13Os126/83 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15.September 1983
unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Friedrich, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kirchbacher als Schriftführers in der Strafsache gegen Anita A wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. über die von der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 13.Oktober 1982, GZ 6 f Vr 4416/82-40, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Maurer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Ersten Generalanwalts Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen der Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 24.Mai 1952 geborene jugoslawische Staatsbürgerin Antia A des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs 1
SuchtgiftG. schuldig erkannt. Ihr liegt zur Last, vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in solchen Mengen ein- und ausgeführt zu haben, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, indem sie 1. im April 1982 knapp 200 Gramm Heroin von Italien ausgeführt, nach Österreich eingeführt, sodann wieder ausgeführt und danach in die Niederlande eingeführt und weiterverkauft hat;
2. im April 1982 zumindest ein Kilogramm Heroin aus Jugoslawien ausgeführt und nach Italien eingeführt hat.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer auf die Z. 4, 5 und 9 lit a sowie lit b des § 281 Abs 1
StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, ohne jedoch das Vorbringen nach den einzelnen Nichtigkeitsgründen zu gliedern. Zum Verfahrensmangel (§ 281 Abs 1 Z. 4 StPO.) macht die Beschwerdeführerin geltend, daß ihrer Verantwortung in der Hauptverhandlung zufolge das Geständnis, welches sie vor der Sicherheitsbehörde abgelegt (und später vor dem Untersuchungsrichter bestätigt) hatte, erpreßt worden sei. Zum Nachweis der objektiven Unrichtigkeit dieses Geständnisses habe sie sich auf die Durchsicht ihres Reisepasses, aus dem sich die Daten ihrer Reisen ersehen ließen, berufen; eine Anfrage bei der (holländischen) Bank hätte ergeben, daß es 400.000 Dinar gewesen seien, die man in holländische Gulden umgewechselt habe, was für die Richtigkeit ihrer und ihres Gatten Angaben spreche, daß dieses Geld aus einem Kaffeeschmuggel und nicht aus einem Suchtgiftverkauf stamme; der Zeuge Karl B hätte bestätigt, daß der Kraftwagen der Angeklagten an verschiedene Personen verliehen worden sei, sodaß sie die Schmuggelfahrten gar nicht hätte unternehmen können. Schließlich hätte die Einvernahme der Zeugin Dr. Hildegard C Aufklärung darüber gebracht, daß die Angeklagte unmittelbar nach ihrer Einlieferung ins gerichtliche Gefangenenhaus ihre neuerliche Vorführung beantragt habe, um das Geständnis zu widerrufen. Das Erstgericht habe bei der Abweisung aller dieser Beweisanträge unzulässigerweise deren Ergebnis vorweggenommen und auf diese Weise Verteidigungsrechte der Beschwerdeführerin verletzt.
Die behaupteten Verfahrensmängel liegen jedoch nicht vor. Die Durchsicht des Reisepasses (S. 216) ist vom Schöffengericht mit der zutreffenden Begründung abgelehnt worden (S. 238), daß die Beschwerdeführerin selbst eingeräumt hat, im Jahr 1982 wiederholt in Italien und in Jugoslawien gewesen zu sein (S. 220). Die Anfrage bei der niederländischen (D) Bank, bei der die Beschwerdeführerin Dinar in holländische Gulden eingewechselt haben soll, erübrigte sich nach Ansicht des Gerichts deshalb, weil die damit relevierte Bestätigung über eine am selben Tag geschehene Umwechslung (S. 191 a) erst vom 1. September 1982 stammt, womit es ersichtlich darauf Bezug nahm, daß die Tatzeit demgegenüber schon im April 1982 war. Somit ist ein zeitlicher Zusammenhang zwischen jener Bestätigung und dem Gegenstand der vorliegenden Strafsache schlechthin auszuschließen (S. 222). Inwiefern diese Begründung fehlerhaft sein sollte, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Dazu kommt, daß auch die in der Quittung aufscheinenden Zahlen keinen Bezug zum gegenständlichen Straffall erkennen lassen. Die Einvernahme des Zeugen Karl B hielt das Gericht primär deshalb für entbehrlich, weil es unerheblich sei, ob außer ihr und ihrem Ehemann auch andere Personen mit dem Fahrzeug gefahren seien oder nicht (S. 222, 239). Auch diese Argumentation ist im Hinblick darauf stichhältig, daß der mit dem angefochtenen Zwischenerkenntnis abgewiesene Antrag, dem nunmehr in der Beschwerde relevierten Beweisthema zuwider, keineswegs zum Nachweis dafür gestellt wurde, daß das Auto zur Tatzeit ausschließlich von anderen Personen benützt worden sei. Schließlich ist die Einvernahme der Zeugin Dr. Hildegard C vom Erstgericht zutreffend für entbehrlich erachtet worden (S. 239), weil die Behauptungen der Angeklagten über einen schon vor dem 3.Juni 1982 versuchten Widerruf ihres Geständnisses ohnehin (ersichtlich gemeint: aus ihrer Verantwortung in der Hauptverhandlung und aus dem Vorbringen des Verteidigers) bekannt seien, womit es - die Richtigkeit des unter Beweis gestellten Vorbringens unterstellend - deutlich genug zum Ausdruck brachte, daß auch ein früherer Widerruf des seinerzeitigen, jedenfalls noch am Tag ihrer Einlieferung in das gerichtliche Gefangenenhaus, nämlich am 22.April 1982, gegenüber dem Untersuchungsrichter in seiner Richtigkeit bestätigten Geständnisses letztlich nichts über dessen Richtigkeit (oder Unrichtigkeit) besagen würde.
