5Ob504/86 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HONProf. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Rechtssachen der Klägerin S***
TIERKÖRPERVERWERTUNGSGESELLSCHAFT mbH, 8461 Ehrenhausen, Landscha 8, vertreten durch Dr. Hans Kortschak, Rechtsanwalt in Leibnitz, wider die beklagten Parteien 1.) Reinhard T***, Fleischhauer und Viehhändler, 8321 St. Margarethen a.d.R., wegen 147.226,88 S samt Anhang (8 Cg 339/84), 2.) Alfred S***, Versandschlachthof, Fleischgroßhandel, Viehagentur, 8421 Wolfsberg i.Schw. 1, wegen 249.600,95 S samt Anhang (8 Cg 343/84), beide vertreten durch Dr. Alfred Lind, Rechtsanwalt in Graz, infolge der außerordentlichen Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 2. Juli 1985, GZ 7 R 107-110/85-16, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Handelsgerichtes vom 2. Mai 1985, GZ 8 Cg 337/84-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben. Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der Klägerin 37 %, die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der Klägerin 63 % der mit 17.220,31 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 2.880,-- S an Barauslagen und 1.303,66 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Während die Beklagten Inhaber von steirischen Fleischhauereibetrieben sind, ist die Klägerin jene Tierkörperverwertungsanstalt nach der Vollzugsanweisung des Staatsamtes für Land- und Forstwirtschaft im Einvernehmen mit dem Staatsamt für Volksernährung vom 19. April 1919, betreffend die Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (Tierkörperverwertung), StGBl. Nr. 241, idF des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1977 über die Tragung der Kosten für die Beseitigung von Tierkörpern, BGBl. Nr. 660 (im folgenden kurz: Tierkörperverwertungsgesetz = TKVG), an welche nach der am 1. Jänner 1980 in Kraft getretenen Verordnung des Landeshauptmannes der Steiermark vom 28. November 1979 über die Einsammlung, Abfuhr, Beseitigung und Verwertung von Tierkörpern und Tierkörperteilen (Tierkörperverwertungsverordnung), LGBl. Nr. 90, idF der Kundmachung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 14. September 1984, BGBl. Nr. 376 (im folgenden kurz: Tierkörperverwertungsverordnung = TKVV), die in der Steiermark anfallenden, nach den zitierten Vorschriften dem Ablieferungszwang unterliegenden Gegenstände zur Einsammlung, Abfuhr, Beseitigung und Verwertung abzuliefern sind. Nach Punkt 2 des Tarifs der TKVV sind für die Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung der abfuhrpflichtigen Gegenstände an die Klägerin von den Inhabern von Fleischhauereibetrieben für jedes geschlachtete Rind 19,75 S, für jedes geschlachtete Kalb 2,44 S und für jedes geschlachtete Schwein 2,39 S als Entgelt zu entrichten.
Mit den am 18. Dezember 1980 beim Erstgericht eingelangten und in der Folge zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Klagen begehrte die Klägerin vom Erstbeklagten den später auf 147.226,88 S samt 5 % Zinsen seit 2. Dezember 1980 eingeschränkten Betrag und vom Zweitbeklagten den später auf 249.600,95 S samt 5 % Zinsen seit 2. Dezember 1980 eingeschränkten Betrag als ihr nach der TKVV geschuldete Vorauszahlung auf das Entgelt für das Jahr 1980. Die Beklagten stellten zwar die von der Klägerin der Berechnung der Vorauszahlung zugrunde gelegten Stückzahlen an geschlachtetem Vieh außer Streit (AS 51), bestritten jedoch das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. In eventu wendeten der Erstbeklagte eine Gegenforderung von 697.748 S und der Zweitbeklagte eine Gegenforderung von 110.447,40 S aufrechnungsweise ein, weil sie der Klägerin in den letzten 3 Jahren Schlachtabfälle abgeliefert hätten, welche diese zu Futter- und Düngemitteln verarbeitet habe. Das Erstgericht bejahte die Klageforderungen, verneinte die Gegenforderungen und verurteilte die Beklagten im Sinne der Klagen.
Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die Klägerin hat auch schon in den Jahren vor Inkrafttreten der TKVV die einzelnen Betriebe von ihren Schlachtungsabfällen entsorgt. Die Klägerin hatte mit den einzelnen Gemeinden, darunter auch mit jenen, in deren Gebiet die Betriebe der Beklagten liegen, schriftliche Vereinbarungen darüber geschlossen, daß diese Gemeinden die Kosten des Abtransportes zu zahlen haben.
Der Beklagte Reinhard T*** betreibt einen Fleischhauerverarbeitungsbetrieb und den Schlacht- und Stechviehhandel. Schon einige Jahre vor 1980 hat die Klägerin dem Beklagten für seinen Betrieb Container zur Verfügung gestellt, die für die Schlachtungsabfälle bestimmt waren. Der Beklagte hat die in seinem Betrieb anfallenden Schlachtungsabfälle auch in diese Container gegeben, ausgenommen das Fett. Fett hat der Beklagte T*** nie abgeliefert. Schweinedarmfett wird vom Beklagten T*** seit einigen Wochen an eine private Firma S*** verkauft. Den Nierenstock hat der Beklagte nie abgeliefert und liefert ihn auch jetzt nicht ab. Die Firma S*** zahlt für Fett und fleischige Abfälle 5 S je Kilogramm. Reinhard T*** hat mit der Klägerin nie eine Vereinbarung über eine Zahlung für abgelieferte Schlachtungsabfälle, insbesondere für Knochen, Fette, Talg und Schwarten, getroffen. Reinhard T*** hat bisher der Klägerin weder eine Rechnung über irgendwelche Schlachtungsabfälle der Jahre 1977 bis einschließlich 1979 noch auch eine solche für die Zeit danach gelegt. Seit die Container zur Verfügung gestellt worden sind, also auch schon vor 1980 wie auch für die Zeit danach, hat der Beklagte T*** an sich immer die gleichen Abfälle in die Container gegeben. Vor 1980 hat er allerdings die anfallenden Gedärme zur Schweinemast verwendet. Nunmehr verkauft er seit etwa 4 Wochen die fleischigen Teile an die Firma S***. Soweit dieses Unternehmen pflatzbedingt bei der Rundtour keine fleischigen Teile mehr aufnehmen kann, kommen auch diese in den Container, den die Klägerin abholt. Der Beklagte Alfred S*** betreibt einen Fleischgroßhandel, einen Versandschlachthof und eine Viehagentur. Er hat in den Jahren 1978 und 1979 wie auch in den Jahren danach immer gleichartige Gegenstände an die Klägerin abgeliefert. Auf die erste Entgeltvorschreibung hin - es ist dies die klagsgegenständliche vom 2. Juni 1980 - hat er der Klägerin mit 31. Dezember 1980 für die Jahre 1978, 1979 und 1980 jeweils über die abgeholten Schlachtabfälle Rechnung gelegt. Diese Rechnungen sind von der Klägerin nicht anerkannt und bezahlt worden. Zu diesem Zeitpunkt bestand mit der Klägerin keine Vereinbarung, daß für irgendwelche Schlachtabfälle ein Entgelt zu bezahlen sei. Erst danach hat der Beklagte, da er auch Knochen und Fette abgeliefert hatte, bei der Klägerin mehrfach angerufen und um Bezahlung ersucht. Die Bezahlung wurde dem Beklagten für jene Mengen an Knochen zugesichert, die er mit Lieferschein nachweisen könne. Er hat auch vereinzelt Lieferscheine ausgestellt und von den Fahrern unterschrieben bekommen. Die daraufhin erstellten Rechnungen für Knochenlieferungen wurden von der Klägerin auch bezahlt.
