JudikaturOGH

8Ob658/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. April 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Alois H***, Landwirt und 2) Margarete H***, Landwirtin, beide Dauersdorf 3, 4542 Nußbach, beide vertreten durch Dr. Otto Hauck, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, wider die beklagten Parteien 1) Roswitha W***, Hausfrau, und 2) Johanna S***, Pensionistin, beide Dauersdorf 2, 4542 Nußbach, beide vertreten durch Dr. Thomas Watzenböck, Rechtsanwalt in Kremsmünster, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert 30.000 S), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Berufungsgerichtes vom 10. September 1986, GZ R 19/86-12, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Teilurteil des Bezirksgerichtes Kirchdorf an der Krems vom 30. Juli 1985, GZ 2 C 81/85-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Parteien aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zur behandeln.

Text

Begründung:

Die Kläger begehrten zuletzt die Feststellung, daß eine Dienstbarkeit des Gehrechtes über den geschotterten Weg im Bereich der Grundstücke 1740 und 1741 der EZ 18 KG Dauersdorf zugunsten der jeweiligen Eigentümer bzw. Bewohner der Liegenschaft EZ 17 KG Dauersdorf, insbesondere der Beklagten, nicht bestehe und die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung aller Handlungen, die sich als Ausübung einer solchen Dienstbarkeit darstellen (ON 3 S 17). Die Kläger stützten dieses Begehren auf die Behauptung, sie seien Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 18 KG Dauersdorf, zu der unter anderem die Grundstücke 1740 und 1741 gehörten. Die Beklagten bewohnten das in der Nähe des Anwesens der Kläger gelegene Haus Dauersdorf 2; die Erstbeklagte sei die Eigentümerin der Liegenschaft EZ 17 KG Dauersdorf. Die Grundstücke 1740 und 1741 der Kläger grenzten an die Nußbacher Landesstraße an, von der ein Gehweg zum Haus der Beklagten abzweige. Über das Grundstück 1740 führe ein im Eigentum der Kläger stehender Schotterweg, der ebenso wie das Grundstücke 1741 laufend von den Beklagten begangen werde, obwohl diese darauf hingewiesen worden seien, daß ihnen kein Gehrecht zustehe und dieser Weg auch abgesperrt worden sei. Es treffe nicht zu, daß die Beklagten seit über 30 Jahren über das Grundstück 1740 der Kläger gingen und damit ein Gehrecht ersessen hätten. Die Zweitbeklagte sei zwar in Dauersdorf geboren, habe sich aber nach dem Zweiten Weltkrieg in Linz aufgehalten, wo ihre beiden Kinder geboren seien; erst um 1960 sei sie wieder nach Nußbach gezogen. Nach Absperrung des Durchganges zwischen den Gebäuden 262 und 263 hätten die Beklagten eigenmächtig einen Weg in der Form gefunden, daß sie nunmehr auch über das Grundstück 1741 gingen; dort befinde sich überhaupt kein Weg. Die Rechtsvorgänger der Beklagten hätten das Grundstück 1740 nur unter der Bedingung der Leistung von Robotdienst für die Kläger bzw. deren Rechtsvorgänger begehen dürfen, die zwischenzeitig nicht mehr geleistet würden. Durch das Grundzusammenlegungsverfahren in den Jahren 1954/1956 hätten die Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger von der Auflösung allfälliger Dienstbarkeiten gewußt, sodaß jedenfalls keine Gutgläubigkeit vorliege. Auch sei bis zum Jahr 1981 auf dem Weg eine Tafel mit der Aufschrift "Privatweg" gestanden, sodaß die Beklagten auch aus diesem Grund nicht gutgläubig seien. Im Hinblick auf das im Zusammenlegungsverfahren ergangene Erkenntnis des Landesagrarsenates habe eine allfällige Ersitzungszeit frühestens ab 15. Dezember 1985 zu laufen begonnen. Zumindest ab diesem Zeitpunkt sei der gute Glaube der Beklagten nicht mehr vorhanden.

