JudikaturOGH

14Ob145/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Oktober 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Hon.Prof. Dr. Gottfried Winkler und Hon.Prof. Dr. Hanns Waas als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leo M***, Wien 21., Berzeliusgasse 14/52/26, vertreten durch Dr. Günter Langhammer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen Feststellung (Streitwert S 60.000,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 17. Februar 1986, GZ. 44 Cg 156/85-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 20. Februar 1985, GZ. 4 Cr 1839/83-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren abgewiesen wird.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 23.877,-- bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (davon S 386,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 4. Jänner 1982 bei der Bundesgebäudeverwaltung I in Wien als Vertragsbediensteter (Entlohnungsschema I, zuletzt Entlohnungsgruppe b) beschäftigt. Mit Schreiben vom 1. Juni 1983 löste die beklagte Partei das Dienstverhältnis gemäß § 34 Abs 2 lit b Vertragsbedienstetengesetz 1948 (im folgenden kurz: VBG) vorzeitig auf.

Der Kläger begehrt mit der Behauptung, Gründe für eine Entlassung lägen nicht vor, die Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses zur beklagten Partei. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und behauptete, der Kläger sei trotz wiederholter Mahnungen seinen Dienstpflichten nicht nachgekommen. Er habe seinen Arbeitsplatz wiederholt ohne dienstlichen Grund verlassen, sich ihm nicht zustehende Kontrollbefugnisse gegenüber anderen Bediensteten angemaßt und diese einzuschüchtern und unter Druck zu setzen versucht. Durch Tratschsucht und Intrigen habe er das Betriebsklima derart gestört, daß ihm die Auflösung des Dienstverhältnisses angedroht worden sei. Schließlich habe der Kläger versucht, durch unkorrekte Ausnützung dienstlicher Beziehungen private Vorteile zu erlangen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es stellte zahlreiche Dienstpflichtverletzungen des Klägers fest, war jedoch der Ansicht, daß diese von der beklagten Partei mit der angeordneten Versetzung geahndet worden seien. Die weiteren Dienstpflichtverletzungen des Klägers nach seiner Versetzung reichten für eine Entlassung nicht aus und könnten auch als Kündigungsgrund nicht geltend gemacht werden. Daß der Kläger versucht habe, sich durch unkorrekte Ausnützung dienstlicher Beziehungen private Vorteile zu verschaffen, sei nicht erwiesen. Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem und bestätigte das Ersturteil.

Es ging hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Der Kläger wurde nach seinem Eintritt bei der beklagten Partei der Abteilung "Baulenkung" zugeteilt, legte die restlichen Prüfungen zur B-Matura ab und wurde dann nach positiver Stellungnahme seines Vorgesetzten RegRat Ing. Stefan B*** in die Entlohnungsgruppe b überstellt. Bis März oder April 1983 war das Verhalten des Klägers im Dienst - auch Kollegen gegenüber - untadelig. Seit dieser Zeit legte er plötzlich ein total verändertes Benehmen an den Tag. Er hatte mit Kollegen Differenzen. Einige dieser Kollegen gingen zum Leiter der Personalabteilung, RegRat Kurt M***, und führten über den Kläger Beschwerde. Der Kläger maßte sich an, die Mittagspause der in seiner Abteilung arbeitenden Vertragsbediensteten Berta B*** und Erika S*** einzuteilen und sie zu überwachen. Er wies öfter darauf hin, mit dem früheren Bautenminister verwandt zu sein und behauptete, der Ehemann von Berta B*** stelle eine Schlägergruppe zusammen, um "ihm näherzutreten". Der Kläger behauptete ferner von mehreren Kollegen, sie säßen in der Mittagspause in einem Gasthaus und spielten Karten. Die (damit offenbar gemeinten) Beamten Emmerich R***, Alfred W*** und Franz W*** beschwerten sich über den Kläger "im Zusammenhang mit dem Kartenspielen" und wiesen diese Beschuldigung als Verleumdung zurück. Der Kläger schrie "einen Kollegen" an, (gemeint wohl die VB Hildegard H***, bei der sich der Kläger darüber beschwerte, daß ihm trotz zeitgerechter Anmeldung kein Dienstwagen zur Verfügung gestellt worden war). Der Vertragsbedienstete Felix V*** beschwerte sich bei RegRat Kurt M*** darüber, daß ihn der Kläger angerempelt habe. Der Kläger brachte durch sein Verhalten "mehr als bloß Unruhe und Unfrieden" in das Betriebsklima. Als RegRat Kurt M*** Beschwerden von Kollegen schriftlich festhielt, sagte der Kläger zu ihm: "Sie gehören ja psychiatriert". Am 1. Mai (richtig: 2. Mai) 1983 wurde der Kläger schriftlich ermahnt (und hiebei, wie sich aus Beilage C ergibt, insbesondere darauf aufmerksam gemacht, seinen Vorgesetzten und Mitbediensteten mit Achtung zu begegnen und sich sowohl im Dienst wie außerhalb des Dienstes seiner Stellung angemessen und ehrenhaft zu betragen; die Unterlassung der Dienstleistung durch den Kläger während einer den Umständen nach erheblichen Zeit [Verlassen des Amtsgebäudes ohne Bewilligung] stelle einen Entlassungsgrund dar. Der Kläger wurde daran erinnert, daß Kontaktnahmen mit den Portieren und dem Reinigungspersonal nicht zu seinen Aufgaben gehören). Die beklagte Partei hatte bereits damals die Absicht, den Kläger wegen seines anmaßenden Verhaltens und des Druckes, den er auf andere Kollegen ausübte, zu entlassen, entschied sich jedoch dann zu einer Versetzung, um dem Kläger noch eine Chance zu geben. Mit Wirkung vom 10. Mai 1983 wurde der Kläger in die Abteilung 15 "Nachrichtendienst" versetzt. Dem Kläger wurde bekanntgegeben, daß diese Dienstleistung ortsgebunden und die Zeit zur Einnahme des Mittagessens mit 30 Minuten begrenzt sei (gleichzeitig wurde der Kläger, wie sich aus dem Versetzungsschreiben ergibt, neuerlich an die Einhaltung seiner Dienstpflichten erinnert und letztmalig mit dem Bemerken verwarnt, daß ein Verstoß gegen die Dienstpflichten seine Entlassung zur Folge hätte).

