2Ob593/84 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****gesellschaft mbH Nachfolger KG, *****, vertreten durch Dr. Fritz Czerwenka, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Franz M*****, vertreten durch Dr. Werner Brandstetter, Rechtsanwalt in Wien, wegen 366.920,44 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 1984, GZ 14 R 60/84 43, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Dezember 1983, GZ 19 Cg 301/82 34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte hat der Klägerin die mit 11.798,85 S (darin 960 S Barauslagen und 985,35 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrte vom Beklagten nach Klagserweiterung den Betrag von 366.920,44 S sA mit dem Vorbringen, sie habe dem Beklagten in diesem Umfang Kredite gewährt und Darlehen derart zugezählt, dass sie für den Beklagten Zahlungen zur Auslösung von Pfandscheinen für verpfändete Sachen sowie für Transport und Lagerkosten der freigemachten Sachen zugezählt habe.
Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und bestritt die Aktivlegitimation der Klägerin. Nach der Vereinbarung vom 5. 2. 1980 habe sich Herbert K***** sen und nicht die Klägerin zur Auslösung der Pfandgegenstände und zur Bezahlung von angefallenen Zinsen sowie von Transport und Lagerkosten verpflichtet. Überdies machte der Beklagte geltend, dass nur 4 % und keine höheren Zinsen als ortsüblich vereinbarte Zinsen anzusehen seien. Letztlich machte der Beklagte als Gegenforderung ein Benützungsentgelt von 972.000 S mit der Begründung geltend, dass die Klägerin in seinem Eigentum stehende Gegenstände in den von ihr gemieteten Räumen des Hauses ***** verwende. Außerdem habe die Klägerin aus dem Pfandlager Gegenstände entnommen und verwende sie ebenfalls in ihren Geschäftsräumlichkeiten.
Die Klägerin bestritt dieses Vorbringen und behauptete, dass sie keine Gegenstände des Beklagten verwende. Die Pfandsachen befänden sich noch in den Pfandlagern in den Häusern *****. Die Gegenstände, an denen der Beklagte nunmehr Eigentum behaupte, seien von den Söhnen des Beklagten gemeinsam mit dem Haus ***** an die Käufer Dipl. Ing. Herbert K***** jun, Hedwig K***** und Ingeborg J***** verkauft worden. Die Klägerin habe in diesem Haus nur Räumlichkeiten gemietet.
Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 366.920,44 S als zu Recht, die eingewendete Gegenforderung des Beklagten als nicht zu Recht bestehend und sprach daher dem Kläger den Betrag von 366.920,44 S sA zu. Das Zinsenmehrbegehren wurde rechtskräftig abgewiesen. Das Erstgericht traf im Wesentlichen folgende Feststellungen:
Der Beklagte hatte, nachdem er in Zahlungsschwierigkeiten gekommen war, sein Haus *****, seinen Söhnen Franz und Johann M***** ins Eigentum übertragen. Diese verkauften es am 6. 8. 1970 Hedwig K*****, Ing. Herbert K***** jun und Dr. Ingeborg J*****. In dem Kaufvertrag (Beil ./M) heißt es ausdrücklich:
„Die Liegenschaft wird verkauft und übernommen wie sie liegt und steht, mit allem Zubehör und mit allen Rechten und Pflichten so wie die Verkäufer diese Liegenschaft bisher besessen haben oder zu besitzen und zu benützen berechtigt waren.“
Der Beklagte versuchte zwar vorerst, die Verkaufsverhandlungen für seine Söhne zu führen, doch verhandelten die Käufer nicht mit ihm, da er nicht (mehr) Eigentümer war. Wohl aber verhandelte Herbert K***** sen mit dem Beklagten über den gesonderten Kauf von Einrichtungsgegenständen aus jenem Haus und kaufte sie schließlich, worauf sie noch vor der Liegenschaftsübergabe entfernt wurden. Weder die Verkäufer noch der Beklagte machten bei jenem Liegenschaftskauf irgend welche Vorbehalte an den in diesem Verfahren vom Beklagten als Grundlage seiner Gegenforderung beanspruchten, im Haus, und zwar in den derzeit von der Klägerin gemieteten Räumen, verbliebenen Sachen, die vom Erstgericht entsprechend der Aufstellung des Beklagten Beilage ./2 im Einzelnen in den Feststellungen angeführt werden. Der Beklagte ließ nach dem Verkauf nichts mehr von sich hören, insbesondere beanspruchte er nicht diese Sachen. Erst im Jahr 1977 bat er Herbert K***** sen um ein Darlehen von 150.000 S, um damit die Einrichtung des Konstantinhügels kaufen zu können. Herbert K***** sen zählte ihm dieses Darlehen und kurz darauf auf die Bitte des Beklagten noch weitere 50.000 S zu. Die oben angeführten Gegenstände wurden dabei überhaupt nicht erwähnt. Der Beklagte verpfändete als Sicherheit etwa 100 Kisten verschiedener Sachen. Für beide Darlehen war zunächst bis Ende 1977 Zinsenfreiheit vereinbart. Als der Beklagte aber die Darlehen nicht zurückzahlte, vereinbarte der Beklagte mit Herbert K***** sen, dem persönlich haftenden Gesellschafter der Klägerin, dass diese vom Beklagten verpfändete Gegenstände auslöse, die ab der Auslösung der Klägerin verpfändet werden, wobei die Klägerin auch die Mieten für die Lagerräume zahle. Dementsprechend schlossen die Streitteile, die Klägerin vertreten durch Herbert K***** sen, am 5. 2. 1980 folgende Vereinbarung (Beil ./F).
