2Ob512/86 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 18. Februar 1985 verstorbenen, zuletzt in 1100 Wien, Stockholmerplatz 8/5, wohnhaft gewesenen Erich B***, infolge Revisionsrekurses der Stadt Wien, vertreten durch die Magistratsdirektion - Zivil- und Strafrechtsangelegenheiten, 1082 Wien, Rathaus, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 13. November 1985, GZ. 44 R 197/85-13, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 24. September 1985, GZ. 1 A 158/85-10, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der erstgerichtliche Beschluß ON 10, womit der Ludmilla K*** die Nachlaßaktiven von 43.394 S auf Abschlag der von ihr bezahlten Begräbniskosten von S 45.379 an Zahlungsstatt überlassen und ausgesprochen wurde, daß die Pflegegebührenforderung des Pflegeheimes der Stadt Wien-Lainz von S 23.635,37 im Nachlaß keine Deckung finde, wurde auf Grund der Anfechtung durch den Magistrat der Stadt Wien vom Rekursgericht aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. In seiner Begründung führte das Rekursgericht aus, gemäß § 73 AußStrG seien die Forderung von Begräbniskosten und jene für Pflegegebühren bevorrechtet, wobei die Begräbniskostenforderung dem Anspruch auf Krankenpflegeentgelt grundsätzlich vorgehe. Der Umfang der bevorrechteten Begräbniskosten richte sich nach § 549 ABGB und ihre Angemessenheit daher auch nach dem Vermögensstand des Verstorbenen. Von den mit insgesamt S 45.379 geltend gemachten Begräbniskosten (S 22.199 Begräbniskosten abzüglich Sterbegeld, S 360 Grabbukett, S 18.850 Grabstein, S 900 Grabpflege sowie S 120) erschienen vorliegendenfalls solche von etwa S 35.000 angemessen. Eine Sachentscheidung sei dem Rekursgericht noch nicht möglich, weil sich im Akt keine Nachweise über die behaupteten Ausgabenbeträge befänden.
Rechtliche Beurteilung
In seinem zulässigen (JB 203; NZ 1981, 108; SZ 19/333; SZ 23/390) Rekurs gegen den zweitinstanzlichen Aufhebungsbeschluß bekämpft der Magistrat der Stadt Wien die rekursgerichtliche Ansicht, die Begräbniskosten seien hier vorbehaltlich ihres Nachweises mit S 35.000 angemessen und es komme ihnen ein Vorrang gegenüber den Krankheitskosten zu. Richtigerweise wären die Kosten eines im Sinne des § 549 ABGB angemessenen Begräbnisses im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse des Verstorbenen mit S 20.000 bis S 25.000 anzunehmen. Nach der Regelung des § 73 AußStrG, welche seit dem Inkrafttreten des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes durch insolvenzrechtliche Bestimmungen nicht mehr berührt werde, erschienen Begräbnis- und Pflegekostenforderungen auch gleichrangig. Mangels ausreichender Verlassenschaftsaktiven seien somit beide Forderungsarten grundsätzlich gleichermaßen quotenmäßig zu befriedigen. Wohl werde den Begräbniskosten im Betrage von S 20.000 abzüglich Sterbegeld freiwillig ein Vorrang eingeräumt, doch seien die über diesen Betrag hinausgehenden Nachlaßaktiven im Verhältnis der restlichen Begräbniskosten zur Pflegekostenforderung der Rekurswerberin quotenmäßig aufzuteilen.
Dem Rekurs kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu. Vorliegendenfalls haben sowohl die Testamentserbin Ludmilla K*** als auch der Magistrat der Stadt Wien den Antrag gestellt, ihnen gemäß § 73 AußStrG zur (teilweisen) Abdeckung ihrer geltend gemachten Forderungen den Nachlaß an Zahlungsstatt zu überlassen. Nach der Regelung des § 73 AußStrG hat das Gericht in dem Falle, als der Nachlaß unbedeutend und nach den Umständen zu vermuten ist, daß nur die dringendsten Verlassenschaftsschulden berichtigt werden können, die Parteien über die Beschaffenheit und den Wert des Nachlasses, dann über den Betrag der Krankheits- und Leichenkosten und anderer mit besonderem Vorrecht verbundener Forderungen zu vernehmen und das dadurch erschöpfte Vermögen den Gläubigern an Zahlungsstatt zu überlassen.
Die Rekurswerberin vertritt die Rechtsansicht, die vorgenannte Gesetzesstelle sehe eine Gleichrangigkeit der Krankheits- und Leichenkosten vor und sei durch die Bestimmungen des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes BGBl. 1982/370 nicht berührt worden. Diesem Standpunkt kann aus nachstehenden Erwägungen nicht beigetreten werden:
Zur Rechtsfrage, ob Spitalverpflegskosten bevorrechtete Forderungen im Sinne des § 73 Abs. 1 AußStrG darstellen, hat der Oberste Gerichtshof in einem Plenissimarbeschluß vom 29. April 1919 Judikatenbuch Nr. 1 = SZ 1/98 grundsätzlich Stellung genommen. Hiebei führte er zur vorgenannten Bestimmung - deren Wortlaut seit der Kundmachung des Außerstreitgesetzes RGBl. 1854/208 unverändert blieb - allgemein aus: "Aus § 73 AußStrG folgt einerseits die Verteilung des unbedeutenden Nachlasses im Maße der konkursmäßigen Befriedigung, andererseits aber auch, daß Forderungen, die im Konkurse bevorrechtet sind, auch hier die gleichen Vorrechte genießen. Der § 73 AußStrG erwähnt allerdings, daß die Parteien über den Betrag der Krankheits- und Leichenkosten und anderer mit besonderem Vorrechte verbundener Forderungen zu vernehmen sind, woraus schon auf ein durch diese Bestimmung den Krankheitskosten eingeräumtes Vorrecht geschlossen werden kann. Seinen Umfang regelt aber doch nur die Konkursordnung, weil Leichen- und Krankheitskosten im § 73 AußStrG den anderen, mit besonderen Vorrechten verbundenen Forderungen gleichgestellt, also als Art der mit besonderem Vorrecht verbundenen Forderungen bezeichnet werden, das ihnen zukommende Vorrecht jedoch weder der Klasse noch dem Umfange nach des näheren beschrieben wird. Die Verteilung im Maße der konkursmäßigen Befriedigung ist eben die Bestimmung, die den Umfang des erwähnten Vorrechtes umschreibt, seine Verwirklichung ermöglicht."
Hiezu ist festzuhalten, daß zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Außerstreitgesetzes und damit seines bis jetzt unverändert gebliebenen § 73 Abs. 1 - die Absätze 2 und 3 wurden im Zuge von Novellierungen angefügt - die Josefinische Konkursordnung JGS 1781/14 gegolten hatte (siehe auch FN 1 zu § 74 AußStrG in Edlbacher, Verfahren außer Streitsachen MGA 2 1984). Nach deren § 15 gehörten zur ersten, mit Vorrecht ausgestatteten Konkursklasse