Die Beklagten wendeten ein, sie hätten die Dienstbarkeit des Gehrechtes über das Grundstück 1740 durch Ersitzung erworben. Die Kläger hätten zeitweise den über das Grundstück 1740 führenden Weg abgesperrt, diese Absperrung jedoch auch wieder teilweise aufgehoben. Schon vor dieser Absperrung sei seitens der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgänger die Dienstbarkrit ersessen worden. Bis zum Jahr 1958 seien die Ehegatten Franz und Johanna P*** Eigentümer der Liegenschaft EZ 17 KG Dauersdorf gewesen, ab 1958 bis ca. 1981 die Ehegatten Felix und Johanna S***. Seit 1981 sei die Erstbeklagte Alleineigentümerin dieser Liegenschaft. Zu jeder Zeit seien die jeweiligen Eigentümer dieser Liegenschaft und deren Familienangehörige über den Weg auf dem Grundstück 1740 gegangen. Die Ersitzung sei durch das Erkenntnis des Agrarsenates nicht unterbrochen worden.

Das Erstgericht entschied mit Teilurteil, daß eine Dienstbarkeit des Gehrechtes über den geschotterten Weg auf dem Grundstück 1740 der EZ 18 KG Dauersdorf als dienendes Grundstück zugunsten der jeweiligen Eigentümer bzw. Bewohner der Liegenschaft EZ 17 KG Dauersdorf, insbesondere der Beklagten, nicht besteht; es erkannte die Beklagten schuldig, alle Handlungen zu unterlassen, die sich als Ausübung einer solchen Dienstbarkeit darstellten. Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Erstkläger war seit 1.Juni 1971 Eigentümer der Liegenschaft EZ 18 KG Dauersdorf, zu deren Gutsbestand unter anderem die Grundstücke 1740 Garten und 1741/1 Acker gehören. Seit 12.November 1984 sind die Kläger je zur Hälfte Eigentümer dieser Liegenschaft. Die Erstbeklagte ist seit 21.Dezember 1982 Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 17 KG Dauersdorf, die sie von ihren Eltern Felix und Johanna S*** (der Zweitbeklagten) durch Übergabsvertrag erworben hat. Die Zweitbeklagte war mit ihrem Gatten Felix S*** vom 12.Februar 1959 bis 21.Dezember 1982 je zur Hälfte Eigentümerin dieser Liegenschaft. Die Zweitbeklagte hatte diese Liegenschaft auf Grund eines Übergabsvertrages von ihren Eltern Franz und Johanna P*** erworben.

Über das Grundstück 1740 führt ein geschotterter Weg, der es ermöglicht, zur Nußbacher Landesstraße zuzufahren, wobei eine eigene Zufahrt von der Nußbacher Landesstraße zum Anwesen der Beklagten ausgestaltet ist.

Die Beklagten haben diesen geschotterten Weg zeitlebens benützt. Die Erstbeklagte ist am 3.November 1955, die Zweitbeklagte am 21. November 1924 geboren.

Insbesondere im Jahr 1984 brachten die Kläger auf dem Grundstück 1740 Absperrungen an, die eine Benützung des Weges durch die Beklagten behinderten bzw. ausschlossen. Die Beklagten benützten Flächen im Grenzbereich der Grundstücke 1740 und 1741, um diese Absperrungen zu umgehen. Am 6.November 1984 fand beim Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems ein Vergleichsversuch statt, an dem der Gatte der Erstbeklagten teilnahm. Aus diesem Anlaß wurde vorgebracht, daß die Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger seit jeher über das Grundstück 1740 gegangen seien.

Mit Schreiben vom 4.Februar 1985 wurden die Beklagten vom Klagevertreter über Auftrag der Kläger aufgefordert, die Grundstücke der Kläger nicht mehr zu betreten, widrigenfalls gerichtliche Schritte gegen sie unternommen würden, wobei ausdrücklich das Grundstück 1740 angeführt wurde.

