JudikaturOGH

8Ob631/84 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** A*****, vertreten durch Dr. Alfred Lukesch und Dr. Eduard Pranz, Rechtsanwälte in St. Pölten, wider die beklagte Partei Dipl. Ing. M***** A*****, vertreten durch den mit Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 24. Februar 1984, GZ 1 P 35/84 2, bestellten Abwesenheitskurator Dr. Peter Panovsky, Rechtsanwalt, 3100 St. Pölten, Linzerstraße 16, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Juni 1984, GZ 12 R 131/81 18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichts St. Pölten vom 6. Juli 1983, GZ 1 Cg 564/82 7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionswerber hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 16. 6. 1937 geborene Klägerin und der am 24. 11. 1943 geborene Beklagte haben am 20. 9. 1975 die beiderseits erste Ehe geschlossen, der der am 13. 10. 1975 geborene R***** und der am 17. 9. 1976 geborene M***** entstammen. Die Klägerin ist österreichische Staatsbürgerin und röm.kath., der Beklagte ägyptischer Staatsbürger mit islamischem Religionsbekenntnis. Der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt war in Oman. Ehepakte wurden nicht errichtet.

Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten. Sie warf ihm vor, dass er sich nach der Eheschließung immer häufiger im Ausland aufhielt, sodass kein familiäres Leben möglich gewesen sei. Der Beklagte habe ihr bei der Eheschließung versprochen, dass sie mit ihm in Oman leben könne. Sie habe tatsächlich ein halbes Jahr dort mit ihm gelebt, es sei jedoch unmöglich gewesen, mit irgendwelchen Personen in Kontakt zu kommen, sodass das Zusammenleben mit ihm in Oman für sie vollkommen unerträglich wurde. Darüber hinaus habe sich der Beklagte in der Folge nicht mehr um seine Familie gekümmert und sie und die Kinder nicht hinreichend alimentiert. Für den Unterhalt der Kinder habe sie fast zur Gänze allein aufkommen müssen. Der Beklagte habe durch sein Verhalten die Ehe derart tief zerrüttet, dass die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden kann.

Der Beklagte, dem die Klage am 5. 5. 1983 im Wege des Österreichischen Konsulates in M*****, Oman, eigenhändig zugestellt worden war, hat sich am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten. Es traf nachstehende Feststellungen:

Die Streitteile haben einander im Dezember 1974 kennengelernt. Der Beklagte war zu diesem Zeitpunkt arbeitslos, weil er als Ausländer, als Diplomingenieur für Maschinenbau, in Österreich trotz intensiver Bemühungen keine Arbeit in seinem Fach fand. Kurzfristig arbeitete er als Hilfsarbeiter. Am 22. 3. 1976 ging der Beklagte mit Billigung der Klägerin nach Ägypten, wo er eine ihm adäquate Arbeitsstelle annahm. Er überwies jedoch kein Geld zum Unterhalt der Klägerin und der Kinder und behauptete, dass die Ausfuhr von Valuten verboten sei. Die Klägerin lebte daher von der Kinderbeihilfe für den Sohn R*****, dem Karenzgeld und in der Folge von der Geburtenbeihilfe für M*****. Im Oktober 1976 ging der Beklagte als Technischer Lehrer nach Oman. Auch von dort unterstützte er die Klägerin finanziell nicht und meinte, dass sie ausreichend versorgt sei. Ursprünglich hatten die Streitteile vereinbart, dass die Klägerin mit den Kindern unter der Bedingung nachkommen solle, dass der Beklagte eine eigene Wohnung hätte (und sie nicht bei den Schwiegereltern wohnen musste) und sie Kontakt mit Firmenangehörigen einer österreichischen Firma in Oman aufrecht erhalten könne. Ab Ende 1978 fuhr die Klägerin nach Oman. Ihr Mann isolierte sie aber vollständig, sodass sie immer allein war. Da sie nicht arabisch und nur wenig englisch spricht, konnte sie sich auch sonst nicht verständigen. Da die Klägerin Heimweh hatte, die Kinder wegen der Klimaumstellung immer krank waren und dort auch keine Schule hätten besuchen können, fuhr die Klägerin wieder nach Österreich zurück. Der Beklagte, der sie früher etwa in jährlichen Abständen besucht hatte, kam auch für etwa ein Monat nach und fuhr dann nach Oman zurück. Vom Oktober 1979 an schickte der Beklagte regelmäßig zwischen 2.000 S und 3.000 S, zuletzt 4.000 S monatlich Unterhalt. Etwa Mitte 1980 schrieb ihm die Klägerin einen Brief, den der Beklagte nicht beantwortete. Ab diesem Zeitpunkt schichte er ihr auch weder Geld für den Unterhalt, noch besuchte er die Klägerin und die Kinder.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, dass dem Beklagten schwere Eheverfehlungen anzulasten seien, weil er seine Ehefrau von ihrer Umgebung abschloss und ihr keinen Kontakt zu anderen Personen ermöglichte; er habe gewusst, dass sie sich weder in der Landessprache arabisch noch auf englisch verständigen und so auch nicht am kulturellen oder politischen Leben teilnehmen kann. Als weitere schwere Eheverfehlung sei anzusehen, dass der Beklagte seine Unterhalts und Beistandspflicht, diese dadurch, dass er Briefe nicht beantwortete, keine Besuche machte und sich um seine Familie nicht kümmerte, verletzte. Der Klägerin sei kein Mitverschulden anzulasten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des für den Beklagten einschreitenden Abwesenheitskurators nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Es stellte fest, dass das Erstgericht eine Zustellung des Urteils im Sultanat Oman vergeblich versucht habe. Zunächst sei das Österreichische Konsulat in M***** gemäß § 29 RHEZiv 1983, JABl Nr 23/1983, um Durchführung der Zustellung der Urteilsausfertigung und einer Protokollabschrift an den Beklagten ersucht worden. Mit Note vom 5. 10. 1983, Zl 142 a/83, habe das Österreichische Konsulat in M***** mitgeteilt, dass der Beklagte zwar dem Ersuchen des Konsulats um Vorsprache zwecks Ausfolgung von Dokumenten am 4. 10. 1983 nachgekommen sei, jedoch in der Folge die Annahme des Urteils ON 7 und der Protokollabschrift ON 6 verweigerte. Nun könne zwar eine österreichische Vertretungsbehörde an österreichische Staatsbürger Zustellungen vornehmen, eine Aufforderung an ausländische Staatsbürger, wie im vorliegenden Fall, sei aber wirkungslos und es könnte der Zustellmangel nur gemäß § 7 ZustellG dann geheilt werden, wenn der Empfänger das Schriftstück tatsächlich übernimmt, was hier nicht der Fall war. Ob die Behörden des Staates Oman Rechtshilfe für österreichische Gerichte leisten, sei zunächst nicht bekannt gewesen. Nach der Note der Österreichischen Botschaft in J***** vom 8. 12. 1983, Zl 2606 a/83, habe das Honorarkonsulat M***** erhoben, dass eine Zustellung von Schriftstücken im Rechtshilfeweg durch ein omanisches Gericht oder eine sonstige omanische Behörde nicht möglich ist.

