2Ob558/84 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****, vertreten durch Dr. Egon Sattler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei O***** Warenhandelsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Helmut Mühlgassner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 58.177,66 DM sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 6. Februar 1984, GZ 4 R 241/83 14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 10. Oktober 1983, GZ 37 Cg 602/82 10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 12.785,55 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 960 S Barauslagen und 1.075,05 S USt) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei kaufte von der klagenden Partei am 23. 2. 1981 390.000 Wischtücher verschiedener Spezifikation zum Stückpreis von 0,22 DM, ds insgesamt 85.800 DM. Die klagende Partei begehrt, gestützt auf die Behauptung der Annahmeverweigerung durch die beklagte Partei, die Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem beim Weiterverkauf der Ware erzielten Erlös in Höhe von 30.700 DM, die kapitalisierten Zinsen von 14,5 % vom 1. 3. 1981 bis 31. 12. 1981 und von 14 % vom 1. 1. 1982 bis 28. 2. 1982 in Höhe von 12.537,66 DM und die Lagerkosten von 14.880 DM, zusammen 58.117,66 DM sA.
Die beklagte Partei behauptet, dass der Vertrag durch einen neuen mit geänderter Spezifikation zum Stückpreis von 0,18 DM ersetzt worden sei. Die klagende Partei sollte die Ware auf Abruf der beklagten Partei in Teilmengen liefern. Trotz Abrufs habe die klagende Partei nicht geliefert. Für eine Wareneinlagerung oder einen Notverkauf habe kein Anlass bestanden.
Das Erstgericht sprach der klagenden Partei den begehrten Betrag im Schillinggegenwert samt stufenweisen Zinsen zu und wies lediglich ein Zinsenmehrbegehren ab. Die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens erwuchs in Rechtskraft.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es der klagenden Partei nur 54.534,38 DM zum Schillinggegenwert samt stufenweisen Zinsen zusprach und das Mehrbegehren von 3.583,28 DM sA abwies.
Gegen den stattgebenden Teil des Berufungsurteils richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise stellt die beklagte Partei einen Aufhebungsantrag.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Das Erstgericht legte seiner Entscheidung den auf den AS 57 bis 65 (S 5 bis 8 der Urteilsausfertigung) dargestellten Sachverhalt zugrunde. Danach waren die Wischtücher zur Zeit des Vertragsabschlusses am 23. 2. 1981 in Frankfurt eingelagert. Der Preis verstand sich frei Bundesrepublik belgische Grenze. Die Lieferung sollte Kassa gegen Dokumente, die Verzollung durch die Spedition D***** erfolgen. Die Verzollungsspesen sollte die beklagte Partei tragen. Mit Schreiben vom 3. 4. 1981 forderte die klagende Partei die beklagte Partei zur Übernahme der Ware bis 15. 4. 1981 auf und drohte mit aus dem Annahmeverzug entstehenden Ersatzansprüchen für die Einlagerung für Bankzinsen und aus dem Ersatzverkauf. Eine weitere Mahnung erfolgte am 23. 10. 1981. Am 19. 11. 1981 legte die klagende Partei Rechnung. Am 11. 12. 1981 forderte die klagende Partei neuerlich Vertragserfüllung. Es kam aber zu keinem Abruf der Ware durch die beklagte Partei, weil deren belgischer Abnehmer mit den Bedingungen unzufrieden war. Die Abnahme der Ware durch Kunden der beklagten Partei war aber nicht Bedingung des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrags. Am 20. 1. 1982 bot die klagende Partei der beklagten Partei eine Vertragsmodifikation an, die am 26. 1. 