JudikaturOGH

4Ob121/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Oktober 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Hon.Prof. Dr. Gottfried Winkler und Hon.Prof. Dr. Hanns Waas als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marius A, Kaufmann, Innsbruck, Seilergasse 5, vertreten durch Dr. Tilman Luchner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Brigitte B, Geschäftsfrau, Innsbruck, Erlerstraße 17, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 147.888,69 S sA (Streitwert im Revisionsverfahren S 140.953,69), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 11. Juni 1985, GZ. 3 a Cg 8/85-22, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeitsgerichtes Innsbruck vom 11. Dezember 1984, GZ. 2 Cr 280/83-14, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 7.185,45 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 960 S Barauslagen und 565,95 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Dem Kläger wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 10. Dezember 1982, 7a E 8790/82, aufgrund des vollstreckbaren Versäumungsurteils des Landesgerichtes Innsbruck vom 10. Juni 1981, 15 Cg 205/81, gegen den Verpflichteten Klaus B zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 60.035,85 S s.A. die Exekution durch Pfändung der dem Verpflichteten als Angestellten der Brigitte B (seiner Ehegattin) zustehenden Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis sowie durch überweisung des gepfändeten Arbeitseinkommens zur Einziehung bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung mit den sich aus dem Lohnpfändungsgesetz ergebenden Einschränkungen bewilligt. Dieser Beschluß wurde der Drittschuldnerin am 22. Dezember 1982 zugestellt. In ihrer Drittschuldneräußerung gab Brigitte B, die Beklagte dieses Rechtsstreits, an, der Verpflichtete sei bei ihr als Aushilfe gegen ein monatliches Nettoentgelt von 2.900,-- S beschäftigt. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 23. Februar 1983, 7a E 1389/83, wurde dem Kläger aufgrund der Urteile des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. September 1979 (11 Cg 428/79), vom 10. Juni 1981 (15 Cg 205/81) und vom 1. Oktober 1982 (15 Cg 489/82) gegen denselben Verpflichteten zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von (insgesamt) S 147.888,69 s.A. die Exekution durch Pfändung der dem Verpflichteten gegen die Drittschuldnerin Brigitte B 'aufgrund kollektivvertraglicher Lohnforderungen angeblich zustehenden Forderung im Betrag von 200.000,-- S mehr oder weniger' und die überweisung der gepfändeten Forderung zur Einziehung bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung bewilligt. Dieser Beschluß wurde der Drittschuldnerin am 2. März 1983 zugestellt. In der Drittschuldneräußerung bestritt sie die behauptete Forderung mit der Begründung, ihr Ehegatte stehe bei ihr in keinem Arbeitsverhältnis. Auf der Grundlage der letztgenannten Exekutionsbewilligung begehrt der Kläger von der Drittschuldnerin die Zahlung des Betrages von S 147.888,69 sA mit der Begründung, der Verpflichtete sei Geschäftsführer im Geschäft seiner Ehegattin, der Beklagten. Nach der Beschäftigungsgruppe 5 des auf dieses Arbeitsverhältnis anzuwendenden Kollektivvertrages für Handelsangestellte habe er Anspruch auf ein Monatsgehalt von 16.820,-- S brutto, zumindest aber nach der Beschäftigungsgruppe 3 (Verkäufer) einen Anspruch auf 10.724,-- S brutto. In den letzten drei Jahren hätte der Verpflichtete über 300.000,-- S verdienen müssen. Die Beklagte sei daher verpflichtet, die mit dem letztgenannten Beschluß gepfändete 'Nachforderung' in der Höhe des Klagsbetrages an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung im wesentlichen aus der Erwägung, der Verpflichtete helfe ihr nur gelegentlich im Rahmen seiner sich aus dem § 90 ABGB ergebenden Beistandsverpflichtung, wofür er kein Entgelt beziehe.