Die Abweisung der Beweisanträge läuft somit weder auf eine vorgreifende Beweiswürdigung, noch auf eine sonstige Verletzung von Verteidigungsrechten der Angeklagten hinaus.
Offenbar unter dem Gesichtspunkt unzureichender Begründung (§ 281 Abs 1 Z. 5 StPO.) rügt die Beschwerdeführerin, daß die aus dem in der Faktura vom 16.März 1982
für Arbeitsleistung in Rechnung gestellten, relativ geringen Betrag (457,50 S) abgeleitete Schlußfolgerung des Schöffengerichts auf einen überhaupt bloß kurzen Aufenthalt des Personenkraftwagens in der Werkstätte E nicht gezogen werden könne. Im Hinblick darauf, daß die betreffende Rechnung der Firma E vom 16.März 1982, stammt, die Tatzeiten aber in den April 1982 fallen, sind aber Rückschlüsse auf die Verwendung des Fahrzeugs im April 1982 aus dieser Rechnung jedenfalls nicht möglich.
Die Beschwerdeführerin vermißt weiters eine vollständige Erörterung ihrer Verantwortung, sie sei vor der Sicherheitsbehörde insgesamt zwölf Stunden lang einvernommen worden. Das Gericht habe dabei nicht auf die Tatsache Rücksicht genommen, daß sie eine 'äußerst psychisch derangierte Person' sei, die zahlreichen Vernehmungen und einer neuntägigen Einzelhaft im Verwaltungsstrafverfahren ausgesetzt gewesen sei. Auch werde dem Umstand keine Beachtung geschenkt, daß die Angeklagte unmittelbar nach der Einvernahme durch den Journalrichter, bei dem sie ihr Geständnis vor der Polizei aufrechterhalten hatte, mehrfach vergeblich um eine neuerliche Vernehmung gebeten habe, um ihr Geständnis zu widerrufen. Auch ihrem Anwalt sei sie nicht vorgeführt worden und habe schließlich über die Leiterin des Gefangenenhauses (Oberleutnant F) um eine Einvernahme durch den zuständigen Richter ersucht. Zwischen den Aussagen der Polizeibeamten über die Dauer der Vernehmung bestehe insofern ein Widerspruch, als sie nach Inspektor G keine zwölf Stunden gedauert habe, während Inspektor H nur von vier Stunden 'lockerer Einvernahme' spreche. Entgegen den Feststellungen des Schöffengerichts (S. 230) habe die Angeklagte in ihrem Geständnis auch nicht von 'Nylon-', sondern von Leinensäckchen mit Heroin (S. 67 f.) gesprochen.
Ein formeller Begründungsmangel in der Bedeutung der Z. 5 des § 281 Abs 1 StPO. wird jedoch auch damit nicht aufgezeigt. Das Schöffengericht hat dem Widerruf des Geständnisses, welches die Angeklagte vor der Sicherheitsbehörde abgelegt hatte, mit der Begründung keine Bedeutung beigemessen, daß schon die Behauptung, dieses Geständnis sei durch die Polizei erpreßt worden, aus verschiedenen konkreten Gründen nicht glaubwürdig sei und daß es die Angeklagte sogar noch bei ihrer Vernehmung durch den Untersuchungsrichter (ON. 8) aufrechterhalten hatte, obgleich dort die von ihr behaupteten Pressionen nicht mehr wirksam sein konnten. Auf ihre Behauptung, sie habe das Geständnis schon bald nach ihrer Vernehmung durch den Untersuchungsrichter widerrufen wollen, hat es dabei - worauf schon bei der Erledigung der Verfahrensrüge hingewiesen wurde - ohnehin Bedacht genommen. Mit ihren Gegenargumenten ficht die Beschwerdeführerin nur nach Art und Zielsetzung einer Schuldberufung unzulässigerweise die erstinstanzliche Beweiswürdigung an. Von einem Widerspruch in den Aussagen der Polizeibeamten über die Dauer der Vernehmungen kann jedenfalls keine Rede sein und die Frage, ob das Heroin in Leinen- oder in Nylonsäckchen verpackt war, ist in jeder Hinsicht ohne Belang.
Worin der zitierte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO. liegen soll, ist den Rechtsmittelausführungen nicht zu entnehmen. Insoweit läßt daher die Beschwerde eine prozeßordnungsgemäße Darstellung vermissen. In Ausführung des Grunds nach § 281 Abs 1 Z. 9
lit b StPO. wendet die Beschwerdeführerin gegen den Schuldspruch zu 2 des Urteils ein, beim ihr vorgeworfenen Transport von Heroin aus Jugoslawien nach Italien handle es sich um eine Auslandstat einer Ausländerin, für welche die inländische Gerichtsbarkeit nur dann gegeben wäre, wenn der Täter nicht an den Tatortstaat ausgeliefert werden 'könne'.