Der Beklagte Reinhard T*** hat im Jahr 1979 725 Rinder, 110 Kälber und 46.101 Schweine geschlachtet. Der Beklagte Alfred S*** hat im Jahr 1979 1700 Rinder, 241 Kälber, 74.201 Schweine und 10 Schafe geschlachtet. An Hand dieser Schlachtziffern hat die Klägerin den Beklagten jeweils am 2. Juni 1980 die einzelnen Vorauszahlungen in der Gesamthöhe der jeweiligen Klagebeträge vorgeschrieben.
Daß die Beklagten die zum menschlichen Genuß nicht verwertbaren Abfälle selbst industriell verwendet hätten, steht nicht fest. Diesen Sachverhalt unterzog das Erstgericht, soweit dies im Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, nachstehender rechtlichen Beurteilung:
Auszugehen sei von den Ziffern des Tarifs der TKVV. Die Klägerin habe ihre Entgeltvorschreibungen an Hand des Tarifs rechnerisch richtig durchgeführt. Daraus ergebe sich, daß die Klageforderungen der Höhe nach zu Recht bestünden. Weder der Einwand der mangelnden Fälligkeit noch der Einwand der mangelnden Passivlegitimation sei berechtigt. Die Klageforderungen bestünden daher auch dem Grunde nach zu Recht. Die Gegenforderungen der Beklagten seien nicht berechtigt, weil weder das TKVG noch die TKVV eine Entschädigung für die der Ablieferungspflicht unterliegenden Schlachtabfälle vorsehe. Soweit die Beklagten der Klägerin Schlachtabfälle abgeliefert hätten, für die ein Ablieferungszwang nicht bestehe, fehle es an einer Vereinbarung der Streitteile über eine Entgeltzahlung. Die Übergabe solcher Schlachtabfälle zur Abfuhr auf Kosten der Gemeinden in den Jahren 1978 und 1979 könne mangels Entgeltvereinbarung nur als Dereliktion im Sinne des § 362 ABGB angesehen werden. Das Berufungsgericht gab der nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die Revision nicht nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.
Es führte aus:
Kernpunkt der Kritik der Beklagten an der TKVV sei der Umstand, daß die Klägerin berechtigt sei, von den Beklagten selbst für solche Schlachtabfälle ein Entgelt zu fordern, ohne ihrerseits für deren Verwertung eine Vergütung an sie leisten zu müssen, die gar nicht der Ablieferungspflicht unterlägen, weil sie von den Beklagten selbst direkt anderweitig für industrielle Zwecke oder als Dünger verwendet werden könnten und in diesem Umfang für sie vermögenswerte Objekte darstellten. Die Klägerin sei nicht berechtigt, in dem Fall, daß sie die Schlachtabfälle verwerte, also nicht bloß beseitige, hiefür von den Beklagten ein Entgelt zu verlangen.
Bei dieser Argumentation übersähen die Beklagten, daß sie keineswegs verpflichtet seien, für nicht ablieferungspflichtige Gegenstände der Klägerin ein Entgelt zu entrichten. Die von den Beklagten erwähnten Schlachtabfälle wären nämlich nur dann von der Ablieferungspflicht ausgenommen, wenn sie tatsächlich direkt für industrielle Zwecke oder als Dünger Verwendung fänden. Für diese Auslegung sprächen schon der Wortlaut dieser Bestimmung (..... "Verwendung finden"), der auf ein effektives Geschehen hinweise, aber auch die Gesetzessystematik. Grundsätzlich seien nämlich Schlachtabfälle nach § 3 Abs 1 lit b TKVG sowie § 2 Abs 1 Z 2 TKVV ablieferungspflichtig, d.h. die Ablieferungspflicht sei in Ansehung aller Schlachtabfälle die Regel. Nur dann, wenn solche Schlachtabfälle direkt anderweitig für industrielle Zwecke oder als Dünger Verwendung fänden, seien sie von der Ablieferungspflicht ausgenommen. Da Ausnahmebestimmungen, die eine Regel durchbrächen, im Zweifel einschränkend auszulegen seien, bedeute dies, daß dann, wenn eine direkte anderweitige Verwendung weder für industrielle Zwecke noch als Dünger effektiv vorgenommen werde, die potentiell für alle Schlachtabfälle bestehende Ablieferungspflicht jeweils aktualisiert werde. Würde es sich nicht um abfuhrpflichtige Gegenstände handeln, dann wäre der Tarif der TKVV überhaupt nicht anzuwenden, wie § 10 Abs 1 TKVV und der Einleitungssatz des Tarifes in der Anlage dieser Verordnung deutlich machten. Die Abfuhrpflicht sei daher Voraussetzung dafür, daß ein Entgeltanspruch der Klägerin nach der TKVV überhaupt entstehen könne.
