2Ob654/84 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dagmar G*****, 2.) Dagmar G*****, vertreten durch Dr. Anton Gradischnig, Dr. Peter Gradischnig, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei Walter M*****, vertreten durch Dr. Walter Adam, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 13. Juni 1984, GZ 2 R 251/84 13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 23. März 1984, GZ 6 C 699/83 9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte hat den Klägerinnen die mit 4.250,34 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 192 S Barauslagen und 368,94 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte mietete im Jahre 1971 ein Geschäftslokal in einem im Eigentum der Klägerinnen stehenden Haus. Die Klägerinnen brachten in ihrer am 16. 9. 1983 eingebrachten Klage vor, der Beklagte habe trotz Mahnung den Mietzins für die Monate Juli, August und September 1983 im Betrag von 22.699,68 S nicht bezahlt. Einschließlich der Betriebskosten schulde er 29.316,88 S. Die Klägerinnen treten daher vom Mietvertrag zurück, begehren Bezahlung eines Betrags von 29.316,88 S (dieser Betrag wurde aufgrund einer Wertsicherung in der Verhandlung ausgedehnt auf 31.791,16 S) sowie die Räumung des Geschäftslokals.
Der Beklagte wendete ein, aufgrund nicht fertig gestellter Umbauarbeiten durch die Klägerinnen sei es zu einer Minderbenützbarkeit der Geschäftsräumlichkeiten gekommen, die eine Minderung des Mietzinses um 4.500 S monatlich rechtfertigen. Die Arbeiten hätten zu einer Gewinnminderung von 28.000 S monatlich geführt. Für ein Jahr ergäbe sich ein Schaden von 336.000 S. Zuzüglich der Mietzinsminderung errechne sich ein Betrag von 390.000 S, der im Wege der Aufrechnung der Klagsforderung entgegengehalten werde.
Die Klägerinnen bestritten dieses Vorbringen und erwiderten, laut Mietvertrag sei eine Aufrechnung ausgeschlossen.
In der Verhandlungstagsatzung vom 13. 1. 1984 hielten die Klägerinnen nur mehr das Räumungsbegehren aufrecht, weil der Beklagte den Mietzinsrückstand am 20. 12. 1983 zur Gänze bezahlt hatte.
Das Erstgericht erkannte im Sinne des Räumungsbegehrens.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 300.000 S übersteige.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Beklagten. Er macht als Revisionsgründe Mangelhaftigkeit gemäß § 503 Abs 1 Z 2 ZPO, „unrichtige Tatsachenfeststellung gemäß § 503 Abs 1 Z 3 ZPO“ und unrichtige rechtliche Beurteilung gemäß § 503 Abs 1 Z 4 ZPO geltend und beantragt, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und in der Sache selbst im Sinn der Abweisung der Klage zu entscheiden, zumindest aber nach Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Die Klägerinnen beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Das Erstgericht stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Der Beklagte bezahlte seit Beginn des Bestandverhältnisses den Mietzins sehr schleppend und häufig nur nach Klagseinbringung. Am 1. 12. 1983 bestand ein Rückstand von 31.791,16 S, den der Beklagte am 20. 12. 1983 vorbehaltslos bezahlte. Im Mietvertrag ist festgehalten, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, eventuelle Gegenforderungen, die er an die Vermieter haben könnte, mit dem Mietentgelt zu kompensieren und im Hinblick auf solche den Mietzins ganz oder teilweise zurückzuhalten. Der Mieter des über dem Geschäftslokal des Beklagten befindlichen Objekts installierte Wasserleitungen, die zum Teil entlang des Plafondes eines der Räume des Beklagten geführt wurden. Eine Einschränkung der Benützbarkeit dieses Raumes durch die Umbauarbeiten, denen der Beklagte zugestimmt hatte, ist nicht eingetreten.
Das Erstgericht führte zur Beweiswürdigung aus, es lägen keine widersprechenden Beweisergebnisse vor. Der Beklagte sei zur Vernehmung ohne ausreichende Entschuldigung nicht erschienen, woraus nur der Schluss gezogen werden könne, dass er in Wahrheit gar nicht erscheinen habe wollen.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, durch die vorbehaltlose Zahlung des gesamten Mietzinsrückstands einschließlich Zinsen und Kosten habe der Beklagte anerkannt, den Klagsbetrag zu schulden (§ 1375 ABGB). Es sei daher auf die Frage, inwieweit den Einwendungen des Beklagten Berechtigung zugekommen wäre, nicht mehr einzugehen. Überdies hätte zur Folge des Aufrechnungsverbots auf die eingewendete Forderung nicht eingegangen werden dürfen. Eine Mietzinsminderung trete gemäß § 1096 ABGB zwar von Gesetzes wegen ein, sodass darauf trotz des Aufrechnungsverbots einzugehen sei. Eine Einschränkung der Benützbarkeit der Bestandräume sei jedoch nicht eingetreten. Gemäß § 33 Abs 3 MRG sei zwar ein Räumungsbegehren abzuweisen, wenn der Mieter, den am Zahlungsrückstand kein grobes Verschulden treffe vor Schluss der Verhandlung erster Instanz den geschuldeten Betrag entrichte, doch treffe den Beklagten ein grobes Verschulden am Zahlungsrückstand. Ein grobes Verschulden liege vor, wenn die Zahlungen aus Willkür oder Leichtsinn verspätet erfolgt seien (MietSlg 30.477, 34.498). Dies könne aufgrund der Beweisergebnisse zweifelsfrei angenommen werden, weil der Beklagte in einer Vielzahl von Fällen immer nur nach Klagsführung Zahlung geleistet habe und niemals darauf hingewiesen habe, er sei aus wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht in der Lage gewesen, vorher zu leisten. Im Übrigen treffe den Mieter die Behauptungs und Beweispflicht für das Nichtvorliegen eines groben Verschuldens am Zahlungsrückstand. Dieser sei der Beklagte nicht nachgekommen.