Der Abteilung "Nachrichtentechnik" war der Kläger bis 1. Juni 1983 zugeteilt, machte aber wegen Krankenstandes und Urlaubes tatsächlich nur an vier Tagen (10., 11., 31. Mai und 1. Juni Dienst). Am 11. Mai 1983 wurde der Kläger wegen "Tratschen" am Gang vom Abteilungsleiter ermahnt.

Auslösender Grund für die Entlassung des Klägers war nicht das Entfernen vom Arbeitsplatz, sondern das Schreiben des (Kfz-Händlers und Transportunternehmers) Walter K*** vom 24. Mai 1983 an das Bundesministerium für Bauten und Technik, in dem er gegen den Kläger folgende Vorwürfe erhob: ".... daß der Kläger seine Anstellung beim Bundesministerium für geschäftliche und private Belange mißbraucht. Genannter gibt sich als Personalchef mit 2 Sekretärinnen über 400 Leute aus, verspricht zu seinem Vorteil Posten im Ministerium am laufenden Band. Meinen beiden Söhnen z.B. versprach er für Herbst dieses Jahres zwei Posten, weil er, Herr M***, sowieso aufrücke und dann zumindest sein Posten freiwürde und den zweiten bringe er vorläufig als Portier unter, wenn er nur bei dem von mir zu kaufenden PKW preislich gut dran wäre. Einem Meister der Firma P***, wo er die Klimaanlage seines PKWs reparieren ließ, versprach er für dessen Sohn einen Posten, wenn er die Reparatur nur klein halten würde. Mir selbst gab Herr M*** zum Besten, er könne mir bei meinem Transportgeschäft sehr behilflich sein, er sei ja schließlich der Neffe vom ehemaligen Bautenminister M*** und ein Du-Freund vom jetzigen Minister Herrn S***. Unterstrichen hat Herr M*** seine Angebote zum wiederholten Male damit, daß eine Auskunft von ihm normal S 2.000 koste....".

Der Kläger kaufte bei Walter K*** mit Kaufvertrag vom 1. April 1983 einen gebrauchten Mercedes 280 SE. Bei der Besichtigung dieses Fahrzeuges kam er mit den Söhnen des Walter K***, Horst und Heinz K*** ins Gespräch und sagte zu Horst K***, daß dieser im Bautenministerium zu arbeiten beginnen könnte; er könnte seinen Posten bekommen, weil er selbst höher aufsteige. Der Kläger zeigte Horst K*** auch ein Bewerbungsschreiben sowie einen Lohnzettel und sagte ihm, was er verdienen würde. Der Kläger machte diese Postenzusage von keiner Gegenleistung abhängig, sondern meinte nur, Horst K*** könne ihm dann als Mechaniker "mit dem Auto" (gemeint offenbar: bei der Reparatur des Autos) behilflich sein. Dem Heinz K*** bot der Kläger an, als Portier bei der "Landesregierung" zu arbeiten, was aber jener nicht ernst nahm. Der Kläger wollte (für diese Postenvermittlung) eine Gegenleistung, aber erst dann, wenn Heinz K*** bei der "Landesregierung" zu arbeiten beginne. Der Kläger versprach den Posten bei der "Landesregierung" aber nicht deshalb, um beim PKW-Kauf (der schon vor diesem Gespräch stattgefunden hatte) einen Nachlaß zu erhalten. Aus der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes geht ferner hervor, daß es auch als erwiesen annahm, daß der Kläger den Söhnen des Walter K*** vorspiegelte, er habe als Beamter des Bundesministeriums für Bauten und Technik "mit zwei Sekretärinnen und 400 Bediensteten" besonderen Einfluß (auf die Vergabe von Posten).