„Zwischen Herrn Franz M***** sen und Herrn Herbert K***** oder der Firma E*****gesmbH. Nf. KG, Wien, wird folgende Vereinbarung getroffen:
1) Herr K***** löst prompt gemäß übergebener Pfandscheine alle verpfändeten Gegenstände aus, bezahlt die angefallenen Zinsen sowie die Kosten des Transports, bzw die Einlagerung in die Lager, die entweder vom Herrn M***** oder von der E*****gesmbH. Nf. KG gemietet sind (W***** und W*****).
2) Herr K***** bezahlt sofort alle Mietrückstände für die obangeführten Lagerräume.
3) Die gesamten, u. zw. die nunmehr in den Lagern bereits vorhandenen und neu hinzu geführten Gegenstände und Fahrnisse sind an Herrn K***** verpfändet und werden ihm tatsächlich rechtsverbindlich in den Besitz übergeben. Alle Schlüssel zu den Lagern werden bei Herrn K***** deponiert, keine Zweitperson hat die Möglichkeit oder das Recht, ohne Zustimmung des Herrn K***** diese Lager zu betreten.
4) Herr Franz M***** bleibt Eigentümer der Fahrnisse bis zur Rückzahlung seiner Schuld in einer derzeitigen Gesamthöhe von ÖS ca 400.000 S (ca. ÖS vierhunderttausend). Dieser Betrag wird ortsüblich verzinst.
5) Herr K***** ist nicht berechtigt, Gegenstände, die in seinem Besitz sind, ohne Zustimmung des Herrn M***** zu verkaufen, ist aber berechtigt, wenn innerhalb von 3 Jahren keine Rückzahlung erfolgt, die Übertragung dieser Gegenstände oder Fahrnisse in sein Eigentum zu verlangen.
6) Herr M***** verpflichtet sich weiterhin, für die Pflege des eingelagerten Materials Sorge zu tragen und ein Inventurverzeichnis anzufertigen.
7) Von Seiten des Herrn K***** wird eine Vereinbarung über Brand , Diebstahl und Wasserschäden abgeschlossen und werden die laufenden Prämien bezahlt.
8) Die laufenden Mieten für die Lagerräume werden von Herrn K***** im Auftrag und Namen von Herrn Franz M***** sen bezahlt.“
Die ortsübliche Verzinsung wurde nicht näher besprochen. Die Klägerin zahlte bis Ende 1982 aufgrund dieser Vereinbarung als Darlehen für den Beklagten insgesamt folgende Beträge:
1980 1981 1982 Summe
Mietzinse 61.616,66 51.487,44 17.162,48 130.266,58
Lager,
Transporte 75.098,80 2.926,40 78.025,20
sonst.
Ausgaben 154.458,58 4.170,08 158.628,66
366.920,44
Der Beklagte erhielt von Zeit zu Zeit dem entsprechende Kontoauszüge, die er nicht beanstandete. Der Beklagte zahlte überhaupt nichts zurück. Er hofft nämlich einen Millionenprozess mit der Stadt Wien zu gewinnen, der sich allerdings in die Länge zieht. Andere Möglichkeiten zur Rückzahlung sieht der Beklagte nicht.
