JudikaturOGH

8Ob524/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Februar 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Sachwalterschaftssache betreffend Ing. Friedrich B***, Pensionist, Unterwinklern 18, 9220 Velden, infolge Revisionsrekurses des Betroffenen gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 12.Dezember 1986, GZ 3 R 268/86-49, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 7.August 1986, GZ SW 18/85-38, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht bestellte den Rechtsanwalt Dr. Rudolf Denzel zum Sachwalter des Betroffenen zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten (§ 273 Abs 3 Z 3 ABGB). Es stellte fest, daß der Betroffene geisteskrank ist (paranoide Psychose mit zeitweiligen halluzinatorischen Symptomen) und erachtete ihn aus diesem Grund für unfähig, alle seine Angelegenheiten selbst wahrzunehmen. Der Wirkungskreis des Sachwalters müsse daher die Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen umfassen.

Dieser Beschluß wurde vom einstweiligen Sachwalter des Betroffenen und vom Betroffenen selbst mit Rekurs bekämpft. Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem Rekurs des einstweiligen Sachwalters zur Gänze und dem des Betroffenen teilweise Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es zwar die Bestellung des Dr. Denzel zum Sachwalter des Betroffenen bestätigte, den Wirkungskreis des Sachwalters aber dahin einschränkte, daß es ihm nur die Vertretung des Betroffenen vor Gerichten und Verwaltungsbehörden übertrug (§ 273 Abs 3 Z 2 ZPO). Auch das Rekursgericht stellte nach Neudurchführung und Ergänzung des Verfahrens im Sinne des § 250 AußStrG fest, daß der Betroffene geisteskrank ist. Er leidet seit Jahren an einer paranoiden Psychose, wobei es zwischenzeitig auch zu halluzinatorischen Sypmtomen gekommen ist. Abweichend vom Erstgericht gelangte aber das Rekursgericht zu der Auffassung, daß kein Anhaltspunkt dafür bestünde, daß der Betroffene infolge dieser Erkrankung nicht in der Lage wäre, seine Einkünfte aus der ihm zukommenden Pension und der Zimmervermietung auf einer zum Teil ihm gehörigen Liegenschaft ohne die Gefahr eines Nachteiles für ihn selbst zu verwalten. Allerdings müsse befürchtet werden, daß die Befassung von Rechtsanwälten, Gerichten und Verwaltungsbehörden mit einer immer wieder gestellten "Fünf-Punkte-Forderung" durch den Betroffenen, aus der er Ansprüche in Millionenhöhe ableite, zu Kostenaufwendungen in einem enormen, die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen gefährdenden Ausmaß führen würde. Es sei daher im Sinne des § 273 Abs 3 Z 2 ABGB für den Betroffenen ein Sachwalter - und zwar gemäß § 281 Abs 3 ABGB ein Rechtsanwalt - zu bestellen, dessen Wirkungskreis allerdings auf die Vertretung des Betroffenen vor Gerichten und Verwaltungsbehörden einzuschränken sei. Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Betroffenen mit dem erkennbaren Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Einstellung des Verfahrens abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Revisionsrekurs ist unzulässig.