Daß aber im besonderen Falle im Betriebe der Beklagten sämtliche Schlachtabfälle von ihnen direkt für industrielle Zwecke oder als Dünger effektive Verwendung gefunden hätten und daher ablieferungspflichtige Gegenstände gar nicht hätten anfallen können, hätten die Beklagten nicht nachweisen können. Es sei demnach davon auszugehen, daß es sich bei den im Betrieb der Beklagten angefallenen Schlachtabfällen um solche Gegenstände gehandelt habe, die ablieferungspflichtig gewesen seien, für die die Beklagten daher an die Klägerin nach den angeführten Normen ein Entgelt zu entrichten hätten.
Daß die von der Klägerin vorzunehmende Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung derartiger ablieferungspflichtiger Gegenstände mit Aufwendungen verbunden sei, die durch einen Tarif abgegolten werden dürften, bestritten auch die Beklagten nicht. Sie meinten allerdings, es sei rechtswidrig, daß die Klägerin für solche Gegenstände, die bei einer direkten Verwendung für industrielle Zwecke oder als Dünger sicherlich einen gewissen Wert repräsentierten, auch dann von den Betriebsinhabern ein Entgelt verlangen dürfe, ohne ihrerseits den Beklagten eine Vergütung leisten zu müssen, wenn sie diese Gegenstände nicht bloß einsammle, abführe und beseitige, sondern selbst gewinnbringend verwerte. Eine solche Verwertung stehe freilich nicht im Gegensatz zu den Zielsetzungen des TKVG oder der TKVV. Dies werde deutlich, wenn man sich die Titel der erwähnten Normen vor Augen halte, in denen ausdrücklich von einer Verwertung die Rede sei, und weiters bedenke, daß nach § 1 Abs 1 TKVG die Tierkörperverwertungsanstalten als Anstalten definiert würden, in welchen "die unschädliche Verwertung von Tierkörpern .... gewährleistet ist". Auch § 1 Abs 3 des genannten Gesetzes lasse implicite zu, daß solche Anstalten gewerbsmäßig, also gewinnorientiert, betrieben würden. Darüber hinaus sei zu bedenken, daß jeder Verwertung geradezu zwangsläufig ein Einsammeln und Abführen der Tierkörper vorausgehen müsse. Schließlich habe auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Juni 1984, V 14, 15/81, darauf verwiesen, daß eine Verwertung solcher Gegenstände der Klägerin gesetzlich erlaubt sei.
Stehe aber fest, daß solcherart gegen eine - gegebenenfalls auch gewinnbringende - Verwertung der abfuhrpflichtigen Gegenstände durch die Klägerin keine Bedenken bestünden, so reduziere sich die hier zu lösende Rechtsfrage darauf, ob nicht etwa im Falle einer Verwertung der Schlachtabfälle wegen der Möglichkeit der Erzielung von Gewinnen Tierkörperverwertungsanstalten schon von Gesetzes wegen zwingend verhalten werden müßten, Betriebsinhabern wie den Beklagten für die Überlassung solcher Gegenstände eine Vergütung zu leisten, wie dies § 6 Abs 1 zweiter Halbsatz TKVG vor seiner Derogation durch das Wirksamwerden des Bundesverfassungsgesetzes (vgl. VfSlg. 7936/1976) immerhin als möglich ("..... allfällige Vergütung" .....) vorgesehen habe.
