JudikaturOGH

8Ob40/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. November 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch Dr. Heinz Napetschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1) J*, und 2) D* AG, *, beide vertreten durch Dr. Otto Siegmund, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen S 107.850, s.A., infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 18. April 1985, GZ. 7 R 47/85 28, womit das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 20. Dezember 1984, GZ. 17 Cg 39/84 24, und das ihm vorangegangene Verfahren in Ansehung des Erstbeklagten als nichtig aufgehoben und die gegen den Erstbeklagten gerichtete Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem im zu * des LG für ZRS Graz anhängigen Konkursverfahren über das Vermögen des Erstbeklagten bestellten Masseverwalters Dr. Leo H*, Rechtsanwalt in L*, wird eine Frist von 14 Tagen ab Zustellung dieses Beschlusses gesetzt, innerhalb welcher er erklären kann, ob er in den zu * des LG Klagenfurt gegen den Erstbeklagten anhängig gemachten Rechtsstreit eintritt und das bisher durchgeführte Verfahren in Ansehung des Erstbeklagten genehmigt.

Text

Begründung:

Wie sich aus dem Akt * des LG für ZRS Graz ergibt, wurde über das Vermögen des Erstbeklagten mit Beschluß vom 18. 11. 1982 (am gleichen Tag an der Gerichtstafel angeschlagen) der Konkurs eröffnet. Zum Masseverwalter wurde Dr. Leo H*, Rechtsanwalt in L*, bestellt.

Im vorliegenden Rechtsstreit (die Klage wurde am 26. 1. 1984 beim Erstgericht eingebracht) begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus einem Verkehrsunfall vom 2. 6. 1982 (der Erstbeklagte wurde als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen * und die Zweitbeklagte als Haftpflichtversicherer dieses Kraftfahrzeuges in Anspruch genommen) die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 107.850. s.A. Nach dem Akteninhalt wurden Klage und Ladung zur ersten Tagsatzung nur der Zweitbeklagten zugestellt. Die für den Erstbeklagten bestimmte Klage samt Ladung zur ersten Tagsatzung langte mit Postfehlbericht am 1. 2. 1984 an das Erstgericht zurück, wobei der Name des Erstbeklagten durchgestrichen und daneben vermerkt war: „Masseverwalter Dr. Leo H*“ (ON 2). Von diesem Fehlbericht verständigte das Erstgericht den damaligen Klagevertreter mit ZP Form.51. Die erste Tagsatzung vom 7. 2. 1984 wurde nur zwischen dem Kläger und der Zweitbeklagten abgewickelt; der Zweitbeklagten wurde die Überreichung der Klagebeantwortung bis spätestens 21. 2. 1984 aufgetragen (ON 3). Am 20. 2. 1984 langte eine von RA Dr. Otto S* namens beider Beklagter verfaßte Klagebeantwortung beim Erstgericht ein; sie enthielt den Vermerk „Vollmacht gemäß § 30 ZPO erteilt“ (ON 4). In der Folge wurde das Verfahren nach dem Akteninhalt zwischen Kläger und beiden Beklagten durchgeführt, wobei für beide beklagte Dr. Otto S* auftrat. Er legte in einem beim Erstgericht am 9. 3. 1984 eingelangten Schriftsatz (ON 8) das den Erstbeklagten betreffende Konkurseröffnungsedikt vor und teilte in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 4. 6. 1984 (ON 13) mit, daß das Konkursverfahren über das Vermögen des Erstbeklagten nach wie vor aufrecht sei. „Ein Unterbrechungsantrag werde derzeit nicht gestellt.“

Mit Urteil vom 20. 12. 1984 (ON 24) wies das Erstgericht das gegen beide Beklagte gerichtete Klagebegehren ab.

Dieses Urteil wurde seinem gesamten Umfang nach vom Kläger mit Berufung bekämpft.

Mit dem angefochtenen Beschluß hob das Berufungsgericht aus Anlaß dieser Berufung das Urteil des Erstgerichtes, soweit es den Erstbeklagten betrifft, einschließlich des diesen Beklagten betreffenden der Urteilsfällung vorausgegangenen Verfahrens (ab Klagebeantwortung) als nichtig auf und wies die gegen den Erstbeklagten gerichtete Klage zurück (Punkt A des Spruches der Entscheidung). Die Kosten des für nichtig erklärten Verfahrens zwischen dem Kläger und dem Erstbeklagten hob es auf (Punkt B des Spruches der Entscheidung).

