JudikaturOGH

8Ob543/84 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. März 1984

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Dr. Richard Schwach, Rechtsanwalt in Korneuburg, wider die beklagte Partei Robert W*****, vertreten durch Dr. Adolf Fiebich, Rechtsanwalt in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei *****, Rechtsanwalt, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Fenzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 48.614,86 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Mai 1983, GZ 12 R 104/83 37, womit infolge Berufung beider Parteien und des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Jänner 1983, GZ 32 Cg 41/80 31, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte vom Beklagte die Zahlung von 48.614,86 S sA bei sonstiger Exekution in das dem Beklagten gehörige auf der Liegenschaft EZ 795 KG *****, errichtete Superädifikat im Wesentlichen mit der Begrünung, Franz Z***** habe ihr mit Schuld und Pfandbestellungsurkunde vom 22. 4. 1975 für eine Forderung von 120.000 S sA dieses damals ihm gehörige Superädifikat verpfändet. Die Schuld und Pfandbestellungsurkunde vom 22. 4. 1975 sei laut Beschluss des Bezirksgerichts Korneuburg vom 2. 5. 1975 zu Uh 18/75 gerichtlich hinterlegt und dadurch das Pfandrecht begründet worden. Franz Z***** habe in der Folge das zu Gunsten der Klägerin verpfändete Superädifikat an den Beklagten verkauft. Die Forderung der Klägerin gegen Z***** hafte in der Höhe des Klagsbetrags aus; der Beklagte hafte der Klägerin als Realschuldner.

Der Beklagte wendete im Wesentlichen ein, er habe mit Kaufvertrag vom 17. 11. 1977 von Alfred und Hannelore G***** 220/67098 Anteile an der Liegenschaft EZ 795 KG ***** gekauft. Auf dieser Liegenschaft habe sich ein Superädifikat befunden, das Eigentum des Franz Z***** gewesen sei. Mit Kaufvertrag vom gleichen Tag habe der Beklagte dieses Superädifikat von Franz Z***** um den Betrag von 180.000 S gekauft, wobei der Verkäufer die Haftung dafür übernommen habe, dass das Superädifikat sein uneingeschränktes und lastenfreies Eigentum darstelle. Der Beklagte habe den vereinbarten Kaufpreis bezahlt und das gekaufte Superädifikat übernommen. Trotz der von Z***** unterfertigten Schuld und Pfandbestellungsurkunde und deren gerichtlicher Hinterlegung bestehe an dem Superädifikat kein Pfandrecht zu Gunsten der Klägerin. Ein Pfandrecht könne nämlich nur an einer bereits vorhandenen Sache erworben werden, während zum Zeitpunkt der Urkundenhinterlegung am 2. 5. 1975 das Superädifikat noch nicht bestanden habe; zu diesem Zeitpunkt sei erst mit den Bauarbeiten begonnen gewesen. Abgesehen davon habe der Beklagte das Superädifikat gutgläubig lastenfrei erworben. In diesem Zusammenhang sei von Bedeutung, dass im Gutsbestandsblatt der Liegenschaft das Superädifikat nicht ersichtlich gemacht worden sei, obwohl dies im § 19 UHG vorgeschrieben sei. Auch die Höhe des Klagsbetrags werde bestritten.

Der Nebenintervenient auf Seiten des Beklagten, der sein rechtliches Interesse am Obsiegen des Beklagten damit begründete, dass er als Vertragsverfasser im Falle des Unterliegens des Beklagten in diesem Rechtsstreit von diesem zur Haftung herangezogenen werden könnte, brachte im Wesentlichen vor, die Klägerin habe an dem Superädifikat kein Pfandrecht erwerben könne, da es sich dabei nur um den Teil eines Ganzen handle. Das Superädifikat sei von Z***** an der linken Grenze des von ihm benützten Grundes mit dem Bauwerk des Grundnachbarn Erich K***** zusammengebaut worden, wie es von der Baubehörde aufgrund der gegebenen Raumordnung und quasi im Sinne der gekoppelten Bauweise vorgesehen gewesen sei. Die Fundamente seien effektiv aus einem Guss; die Mauern griffen ineinander. Die Trennmauer auf der Grundgrenze sei eine gemeinschaftliche; die Dachkonstruktion bilde eine Einheit. Das ganze Bauwerk stelle also im technischen Sinn ein einziges beziehungsweise ein einheitliches dar. Es sei nicht für sich verwertbares Superädifikat verpfändet worden, sondern ein Teil eines eine Gesamtsache darstellenden Überbaues, dessen Verwertbarkeit von verschiedenen Rechten Dritter abhängig sei, nämlich von den Rechten des Eigentümers des zweiten Hälfteteiles des Überbaues, in dessen Rechte beim allfälligen Verwertungsabbruch unverantwortlich eingegriffen werden müsste und von den Rechten des Bestandgebers, dem die Verpflichtung, einem allfälligen Erwerber oder Ersteher den Bestand zu überlassen, nicht auferlegt werden könne. Ferner sei der Klägerin im Zusammenhang mit dem Geschäftsfall Ilse K***** bekannt geworden, dass Z***** wahrheitswidrig die Lastenfreiheit des Superädifikats behauptet habe. In diesem Geschäftsfall sei vorgesehen gewesen, dass der Kaufpreis für das Superädifikat beim Nebenintervenienten treuhändig erlegt werden sollte. Die Klägerin hätte unter diesen Umständen den Nebenintervenienten auf die Unrichtigkeit der Erklärung des Z***** hinweisen müssen, habe dies jedoch unterlassen. Aus allen diesen Umständen folge, dass die Klägerin auf ihr Pfandrecht verzichtet habe. Sollte sie rechtswirksam ein Pfandrecht an dem Superädifikat erworben haben, dann sei es durch den Erwerb der 220/67098 Anteile der Liegenschaft EZ 795 KG ***** durch den Beklagten untergegangen. Der Beklagte könne nicht verpflichtet werden, auf seine Miteigentumsrechte und auf die damit zusammenhängenden Benützungsrechte zu verzichten, ohne die eine Verwertung des Pfandobjekts unmöglich sei, weil das Superädifikat infolge seiner festen Bauweise nicht an einen anderen Orte verbracht werden könne.