Eine Verpflichtung des - einfachen - Gesetzgebers und damit auch des ihn ausführenden Verordnungsgebers, die Leistung einer Vergütung in Fällen der vorliegenden Art anzuordnen, könne aus keiner verfassungsgesetzlichen Norm zwingend abgeleitet werden, insbesondere auch nicht aus jenen Vorschriften, die den Schutz des Eigentums gewährleisteten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes seien nämlich selbst entschädigungslose Enteignungen verfassungsrechtlich unbedenklich (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes 5 , 409).
Gegen die Rechtmäßigkeit der als Grundlage für die klägerischen Ansprüche heranzuziehenden Normen bestünden daher keine Bedenken. Es bestehe demnach kein Anlaß, ein weiteres Normenkontrollverfahren einzuleiten, wie dies die Beklagten in der Berufung angeregt hätten. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf § 503 Abs 1 Z 4 und Abs 2 ZPO gestützte außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Klagebegehren abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt. Die Beklagten vertreten zusammengefaßt den Standpunkt, daß der Klägerin ein Entgeltanspruch nach dem Tarif der TKVV nicht zustehe, wenn sie die von ihr eingesammelten und abgeführten abfuhrpflichtigen Gegenstände nicht beseitige, sondern verwerte, wie dies die Vorinstanzen unbekämpft festgestellt hätten. Damit wird eine vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht behandelte, im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage des materiellen Rechts aufgeworfen, mag sie auch nur für den Bereich des Bundeslandes Steiermark von Bedeutung sein. Zu dieser Frage ist wie folgt Stellung zu nehmen:
Die auf der Stufe eines einfachen Bundesgesetzes stehende (VfSlg. 7936/1976 ua.), vom Staatsamt für Land- und Forstwirtschaft im Einvernehmen mit dem Staatsamt für Volksernährung am 19. April 1919 erlassene Vollzugsanweisung betreffend die Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (Tierkörperverwertung), StGBl. Nr. 241, idF des Bundesgesetzes BGBl. 1977/660 (TKVG), bestimmt im § 1 Abs 1, daß Tierkörperverwertungsanstalten im Sinne dieser Vollzugsanweisung Anstalten sind, in welchen die unschädliche Verwertung von Tierkörpern, deren Teilen und sonstigen Gegenständen animalischer Herkunft, insbesondere aber die Vernichtung aller Seuchenkeime gemäß § 14 TierseuchenG gewährleistet ist. Nach § 2 TKVG sind die Tierkörperverwertungsanstalten verpflichtet, die einlaufenden Gegenstände auf Futter und Fett zu verarbeiten und diese Verarbeitung in rationellster Weise durchzuführen. Nach § 3 Abs 1 TKVG kann der Landeshauptmann anordnen, daß aus einem bestimmten Umkreis folgende Gegenstände an eine solche Anstalt abzuführen sind: ..... lit b): .... sowie die Schlachtungsabfälle. Als Schlachtungsabfälle gelten zum menschlichen Genuß nicht verwertbare Abfälle im Schlachtbetrieb, soweit sie nicht direkt anderweitig für industrielle Zwecke oder als Dünger Verwendung finden. § 6 Abs 1 TKVG in seiner ursprünglichen Fassung sah vor, daß die Landesregierung (nun: der Landeshauptmann) nähere Bestimmungen über die Anzeige, Verwahrung und Zufuhr der abzuliefernden Gegenstände zu treffen und die allfällige Vergütung für abgelieferte Gegenstände sowie die Gebühren für die Abholung und Verarbeitung festzusetzen hat.