Hinsichtlich Oman sei auch keine postalische Zustellung mit internationalem Rückschein zulässig. Damit seien die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine Zustellung des Urteils an den Beklagten im Wege eines Kurators gemäß § 121 Abs 2 ZPO gegeben. Eine Kuratorbestellung durch das Prozessgericht sei hier im Hinblick auf die vom Bezirksgericht St. Pölten als Pflegschaftsgericht mit Beschluss vom 24. 2. 1985, GZ 1 P 35/84 2, erfolgte Bestellung eines Abwesenheitskurators für den Beklagten zur Vertretung im Verfahren des Kreisgerichts St. Pölten, AZ 1 Cg 564/82 ausgeschieden. Das Urteil sei daher für den Beklagten dem bestellten Abwesenheitskurator Rechtsanwalt Dr. Peter Panovsky am 8. 3. 1984 wirksam zugestellt worden. Im Übrigen habe sich der Beklagte trotz Ladung am erstinstanzlichen Verfahren überhaupt nicht beteiligt, daher auch kein wie immer geartetes Vorbringen erstattet, dessen Richtigkeit er durch seine Vernehmung als Partei hätte bestätigen können; außerdem sei aufgrund der Erhebungen in diesem Verfahren davon auszugehen, dass die Behörden des Sultanats Oman Rechtshilfe für österreichische Gerichte nicht leisten. Aus dem Verhalten des Beklagten bei der versuchten Zustellung des Urteils im Wege des Österreichischen Konsulats in M***** könne auch keine Bereitschaft des Beklagten zur Mitwirkung in diesem Verfahren nach Maßgabe der gegebenen Möglichkeiten erkannt werden. Der vom Abwesenheitskurator behauptete Mangel liege daher nicht vor. Zutreffend seien im Übrigen die Ausführungen des Berufungswerbers, wonach die Voraussetzungen der Ehescheidung gemäß §§ 20 Abs 1, 18 Abs 1 Z 2 IPRG mangels eines gemeinsamen Personalstatuts und eines gegenwärtigen gewöhnlichen Aufenthalts beider Ehegatten im selben Staat nach dem Recht des Staates zu beurteilen sind, in dem beide Ehegatten ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern ihn einer von ihnen beibehalten habe. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen sei dieser letzte gewöhnliche Aufenthalt beider Ehegatten in Oman gewesen, wohin die Klägerin ihrem Mann nachkam und wo sie sich jedenfalls etwa ein halbes Jahr mit den Kindern befand, dies ganz offensichtlich in der Hoffnung und Absicht, dort die Ehegemeinschaft stabilisieren zu können. In der Folge sei sie jedoch mit den Kindern nach Österreich zurückgekehrt und kein weiteres Mal ihrem Mann nach Oman gefolgt. Die wiederholten Aufenthalte des Beklagten von ca einem Monat jährlich könnten lediglich als Besuche gewertet werden, jedenfalls nicht dahin, dass der Beklagte das Zentrum seiner Lebensinteressen nach Österreich verlegen wollte. In Oman stehe ein Ehescheidungsrecht nur dem Mann zu. Da somit nach dem gemäß § 20 Abs 1 IPRG anzuwendenden Recht die Ehe aufgrund der geltend gemachten Tatsachen nicht geschieden werden kann und kein weiterer Anknüpfungspunkt des § 18 IPRG zum Tragen kommt, sei gemäß § 20 Abs 2 IPRG die Scheidung nach dem Personalstatut des klagenden Ehegatten im Zeitpunkt der Ehescheidung, also nach österreichischem Recht, zu beurteilen. Dem Beklagten seien als schwere Eheverfehlungen die Verletzung der Obsorge für seine Familie anzulasten. Das Verhalten des Beklagten in Oman, das eine gänzliche Isolierung der Klägerin zur Folge hatte, lasse deren Ablehnung, dem Beklagten mit den Kindern neuerlich nach Oman zu folgen, begründet und berechtigt erscheinen, weil zu unterstellen sei, dass der Mann nicht imstande oder willens war, ihr ein erträgliches Heim zu schaffen. Auch dass er den Brief der Klägerin Mitte 1980 nicht mehr beantwortete und ab diesem Zeitpunkt keine Unterhaltszahlungen mehr leistete, die Klägerin und die Kinder nicht mehr besuchte, sei ihm als schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG anzulasten. Demgegenüber treffe die Klägerin kein Verschulden an der Zerrüttung der Ehe.

Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen oder die Scheidung der Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin ausgesprochen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Zunächst wird eine Mangelhaftigkeit des berufungsgerichtlichen Verfahrens geltend gemacht, die jedoch nicht vorliegt, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). Im Übrigen ist auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts, soweit sie auf §§ 29, 44 RHE, der Landesübersicht zu § 31 Abs 1 RHE, auf § 121 Abs 2 ZPO, auf Fasching II, 633 und Knell , Die Kuratoren im österreichischen Recht, 78, 79 Bezug haben, zu verweisen.

Die Rechtsrüge führt die Revision dahin aus, dass das Scheidungsbegehren auch nach österreichischem Recht unberechtigt wäre oder dass zumindest nach den Beweisergebnissen das überwiegende Verschulden der Klägerin an der Scheidung der Ehe ausgesprochen werden müsse. Sie stellt jedoch nicht in Frage, dass österreichisches Recht Anwendung zu finden hat. Demgemäß genügt es, auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu diesem Fragenkomplex zu verweisen, die sich auf § 18 Abs 1 Z 2 IPRG, § 20 Abs 2 IPRG, auf bfai Rechtsinformation arabische Staaten 33, Mergenthaler Reichard , Standesamt und Ausländer II Oman Pkt 3–5 und I Jemen Punkt 5, Bergmann Ferrid , Internationales Ehe und Familienrecht Jemen Punkt 5 II, sowie Schwimann , Grundriss des IPRG, 218 gründen.

Im Übrigen haben die Vorinstanzen im Gegensatz zur Ansicht des Revisionswerbers zutreffend das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe der Streitteile allein dem Beklagten angelastet. Sowohl dessen jahrelange Verletzung der Obsorge als auch die gänzliche Gleichgültigkeit, mit der der beklagte der völligen Isolierung von Frau und Kindern im fremden Staat gegenüberstand, rechtfertigen im hohen Maß die Annahme der Vorinstanzen, dass der Beklagte schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG begangen hat. Dazu kommt die Unterlassung von Unterhaltsleistungen seit etwa Mitte des Jahres 1980, sodass die Klägerin auch in diesem Belang gänzlich auf sich allein gestellt war. Sie versuchte trotz widriger Umstände dennoch ein eheliches Zusammenleben zu erhalten, indem sie dem Kläger ins fremde Land folgte und auch die Kinder mitnahm. Dass es ihr nicht glückte, in Oman Fuß zu fassen, kann nicht im Umweg über eine Bagatellisierung der unterlassenen Hilfeleistung durch den Beklagten der Klägerin angelastet werden. Zutreffend gingen die Vorinstanzen daher davon aus, dass die Zerrüttung der Ehe allein auf dem Verschulden des Beklagten beruht und gaben dem Scheidungsbegehren der Klägerin mit Recht Folge.

Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.

Dem Beklagten waren für seine erfolglose Revision keine Kosten zuzuerkennen (§§ 40, 50 ZPO).

Rückverweise