JudikaturOGH

7Ob544/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. März 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 15. April 1986 verstorbenen Hermina Helene G***, Pensionistin, wohnhaft gewesen in Wiener Neustadt, Pottendorferstraße 124, infolge Revisionsrekurses des 1.) Ernst G***, Pensionist, Wr.Neustadt, Alramsgasse 3, und 2.) Ing. Kurt G***, Handelsvertreter, Wr.Neustadt, Neubauergasse 1/29, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 12. Jänner 1987, GZ R 585, 586/86-22, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 5. September 1986, GZ A 450/86-13 und 14, teils bestätigt, teils aufgehoben wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Hermine G*** starb am 15.4.1986 unter Hinterlassung einer mit "Mein Testament" überschriebenen letztwilligen Anordnung vom 5.10.1982 folgenden Inhalts:

"Da ich annehme, daß meine Liegenschaft (Haus und Grundstück) nach meinem Ableben verkauft werden wird, wünsche ich, daß 90 % (neunzig) des Verkaufserlöses an meinen Bruder Max und Sohn Kurt gehen und 10 % (zehn) des Verkaufserlöses an meine Nichte Hermi M***. Die beweglichen Güter wie Einrichtung etc. stehen meinem Bruder Max zur Verfügung.

Meine Ersparnisse - Geld und Wertanleihen - gehen an meinen Bruder Ernst sowie diverse Geschenke, die ich von ihm jeweils erhalten habe. Das sind Kunstbücher "Florenz", "Baukunst der Gotik in Österreich", "Romanische Baukunst", "Paul Troger-Ausstellung", sowie ein Weinservice aus Glas blau-silber und ein Taler (von Vaters Uhrkette) samt Kette und ein Wecker aus meinem Schlafzimmer. Der wenige Schmuck soll aufgeteilt werden. Meine Kleider und Mäntel und eventuelle Unterwäsche möge sich Frau Annemarie B*** nach Wunsch nehmen, der Rest soll an die Caritas gehen.

Mein Begräbnis soll in aller Stille nur mit den Familienmitgliedern und den engsten Freunden sein. Todesnachrichten sollen erst nach dem Begräbnis und nur an die von mir ausgegebenen Adressen geschickt werden.

Das sind meine letzten Wünsche und ich zeichne in vollem Bewußtsein und geistiger Frische. Hermine G***".

Die Erblasserin hatte keine Nachkommen. Aus der Ehe ihrer Eltern, die vorverstorben sind, stammen noch die Geschwister der Erblasserin Max (Maximilian), Ernst, Ignaz und Johann G***. Ignaz G*** ist kinderlos vorverstorben; der ebenfalls vorverstorbene Johann hatte eine Tochter, Hermine M***. Die Mutter der Erblasserin hatte auch ein außereheliches Kind, den vorverstorbenen Johann F***; dieser hatte zwei Töchter, Gertrude F*** und Brunhilde T***.

Unter Hinweis darauf, daß sie und Brunhilde T*** gesetzliche Erben nach Hermine G*** seien, ersuchte Gertrude F***, sie vom Ergebnis des Verlassenschaftsverfahrens zu benachrichtigen (ON 4). Bei der nur mit den in der letztwilligen Anordnung vom 5.10.1982 genannten Personen durchgeführten Verlassenschaftsabhandlung (ON 10) - Gertrude F*** und Brunhilde T*** wurden der Verlassenschaftsabhandlung nicht beigezogen - legten die in der genannten Anordnung bedachten Personen diese Anordnung so aus, daß es sich um ein Testament mit Erbseinsetzung handle, nach welchem, gemessen am Wert der im einzelnen zugedachten Sachen, Max und Ing.Kurt G*** zu je 9/26, Hermine M*** zu 2/26 und Ernst G*** zu 6/26 Anteilen Erben sein sollten. Max G*** entschlug sich der Erbschaft zugunsten seines Sohnes Ing.Kurt G***. Es gaben dementsprechend Ing.Kurt G*** zu 18/26, Hermine M*** zu 2/26 und Ernst G*** zu 6/26 Anteilen unbedingte Erbserklärungen ab. In der Folge wurde ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis abgegeben. Mit Beschluß vom 5.9.1986, ON 13, wurde im Punkt