Nach § 7 TKVG werden die Anordnungen der Tierseuchengesetze durch die vorstehenden Bestimmungen (des TKVG) nicht berührt. Am 30. Oktober 1961 erließ der Landeshauptmann von Steiermark, gestützt auf die §§ 14 und 61 TierseuchenG, RGBl. 1909/177, in der geltenden Fassung und die hiezu ergangene Ministerialverordnung in der geltenden Fassung (§ 14 TierseuchenG enthält Bestimmungen über die unschädliche Beseitigung, Verarbeitung und Bearbeitung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und tierischen Abfällen, § 61 TierseuchenG unter anderem Bestimmungen über die Tragung der Kosten hiefür) sowie unter anderem auf die §§ 3 und 6 TKVG, eine Verordnung über die Abfuhr und Verwertung von Tierkörpern (TKVV LGBl. 1961/128). Der im § 1 dieser Verordnung normierten Abfuhrpflicht unterlagen unter anderem auch Schlachtungsabfälle. Die Abfuhr angemeldeter Schlachtungsabfälle hatte nach § 6 dieser Verordnung durch die Tierkörperverwertungsanstalt zu erfolgen. Nach § 11 dieser Verordnung hatten die Gemeinden für die Abfuhr und die unschädliche Beseitigung der abfuhrpflichtigen Gegenstände in den Tierkörperverwertungsanstalten jährlich Gebühren (Bauschbeträge) an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung zu entrichten. Mit Erkenntnis vom 3. Dezember 1976, VfSlg. 7936/1976, hat der Verfassungsgerichtshof dargetan, daß der ursprünglich im § 6 Abs 1 TKVG enthaltene zweite Halbsatz "und die allfällige Vergütung ...."
wegen Verstoßes gegen Art. 18 Abs 2 B-VG in die vom Bundesverfassungsgesetz beherrschte Rechtsordnung nicht Eingang gefunden hat. Daraufhin wurden dem § 6 TKVG durch das Bundesgesetz BGBl. 1977/660 (vgl. dazu den Initiativantrag Nr. 67/A, II 2838 BlgNR 14.GP) nachstehende Absätze 3 und 4 angefügt:
"(3) Der Landeshauptmann hat das Entgelt für die Einsammlung, die Abfuhr und die Beseitigung der abzuliefernden Gegenstände in einem kostendeckend begrenzten Entgelttarif durch Verordnung festzulegen. Bei der Berechnung des Tarifs sind die voraussichtlichen durchschnittlichen Kosten der Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung sowie Rücklagen für die Erhaltung und Verbesserung der hiefür bestimmten Einrichtungen und für deren Amortisierung zu berücksichtigen.
(4) Die auf Grund des Entgelttarifes nach Abs 3 zu entrichtenden Entgelte sind von den Besitzern von Gegenständen, die dem Ablieferungszwang nach § 3 unterliegen, zu leisten."