Das Erstgericht gab dem Begehren der Klägerin statt, wobei es jedoch die Zahlungspflicht des Beklagten lediglich bei sonstiger Exekution in seinen Hälfteanteil an dem auf der Liegenschaft EZ 795 KG *****, Badeparzelle Nr *****, errichteten Superädifikat anordnete, ohne das Mehrbegehren der Klägerin ausdrücklich abzuweisen.

Die Wiedergabe der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen kann im vorliegenden Fall unterbleiben.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im Wesentlichen dahin, dass das von Z***** und K***** errichteten Gebäude ungeachtet der festen Bauweise als Superädifikat zu qualifizieren sei. Da das Gebäude jedoch eine unteilbare Einheit darstellte, hätten durch die Bauführung Z***** und K***** je zur Hälfte Miteigentum erworben. Dies stehe aber der wirksamen Begründung eines Pfandrechts durch die Pfandbestellungsurkunde vom 22. 4. 1975 nicht entgegen, weil diese im Sinne einer Konversion dahin auszulegen sei, dass Z***** seinen Miteigentumsanteil verpfändet habe. Da im Zeitpunkt der Begründung des Pfandrechts der Rohbau des Hauses bereits fertiggestellt gewesen sei, komme auch dem Einwand, es sei ein Pfandrecht an einer nicht existenten Sache begründet worden, keine Berechtigung zu. Der Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass er das Objekt gutgläubig lastenfrei erworben habe, da dem die Vorschrift des § 20 UHG entgegenstehe. Ein Verzicht der Klägerin auf das begründete Pfandrecht lasse sich aus den getroffenen Feststellungen nicht ableiten und auch dem Einwand der mangelnden Realisierbarkeit des Pfandrechts komme keine Berechtigung zu, da der Verwertbarkeit des Pfandobjekts wohl ungewiss, jedoch nicht schlechthin unmöglich sei. Insgesamt sei daher das Begehren der Klägerin berechtigt, wobei allerdings im Hinblick auf das bestehende Miteigentum zwischen den Beklagten und K***** lediglich der Hälfteanteil des Beklagten von der Sachhaftung betroffen sei.

Dieses Urteil wurde von beiden Streitteilen und vom Nebenintervenienten auf Seiten des Beklagten mit Berufung bekämpft.

Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil der Berufung der Klägerin keine Folge. Hingegen gab es der Berufung des Beklagten und des Nebenintervenienten Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

Es führte im Wesentlichen aus, das Erstgericht sei zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich im vorliegenden Fall um Superädifikate handle, die Z***** und die übrigen Pächter auf den Pachtgrundstücken errichtet hätten. Für Bauwerke schreibe § 435 ABGB als Erwerbsform die Urkundenhinterlegung vor, wobei diese Formvorschrift nur für den abgeleiteten, nicht aber für den ursprünglichen Erwerb gelte. Aus den „notorischen Unterlagen über die Katastralgemeinde *****“ ergebe sich, dass im Zusammenhang mit dem Abschluss des Kaufvertrags zwischen Z***** und dem Beklagten eine Urkundenhinterlegung nicht erfolgt sei, sodass der Beklagte auf diesem Weg nicht Eigentum erworben habe.

Da der Beklagte jedoch im Zusammenhang mit diesem Vertragsabschluss auch einen Miteigentumsanteil an der Liegenschaft erworben habe, auf der das Bauwerk errichtet sei, bleibe zu prüfen, ob dieser Vertrag beziehungsweise die Einverleibung des Miteigentumsrechts des Beklagten einen tauglichen Modus für den Erwerb des Eigentumsrechts auch im Bauwerk bilde. Dies sei zu verneinen.