Vorwegzunehmen ist, daß das von der Bestellung der Sachwalter für behinderte Personen handelnde 5.Hauptstück des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen im § 249 keine abschließende Regelung des Rechtsmittelverfahrens in Sachwalterschaftssachen enthält (8 Ob 543/85; 8 Ob 538/86 ua.), sodaß, soweit diese Bestimmung nichts Abweichendes normiert, die allgemeinen Bestimmungen der §§ 9 ff AußStrG gelten. Die Rechtsprechung hat vor der ZVN 1983 die Ansicht vertreten, es könne von einer bestätigenden Entscheidung nur gesprochen werden, wenn die Entscheidung der ersten Instanz durch das Gericht zweiter Instanz vollständig bestätigt wird (JB 56). Dieser im Streitverfahren entwickelte Grundsatz gelte auch im Außerstreitverfahren; nur dann, wenn das Gericht in einem Beschluß über verschiedene Gegenstände entscheide, sei die Anfechtbarkeit der Entscheidung für jeden Gegenstand gesondert zu prüfen (SZ 41/109). Die Anfechtbarkeit teilweise bestätigender Entscheidungen wurde aber nun durch die ZVN 1983 für das Streitverfahren abweichend von den Grundsätzen des Judikats 56 neu geregelt; ein Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Teil einer Rekursentscheidung ist jetzt im streitigen Verfahren immer unzulässig. Diese neuen Rechtsmittelbeschränkungen sind auch auf andere Verfahrensarten nicht nur dann anzuwenden, wenn dort auf die Vorschriften der ZPO verwiesen wird; sie müssen zu einer Änderung der Rechtslage auch dort führen, wo bisher das Judikat 56 bloß auf Grund einer jetzt fortgefallenen Analogie angewendet wurde, wie etwa im Außerstreitverfahren (Petrasch in ÖJZ 1985, 303; RZ 1985/35 mwN; 7 Ob 582/85 ua.). Dies bedeutet, daß nunmehr im außerstreitigen Verfahren die Anfechtung eines bestätigenden Teiles einer Rekursentscheidung nur unter den im § 16 AußStrG normierten Voraussetzungen erfolgen kann, wobei die Grenzlinie zwischen bestätigender Entscheidung und Abänderung dort zu ziehen ist, wo dem Rekurs einer Partei in trennbarer Weise auch nur teilweise nicht Folge gegeben wurde (RZ 1985/35 ua.).

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Entscheidung des Rekursgerichtes insoweit um eine bestätigende, als dem Bertoffenen ein Sachwalter bestellt und diesem ein (eingeschränkter) Wirkungskreis zuerkannt wurde; abändernd ist die Entscheidung des Rekursgerichtes nur insoweit, als das Rekursgericht dem Sachwalter einen umfänglich geringeren Wirkungskreis zuerkannte als das Erstgericht. Gegen diesen abändernden Teil der Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich aber der Revisionsrekurs des Betroffenen nicht; er bekämpft eindeutig erkennbar die Entscheidung des Rekursgerichtes nur insoweit, als für ihn ein Sachwalter bestellt und diesem ein (eingeschränkter) Wirkungskreis zugewiesen wurde, also nur in ihrem bestätigenden Teil.

Dies ist im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG nur aus den in dieser Gesetzesstelle normierten Rechtsmittelgründen zulässig. Da weder eine offenbare Aktenwidrigkeit noch eine Nichtigkeit geltend gemacht wurde und sich der letztere Beschwerdegrund auch der Aktenlage nicht entnehmen läßt, bleibt nur zu prüfen, ob die Auffassung des Rekursgerichtes, dem Betroffenen sei vom Erstgericht im Sinne des § 273 Abs 1 ZPO zu Recht wegen seiner psychischen Krankheit ein Sachwalter zur Besorgung bestimmter im Abs 3 dieser Gesetzesstelle umschriebenen Angelegenheiten bestellt worden, offenbar gesetzwidrig ist. Durch § 273 Abs 2 ABGB ist zwar verdeutlicht, daß eine psychische Erkrankung bzw. eine geistige Behinderung für sich allein die Bestellung eines Sachwalters nicht rechtfertigt, sondern nur dann, wenn der psychisch Kranke oder geistig Behinderte außerstande ist, alle oder einzelne seiner Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Unter welchen Voraussetzungen aber im Einzelfall dann die Bestellung eines Sachwaltes geboten und mit welchen der im § 273 Abs 3 Z 1 bis 3 ABGB nur ganz allgemein umschriebenen Agenden dieser zu betrauen ist, ist im Gesetz im einzelnen nicht geregelt. Es kann daher nicht gesagt werden, daß im vorliegenden Fall die Entscheidung des Rekursgerichtes offenbar gesetzwidrig im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG wäre. Dies setzte nämlich nach ständiger Rechtsprechung voraus, daß ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 39/103; RZ 1975,10; JBl 1975,661; JBl 1975,547 uva.). Davon kann aber im Sinne obiger Ausführungen keine Rede sein (so auch 6 Ob 660/86).

Der Revisionsrekurs des Betroffenen ist daher zurückzuweisen.

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