Am 28. November 1979 erließ der Landeshauptmann der Steiermark, gestützt auf die §§ 14 und 61 TierseuchenG in der geltenden Fassung sowie auf die §§ 1 bis 5 und 6 Abs 3 und 4 TKVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. 1977/660, eine Verordnung über die Einsammlung, Abfuhr, Beseitigung und Verwertung von Tierkörpern und Tierkörperteilen (TKVV LGBl. 1979/90, in der Folge kurz TKVV genannt), die unter gleichzeitigem Außerkrafttreten der TKVV 1961 am 1. Jänner 1980 in Kraft getreten ist. Nach § 1 Abs 1 TKVV sind die in der Steiermark anfallenden, dem Ablieferungszwang unterliegenden Gegenstände unter Einhaltung veterinär- und gesundheitspolizeilicher Vorschriften an die Steirische Tierkörperverwertungsgesellschaft mbH (die Klägerin) zur Einsammlung, Abfuhr, Beseitigung und Verwertung abzuliefern. Nach § 1 Abs 2 TKVV hat die Klägerin auf Grund dieser Verordnung und der mit dem Land Steiermark eingegangenen vertraglichen Verpflichtung die anfallenden Gegenstände einzusammeln, abzuführen, zu beseitigen oder zu verwerten. Nach § 2 Abs 1 Z 2 TKVV unterliegen unter anderem die Schlachtabfälle dem Ablieferungszwang. § 2 Abs 2 Satz 2 TKVV, der eine eigene Definition der Schlachtabfälle enthielt, wurde vom Verfassungsgerichtshof auf Grund eines Verordnungsprüfungsverfahrens, das (im Zuge der gegenständlichen und anderer Prozesse) auf Antrag des Erstgerichtes eingeleitet worden war, mit Erkenntnis vom 12. Juni 1984, V 14, 15/81, als gesetzwidrig aufgehoben (Kundmachung dieses Erkenntnisses durch den Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz: BGBl. 1984/376) und ist daher in den gegenständlichen Verfahren nicht anzuwenden. Zur raschen Durchführung der Abfuhr sowie aus gesundheits- , veterinärpolizeilichen, verkehrs- und betriebstechnischen Gründen sind unter anderem von den Schlachtbetrieben, Fleischhauereien, fleischverarbeitenden Betrieben usw. im Einvernehmen mit der Tierkörperverwertungsanstalt Sammelbehälter in ausreichender Anzahl zur Aufnahme der ablieferungspflichtigen Gegenstände aufzustellen. Die Sammelbehälter hat die Tierkörperverwertungsanstalt zur Verfügung zu stellen (§ 7 Abs 1 TKVV).
§ 10 TKVV lautet auszugsweise:
"(1) Für die Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung der nach § 2 abzuliefernden Gegenstände sind kostendeckende Entgelte zu entrichten. Die Höhe dieser Entgelte ist in der einen Bestandteil dieser Verordnung bildenden Anlage festgelegt (Tarif).
(2) Die Entgelte nach Z 1 des Tarifs sind von den Gemeinden, die Entgelte nach § 2 des Tarifs von den jeweiligen Betriebsinhabern an die Tierkörperverwertungsanstalt zu leisten. Die Gemeinden sind berechtigt, einen Teil des auf sie entfallenden Kostenanteils auf die Zucht- und Nutztierhalter zu überwälzen.
.....
(4) Die auf Fleischhauereien, Schlachtstätten, Schlachthöfe, sonstige Schlacht- und Fleischverarbeitungsbetriebe jährlich entfallenden Kosten der Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung sind von der Tierkörperverwertungsgesellschaft gemäß Z 2 des Tarifs an Hand der Schlachtziffern und Mengen an zugekauftem Fleisch des Vorjahres zu berechnen und den Betriebsinhabern bis spätestens Ende März eines jeden Jahres bekanntzugeben."
Nach dem in § 10 Abs 1 TKVV genannten Tarif sind für die Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung der abfuhrpflichtigen Gegenstände an die Tierkörperverwertungsanstalt von den Fleischhauereien, Schlachtstätten, Schlachthöfen und sonstigen Schlachtbetrieben auf Grund der Schlachtziffern je geschlachtetem Tier die von den Vorinstanzen im einzelnen festgestellten Entgelte zu entrichten.
