13Os4/80 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Mai 1980 unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Horak, Dr. Friedrich und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Baumgartner als Schriftführers in der Strafsache gegen Marko A wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Wels als Schöffengerichts vom 17.Oktober 1979, GZ. 12 Vr 1361/78-109, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Kainz und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 3.März 1929 geborene Hilfsarbeiter Marko A der Vergehen der fahrlässigen Tötung nach dem § 80 StGB. (in Verbindung mit dem § 3 Abs. 2 StGB.) und der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und Abs. 4 (erster Fall) StGB. (in Verbindung mit dem § 3 Abs. 2 StGB.) schuldig erkannt, weil er am 30.Oktober 1978 in Gunskirchen dadurch, daß er in Überschreitung des gerechten (richtig: gerechtfertigten) Maßes der Verteidigung gegenüber dem ihm unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff des Uzeir B und des Camil B auf sein Leben, seine Gesundheit oder körperliche Unversehrtheit aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken dem Uzeir B einen Herzstich und einen Stich in die linke Achsel-Schultergegend versetzte sowie dem Camil B eine (etwa) drei cm lange Stichwunde an der Außenseite der linken Schulter, eine perforierende Stichwunde im Bereich des ersten Mittelfingerknochens von der Handfläche auf den Handrücken durchstechend mit einer Verletzung der Knochenrinde des ersten Mittelhandknochens und schließlich Schnittwunden an den Endgliedern des zweiten, dritten und vierten Fingers der rechten Hand beugeseitig zufügte, fahrlässig bei Uzeir B den Tod herbeigeführt und Camil B fahrlässig am Körper verletzt hat, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung zur Folge hatte.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Mit seiner Mängelrüge wendet er sich gegen die Feststellung, der erste Messerstich, den er dem Uzeir B versetzte, habe zu der tödlichen Verletzung (Herzstich) geführt und wirft dem Erstgericht in diesem Zusammenhang vor, es habe sich mit seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung nicht auseinandergesetzt, wonach er gegen den Genannten zunächst 'ein- oder zweimal', nachdem dieser einen Sessel gegen ihn erhoben habe noch ein 'drittes Mal' (Band II/Seite 31) zugestochen habe. Auch sei nach dem Gutachten des beigezogenen Sachverständigen Dr. H.K. D nicht zu klären, ob Uzeir B durch den ersten Messerstich oder aber durch jenen getötet wurde, den der Beschwerdeführer diesem versetzte, als er einen Sessel in Schulterhöhe gehoben hatte; es sei auch nicht geklärt worden, ob die Tiefe des tödlichen Stichs ausschließlich auf dessen Wucht oder aber darauf zurückzuführen sei, daß der Getötete eine Gegenbewegung durchführte.
Damit zeigt der Beschwerdeführer aber keinen Begründungsmangel i.S. der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. auf.
Die bekämpfte Feststellung gründet sich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. H.K. D, wonach der erste vom Angeklagten gegen Uzeir B geführte Messerstich sehr wahrscheinlich zu der tödlichen Verletzung des Genannten führte (Band I Seite 424) und nicht wahrscheinlich ist, daß der Angeklagte dem Uzeir B diese Verletzung erst zu dem Zeitpunkt zugefügt hat, als dieser dem Angeklagten mit einem erhobenen Sessel gegenüberstand. Wenn der Beschwerdeführer demgegenüber auf seine Verantwortung in der Hauptverhandlung und auch darauf verweist, daß das Sachverständigengutachten auch andere (für den Angeklagten günstigere) Schlußfolgerungen zulasse, bekämpft er lediglich (unzulässig) die erstrichterliche Beweiswürdigung. Die Mängelrüge versagt daher.
Mit seiner Rechtsrüge bestreitet der Beschwerdeführer zunächst, daß er das gerechtfertigte Maß der Verteidigung im Sinne des § 3 Abs. 2 StGB. überschritten habe, was insbesondere für die dem Camil B zugefügten Verletzungen gelte.
Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes (Band II/ S. 282 ff.) wurde der Angeklagte unmittelbar vor den gegen Uzeir B geführten tödlichen Messerstichen gleichzeitig von diesem von vorne und von Camil B von hinten angegriffen, wobei der ihm körperlich gleichwertige unbewaffnete Uzeir B die zu Fäusten geballten Hände in Brusthöhe hob, sodaß er in Angriffsstellung dastand, während der dem Angeklagten körperlich unterlegene (160 cm groß, Beingipsverband) und gleichfalls unbewaffnete Camil B ihm von hinten einen Schlag versetzte.
Nach Führung der Stiche gegen Uzeir B ging Camil B rechts am Angeklagten vorbei und schlug mit den Fäusten auf ihn ein; schließlich erfaßten er und Uzeir B je einen Sessel und erhoben ihn drohend gegen den Angeklagten. Während Uzeir B in der Folge den Sessel aber wieder sinken ließ und tot zusammenbrach, wehrte sich der Angeklagte gegen Camil B, indem er ihm die eingangs näher bezeichneten Stiche und Schnitte beibrachte, bis es Camil B gelang, dem Angeklagten das Messer zu entreissen und seinerseits damit schwere Verletzungen beizubringen.
Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hat das Erstgericht zutreffend erkannt (Band II/ S. 288 ff.), daß sich der Angeklagte unter diesen Umständen zwar in einer Notwehrsituation (§ 3 Abs. 1 StGB.) befand, seine an sich notwendige Verteidigung aber nicht mehr als maßhaltend angesehen werden kann. Denn ganz abgesehen von der vom Erstgericht nur am Rande erwähnten Möglichkeit, in der Nähe befindliche andere Personen zu Hilfe zu rufen (welche vom Beschwerdeführer bestritten wird, hier aber auch dahingestellt bleiben kann), ist dem Schöffengericht in seiner Ansicht beizupflichten, daß der Angeklagte den erst (unmittelbar) drohenden Angriff des unbewaffneten, ihm jedenfalls nicht überlegenen Uzeir B wie auch die gleichzeitige, zwar bereits gegenwärtige, aber von dem zufolge seiner kleinen Statur wie auch seiner Behinderung durch einen Beingips eindeutig unterlegenen Camil B geführte Attacke durch körperliche Gewaltanwendung allein, zumindest aber durch bloße Drohung mit dem gezückten Messer hätte abwehren können. Die Führung zweier Messerstiche gegen den Rumpf des Uzeir B, davon eines wuchtig gegen die Herzgegend gerichteten Stichs, stand daher im auffallenden Mißverhältnis zur Gefährlichkeit des abzuwehrenden Angriffs. Gleiches gilt aber auch für die gegen Camil B geführten Messerstiche.
Angesichts der bereits festgehaltenen klaren körperlichen Unterlegenheit desselben war die wiederholte Anwendung eines Messers gegen ihn zur Abwehr seiner Angriffe überhaupt nicht erforderlich. Daß die Verletzungszufügung zum Teil in jenem Stadium des Handgemenges geschah, als Camil B (verständlicherweise) versuchte, dem Beschwerdeführer das Messer zu entreissen, vermag an der Richtigkeit dieser Überlegung nichts zu ändern.
Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen hat das Erstgericht die dem Beschwerdeführer knapp vor der Tat zugekommene Warnung, sein Kopf würde 'heute noch kürzer werden', ebenso in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen (Band II/S. 291), wie die übrigen, der Tat vorangegangenen Vorfälle, welche dem Angeklagten Angst vor Uzeir und Camil B einflößten; alle diese Umstände ließen den Schöffensenat zu der Überzeugung gelangen, daß der Angeklagte das gerechtfertigte Maß der Verteidigung lediglich aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken (§ 3 Abs. 2 StGB.) überschritten habe und folglich hier ein Notwehrexzeß aus 'asthenischen' Affekten vorliege. Dies vermag aber nichts daran zu ändern, daß zum Zeitpunkt der Tat selbst keine konkreten Anzeichen für einen unmittelbar lebensbedrohenden Angriff - wie der Beschwerdeführer vermeint -
vorlagen und dies für ihn auch erkennbar war.
Wenn der Beschwerdeführer sich schließlich auf das Vorliegen sogenannter 'Putativnotwehr' (§ 8 StGB.) beruft und hiefür ins Treffen führt, er habe (gemeint ersichtlich: zum Zeitpunkt seiner Abwehrhandlungen gegen Uzeir B) nicht wahrgenommen, daß lediglich Camil B allein der hinter ihm stehende andere Angreifer war und auch in Erwägung gezogen, daß es sich hiebei um mehrere Personen handeln könnte, was die getätigten Abwehrhandlungen für ihn in vollem Ausmaß habe gerechtfertigt erscheinen lassen, so geht die Rüge dabei nicht von den erstrichterlichen Feststellungen aus, nach denen lediglich Uzeir und Camil B die Angreifer waren. Auch hat sich der Angeklagte nie auf einen solchen Tatsachenirrtum berufen; nach seiner Darstellung wurde er (nur) von den beiden Genannten angegriffen (Band II S. 31 und 37); erst später - als ihm Camil B bereits das Messer entwunden hatte - kamen noch Sefo E und Gazic F hinzu (Band II S. 33).
Auch die Rechtsrüge des Angeklagten bleibt sohin ohne Erfolg, sodaß seine zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach den §§ 28, 80 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten und zehn Tagen. Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen von zwei strafbaren Handlungen und die Vorstrafe des Angeklagten als erschwerend, als mildernd hingegen das Geständnis, den guten Leumund und den Umstand, daß der Angeklagte selbst schwer verletzt worden ist.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe und die bedingte Strafnachsicht an.
Auch die Berufung ist nicht berechtigt.
Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig erfaßt sowie auch zutreffend gewürdigt. Die verhängte Freiheitsstrafe trägt den im § 32
StGB. normierten allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung, vor allem aber dem beträchtlichen Unrechtsgehalt der Tat Rechnung, sodaß eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe nicht vertretbar wäre. Die bedingte Strafnachsicht nach dem § 43 Abs. 1
StGB. kann im Hinblick auf die schweren Folgen der Tat aus Erwägungen der Generalprävention nicht gewährt werden. Die Kostenentscheidung fußt auf § 390 a StPO.