Das Berufungsgericht führte aus, daß das Urteil des Erstgerichtes und das ihm vorangegangene Verfahren an einer von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit leide, weil über eine nicht auf den streitigen Rechtsweg gehörige Sache erkannt worden sei. Über das Klagebegehren hätte zwar das ordentliche Gericht, aber nicht im streitigen, sondern im Konkursverfahren zu entscheiden gehabt. Über das Vermögen des Erstbeklagten sei bereits vor Klagseinbringung der Konkurs eröffnet worden und das Konkursverfahren sei noch währen des erstgerichtlichen Verfahrens anhängig gewesen. Nach § 6 KO könnten Rechtsstreitigkeiten, die die Geltendmachung von Ansprüchen auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen bezweckten, nach der Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuldner weder anhängig gemacht noch fortgesetzt werden. Dies habe zur Folge, daß über derartige Ansprüche der streitige Rechtsweg unzulässig sei, weil zur Feststellung solcher Ansprüche die Konkursordnung in ihrem 5. Abschnitt ohnehin ein besonderes Verfahren im Rahmen des Konkurses vorsehe. Ein Gläubiger habe daher gegen einen Gemeinschuldner ausschließlich diesen Weg der Forderungsfeststellung und durchsetzung zu beschreiten, wobei erst im Falle einer Bestreitung der Forderungsanmeldung im Konkursverfahren im Sinne der §§ 110 ff KO der streitige Rechtsweg offenstünde wobei freilich nicht ein Leistungsbegehren, sondern nur ein Feststellungsbegehren erhoben werden könne. Gemäß § 61 KO könne auf Grund einer im Konkurs festgestellten und vom Gemeinschuldner nicht ausdrücklich bestrittenen Forderung auf Grund der Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis Exekution geführt werden.

Es müsse daher das Urteil des Erstgerichtes und das ihm vorangegangene Verfahren hinsichtlich des Erstbeklagten als nichtig aufgehoben und die gegen den Erstbeklagten gerichtete Klage zurückgewiesen werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers. Er bekämpft sie ihrem gesamten Inhalt nach mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, allenfalls ihn dahin abzuändern, daß dem Erstbeklagten die Kosten des für nichtig erklärten Verfahrens auferlegt werden.

Der Erstbeklagte hat keine Rekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Über das Rechtsmittel des Klägers kann, soweit es sich gegen Punkt A des Spruches der Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet, ohne Einleitung eines Verfahrens nach § 6 Abs. 2 ZPO nicht abgesprochen werden.

Gemäß § 6 Abs. 1 KO können Rechtsstreitigkeiten, die die Geltendmachung von Ansprüchen auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen bezwecken, nach der Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuldner weder anhängig gemacht noch fortgesetzt werden. Gemäß § 6 Abs. 2 KO können Rechtsstreitigkeiten über Absonderungsansprüche auch nach der Konkurseröffnung, jedoch nur gegen den Masseverwalter anhängig gemacht und fortgesetzt werden.

Das im vorliegenden Fall in der nach Konkurseröffnung über das Vermögen des Erstbeklagten gegen diesen eingebrachten Klage gestellte auf Leistung eines Geldbetrages gerichtete Klagebegehren bezweckt, soweit seine Durchsetzung nicht auf den Deckungsanspruch des Erstbeklagten gegen die Zweitbeklagte (den Haftpflichtversicherer des Erstbeklagten) beschränkt ist, die Geltendmachung von Ansprüchen auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen im Sinne des § 6 Abs. 1 KO. In diesem Umfang steht diese Gesetzesvorschrift der Klagsführung gegen den Erstbeklagten entgegen.

Das Klagebegehren lautet zwar ganz allgemein auf Zahlung bei Exekution ohne Einschränkung auf die Entschädigungsforderung des Erstbeklagten gegen die Zweitbeklagte, doch ist in diesem Begehren das Begehren auf Zahlung bei Vollstreckung in diese Forderung als ein minus enthalten (ZVR 1962/246). Nach § 157 VersVG kann der bei einem Unfall geschädigte Dritte wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruches im Fall des Konkurses über das Vermögen des Versicherungsnehmers abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers verlangen. Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich dabei um einen Absonderungsanspruch im Sinne des § 6 Abs. 2 KO. Dieses Absonderungsrecht kann auch nach der Konkurseröffnung nach § 6 Abs. 2 KO geltend gemacht werden, wie wenn der Konkurs nicht eröffnet worden wäre, allerdings nur mehr gegen den Masseverwalter (ZVR 1962/246; EvBl. 1978/123; RZ 1982/47 ua.).