Im Jahr 1950 erfolgte ein Grundzusammenlegungsverfahren, an dem die jeweiligen Rechtsvorgänger der Streitteile beteiligt waren. Dieses Zusammenlegungsverfahren wurde am 26.August 1950 in den Grundbuchseinlagen der Streitteile ersichtlich gemacht. An diesem Zusammenlegungsverfahren waren Alois und Josefa H*** als unmittelbare Rechtsvorgänger des Erstklägers und Franz und Johanna P*** (Eltern bzw. Großeltern der Beklagten) beteiligt. Der Generalakt der Agrarbezirksbehörde Linz Z-153/544-1955 enthält in Punkt XVI folgende Bestimmung: "Mit der Bestätigung dieses Generalaktes durch den Landesagrarsenat treten die Beteiligten in das freie Eigentum der Neuabfindungen und sind bis zum Tage der Bestätigung laufende Verjährungs- und Ersitzungstitel, unbekümmert ob sie vollendet sind oder nicht, erloschen." Mit Erkenntnis des OÖ. Landesagrarsenates vom 14.Februar 1955 zur Zahl AgrarLAS-51.071/1-1954 wurde der von der Agrarbezirksbehörde Linz ausgearbeitete Plan bestätigt. Dieses Erkenntnis wurde am 19. Dezember 1955 "in den Einlagezahlen der Streitteile grundbuchsgerichtlich durchgeführt".

Eine grundbücherliche Dienstbarkeit des Geh- oder Fahrtrechtes über das Grundstück 1740 zugunsten der Beklagten besteht nicht. Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen aus, es komme für die Ersitzung einer Grunddienstbarkeit durch die Beklagten nur die lange Ersitzungszeit von 30 Jahren in Frage, wobei eine Zusammenrechnung der Ersitzungszeiten durchaus zulässig wäre. Die Rechtsvorgänger der Streitteile seien am Grundzusammenlegungsverfahren beteiligt gewesen. Es sei demnach davon auszugehen, daß mit Rechtskraft des Generalaktes über die Zusammenlegung Dauersdorf, die am 14. Februar 1955 eingetreten sei, entsprechend dem Punkt XVI bis zum Tage der Bestätigung laufende Verjährungs- und Ersitzungstitel, unbekümmert ob sie vollendet gewesen seien oder nicht, als erloschen anzusehen seien. Die Ersitzungszeit habe daher frühestens am 15.Februar 1955 zu laufen beginnen können.