Das Erstgericht sprach dem Kläger einen Teilbetrag von 2.861,60 S sA zu und wies das Mehrbegehren von 145.027,09 sA ab. Es vertrat die Auffassung, der Verpflichtete ersetze der Beklagten einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, sodaß die Voraussetzungen für die Annahme eines mittelbaren Einkommens im Sinne des § 10 Abs 2 LPfG gegeben seien. Unter Berücksichtigung eines kollektivvertraglichen Entgelts von 3.345,-- S pro Monat, der Freibeträge sowie des Umstandes, daß die Beklagte erst im Zeitpunkt der Zustellung der Pfändungsbeschlüsse von der Schuld des Verpflichteten erfahren habe, ergebe sich die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von insgesamt 2.861,60 S sA. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß es dem Kläger insgesamt einen Betrag von 6.915,-- S sA zusprach und das Mehrbegehren von 140.953,69 S sA (richtig 140.973,69 S sA) abwies. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf folgende noch wesentliche Feststellungen:

Die Beklagte betreibt in Innsbruck eine Käsehandlung, in der sie selbst überwiegend regelmäßig während des größten Teiles der Geschäftszeit arbeitet. Seit dem Jahr 1977 arbeitet in diesem Geschäft auch ihr Ehegatte, der Verpflichtete, der nach Absolvierung einer kaufmännischen Lehre in diesem Beruf insgesamt 18 Berufsjahre zurückgelegt hat. Die Krankenkasse hat mit Bescheid vom 24. Oktober 1978 die bestehende Formalversicherung des Verpflichteten beendet. Dieser arbeitet überwiegend regelmäßig von Montag bis Samstag ab 7,30 Uhr im Geschäft der Beklagten, im Durchschnitt aber nur 20 Stunden in der Woche. Während der übrigen Zeit ist er hauptsächlich für einen Sportverein tätig. Warenbestellungen, Abrechnungen und Besprechungen mit dem Steuerberater nimmt der Verpflichtete nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, daß er im Betrieb seiner Ehegattin stellvertretender Geschäftsführer ist. Ab und zu erteilt er Anweisungen an das aus einer Verkäuferin und einem Lehrling bestehende Personal. Er leistet für seine beiden Söhne keinen Unterhalt. Der Beklagten waren ab den eingangs genannten Zeitpunkten der Zustellung der Pfändungsbeschlüsse die betreffenden Verbindlichkeiten des Verpflichteten bekannt.

Die Parteien stellten im Berufungsverfahren außer Streit, daß in den Jahren 1982 und 1983 der halbe Nettolohn im allgemeinen Groß- und Kleinhandel in der Beschäftigungsgruppe 2 bei 18 Berufsjahren 4.000,-- S betrug.

Das Berufungsgericht teilte die Rechtsauffassungen des Erstgerichts, gelangte jedoch auf der Grundlage des außer Streit gestellten Nettobetrages von 4.000,-- S nach Abzug eines Freibetrages im Sinne des § 5 Abs 1 Z 1 LPfG von 2.700,-- S sowie eines weiteren Freibetrages im Sinne des § 5 Abs 3 LPfG im Betrage von 390,-- S an einem pfändbaren monatlichen Einkommen von 910,-- S. Da das Klagebegehren nicht die laufenden Lohnansprüche umfasse, sondern nur die Lohnbeträge der letzten drei Jahre vor der Klagseinbringung, ein mittelbares Einkommen nach dem § 10 Abs 2 LPfG aber erst ab dem Zeitpunkt, in dem die Beklagte von der Schuld des Verpflichteten anläßlich der Zustellung des Pfändungsbeschlusses erfahren habe, angenommen werden könne, seien nur die fiktiven Lohnansprüche für den Zeitraum von 7 Monaten und 18 Tagen zu berücksichtigen. Dies ergebe einen Betrag von 6.915,-- S. Gegen den die Abweisung des Mehrbegehrens bestätigenden Teil der Berufungsentscheidung richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze - allenfalls mit einem vom Revisionsgericht festzusetzenden niedrigeren Betrag - stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß die Revision entgegen der Meinung des Klägers gemäß dem § 23 a Abs 2 ArbGG ohne jede Einschränkung zulässig ist, weil danach die für das allgemeine Verfahren geltenden Einschränkungen des § 502 Abs 2 bis 5 ZPO auf das Verfahren in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten keine Anwendung finden. Der betreibende Gläubiger kann entweder die Pfändung einer Gehaltsforderung oder anderer fortlaufender Bezüge im Sinne des § 299 Abs 1 EO begehren; er kann aber auch die Pfändung vorhandener Lohnrückstände verlangen. Im letztgenannten Fall liegt eine gewöhnliche Forderungsexekution im Sinne des § 294 EO vor. Die Bestimmung des § 10 Abs 2 LPfG gilt für beide Arten von Forderungen. Auf fingierte Lohnrückstände im Sinne dieser Gesetzesstelle kann aber in sinngemäßer Anwendung des § 5 Satz 1 USchG nur dann Exekution geführt werden, wenn der Drittschuldner von der Schuld des Verpflichteten wußte. Erst von diesem Zeitpunkt an gilt im Verhältnis zum betreibenden Gläubiger (trotz gegenteiliger Vereinbarung) ein angemessenes Entgelt als geschuldet (Heller-Berger-Stix, EO 4 2081 f.). Ob der Drittschuldner von anderen Schulden des Verpflichteten Kenntnis hat oder hatte, ist in diesem Zusammenhang mangels jeglicher gesetzlicher Grundlage und weil es auf das Verhältnis zum betreibenden Gläubiger und damit auf die betriebene Forderung ankommt, belanglos.