1982 angenommen wurde. Die Stückzahl der Putztücher der Sorte Medina wurde auf 60.000 Stück reduziert, der Stückpreis auf 0,18 DM gesenkt. Die Ware sollte in einem Ablaufrhythmus waggonweise innerhalb von maximal 9 Wochen geliefert werden, wobei die erste Lieferung aus 60.000 Stück Putztüchern der Sorte Aranka bestehen sollte. Am 12. 2. 1982 rief die beklagte Partei 60.000 Stück Putztücher der Sorte Medina ab. Da dieser Abruf nicht der Vereinbarung entsprach, forderte die klagende Partei die beklagte Partei auf, den vereinbarten Ablaufrhythmus einzuhalten und drohte den Ersatzverkauf an. Die klagende Partei hatte bereits im Mai 1981 versucht, die Ware an einen Dritten zu verkaufen. Der Verkauf gelang dann im Mai 1982 zum Preise von 0,15 DM, abzüglich einer Provision von 0,01 DM pro Stück. Als Lagerposten konnte die Ware im Oktober 1982 um 0,10 bis 0,11 DM pro Stück zum Einkaufspreis erworben werden. Der Marktpreis lag zu dieser Zeit nicht höher als 0,15 DM pro Stück. Die klagende Partei musste für die Einlagerung der in 800 Ballen verpackten Putztücher in der Zeit vom 1. 3. 1981 bis 28. 2. 1982 monatliche Lagerkosten von 1.240 DM insgesamt sohin 14.880 DM bezahlen. Im Jahre 1981 hatte die klagende Partei an die Schweizerische Kreditanstalt einen durchschnittlichen Debitorenzinssatz von 14,7 % netto zu bezahlen, wobei das DM Konto in einem den ursprünglichen Kaufpreis übersteigenden Ausmaß belastet war.
Die Parteien trafen die Rechtswahl über die Anwendung österreichischen Rechts.
Das Erstgericht vertrat den Standpunkt, dass mangels Vereinbarung eines Leistungstermins und einer Abrufsfrist die beklagte Partei die Ware ohne unnötigen Aufschub abrufen hätte müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei die beklagte Partei spätestens am 1. 3. 1981 in Annahmeverzug geraten. Der Verzug sei durch den Abschluss des neuen Vertrags nicht beendet worden, weil dieser Vertrag nur unter der dann nicht eingetretenen Bedingungen der Erfüllung durch die beklagte Partei abgeschlossen worden sei. Da die beklagte Partei trotz Nachfristsetzung klar zum Ausdruck gebracht habe, zur Vertragserfüllung nicht bereit zu sein, habe die klagende Partei ohne Einhaltung der Formvorschriften des § 373 HGB die Ware verkaufen und diesen Verkauf zur Grundlage ihres Schadenersatzanspruchs machen können. Die klagende Partei könne auch den Ersatz der Lagerkosten und ab dem Tage der Fälligkeit Verzugszinsen in Höhe der bankmäßigen Zinsen begehren. Zinsen von den eingeklagten Zinsen könnten aber erst ab dem Tage der Einklagung und nur in der gesetzlichen Höhe begehrt werden.
Das Berufungsgericht beurteilte den Kaufvertrag als Versendungskauf in Form eines Streckengeschäfts, weil die Klägerin die Wischtücher „frei Bundesrepublik Deutschland und belgische Grenze“ an einen belgischen Kunden der beklagten Partei über eine bestimmte Spedition zu versenden gehabt habe. Nach der getroffenen Abrede sei ein Zug um Zug Verhältnis zwischen den beiden Hauptleistungspflichten vereinbart worden. Ein Kauf auf Abruf liege nicht vor. Die beklagte Partei habe lediglich insofern eine Mitwirkungspflicht an der Vertragserfüllung durch die klagende Partei getroffen, als sie notwendigerweise den Namen und die Anschrift des Empfängers bekanntgeben hätte müssen. Mangels Fälligkeitsvereinbarung hätten die beiderseitigen Leistungen sofort gefordert werden können, wobei aber erst die Mahnung zur Fälligkeit geführt habe. Diese Einmahnung sei von der klagenden Partei erstmals am 3. 4. 1981 für den 15. 4. 1981 erfolgt. Mit Ablauf des 15. 4. 