Auch diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden, weil gemäß § 64 Abs 1 Z. 4 StGB. die inländische Gerichtsbarkeit (auch) unabhängig von einer Verletzung österreichischer Interessen (die durch die zu 2 erfaßte /Auslands- /
Tat allenfalls nicht unmittelbar berührt werden) schon dann Platz greift, wenn eine Auslieferung des (ausländischen) Täters aus welchem Grund immer, tatsächlich unterbleibt (LSK. 1982/24). Da eine Auslieferung der Angeklagten wegen des ihr zu 2 des Urteils zur Last liegenden Verhaltens von vornherein nicht in Betracht gezogen wurde, war demnach auch bezüglich dieser Auslandstat die inländische Gerichtsbarkeit gegeben.
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagte unter Anwendung des von einem Jahr bis zu zehn Jahren reichenden Strafsatzes des § 12 Abs 1 StPO. (S. 241) eine Freiheitsstrafe von vier Jahren, ferner gemäß § 12 Abs 4 SuchtgiftG. eine Geldstrafe von 258.000 S, für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit vier Monate Ersatzfreiheitsstrafe, und erklärte gemäß § 12 Abs 3 SuchtgiftG.
das Schmuggelfahrzeug (einen Personenkraftwagen der Marke Rover 3500) und einen Geldbetrag von 12.125 holländischen Gulden für verfallen.
Bei der Strafbemessung waren erschwerend die Tatwiederholung und die überaus großen Suchtgiftmengen, mildernd hingegen die Unbescholtenheit der Angeklagten und ihre 'untergeordnete Tatbeteiligung als Transporteur' des einen Kilogramms Heroin (2). Mit ihrer Berufung strebt die Angeklagte eine wesentliche Herabsetzung des Ausmaßes der 'Strafe' an, wobei sie durch Bezugnahme auf den 'ersten Strafrahmen' unmißverständlich nur die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe anficht.
Auch die Berufung schlägt nicht durch.
Zurecht wurde angesichts der mehrfachen Grenzüberschreitung mit dem Suchtgift die Tatwiederholung als erschwerend angenommen. Gleiches gilt für den großen Umfang der Drogenmenge. Mag auch die Angeklagte einen Teil derselben bei übernahme für Gold gehalten haben, was allerdings für die den Gegenstand des Schuldspruchs bildenden Fakten nicht festgestellt wurde (siehe S. 229); im Tatzeitpunkt war ihr, was allein entscheidungswesentlich und für die Strafbemessung bedeutsam ist, die wahre Natur der übernommenen Substanz bekannt. Von einem Handeln mit bloßem dolus eventualis oder gar von einer 'nicht vorsätzlich' begangenen Straftat kann daher auf Grund der erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen keine Rede sein. Eine teilweise untergeordnete Tatbeteiligung wurde der Angeklagten ohnedies, nämlich dort zugute gehalten, wo sie 'bloß als Transporteur' fungierte (2) und, hier der Sache nach mitunterstellt, daß sie unter dem Einfluß dritter Personen agiert hatte. Denn nur unter diesem Aspekt kann die Rolle des Transporteurs, die geradezu tatbildlich ist (§ 12 Abs 1 SuchtgiftG.: '... einführt, ausführt, in Verkehr setzt ...'), als mildernder Umstand aufgefaßt werden.
Das kann aber dort nicht gelten, wo der Angeklagten der Erlös aus dem Drogenverkauf zufloß (1). Schließlich unterliegt die Berufungswerberin insoweit einem Irrtum, als sie den von einem Jahr bis zehn Jahre reichenden Strafsatz des § 12 Abs 1 SuchtgiftG. nur für anwendbar hält, wenn der Täter die Tat als Mitglied einer Bande begangen hat und besonders erschwerende Umstände vorliegen. Schon erschwerende Umstände allein eröffnen vielmehr die - nach Lage des jeweiligen Falles zu beurteilende - Möglichkeit einer Strafbemessung auch innerhalb der zweiten Strafstufe des im § 12 Abs 1 SuchtgiftG. vorgesehenen Strafsatzes. Richtig ist, daß die Angeklagte immerhin ein Geständnis abgelegt hat, das ganz wesentlich zur Grundlage des Schuldspruchs wurde. Als Beitrag zur Wahrheitsfindung muß ihr dieses wenn auch später widerrufene Geständnis als mildernd angerechnet werden. Nicht zu übergehen aber ist, daß sie, wie das Schöffengericht zutreffend hervorhob (S. 238), mit internationalen Suchtgifthändlern in nahezu professioneller Manier zusammengearbeitet hat, wobei große Mengen einer besonders gefährlichen Droge involviert waren.
Sowohl spezial- wie auch generalpräventive Belange erfordern hier jene Freiheitsstrafe, die das Erstgericht verhängt hat.