3Ob103/84 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Mag. Engelmaier als Richter in den Exekutionssachen ua der betreibenden Partei Ö***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Grünauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichteten Parteien 1. Adolf Z*****, 2. Friederike Z*****, beide *****, vertreten durch Dr. Peter Kerschbaum, wegen 697.018,43 S und 697.018,43 S je samt Nebengebühren, infolge Revisionsrekurses dieser betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. Mai 1984, GZ 46 R 266/84 30, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 25. August 1982, GZ 12 E 9681/81 20, abgeändert wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Rekurs der verpflichteten Parteien zurückgewiesen wird.
Die Kosten des Revisionsrekurses der betreibenden Partei Ö***** AG von 19.412,76 S (darin 1.800 S Barauslagen und 1.601,16 S Umsatzsteuer) werden mit je 9.706,38 S (darin 900 S Barauslagen und 800,58 S Umsatzsteuer) gegen jede verpflichtete Partei als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Text
Begründung:
Am 20. 1. 1982 wurden zugunsten der vollstreckbaren Forderungen der Ö***** AG gegen die beiden Verpflichteten von je 697.018,43 S samt Nebengebühren die im Pfändungsprotokoll 12 E 9681/81 des Erstgerichts unter PZ 1 bis 25 verzeichneten Gegenstände, vor allem Einrichtungsgegenstände und Elektrogeräte, gepfändet, aber im Gewahrsam der Verpflichteten belassen.
Die Versteigerung der gepfändeten Gegenstände an Ort und Stelle wurde für den 6. 4. 1982 angeordnet, jedoch nicht durchgeführt, weil die Räume der Verpflichteten versperrt und keine Käufer erschienen waren (Bericht ON 12).
Mit Beschluss vom 13. 4. 1982, ON 13, ordnete das Erstgericht nach § 280 Abs 2 EO den Verkauf aller Pfandgegenstände aus freier Hand an.
Dieser Beschluss wurde entgegen der in der gekürzten Urschrift getroffenen Verfügung zunächst nicht mit E Form Nr 259 (Anordnung des Verkaufs aus freier Hand nach fruchtloser Versteigerung), sondern mit E Form Nr 271 (Aufforderung zur Antragstellung bezüglich der bei der Versteigerung nicht vorgefundenen Gegenstände) ausgefertigt.
In einem am 24. 6. 1982 eingelangten Antrag vom 7. 6. 1982 beantragte der Verpflichtete Adolf Z***** die Verwertung der Pfandgegenstände durch Verkauf aus freier Hand um einen den zu erhebenden Schätzwert um ein Viertel übersteigenden Betrag an Etel H***** (ON 15).
Am 26. 7. 1982 beantragte die Ö***** AG aufgrund des ihrem Vertreter am 16. 7. 1982 zugestellten E Form Nr 271 die „Überstellung unter Beiziehung eines Schlossers“ (ON 16).
Das am 6. 8. 1982 (mit dem Vermerk „Richtigstellung“, siehe ON 17) abgefertigte E Form Nr 259 wurde zwar am 11. 8. 1982 dem Vertreter zweier weiterer betreibender Gläubiger und am 12. 8. 1982 beiden Verpflichteten, nicht aber dem Vertreter der Ö***** AG und der betreibenden Gläubigerin Republik Österreich (Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Wien) zugestellt. Im Akt befindet sich diesbezüglich der Vermerk: „An Dr. G***** telefonische Mitteilung, Antrag bereits vorhanden! daher keine neuerliche Abfertigung! ebenfalls Einbringungsstelle Wien als FH Käufer Namhaftmachung“ (AS 38).
In einem am 18. 8. 1982 eingelangten Schriftsatz machte die betreibende Partei Elfriede W***** Helmut H***** als Freikäufer namhaft (ON 18).
Am 17. 8. 1982 legte die betreibende Partei V***** ihren am 20. 4. 1982 zum ersten Mal eingelangten, ihr aber zur Verbesserung zurückgestellten Antrag vom 19. 4. 1982 auf Überstellung unter Beiziehung eines Schlossers wieder vor (ON 19).
Mit Beschluss vom 25. 8. 1982 ordnete das Erstgericht die Verwertung aller Pfandgegenstände nicht an Ort und Stelle, sondern in der Zweigstelle Floridsdorf des Wiener Dorotheums an, beauftragte seine Vollzugsabteilung, die Gegenstände dorthin zu überstellen und ersuchte das Dorotheum um Übernahme und Verkauf nicht unter der Hälfte des Schätzwerts (ON 20):
Mit Beschluss vom 27. 8. 1982 wies das Erstgericht den Antrag des Verpflichteten Adolf Z***** auf Durchführung des Freihandverkaufs nach § 280 Abs 1 EO mit der Begründung ab, dass es mangels eine Verkaufstermins an den Voraussetzungen fehle (ON 21).
