, daß geschäftstypische Voraussetzung (NZ 1979, 172; Koziol-Welser8 I 127 f mwN) für den Abschluß und das Bestehen des Kreditvertrages der rechtsgültige Abschluß des Geschäftsbesorgungsvertrages mit der Firma I*** war. Kam dieser mangels Annahme durch die Firma I*** nicht zustande, kann auch der formell rechtswirksam abgeschlossene Kreditvertrag keinen Bestand haben (vgl. JBl 1987, 378; JBl 1985, 354; HS 10.987/4; Reidinger, Weitere Rechtsfragen drittfinanzierter Verträge, JBl 1987, 363; Bydlinski in Klang2 IV/2, 419 ff). Führte das Nichtzustandekommen des Geschäftsbesorgungsvertrages dazu, daß auch der Kreditvertrag als nicht zustande gekommen anzusehen ist, kann sich die klagende Partei nicht auf die in diesem Kreditvertrag enthaltene Kontovollmacht der Firma I*** berufen. Mußte aber die Firma A*** das Verhalten der Firma I*** gegen sich gelten lassen, so versagt auch der Hinweis auf einen vom Beklagten geschaffenen äußeren Tatbestand. Das einzig auf den Kreditvertrag gestützte Klagebegehren wurde daher zutreffend von den Vorinstanzen abgewiesen. Der Revision ist nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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