Damit sei aber weder für die Erstbeklagte (diese könne sich nach § 1493 ABGB eine allfällige Ersitzungszeit ihrer Rechtsvorgänger anrechnen lassen) noch für die Zweitbeklagte die 30jährige Ersitzungszeit erfüllt. Nach § 1477 ABGB bedürfe derjenige, der die Ersitzung auf einen Zeitraum von 30 oder 40 Jahren stütze, keiner Angabe des rechtmäßigen Titels. Die gegen ihn erwiesene Unredlichkeit des Besitzes schließe aber auch in diesem längeren Zeitraum die Ersitzung aus. Der gute Glaube müsse nicht nur beim Besitzerwerb, sondern während der gesamten Ersitzungszeit vorhanden sein. Er falle weg, wenn der Besitzer positiv davon Kenntnis erlange, daß sein Besitz nicht rechtmäßig sei. Dafür könne auch schon die Mitteilung des Rechtsstandpunktes des Eigentümers der als dienendes Gut in Anspruch genommenen Liegenschaft hinreichen. Auf Grund der von den Klägern im Jahr 1984 angebrachten Absperrungen und der Schreiben des Klagevertreters vom 4.Februar 1985, die den Beklagten mit Sicherheit vor dem 14.Februar 1985 zugekommen seien, sei davon auszugehen, daß den Beklagten der gute Glaube nicht mehr zugebilligt werden könne und daß sich die Kläger gegen das Betreten des Grundstückes 1740 gewehrt hätten. Die Beklagten hätten daher kein Gehrecht über das Grundstück 1740 ersessen.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil Folge. Es änderte das Teilurteil des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus, die in der Berufungsbeantwortung der Kläger ausgeführte Tatsachenrüge sei unbeachtlich, weil nicht ausgeführt worden wäre, auf Grund welcher Beweisergebnisse die bekämpfte Feststellung des Erstgerichtes, daß die Beklagten den geschotterten Weg über das Grundstück 1740 seit jeher begangen hätten, nicht hätte getroffen werden dürfen. Die Zweitbeklagte sei zur Hälfte Eigentümerin des herrschenden Gutes gewesen; die Erstbeklagte sei ihre Rechtsnachfolgerin, die sich die Ersitzungszeit des Rechtsvorgängers anrechnen könne, und im übrigen Alleineigentümerin. Die Zweitbeklagte sei am 21.November 1924 geboren; die Kläger hätten im Jahr 1984 Maßnahmen gegen die Ausübung der Dienstbarkeit des Fußsteiges getroffen. Auch wenn unterstellt werde, daß die Zweitbeklagte nicht schon am Tag ihrer Geburt mit dem Begehen des Weges begonnen habe, sondern erst im Lauf der weiteren Jahre ihrer Kindheit oder Jugend, sei doch bis zum Jahr 1984 die Ersitzungszeit von 30 Jahren an sich längst vollendet gewesen. Daß die Zweitbeklagte nur Hälfteeigentümerin gewesen sei, schade nicht, weil der Besitz eines Rechtes auch durch Stellvertreter, Gehilfen oder sogenannte Besitzmittler ausgeübt werden könne. Wenn die Zweitbeklagte auch nur als Hälfteeigentümerin des herrschenden Gutes den Besitz des Rechtes der hier in Rede stehenden Grunddienstbarkeit ausgeübt habe, habe sie dies mit Wirkung für das ganze herrschende Gut getan und nicht nur etwa in Ansehung ihres Hälfteeigentums. Es würde sogar genügen, wenn nicht Eigentümer, jedoch zum Beispiel Bewohner des herrschenden Gutes oder auch deren Besucher den Besitz dieser Dienstbarkeit ausgeübt hätten. Die vom Erstgericht festgestellte Besitzausübung durch die Zweitbeklagte und auch durch die Erstbeklagte sei als in diesem Belang ausreichende Erfüllung des Ersitzungserfordernisses des Besitzes durch die Ersitzungszeit zu qualifizieren. Damit hätten aber die Beklagten insoweit den ihnen obliegenden Beweis der Besitzausübung und der Vollendung der Ersitzungszeit erbracht. Sonstige eine Ersitzung hindernde Umstände hätten die Kläger als Ersitzungsgegner zu beweisen. Behauptungen in dieser Richtung, abgesehen von den im Zusammenhang mit dem Zusammenlegungsverfahren ausgeführten, hätten die Kläger nicht aufgestellt.

Mit dem Komplex der Zusammenlegung, soweit hier relevant, verhalte es sich aber folgendermaßen:

Gemäß LGBlOÖ 1955/12, ausgegeben und versendet am 27.Jänner 1955, sei das Zusammenlegungsgesetz (ZLG), LGuVBlOÖ 1911/16, wieder in Kraft gesetzt und bestimmt worden, daß anhängige Verfahren nach diesem Gesetz fortzuführen seien. Das Erkenntnis des Landesagrarsenates vom 14.Februar 1955 beruhe auf dem ZLG. Die im § 33 ZLG normierten Rechtsfolgen träten nicht von Gesetzes wegen, sondern nur auf Grund positiver Entscheidung der Zusammenlegungsbehörde ein. Alle mit der Zusammenlegung in Zusammenhang stehende Fragen sollten im Zusammenlegungsverfahren endgültig geregelt werden (in diesem Sinne § 7 des Grundsatzgesetzes RGBl. 1883/92), was auch für die Frage des Weiterbestehens oder Erlöschens von Grunddienstbarkeiten gelten müsse, mögen diese bloß ersessen oder grundbücherlich einverleibt sein. Wäre dem nicht so, dann wäre ein Ausspruch der Zusammenlegungsbehörde erster Instanz hiezu entbehrlich und es müßte die Frage des Bestandes solcher Dienstbarkeiten (bloß ersessener oder auch grundbücherlich einverleibter) nach Abschluß des Zusammenlegungsverfahrens wieder im Rechtsweg ausgetragen werden, weil die Zuständigkeit der Zusammenlegungsbehörde hiefür gemäß § 107 ZLG (abgesehen von dem Fall des hier nicht relevanten § 102 ZLG) mit dem Tag der Kundmachung des Abschlusses des Zusammenlegungsverfahrens erlösche. Der Vorstellung über das Erfordernis ausdrücklichen behördlichen Absprechens über den Bestand von Dienstbarkeiten entspreche auch die Verordnung LGuVBlOÖ 1911/40 (ZV) in ihren Bestimmungen der §§ 86 Abs 3 und 103 (insbesondere Abs 1).