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Erbrecht ist das Recht, die ganze Verlassenschaft oder einen in Beziehung auf das Ganze bestimmten Teil derselben in Besitz zu nehmen (§ 532 ABGB). Wird jemandem kein solcher Erbteil, der sich auf den ganzen Nachlaß bezieht, sondern nur eine einzelne Sache zugedacht, so heißt das Zugedachte, obschon dessen Wert den größten Teil der Verlassenschaft ausmacht, ein Vermächtnis, und derjenige, dem es hinterlassen worden ist, nicht als ein Erbe, sondern nur als ein Vermächtnisnehmer zu betrachten (§ 535 ABGB). Nur ausnahmsweise könnte in der Zuwendung einzelner Gegenstände eine Erbseinsetzung erkannt und der letzte Wille als Testament behandelt werden, wenn nämlich diese Gegenstände die Gesamtheit des Nachlasses oder wenigstens dessen weitaus überwiegenden Teil darstellen und überdies bei einer Mehrheit von bedachten Personen das Verhältnis einer bestimmten quotenmäßigen Nachlaßteilung zum Ausdruck kommt (EvBl 1973/314).

Im (bisherigen) Verlassenschaftsverfahren sind keine Zweifel daran aufgetaucht, daß die Erblasserin in ihrer letztwilligen Verfügung vom 5.10.1982 über ihren ganzen Nachlaß verfügt hat. Auf Grund des Umstandes allein aber, daß Hermine G*** hinsichtlich des Verkaufserlöses ihrer Liegenschaft eine quotenmäßige Aufteilung auf drei der vier bedachten Angehörigen vorgenommen hat, kann noch keineswegs mit Sicherheit die Auffassung vertreten werden, ihre letzte Anordnung sei ein Testament, in dem mehrere Erben in dem oben dargestellten Sinn eingesetzt worden seien (§ 553 ABGB). Die Erblasserin hat außer einer Liegenschaft nicht nur Schmuck - von dem sie nicht sagt, sein Wert sei gering, sondern es handle sich um "wenig" -, sondern auch "bewegliche Güter wie Einrichtung etc." und "Ersparnisse - Geld und Wertanleihen -" hinterlassen und ausdrücklich darüber verfügt. Diese Ersparnisse erreichen nach dem vorliegenden eidesstättigen Vermögensbekenntnis (AS 26 f) etwa 30 % des Wertes der Liegenschaft. Daß auch Hermine G*** ihren Nachlaß so bewertet hat, wie dies durch die bedachten Angehörigen geschehen ist, und daß sie diesen Angehörigen Quoten ihres Nachlasses entsprechend dieser Bewertung überlassen wollte, ist der Anordnung vom 5.10.1982 nicht zu entnehmen.

Nun sind zwar bei der testamentarischen Erbfolge die gesetzlichen Erben nicht als "vermutliche Erben" iS des § 75 AußStrG anzusehen und daher weder zu verständigen, noch auch der Abhandlung beizuziehen (SZ 25/190). Dies hat jedoch zur Voraussetzung, daß - nach einer Prüfung durch das Gericht - dem äußeren Anschein nach ein mit allen gesetzlichen Förmlichkeiten ausgestattetes Testament vorliegt (SZ 43/179). Bei dieser Prüfung ist entsprechend dem Zweck des § 75 AußStrG als Schutzbestimmung zugunsten der potentiellen Erben ein strenger Maßstab anzulegen (NotZ 1978, 174). Bestehen Zweifel, ob die letztwillige Verfügung in unbedenklicher Weise als Testament angesehen werden kann, sind gemäß § 75 AußStrG auch die gesetzlichen Erben vom Erbanfall mit der Aufforderung zu verständigen, die Erbserklärung beizubringen, damit die Erbverhandlung gepflogen werden könne.

Da die letztwillige Verfügung vom 5.10.1982 nicht in unbedenklicher Weise als Testament angesehen werden kann, hätte das Erstgericht gemäß § 75 AußStrG auch die gesetzlichen Erben zu verständigen gehabt. Die teilweise Aufhebung der von der gesetzlichen Erbin angefochtenen Beschlüsse des Erstgerichtes durch das Rekursgericht erfolgte daher zu Recht, sodaß dem Rekurs ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Rückverweise