1981 sei die beklagte Partei nicht nur in Annahmeverzug, sondern auch in Schuldnerverzug geraten. Der Beweis eines mangelnden Verschuldens am Verzug sei der beklagten Partei nicht gelungen. Die spätere Vertragsmodifikation sei mangels Eintritts der vereinbarten Bedingung bedeutungslos. Die klagende Partei habe daher sowohl die Rechtsfolgen nach den §§ 918 ff ABGB, als auch jene nach § 1419 ABGB geltend machen können. Mit Erhebung der vorliegenden Klage sei sie vom Vertrag zurückgetreten. Eine Nachfristsetzung sei entbehrlich gewesen, weil die beklagte Partei die Erfüllung endgültig ablehne. Die klagende Partei habe daher Anspruch auf Ersatz des positiven Erfüllungsinteresses in Form eines Differenzanspruchs. Sie habe ihren Schaden an Hand der vorgenommenen Deckungsverkäufe konkret berechnet. Auch wenn es sich hiebei nicht um Selbsthilfeverkäufe iSd § 373 HGB gehandelt habe, seien die bürgerlich rechtlichen Ersatzansprüche der klagenden Partei gemäß § 374 HGB unberührt geblieben. Zum positiven Schaden gehörten auch die Auslagen der klagenden Partei für die Wareneinlagerung ab Verzug der beklagten Partei und der Zinsenaufwand für die aufgenommenen Bankkredite. Diese Ansprüche stünden der klagenden Partei jedoch erst ab dem mit Ablauf des 15. 4. 1981 eingetretenen Verzug der beklagten Partei zu. Insoweit sei daher der Anspruch der klagenden Partei zu kürzen gewesen.
Die von der Revisionswerberin geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Nach dem Standpunkt der beklagten Partei liegt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ein Kauf auf Abruf vor, sodass es in das Ermessen der beklagten Partei gestellt gewesen sei, die Fälligkeit durch Abruf der Ware herbeizuführen. Eine Mahnung der klagenden Partei habe weder die Fälligkeit noch den Verzug der beklagten Partei bewirken können. Diesem Standpunkt kann nicht gefolgt werden.
Beim sogenannten Kauf auf Abruf wird die Erfüllungszeit nicht kalendermäßig, sondern in der Weise bestimmt, dass der Schuldner die Leistung auf Verlangen (oder auf jedesmaliges Verlangen) des Gläubigers verspricht ( Gschnitzer in Klang 2 IV/1 354; Wahle in Klang 2 IV/2 44; Ehrenzweig , System 2 II/1, 410). Der Käufer hat dann das Recht, die Fälligstellung der Leistung vorzunehmen, kann aber in Annahmeverzug geraten, wenn er nicht rechtzeitig abruft ( Koziol Welser , Grundriß 6 I 255; vgl auch Reischauer in Rummel , ABGB Rdz 6a zu § 904). Ein solches Versprechen der Leistung auf Abruf wurde aber nach den Feststellungen der Vorinstanzen von der beklagten Partei nicht verlangt und von der klagenden Partei auch nicht abgegeben. Die beklagte Partei hat sich in erster Instanz auch nicht auf eine solche Abrede berufen. Da die Leistungszeit nicht vereinbart wurde und sich auch nicht nach der Natur und dem Zweck der Leistung bestimmen lässt, kommt die gesetzliche Regel des § 904 ABGB zur Anwendung, wonach ohne unnötigen Aufschub zu leisten ist. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend darlegte, traf aber die beklagte Partei insofern eine Mitwirkungspflicht an der Leistung der klagenden Partei, als sie den Dritten, an den die Ware zu versenden war, bekanntgeben musste. Dass dieser der klagenden Partei nicht sogleich bei Abschluss des Vertrags mitgeteilt wurde, rechtfertigt schon mit Rücksicht auf die Form des Geschäftsabschlusses durch Telex nicht die Annahme eines schlüssigen Vorbehalts der Bestimmung der Leistungszeit durch die beklagte Partei iSd § 863 ABGB. Die Richtigkeit der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts über den durch die Mahnung der klagenden Partei ausgelösten Verzug der beklagten Partei, den Rücktritt vom Vertrag und die Rücktrittsfolgen wird von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Es genügt daher, auf die eingehenden und zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen.
Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.