Der vorliegenden Drittschuldnerklage liegt nach dem ausdrücklichen Vorbringen nur die im Sinne des § 294 EO bewilligte (zweite) Forderungsexekution zugrunde; der betreffende Pfändungsbeschluß wurde der Beklagten am 2. März 1983 zugestellt. Von der Schuld ihres Mannes im Teilbetrag von 60.035,85 S hatte sie allerdings bereits anläßlich der Zustellung des ersten, den Gegenstand dieses Verfahrens nicht bildenden Pfändungsbeschlusses am 22. Dezember 1982 erfahren. Da mit dem späteren Pfändungsbeschluß aber nur ein Lohnrückstand und nicht etwa der Anspruch auf fortlaufendes Entgelt gepfändet wurde, ist für die Berechnung des fiktiven (mittelbaren) Arbeitsentgelts im Sinne des § 10 Abs 2 LPfG hinsichtlich des Teilbetrages von 60.035,85 S nur der Zeitraum vom 22. Dezember 1982 bis zum 2. März 1983, sohin zwei Monate und 11 Tage, zu berücksichtigen. Auf der Grundlage des vom Berufungsgericht angenommenen pfändbaren monatlichen Einkommens von 910,-- S ergibt sich so ein wesentlich geringerer Betrag als der vom Berufungsgericht dem Kläger zugesprochene Betrag von 6.915,-- S. Aber auch wenn man den Revisionsausführungen über die Einstufung des Verpflichteten in die Beschäftigungsgruppe 3 (erster Verkäufer) und die Berücksichtigung von Bruttobeträgen (also unter Einbeziehung der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge) folgte, ergibt sich kein höherer Betrag als der vom Berufungsgericht zugesprochene. Unter Bedachtnahme auf die Teilzeitbeschäftigung des Verpflichteten von 20 Wochenstunden betrüge dann das monatliche Bruttoentgelt 5.362,-- S. Nach Abzug eines Freibetrages im Sinne des § 5 Abs 1 Z 1 LPfG von 2.700,-- S und eines weiteren Freibetrages nach dem § 5 Abs 3 leg. cit. in der Höhe von 3/10 des Mehrbetrages, ds. 798,-- S, ergäbe sich ein pfändbares monatliches (mittelbares) Einkommen von 1.864,-- S. Der Annahme eines höheren Einkommens als des nach dem Kollektivvertrag zustehenden Gehalts steht schon allein der Umstand entgegen, daß der Kläger vor den Untergerichten ein Vorbringen über ein ortsüblich höheres Entgelt nicht erstattet hat. Entgegen der Meinung des Klägers sind bei der Errechnung des mittelbaren Einkommens die sich aus dem § 5 LPfG ergebenden Abzüge vorzunehmen (Arb. 7437). Daß es auf die Kenntnis des Drittschuldners von anderen Schulden des Verpflichteten nicht ankommt, wurde bereits ausgeführt, sodaß die Darlegungen des Klägers über den Konkurs des Verpflichteten und der diesbezüglichen Kenntnis der Beklagten ins Leere gehen.

Die Revision ist daher auch unter diesen von ihr aufgezeigten Gesichtspunkten nicht berechtigt, sodaß ihr ein Erfolg versagt werden mußte.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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