Die Klagsführung gegen den Gemeinschuldner entgegen den Vorschriften des § 6 Abs. 1 und Abs. 2 KO unterliegt entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht der Nichtigkeitssanktion des § 477 Abs. 1 Z 6 ZPO. Gerade die in den §§ 7 und 8 KO getroffene Regelung zeigt, daß auch nach Konkurseröffnung Ansprüche gegen den Gemeinschuldner im streitigen Verfahren durchgesetzt werden können; dies gilt kraft der ausdrücklichen Anordnung des § 6 Abs. 2 KO im besonderen für Rechtsstreitigkeiten über Absonderungs und Aussonderungsansprüche. Nach der herrschenden (mit den Ausführungen in Bartsch Pollak Konkursordnung 3 § 1 Anm. 60 in Übereinstimmung stehenden) Rechtsprechung bewirkt die Konkurseröffnung eine Beschränkung der Verfügungsberechtigung des Gemeinschuldners über das zur Konkursmasse gehörige Vermögen und damit eine Beschränkung seiner Prozeßfähigkeit in diesem Umfang, die gemäß den §§ 7, 477 Abs. 1 Z 5 ZPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen ist (SZ 34/124; JBl. 1972, 578; JBl. 1973/93; RZ 1979/90 ua.), die aber allerdings infolge Genehmigung seiner Prozeßführung durch den Masseverwalter geheilt werden kann (ZBl. 1928/150; ZBl. 1937/329; EvBl. 1961/152 ua.). Dabei gilt die Regel, daß der Gemeinschuldner hinsichtlich der Masse nicht verfügungsberechtigt ist, gleichermaßen für Passiv und Aktivprozesse (SZ 11/19; EvBl. 1961/152; 8 Ob 214/82 ua.).

Im vorliegenden Fall ist nun der Erstbeklagte durch die Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen im dargestellten Sinn in seiner Prozeßfähigkeit beschränkt, und zwar in gleicher Weise, ob gegen ihn ein Absonderungsanspruch (§ 6 Abs. 2 KO) oder ein Anspruch auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen (§ 6 Abs. 1 KO) geltend gemacht wird.

Die Wahrnehmung einer Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs. 1 Z 5 ZPO setzt nach dieser Gesetzesstelle voraus, daß die Prozeßführung nicht nachträglich ordnungsgemäß genehmigt wurde. § 6 Abs. 2 ZPO ordnet an, daß dann, wenn der Mangel der Prozeßfähigkeit und der gesetzlichen Vertretung beseitigt werden kann, das Gericht die hiezu erforderlichen Aufträge zu erteilen und zu ihrer Erfüllung von Amts wegen eine angemessene Frist zu bestimmen hat, bis zu deren fruchtlosem Ablauf der Ausspruch über die Rechtsfolgen des Mangels aufgeschoben bleibt. Im Sinne dieser Vorschrift hat das Rechtsmittelgericht aus Anlaß eines Rechtsmittels, das sich gegen einen Beschluß auf Nichtigerklärung des vom Mangel der persönlichen Prozeßvoraussetzungen betroffenen Verfahrens richtet, vorerst zu prüfen, ob die Vorinstanz die Pflicht zur Auftragserteilung nach § 6 Abs. 2 ZPO verletzt hat. Bejahendenfalls hat das Rechtsmittelgericht die notwendigen Aufträge zu erteilen und nach deren Durchführung auf Grund des ergänzten Verfahrens über das Rechtsmittel gegen die Nichtigerklärung zu erkennen ( Fasching Kommentar II 155).

Im vorliegenden Fall wäre die Sanierung des oben behandelten vorliegenden Nichtigkeitsgrundes dadurch möglich, daß der im Konkursverfahren über das Vermögen des Erstbeklagten bestellte Masseverwalter in den gegen den Erstbeklagten anhängig gemachten Rechtsstreit eintritt und das bisher durchgeführte Verfahren in Ansehung des Erstbeklagten genehmigt.

Es war daher im Sinne obiger Rechtsausführungen vor Entscheidung über das vorliegende Rechtsmittel des Klägers nach § 6 Abs. 2 ZPO vorzugehen und dem Masseverwalter eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb der er klären kann, ob er die aufgezeigten Sanierungsmaßnahmen setzt.

Erst dann ist über das vorliegende Rechtsmittel des Klägers abzusprechen.

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