Gegen den Beschluss vom 25. 8. 1982 erhoben die Verpflichteten Rekurs mit dem Antrag, den Antrag auf Überstellung abzuweisen. Sie begründeten ihr Rechtsmittel im Wesentlichen damit, dass die bekämpfte Anordnung mit dem „rechtskräftigen“ Beschluss über den Verkauf aus freier Hand nach § 280 Abs 2 EO in unlösbarem Widerspruch stehe und dass keiner der betreibenden Gläubiger einen Käufer nahmhaft gemacht habe, sodass das Verkaufsverfahren einzustellen gewesen wäre. Darüber hinaus hätte das Erstgericht noch nicht über den Antrag nach § 280 Abs 1 EO entschieden.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Gericht zweiter Instanz dem Rekurs Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass es den Antrag der betreibenden Partei Ö***** AG auf „Überstellung unter Beiziehung eines Schlossers“ abwies, weil er schon mangels Präzisierung, wohin die Überstellung vorzunehmen sei, nicht berechtigt sei.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich der auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses gerichtete Revisionsrekurs der Ö***** AG.
Das im Hinblick auf die 300.000 S übersteigenden betriebenen Forderungen zulässige Rechtsmittel (§ 78 EO und §§ 502 Abs 4 Z 2 und 528 Abs 2 ZPO) ist berechtigt.
Nach § 274 Abs 1 EO in der seit vor dem 1. 1. 1983 geltenden, durch BGBl Nr 652/1982 geänderten, hier aber noch anzuwendenden Fassung hatte die Versteigerung an dem Orte zu erfolgen, an welchem sich die gepfändeten Sachen befanden, wenn sich nicht die Beteiligten über einen anderen Ort geeinigt hatten oder das Exekutionsgericht auf Antrag des Verpflichteten oder des betreibenden Gläubigers gestattet hatte, dass die Gegenstände behufs Erzielung eines höheren Erlöses an einen anderen Ort zur Versteigerung versendet werden.
Unter Versendung an einen anderen Ort zum Zwecke des Verkaufs ist jede Versendung von gepfändeten Gegenständen von dem Ort, an dem sie sich befinden, zur Erzielung eines höheren Erlöses zu verstehen, so auch die Versendung an eine gerichtliche Auktionshalle und auch an das Dorotheum. Auch zum freihändigen Verkauf können Gegenstände an einen anderen Ort versendet werden ( Heller Berger Stix II 1791 f und 1827; EvBl 1956/290; ZBl 1935 Nr 76).
Gegen Beschlüsse, durch welche die Übersendung gepfändeter Gegenstände an einen anderen Ort zum Zwecke des Verkaufs angeordnet wird, findet nach § 289 EO ein Rekurs nicht statt.
Der genannte Rechtsmittelausschluss setzt voraus, dass die Übersendung vom Exekutionsgericht „der Exekutionsordnung gemäß“ bewilligt wurde ( Heller Berger Stix II 1900; ZBl 1937 Nr 347). Gemeint ist damit, dass nur eindeutig gesetzwidrige Anordnungen trotz Rechtsmittelausschluss anfechtbar sind, weil andernfalls die Bestimmung des § 289 EO ihren Anwendungsbereich verlöre.
Im vorliegenden Fall würde von der Revisionsrekurswerberin (übrigens auch von der V*****) ein Überstellungs antrag gestellt. Der Überstellungsbeschluss des Erstgerichts beruhte daher auf einem (nach der damaligen Rechtslage noch erforderlichen) Parteiantrag und erging somit insoweit aufgrund und im Rahmen des § 274 EO (in der bis 31. 12. 1982 gültigen Fassung). Der vom Rekursgericht bemängelten unpräzisen Formulierung des Überstellungs antrags (der ab 1. 1. 1983 überhaupt entbehrlich ist) kommt bei Prüfung der Durchbrechung des Rechtsmittelausschlusses keine entscheidende Bedeutung zu.
Der von den Verpflichteten bekämpfte Beschluss steht ferner mit der vorangegangenen Anordnung des Freihandverkaufs nach § 280 Abs 2 EO in keinem Widerspruch, weil Pfandgegenstände nach der zitierten Lehre und Rechtsprechung nicht nur zur neuerlichen Versteigerung, sondern auch zum Freihandverkauf versendet werden können.
Die Rekursbehauptung der Verpflichteten, dass keiner der betreibenden Gläubiger innerhalb der gesetzten Frist einen Freihandkäufer namhaft gemacht hätte, ist aktenwidrig, weil die betreibende Gläubigerin Elfriede W***** rechtzeitig einen Käufer namhaft gemacht hat und der Revisionsrekurswerberin bisher überhaupt noch keine Frist zur Namhaftmachung eines Freihandkäufers gesetzt wurde. Es liegt daher bisher kein Grund zur Einstellung des Verkaufsverfahrens nach § 280 Abs 2 EO vor.
Schließlich ist auch die Rekursbehauptung der Verpflichteten, das Erstgericht habe noch nicht über den Antrag des Verpflichteten Adolf Z***** nach § 280 Abs 1 EO entschieden, im Hinblick auf die mit Beschluss vom 27. 8. 1982 erfolgte Abweisung dieses Antrags aktenwidrig.
Daraus folgt, dass der Rekurs der Verpflichteten gegen den Beschluss, durch welchen die Übersendung der gepfändeten Gegenstände an einen anderen Ort zum Zwecke des Verkaufs angeordnet wurde, als nach § 289 EO unzulässig hätte zurückgewiesen werden müssen.
Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und der angefochtene Beschluss im Sinne einer Zurückweisung des unzulässigen Rechtsmittels der Verpflichteten abzuändern.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses beruht auf den §§ 74 und 78 EO sowie den §§ 41 und 50 ZPO.