Das Berufungsgericht wertete die Postenversprechungen des Klägers als reine Prahlerei. Es war der Ansicht, daß dieses außerdienstliche Verhalten des Klägers dem Ansehen des Dienstes abträglich sei, doch stelle dies nur den Kündigungsgrund gemäß § 32 Abs 2 lit f VBG dar, nicht aber einen Entlassungsgrund im Sinne des § 34 Abs 2 lit b VBG. Daß sich der Kläger im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit Vorteile habe zuwenden lassen oder dies versucht habe, sei nicht festgestellt worden. Auch die Aufrechterhaltung der Entlassung als Kündigung (§ 30 Abs 3 VBG) sei nicht zulässig, weil eine Kündigung gemäß § 32 Abs 1 erster Satz VBG nur schriftlich und mit Angabe des Grundes erfolgen könne, die Zitierung einer Gesetzesstelle im Entlassungsschreiben aber keine Begründung sei.

Alle übrigen festgestellten Dienstpflichtverletzungen des Klägers lägen vor seiner Versetzung und seien durch diese Maßnahme geahndet. Sie könnten weder als Kündigungs- noch als Entlassungsgrund geltend gemacht werden, weil dies dem Grundsatz unverzüglicher Geltendmachung solcher Gründe widerspräche.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei ist berechtigt. Gemäß § 32 Abs 2 lit f VBG liegt ein Grund, der den Dienstgeber nach Ablauf der in Abs 1 genannten Frist zur Kündigung berechtigt, insbesondere vor, wenn es sich erweist, daß das gegenwärtige oder frühere Verhalten des Vertragsbediensteten dem Ansehen oder den Interessen des Dienstes abträglich ist, sofern nicht die Entlassung in Frage kommt. Aus dem letzten Halbsatz dieser Bestimmung ergibt sich, daß ein dem Ansehen oder den Interessen des Dienstes abträgliches außerdienstliches Verhalten auch als wichtiger, die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses nach § 34 Abs 1 VBG rechtfertigender Entlassungsgrund in Betracht kommen kann, wenn es von solcher Erheblichkeit ist, daß es den in § 34 Abs 2 VBG nur beispielsweise aufgezählten Entlassungsgründen entspricht. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Vorspiegelung des Klägers, er habe als "Beamter des Bundesministeriums für Bauten und Technik" mit zwei Sekretärinnen und 400 Bediensteten besonderen Einfluß und könne, da er höher aufsteige, diesen Posten dem Horst K*** und auch dem Heinz K*** einen Portierposten (bei der "Landesregierung") verschaffen, und die Bemerkung, er wolle dafür eine Gegenleistung, aber erst dann, wenn Heinz K*** bei der "Landesregierung" zu arbeiten beginne, ist dem Ansehen des öffentlichen Dienstes in einem Maße abträglich, daß die beklagte Partei berechtigt war, dieses Verhalten mit der sofortigen Lösung des Dienstverhältnisses zu ahnden. Den Kläger entschuldigt es nicht, daß das Versprechen der Verschaffung von Dienstposten eine leere Prahlerei gewesen sein mag und daß Horst und Heinz K*** nicht die Absicht hatten, solche Posten anzustreben. Entscheidend ist, daß die Adressaten solcher Angebote ein mit den tatsächlichen Verhältnissen bei der Aufnahme in den Bundesdienst in krassem Widerspruch stehendes, der beklagten Gebietskörperschaft höchst abträgliches Bild darüber gewinnen konnten, wie es bei der Vergabe von Posten im öffentlichen Dienst zugehe. Von dem als Vertragsbediensteten des gehobenen Dienstes beschäftigten Kläger mußte zumindest erwartet werden, die mit solchen Äußerungen verbundene Gefährdung des Ansehens der beklagten Partei zu erkennen. Da der Kläger seine Postenangebote auch mit dem Verlangen nach Zuwendung künftiger Vorteile in Verbindung brachte, ist sein Handeln gegen die Interessen des öffentlichen Dienstes so schwerwiegend, daß es die Entlassung rechtfertigt.

Bei dieser Sachlage braucht auf die Frage, inwieweit die überwiegend auf anderen schädlichen Neigungen beruhenden schweren Dienstpflichtverletzungen des Klägers, die die beklagte Partei unter letztmaliger Verwarnung mit einer Versetzung ahndete, nach dieser Maßnahme auch noch für die Begründung der Entlassung herangezogen werden können, nicht eingegangen zu werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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