JudikaturOGH

6Ob515/83 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. April 1984

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei C*****, vertreten durch Dr. Fritz Hanacik, Rechtsanwalt in Wien, wegen 162.995,50 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Oktober 1982, GZ 1 R 147/82 12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 15. Juni 1982, GZ 29 Cg 876/81 8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 7.717,98 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 429,48 S USt und 1.920 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte nach Einschränkung ihres ursprünglichen Begehrens von der Beklagten die Bezahlung des Betrags von 162.995,50 S sA und führte zur Begründung aus: Die Firma P***** Baugesellschaft mbH habe bei der Beklagten das Treuhandkonto Nr ***** eröffnet, auf das nur Einzahlungen der Klägerin vorgenommen worden seien. Dieser Umstand sei der Beklagten bekannt gewesen. Gemäß den Bestimmungen des Bauarbeiter Urlaubsgesetzes sei die Beklagte zur Rücküberweisung der auf dem Treuhandkonto erliegenden Urlaubsentgelte an die Klägerin verpflichtet.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens, dessen Höhe sie außer Streit stellte, und wendete ein: Es handle sich um kein Treuhandkonto, sondern um ein von der Firma P***** Baugesellschaft mbH eröffnetes Konto, für das die Gültigkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen vereinbart worden sei. Danach sei die Beklagte berechtigt gewesen, den auf dem Konto erliegenden eingeklagten Betrag mit dem Debetsaldo der P***** Baugesellschaft mbH zu kompensieren.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging von folgendem Sachverhalt aus: Am 11. 6. 1981 wurde über das Vermögen der P***** Baugesellschaft mbH zu Sa 69/81 des Erstgerichts der Ausgleich eröffnet. Die Beklagte hat gegen die P***** Baugesellschaft mbH eine Forderung in Höhe des Klagsbetrags. Am 21. 12. 1978 hatte die P***** Baugesellschaft mbH bei der Beklagten das Konto Nr ***** das als Treuhandkonto bezeichnet wurde, eröffnet. Dass es für Einzahlungen von Bauarbeiter Urlaubsgeldern bestimmt war, wurde der Beklagten weder ausdrücklich bekannt gegeben, noch wurde es ihr auf andere Weise vor dem Schreiben der Beklagten vom 30. 7. 1981 bekannt. Die ausschließliche Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen wurde ausdrücklich vereinbart. Punkt 7 derselben lautet: „Unterhält der Kunde mehrere Konten, so kann die Kreditunternehmung in allen Fällen Forderungen gegen Verbindlichkeiten aufrechnen, ...“. Punkt 8 Abs 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen lautet: „Besondere Verwendungsbestimmung auf dem Überweisungsauftrag gelten nur für den Empfänger der Überweisung und sind nicht an die Kreditunternehmung gerichtet.“ Die P***** Baugesellschaft mbH ersuchte die Klägerin mit Schreiben vom 10. 1. 1979, Überweisungen an sie nur mehr auf dieses Konto vorzunehmen. Bei Einzahlungen der Klägerin blieben die Zahlungsbelege, auf denen der Vermerk „Treuhandgeld“ und der Name der Klägerin als Einzahlerin aufschienen, nicht bei der Beklagten, sondern wurden an die P***** Baugesellschaft mbH weitergeleitet. Auf das Konto wurden nur Einzahlungen der Klägerin, und zwar Urlaubsgelder, vorgenommen.

Diesen Sachverhalt unterzog das Erstgericht folgender rechtlicher Beurteilung:

Nach § 28 Abs 2 BauArbUrlG 1972 unterlägen Urlaubsentgelte im Verkehr der Urlaubskasse mit Geldinstituten keinen Bestimmungen, die die Rückzahlung an die Urlaubskasse einschränkten. Im Ausgleichsverfahren des Arbeitgebers seien die Urlaubsentgelte bevorrechtet (§ 12 Abs 3 BauArbUrlG 1972). Auszugehen sei davon, dass der Beklagten die Verwendung des bei ihr eröffneten Kontos für die Überweisung von Urlaubsentgelten nicht bekannt gewesen sei. Dieses Konto sei jedoch deutlich als Treuhandkonto bezeichnet gewesen, ohne dass der Name des Treugebers bekannt gegeben worden sei. Dadurch werde an sich die Vollrechtskontoeigenschaft nicht berührt. Die genannte gesetzliche Bestimmung stelle jedoch nicht auf Eröffnung von Konten bei Geldinstituten ab, sondern erfasse allgemein den Verkehr der Urlaubskasse mit Geldinstituten. Ein derartiger Kontakt zwischen der Klägerin und der Beklagten habe jedoch stattgefunden, weil die Klägerin jeweils Urlaubsentgelte auf dieses Konto überwiesen habe. Dadurch, dass der Bank von der Widmung der Gelder nichts bekannt gewesen sei, werde nichts geändert. Exekutionsrechtliche und anfechtungsrechtliche Folgerungen aus einer Treuhandvereinbarung würden im Übrigen auch von der Kenntnis der Kreditunternehmung nicht berührt. Mit Auswirkungen des Treuhandverhältnisses habe die Beklagte jedenfalls rechnen müssen. § 28 Abs 2 BauArbUrlG 1972 hindere somit die Beklagte an der Aufrechnung nach Punkt 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen.

Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Das Berufungsgericht hielt den diesbezüglichen Berufungsausführungen entgegen, dass nicht einzusehen sei, warum das Bauarbeiterurlaubsgesetz für einen Rechtsanspruch der Klägerin nur dann Geltung haben sollte, wenn auf dem sogenannten Treuhandkonto noch ein Habensaldo verblieben wäre. Es vertrat die Auffassung, im Zusammenhalt der Pfändungsschutzbestimmung des § 12 mit dem im Abschnitt IV „Verfahrensvorschriften“ unter „Bevorrechtung“ stehenden § 28 Abs 2 BauArbUrl 1972 ergebe sich, dass die von der Beklagten vorgenommene Kompensation ohne rechtliche Wirkung sein müsse, weil über Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfügt worden sei, die gemäß § 290 EO im Zusammenhalt mit dem Lohnpfändungsgesetz zur Gänze unpfändbar seien. Blieben aber gemäß § 293 Abs 2 EO Verfügungen durch Abtretung, Anweisung, Verpfändung oder ein anderes Rechtsgeschäft ohne rechtliche Wirkung, so habe das Erstgericht ohne Rechtsirrtum der Klage stattgegeben.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Die Beklagte führt in ihrer Revision aus, die Bestimmungen des Bauarbeiterurlaubsgesetzes seien nur auf die Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und der P***** Baugesellschaft mbH, nicht jedoch auf die Rechtsbeziehung zwischen der P***** Baugesellschaft mbH und der Beklagten anzuwenden. Durch Bezeichnung des fraglichen Kontos als Treuhandkonto sei die „Vollrechtskontoeigenschaft“ nicht berührt worden. Die Bestimmung des § 28 Abs 2 BauArbUrlG 1972 könnte nur auf einen nach Durchführung der zulässigen Kompensation verbliebenen Restbetrag Anwendung finden.

Die Beklagte bestreitet mit diesen Ausführungen nicht die Befugnis der Klägerin, auf einem Konto der Beklagten erliegende Urlaubsentgelte zurückzufordern, sondern vertritt lediglich die Auffassung, wegen der bereits vor der Rückforderung der Klägerin erfolgten Kompensation diese sei zulässig gewesen, weil es sich bei dem Treuhandkonto um ein Vollrechtskonto (der P***** Baugesellschaft mbH) gehandelt habe habe es kein solches Guthaben mehr gegeben.

Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden.

Gemäß § 28 Abs 2 BauArbUrlG 1972 unterliegen im Verkehr der Urlaubskasse mit Geldinstituten die Urlaubsentgelte keinen die Auszahlung an den Arbeitgeber des anspruchsberechtigten Arbeitnehmers oder die Rückzahlung an die Urlaubskasse einschränkenden Bestimmungen. Eine die Auszahlung oder Rückzahlung beschränkende Bestimmung ist unzulässig (vgl 426 BlgNR XIII. GP S 19). Da Punkt 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen eine solche die Auszahlung oder Rückzahlung beschränkenden Vertragsbestimmung darstellt, ist seine Anwendung auf von der Urlaubskasse überwiesene Urlaubsentgelte durch § 28 Abs 2 BauArbUrl 1972 ausgeschlossen. Da somit schon diese Gesetzesbestimmung die Verwendung der von der Klägerin überwiesenen Urlaubsgelder zur Aufrechnung verhindert, bedarf es keiner Erörterung darüber, ob es sich beim gegenständlichen Konto um ein Vollrechtstreuhandkonto handelte und ob ein Aufrechnungsrecht der Beklagten nicht auch aus dem Sinn und Zweck des offengelegten Treuhandkontos verneint werden müsste (vgl Canaris , Bankvertragsrecht 2 Rdn 284; derselbe im Großkomm HGB 3 , III/3, Rdn 284). Ebenso erübrigt sich ein Eingehen auf die Revisionsausführungen zu § 293 Abs 2 EO.

Aus diesen Erwägungen war der Revision der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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