Daraus ergebe sich, dass der Beklagte bisher nicht Eigentümer des Bauwerks geworden sei und dieses nach wie im Eigentum Z*****s stehe, dem es durch die Errichtung originär ins Eigentum zugefallen sei.

§ 461 ABGB bestimme, dass dem Pfandgläubiger das Recht zustehe, sich aus der Pfandsache zu befriedigen, wenn der Schuldner mit der Erfüllung im Verzug sei. Habe der Schuldner die Pfandsache während der Verpfändungszeit veräußert, habe der Gläubiger, der die Befriedigung aus der Pfandsache anstrebe, die Pfandrechtsklage gegen den Pfandeigentümer geltend zu machen. Voraussetzung der Pfandrechtsklage sei gemäß § 466 ABGB das Eigentum des Beklagten an der Pfandsache.

Da der Beklagte nicht Eigentümer der Pfandsache sei, komme dem Klagebegehren schon aus diesem Grund keine Berechtigung zu.

Der Ausspruch über die Nichtzulässigkeit der Revision gründe sich auf § 500 Abs 3 ZPO. Gegenstand der Entscheidung seien Rechtsfragen, die im Gesetz klar geregelt seien, sodass die Voraussetzungen, die § 502 Abs 4 Z 1 ZPO für die Zulässigkeit der Revision normiere, nicht erfüllt seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellte sie einen Aufhebungsantrag.

Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 21. 12. 1983 iSd § 508a Abs 2 ZPO dem Revisionsgegner die Beantwortung der Revision freigestellt.

Der Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, die außerordentliche Revision nicht für zulässig zu erklären; hilfsweise beantragte er, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch sachlich berechtigt.

Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist das Revisionsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 3 ZPO nicht gebunden.

Die Klägerin zeigt in ihrer Revision zutreffend iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO auf, dass das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung eine Rechtsfrage des Verfahrensrechts unrichtig löste, der zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukommt.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass das Berufungsgericht auch ergänzende Feststellungen nur nach Beweiswiederholung beziehungsweise ergänzung treffen darf (SZ 25/46; EvBl 1952/444; EvBl 1958/219; JBl 1968/368; 8 Ob 527/81; 1 Ob 762/82 uva).

Wenn im vorliegenden Fall das Berufungsgericht davon ausging, dass sich aus den „notorischen Unterlagen über die Katastralgemeinde *****“ ergebe, dass im Zusammenhang mit dem Abschluss des Kaufvertrags zwischen Z***** und dem Beklagten eine Urkundenhinterlegung nicht erfolgt sei, traf es in Wahrheit eine Sachverhaltsfeststellung, die vom Erstgericht nicht getroffen wurde und daher über den vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Sachverhalt hinausging. Dass es sich dabei um eine iSd § 269 ZPO bei Gericht offenkundige Tatsache handle, kann nicht gesagt werden; im Übrigen ist den Ausführungen des Berufungsgerichts nicht einmal zu entnehmen, welche „Unterlagen über die Katastralgemeinde *****“ es dieser Feststellung zugrundelegte.

Wenn also das Berufungsgericht ohne Durchführung eines Beweisverfahrens diese Feststellung traf, hat es im Sinne der oben dargestellten ständigen Rechtsprechung gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatzes verstoßen und damit iSd § 503 Abs 1 Z 2 ZPO einen schwerwiegenden Verfahrensmangel gesetzt. Diesem Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz kommt im Hinblick auf die dargestellte ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO erhebliche Bedeutung zu. Im Sinne dieser Gesetzesstelle hat daher das Berufungsgericht eine Rechtsfrage des Verfahrensrecht, der zur Wahrheit der Rechtseinheit und Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukommt, unrichtig gelöst beziehungsweise missachtet. Dieser dem Berufungsgericht unterlaufene Verfahrensverstoß ist auch entscheidungswesentlich, weil der vom Berufungsgericht in Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes festgestellte zusätzliche Sachverhalt geeignet ist, die für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Tatsachengrundlagen entscheidend zu verschieben.

Diese dem Berufungsgericht unterlaufene unrichtige Lösung einer Rechtsfrage des Verfahrensrechts, der zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukommt, zeigt die Klägerin in ihrer Revision zutreffend auf.

Aus diesem Grund erweist sich die Revision der Klägerin als zulässig und berechtigt, sodass in Stattgebung dieses Rechtsmittels das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben werden musste und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Streitteile und des Nebenintervenienten aufzutragen war, ohne dass derzeit auf die weiteren Ausführungen in der Revision der Klägerin und der Revisionsbeantwortung des Beklagten einzugehen ist.

Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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