Aus Anlaß des oben erwähnten Verordnungsprüfungsverfahrens hat der Verfassungsgerichtshof auch die Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs 1 und 3 TKVG geprüft. Er gelangte in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 1983, G 85/81, G 61/83, zu dem Ergebnis, daß diese auf der Stufe eines einfachen Bundesgesetzes stehenden Vorschriften nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. In dem das Verordnungsprüfungsverfahren abschließenden Erkenntnis vom 12. Juni 1984, V 14, 15/81, mit dem unter anderem der Antrag des Erstgerichtes, auch § 10 Abs 4 TKVV als gesetzwidrig aufzuheben, abgewiesen wurde, führte der Verfassungsgerichtshof aus, daß es das TKVG dem Verordnungsgeber überlasse, auf welche Weise er die Umlegung der Kosten auf die Benützer vornehme, ob nämlich nach den konkret abgelieferten Gegenständen oder aber nach einer anderen, sinnvolle Annäherungswerte ergebenden Methode. Abgesehen davon, daß es offenbar im Sinne einer Verrechnungsvereinfachung sowohl für die Behörde als auch für die Betriebsinhaber liege, wenn die TKVV die zweitgenannte Berechnungsmethode wähle, lege es eine Sinninterpretation geradezu nahe, sowohl auf die Zahl der im Betrieb geschlachteten Tiere (die "Schlachtziffer") als auch auf das im Betrieb verarbeitete, nicht aus eigenen Schlachtungen stammende Fleisch (die "Menge an zugekauftem Fleisch") abzustellen und nicht etwa auf die tatsächlich abgelieferten Gegenstände im Sinne des § 2 TKVV. Aus der Menge des beim Betriebsinhaber anfallenden Fleisches ergebe sich bei einer - hier gemäß § 6 Abs 3 Satz 2 TKVG gebotenen - Durchschnittsbetrachtung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Menge der anfallenden Gegenstände im Sinne des § 2 TKVV.
Aus dieser Rechtslage ergibt sich, daß TKVG und TKVV in erster Linie auf die unschädliche Beseitigung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten abzielen, um Tierseuchen hintanzuhalten und zu bekämpfen und vor allem Gefahren abzuwehren, die der Volksgesundheit bei der Verwertung tierischer Produkte drohen, wobei die unschädliche Verwertung nur eine bestimmte Art der unschädlichen Beseitigung darstellt (VfSlg. 7936/1976; siehe auch VfGH 12. 12. 1983, G 85/81, G 61/83, sowie VfGH 12. 6. 1984, V 14, 15/81). Daraus, daß TKVG und TKVV in verschiedenen Bestimmungen einmal von (unschädlicher) Verwertung (Verarbeitung) und einmal von (unschädlicher) Beseitigung sprechen, sowie insbesondere daraus, daß in den das Entgelt betreffenden Bestimmungen dieser Vorschriften (§ 6 Abs 3 TKVG, § 10 TKVV samt Tarif) nur auf die Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung der ablieferungspflichtigen (abfuhrpflichtigen) Gegenstände abgestellt wird, kann daher noch nicht abgeleitet werden, daß im Falle der Verwertung dieser eingesammelten und abgeführten Gegenstände durch die Klägerin kein Entgelt nach der TKVV geschuldet würde. Die TKVV läßt bei der Regelung betreffend die Zurverfügungstellung und Abholung der Sammelbehälter sowie bei der Festlegung der Entgeltberechnungsmethode und des Tarifs jeden Anhaltspunkt dafür vermissen, ob und wie zwischen einer (unschädlichen) Beseitigung durch (thermische oder chemische) Vernichtung und einer (unschädlichen) Beseitigung durch Verwertung unterschieden werden sollte. Es kann demnach auf sich beruhen, ob der von der Beklagten erhobene und von der Klägerin bestrittene Einwand, daß die Klägerin im Verhältnis zu ihrer Futtermittelproduktion nur "minimalst" Schlachtungsabfälle beseitige, im wesentlichen viel mehr verwerte und dazu noch beachtliche Mengen zugekaufter Schlachtungsabfälle verwerte (AS 53), zutrifft; die in der Revision enthaltene Behauptung der Beklagten, es sei festgestellt worden, daß die Klägerin die abgelieferten Gegenstände (ausschließlich oder doch weitaus überwiegend) einer Verwertung zuführe und aus ihnen ein marktgängiges Finalprodukt herstelle, ist aktenwidrig. Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, § 3 Abs 1 GJGebG idF des Art. X Z 2 der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. Nr. 135. Die Beklagten haben der Klägerin die Kosten der Revisionsbeantwortung im Verhältnis der Streitwerte der beiden zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Verfahren zu ersetzen.