Dies bedeute, daß Grunddienstbarkeiten, auf deren Erlöschen die Zusammenlegungsbehörde nicht ausdrücklich erkannt habe, weiter bestehen blieben.

Die Kläger hätten lediglich vorgebracht, im Zusammenhang mit dem Zusammenlegungsverfahren seien "allfällige Dienstbarkeiten" aufgelöst worden.

Das Erstgericht habe hiezu den Inhalt des Punktes XVI des Generalaktes festgestellt.

Dieser Ausspruch der Agrarbehörde besage jedoch nicht, daß ersessene, wenn auch grundbücherlich nicht einverleibte, Dienstbarkeiten erloschen seien. Für eine solche Wirkung bedürfe es eines bestimmten Ausspruches der Behörde; eine nur ganz allgemein gehaltene Wendung vermöge diesem Erfordernis nicht gerecht zu werden. Überhaupt sei dieser Ausspruch der Behörde über das Erlöschen der "Verjährungs- und Ersitzungstitel" nur im Zusammenhang damit zu verstehen, daß die Beteiligten in das "freie Eigentum der Neuabfindungen ... treten". In diesem Kontext werde der Wortlaut dieser Entscheidung verständlich, wenn er dahin interpretiert werde, daß ein Streit über das Eigentum (zufolge Verjährung oder Ersitzung) nach dem Stande des Zeitpunktes der Bestätigung durch den Landesagrarsenat ausgeschlossen und für das Recht des Eigentums als solches nur der Stand entsprechend den zugewiesenen Abfindungsgrundstücken (Neuabfindungen) maßgeblich sein sollte. Davon abgesehen sei auf Grund des Generalaktes aktenkundig, daß in dessen Punkt X sehr wohl (unter anderem) über den Wegfall im einzelnen angeführter Dienstbarkeiten abgesprochen worden sei. Die hier in Rede stehende außerbücherliche Grunddienstbarkeit sei aber davon nicht berührt. Im übrigen hätten die Kläger auch keine Behauptung aufgestellt, daß die Zusammenlegungsbehörde das Erlöschen dieser streitigen Dienstbarkeit im hier erörterten Sinn ausdrücklich ausgesprochen hätte.

Daraus folge, daß die umstrittene Dienstbarkeit oder deren Ersitzung durch das Zusammenlegungsverfahren keine Veränderung erfahren habe. Die Beklagten hätten den Beweis der Besitzausübung während der Ersitzungszeit erbracht. Da auch das Zusammenlegungsverfahren daran nichts ändere, sei vom Bestand der (ersessenen) Dienstbarkeit auszugehen.

Das sich auf den Nichtbestand dieser Dienstbarkeit gründende Teilurteil des Erstgerichtes sei daher im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO begründete das Berufungsgericht damit, daß zur Frage, ob Grunddienstbarkeiten in dem dargestellten Zusammenhang mit einem Zusammenlegungsverfahren von Gesetzes wegen erloschen seien oder ob es hiefür des förmlichen Absprechens der Behörde bedürfe, keine Rechtsprechung vorliege,

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Kläger. Sie bekämpfen sie aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagten haben eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, die Revision der Kläger zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch sachlich im Ergebnis im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

Soweit die Kläger in ihrer Rechtsrüge darzutun versuchen, daß im Hinblick auf die Ergebnisse des durchgeführten Grundzusammenlegungsverfahrens eine allenfalls ersessene Wegservitut erloschen sei (sodaß im Sinne der Ausführungen des Erstgerichtes die Ersitzungszeit erst von diesem Zeitpunkt an zu rechnen sei), kann ihnen nicht beigestimmt werden.

Eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu dieser Frage liegt, soweit überschaubar, nicht vor.

Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß im Sinne des Landesgesetzes vom 26.November 1954 betreffend die Wiederherstellung des landwirtschaftlichen Zusammenlegungsrechtes, LGBlOÖ 1955/12, für das hier in Frage stehende Zusammenlegungsverfahren die Bestimmungen des Gesetzes vom 25. Februar 1911 betreffend die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke (ZLG), LGuVBLOÖ 1911/16, maßgeblich waren. Mit dem Hinweis der Kläger auf die Bestimmung des § 24 des OÖFLG 1979 (vgl. dazu auch VfSlg. 8007) ist für den vorliegenden Rechtsstreit nichts zu gewinnen, weil diese Bestimmung auf das hier in Frage stehende Zusammenlegungsverfahren nicht anwendbar war und das dort anzuwendende ZLG eben keine derartige Bestimmung enthielt. § 33 ZLG ordnete vielmehr - soweit für diesen Rechtsstreit von Bedeutung - an, daß Grunddienstbarkeiten (§ 474 ABGB) ohne Unterschied, ob das herrschende und das dienstbare Grundstück oder nur eines dieser beiden Grundstücke der Zusammenlegung unterzogen wird, ohne Anspruch auf Entschädigung hinwegfallen, sobald sie infolge der Zusammenlegung oder der damit verbundenen Entwässerungs-, Bewässerungs- oder Weganlagen dem herrschenden Grundstück entbehrlich werden. Grunddienstbarkeiten, bei denen dies nicht der Fall ist, verbleiben auf dem dienstbaren Grundstück. Im Hinblick darauf, daß sich nach § 15 ZLG die Zuständigkeit der Agrarbehörden - abgesehen von der Entscheidung zivilrechtlicher Streitigkeiten über Eigentum oder Besitz an den in das Zusammenlegungsverfahren einbezogenen Grundstücken - auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, "welche bei der Ausführung der Zusammenlegung nicht in ihrem bisherigen Zustand verbleiben können", erstreckte und daß nach § 57 ZLG über alle im Zusammenlegungsverfahren zu regelnden Fragen und Angelegenheiten (abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen) die Agrarbehörde erster Instanz zu entscheiden hatte, erscheint die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß das Erlöschen einer Grunddienstbarkeit im Sinne des § 33 ZLG nicht von Gesetzes wegen eintrat, sondern einer ausdrücklichen Entscheidung der Agrarbehörde bedurfte, durchaus zutreffend. Denn einerseits waren die dort normierten Voraussetzungen für das Erlöschen einer Dienstbarkeit keinesfalls allgemein einsichtig (Entbehrlichkeit infolge der Zusammenlegung oder der damit verbundenen Anlagen) und andererseits sollte ja, wie sich aus den angeführten Gesetzesstellen ergibt, im Zusammenlegungsverfahren abschließend über eine allfällige Änderung der davon betroffenen Rechtsverhältnisse entschieden werden.

Wie sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt, erging im Zusammenlegungsverfahren keine Entscheidung der Agrarbehörde, mit der die von den Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit in Anspruch genommene Wegservitut für erloschen erklärt wurde. Die im Punkt XVI des Generalaktes (der im Sinne des § 123 der Verordnung betreffend die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke in Oberösterreich, LGuVBlOÖ 1911/40, neben der allenfalls erforderlichen Erläuterung über die sonstigen Bestandteile des Zusammenlegungsplanes - Besitzstandsregister, Abfindungsberechnung, Abfindungsregister, Mappe - eine Darlegung aller jener Verhältnisse - insbesondere der rechtlichen - zu enthalten hatte, die aus diesen Teilen des Planes "nicht vollstänidg und übersichtlich erhellten") getroffene Anordnung bezog sich, wie sich aus ihrem klaren Wortlaut ergibt, nur auf das Eigentumsrecht an den den Beteiligten zugewiesenen Abfindungsgrundstücken. Daß es sich bei dem von der angeblichen Servitut der Beklagten belasteten Grundstück der Kläger um ein solches Abfindungsgrundstück gehandelt hätte, wurde nicht einmal behauptet.