In der Berufung rügte der Beklagte als Verfahrensmangel, dass er nicht als Partei vernommen wurde. Zu einer unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung sei das Erstgericht durch die Nichteinvernahme des Beklagten gelangt. Zum Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führte der Beklagte aus, da ihm das Erstgericht die Möglichkeit zum Parteiengehör genommen habe, habe er dem Erstgericht auch nicht darlegen können, dass seinerseits kein grobes Verschulden am Zahlungsrückstand gegeben sei, sondern dass die Verrechnungsschwierigkeiten immer wieder von den klagenden Parteien verursacht worden seien. Mit der nunmehrigen Bezahlung des Mietzinsrückstands vor Schluss der Verhandlung, welchen der Beklagte nur unter Protest hinsichtlich des gestellten Konkursantrags gegen ihn, ohne Verzicht auf seine prozessualen Einwendungen geleistet habe, wäre die rechtliche Folgerung eines groben Verschuldens seitens des Klägers sicherlich nicht zum Tragen gekommen und wäre demnach das Räumungsbegehren abzuweisen gewesen.
Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, darin dass das Erstgericht die Tagsatzung zur Einvernahme des Beklagten nicht neuerlich erstreckt habe, sei kein Verfahrensmangel zu erblicken. Vielmehr habe das Erstgericht mit Recht gemäß den §§ 380 Abs 2, 381 ZPO von der Vernehmung des Beklagten als Partei abgesehen. Da zum 1. 12. 1983 ein Rückstand an Mietzins und Betriebskosten im Betrag von 31.791,16 S bestanden habe, wären die Voraussetzungen für ein Räumungsbegehren nach § 1118 ABGB grundsätzlich gegeben. Für das Nichtvorliegen groben Verschuldens am Zahlungsrückstand treffe den Mieter die Behauptungs und Beweispflicht. Die bloße Bestreitung eines Mietzinsrückstands genüge nicht. Der Beklagte habe aber nach Errichtung des geschuldeten Betrags keine Prozessbehauptung in der Richtung aufgestellt, dass ihn am Zahlungsrückstand kein grobes Verschulden getroffen hätte. Es wäre seine Sache gewesen, zu diesem Zeitpunkt konkrete Behauptungen aufzustellen und Beweise dafür anzubieten, warum ihn am Zahlungsrückstand kein grobes Verschulden treffe. Er sei daher seiner diesbezüglichen Behauptungs und Beweispflicht nicht nachgekommen. Selbst wenn man die vom Beklagten für die Unterlassung der Zinsenzahlungen in erster Instanz behaupteten Gründe in der Richtung überprüfe, ob sie das Vorliegen eines groben Verschuldens ausschließen, sei für den Standpunkt des Beklagten nichts gewonnen. Seine Einwendungen hinsichtlich des Zinsminderungsanspruchs und des Schadenersatzanspruchs hätten sich nämlich als tatsächlich und rechtlich unhaltbar erwiesen.
Als Verfahrensmangel macht der Beklagte in der Revision neuerlich geltend, dass er vom Erstgericht nicht als Partei vernommen wurde. Außerdem sei ihm keine Gelegenheit gegeben worden, zu den vom Erstgericht erst nach Schluss der Verhandlung beigeschafften Akten Stellung zu nehmen. Die Ausführungen des Erstgerichts, diese Akten seien verlesen worden, seien aktenwidrig.
Der Beklagte macht somit keine Mängel des Berufungsverfahrens geltend, sondern solche des erstgerichtlichen Verfahrens, die zum Teil vom Berufungsgericht als nicht gegeben angesehen wurden und zum anderen Teil in der Berufung gar nicht gerügt worden waren. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung kann der Beklagte diese Mängel des Verfahrens erster Instanz in der Revision nicht mit Erfolg geltend machen (EFSlg 41.770, 41.771).
Als „unrichtige Tatsachenfeststellung gemäß § 503 Abs 1 Z 3 ZPO“ rügt der Beklagte ebenfalls, dass die laut Ersturteil verlesenen Akten erst nach Schluss der Verhandlung beigeschafft und nicht verlesen worden seien.
Auch wenn man davon ausgeht, dass der Beklagte in Wahrheit nicht in unzulässiger Weise die Tatsachenfeststellungen bekämpft, sondern versucht, eine Aktenwidrigkeit aufzuzeigen, sind diese Ausführungen nicht berechtigt. Geltend gemacht wird nämlich keine dem Berufungsgericht unterlaufene Aktenwidrigkeit iSd § 503 Abs 1 Z 3 ZPO, sondern eine angebliche Aktenwidrigkeit im Ersturteil.
Auf die Rechtsrüge des Revisionswerbers ist aus folgenden Gründen nicht einzugehen:
Wie sich aus der oben wiedergegebenen „Rechtsrüge“ der Berufung ergibt, ging der Beklagte dabei nicht von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen aus, sondern von einem Sachverhalt, der seiner Meinung nach aufgrund seiner Parteienvernehmung festzustellen gewesen wäre. Der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung war daher nicht gesetzmäßig ausgeführt worden. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung ist es nicht zulässig, die in der Berufung versäumte Rechtsrüge in der Revision nachzutragen (EvBl 1954/345; EFSlg 36.794 uva).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der den Klägerinnen bei der Kostenverzeichnung zu ihren Ungunsten unterlaufene Additionsfehler war zu berichtigen.