In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht die Aktivlegitimation der Klägerin, verneinte jedoch die Passivlegitimation der Klägerin hinsichtlich der geltend gemachten Gegenforderung des Beklagten. Die der Gegenforderung zugrundeliegenden Gegenstände seien beim Verkauf der Liegenschaft nicht ausgenommen worden, die Klägerin sei nicht Eigentümerin des Hauses *****, sondern nur Mieterin von Räumen in diesem Hause und leite die Benützung dieser Räume und der darin befindlichen Gegenstände aus dem Mietvertrag mit den Eigentümern des Hauses, nicht aber aus einem Vertrag mit dem Beklagten ab. Die Höhe der Klagsforderung ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. G*****.
Die vom Beklagten gegen das Urteil des Erstgerichts erhobene Berufung blieb erfolglos. Das Berufungsgericht erachtete das erstgerichtliche Verfahren für mängelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als unbedenklich und billigte im Ergebnis auch dessen rechtliche Beurteilung.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts wendet sich die Revision des Beklagten aus den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Unter dem Anfechtungsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO wendet sich der Beklagte gegen die Unterlassung der Durchführung eines Ortsaugenscheines in den von der Klägerin benützten Räumen im Hause ***** durch das Erstgericht, die vom Berufungsgericht nicht als Verfahrensmangel gewertet wurde.
Nach ständiger Rechtsprechung können jedoch angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die das Berufungsgericht nicht als gegeben angesehen hat, nicht nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO im Revisionsverfahren geltend gemacht werden (EvBl 1968/344, SZ 41/8 uva).
Der Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO liegt daher nicht vor.
In der Rechtsrüge bestreitet der Beklagte zunächst die Aktivlegitimation der Klägerin, da nach der Vereinbarung Beilage ./F nicht die Klägerin, sondern Herbert K***** sen zur Einlösung der Pfandscheine, sowie zur Bezahlung der Kosten des Transports, der Zinsen und der Einlagerungskosten verpflichtet gewesen sei und die Einlösung der Pfandscheine auch durch Herbert K***** sen erfolgt sei.
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts der Beklagte mit Herbert K***** sen, dem persönlich haftenden Gesellschafter der Klägerin, vereinbarte, dass die Klägerin vom Beklagten verpfändete Gegenstände auslöse, die ab der Auslösung der Klägerin verpfändet würden, wobei die Klägerin auch die Mieten für die Lagerräume bezahlen werde.
Aufgrund dieser Feststellungen kann kein Zweifel daran bestehen, dass Herbert K***** sen, der im Namen der Klägerin die Vereinbarung Beilage ./F abgeschlossen hat, die in dieser Vereinbarung enthaltenen Verpflichtungen als Vertreter der Klägerin für diese und nicht im eigenen Namen übernahm und ausführte. Ohne Rechtsirrtum hat daher das Berufungsgericht die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht.
Der Beklagte bringt weiter vor, es stehe ihm grundsätzlich eine Gegenforderung gegen die Klägerin aus der titellosen Benützung von ihm gehörenden Gegenständen in den von der Klägerin benützten Räumen zu, der Klägerin sei bekannt, dass Gegenstände, die sich in ihren Bestandräumlichkeiten befänden, vom Beklagten beansprucht würden. Dass sie hiefür an die Hauseigentümer ein Benützungsentgelt entrichte, habe die Klägerin nicht behauptet.
Demgegenüber hat das Berufungsgericht zutreffend dargelegt, dass Voraussetzung für den mit der Gegenforderung geltend gemachten Anspruch ist, dass dem Beklagten an den angeblich von der Klägerin benützten Gegenständen das Eigentumsrecht zusteht. Da der Beklagte diese Gegenstände jedenfalls nicht in seinem Besitz und somit nicht die Vermutung eines gültigen Titels für sich hat, hatte er hinsichtlich jedes einzelnen Gegenstands, der im Übrigen jeweils konkret zu bezeichnen gewesen wäre, sein Eigentumsrecht durch Titel und Modus nachzuweisen. Eine konkrete Behauptung seines Eigentumsrechts hat der Beklagte zwar hinsichtlich der in Beilage ./2 genannten Gegenstände aufgestellt, jedoch in keinem Falle einen Beweis für sein Eigentumsrecht durch Nachweis des Titels und der Erwerbsart auch nur angetreten, geschweige denn zu erbringen vermocht. Demgegenüber hat die Klägerin als Besitzerin der Gegenstände die Vermutung eines gültigen Titels für sich (§ 323 ABGB). In der Auffassung, dass die Gegenforderung des Beklagten nicht zu Recht besteht, kann daher keine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts erblickt werden.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.