Im übrigen wäre für den Standpunkt der Kläger auch dann nichts zu gewinnen, wenn man die Rechtsansicht verträte, daß im Sinne des § 33 ZLG infolge der Zusammenlegung oder der damit verbundenen Anlagen entbehrlich gewordene Grunddienstbarkeiten von Gesetzes wegen und ohne diesbezügliche Entscheidung der Agrarbehörde als Folge des Zusammenlegungsverfahrens erloschen wären. Die Kläger haben nämlich das Vorliegen der dafür erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen im Verfahren erster Instanz nicht einmal behauptet.

Es läßt sich daher aus den getroffenen Feststellungen der Vorinstanzen über das durchgeführte Grundzusammenlegungsverfahren nichts ableiten, was für oder gegen die von den Beklagten behauptete Ersitzung des von ihnen in Anspruch genommenen Wegerechtes spräche. Auf die Revisionsausführungen über einen schlüssigen Verzicht auf die von den Beklagten behauptete Dienstbarkeit oder ihre Zwecklosigkeit ist nicht einzugehen, weil Tatsachenbehauptungen in dieser Richtung im Verfahren erster Instanz nicht aufgestellt wurden; diese Revisionsausführungen widersprechen dem Neuerungsverbot.

Übrig bleibt die Frage der Ersitzung der von den Beklagten behaupteten Servitut.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß die im Verfahren erster Instanz siegreiche Partei eine ihr nachteilige für die rechtliche Beurteilung wesentliche Feststellung des Erstgerichtes noch im Revisionsverfahren bekämpfen kann, sofern sie nicht vom Berufungsgericht bereits geprüft und gebilligt wurde (SZ 26/262; SZ 54/130; SZ 54/160; EvBl 1985/113 uva) und daß eine Partei auch berechtigt ist, in der Revision in erster Instanz unterlaufene Verfahrensmängel geltend zu machen, wenn diese für sie erst infolge eines von der zweiten Instanz eingenommenen abweichenden Rechtsstandpunktes bedeutsam wurden (6 Ob 185/61; 6 Ob 712/78; EFSlg 34.505; 8 Ob 556/86 ua).

Die Kläger bekämpfen in ihrer Revision in diesem Sinne zulässigerweise die Feststellung des Erstgerichtes, daß die Beklagten den geschotterten Weg über das Grundstück 1740 zeitlebens benützten, im wesentlichen mit dem Hinweis darauf, daß ihre dazu gestellten Beweisanträge nicht erledigt worden seien. Inhaltlich handelt es sich dabei um den Vorwurf, daß die bekämpfte Feststellung auf Grund eines mangelhaften Verfahrens, nämlich unter Übergehung der von den Klägern diesbezüglich gestellten gegenteiligen Beweisanträge, getroffen worden sei. Den gleichen Vorwurf haben die Kläger bereits in ihrer Berufungsbeantwortung erhoben. Das Berufungsgericht hat aber die Richtigkeit der von den Klägern bekämpften Feststellung des Erstgerichtes nicht sachlich überprüft und auch nicht zur Frage des von den Klägern in diesem Zusammenhang behaupteten Verfahrensmangels Stellung genommen, sondern die Behandlung der in der Berufungsbeantwortung der Kläger ausgeführten Tatsachenrüge aus unzutreffenden formalen Gründen ebenso abgelehnt wie die Behandlung der in der Berufung der Beklagten erhobenen Tatsachenrüge.

Damit ist aber nicht abschließend geklärt, welcher Sachverhalt der vorzunehmenden rechtlichen Beurteilung zugrundezulegen ist. Dies begründet einen Mangel des Berufungsverfahrens, der zur Aufhebung des Urteiles des Berufungsgerichtes führen muß. Das Berufungsgericht wird über die Berufung der Beklagten neuerlich zu entscheiden und dabei über die in Berufung und Berufungsbeantwortung ausgeführten Mängel- und Tatsachenrügen abzusprechen haben. Erst dann wird sich erschöpfend beurteilen lassen, von welchen Tatsachenfeststellungen bei der vorzunehmenden rechtlichen Beurteilung auszugehen ist.

Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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