9Os46/80 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hochleithner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gottlieb A und andere wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z. 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Gottlieb A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. Oktober 1979, GZ. 4 b Vr 2144/79-107, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Über die Berufung wird in einem mit gesonderter Verfügung anzuberaumenden Gerichtstag entschieden werden.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die (bisherigen) Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde unter anderen der am 27. November 1935 geborene beschäftigungslose Gottlieb A des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z. 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 StGB. schuldig erkannt, weil er - zusammen mit dem Mitangeklagten Robert B als Beteiliger - in Wien fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar am 28. Mai 1978 dem Rene C, zum Teil durch Aufbrechen von Spielautomaten, sohin von Behältnissen, etwa 12.000 S Bargeld sowie 3 Stangen Zigaretten und eine Aktentasche (Urteilsfaktum I 2 A) und im Sommer 1978 einem unbekannten Eigentümer eines PKWs einen Regenschirm, einen Kugelschreiber und Zigaretten (Urteilsfaktum I 2 B).
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Den Nichtigkeitsgrund der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO. geltend machend behauptet der Beschwerdeführer, es sei ihm entgegen der Beurkundung im Hauptverhandlungsprotokoll die Verantwortung des gemäß § 250 Abs 1 StPO in seiner Abwesenheit vernommenen Mitangeklagten Robert B nicht zur Kennntnis gebracht worden. Nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls wurde die abgesonderte Vernehmung der Angeklagten A und B während eines Teils der Hauptverhandlung beschlossen (Bd. II S. 161), der Angeklagte A vorübergehend aus dem Verhandlungssaal abgeführt und ihm nach seiner neuerlichen Vorführung die während seiner Abwesenheit dargelegte Verantwortung des Angeklagten B zur Kenntnis gebracht, worauf der Beschwerdeführer dazu erklärte, bei seinen Angaben zu bleiben (Bd. II S. 166). Ein Protokollberichtigungsantrag wurde weder vom Beschwerdeführer noch von seinem Verteidiger gestellt. Für den Obersten Gerichtshof gilt somit das Protokoll in der Fassung, in der es der Vorsitzende und der Schriftführer unterfertigten (Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2, § 271 StPO/46). Die allein in der Nichtigkeitsbeschwerde - über ausdrückliche Anweisung des Beschwerdeführers an seinen Verteidiger - aufgestellte Behauptung, die Bekundung im Hauptverhandlungsprotokoll über die Bekanntgabe der Verantwortung des Mitangeklagten entspreche nicht den Tatsachen, vermag schon angesichts der der nachfolgenden beurkundeten Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den Angaben des Mitangeklagten B Bedenken gegen das Protokoll nicht zu erwecken. Zusätzlich kann in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß der Beschwerdeführer bereits in einem früheren gegen ihn geführten Verfahren mit einer gleichartigen unzutreffenden Behauptung auftrat (vgl. ON 78 a in den Akten AZ 6 Vr 226/76 des Kreisgerichtes Steyr).
In weiterer Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO. behauptet der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 202 StPO., der darin gelegen sei, daß ein Gerichtsbeamter ihn anläßlich der Zustellung der Anklageschrift dazu überredet habe, seinen Antrag auf Trennung des Strafverfahrens von jenem gegen die Mitangeklagten zurückzuziehen und auf Einspruch gegen die Anklageschrift zu verzichten; der genannte Nichtigkeitsgrund sei auch dadurch verwirklicht, daß das Gericht dem vom Beschwerdeführer dem Untersuchungsrichter bekanntgegebenen Verdacht der Begehung weiterer strafbarer Handlungen durch Robert B nicht nachgegangen sei.
Der Beschwerde ist hiezu zu erwidern, daß in einer Veranlassung zur Rückziehung eines Antrages und zum Verzicht auf Einspruch gegen die Anklageschrift, selbst wenn sie vorgekommen wäre, kein Verstoß gegen § 202 StPO. gesehen werden könnte, da der Beschwerdeführer auch nach seinen Behauptungen niemals durch unzulässige Mittel zu einem Geständnis bewogen wurde. Im übrigen könnte eine Verletzung der Bestimmung des § 202 StPO. keine Nichtigkeit im Sinne der Z 3 des § 281 StPO. begründen, weil in der letztgenannten Gesetzesstelle jene Vorschriften, deren Verletzung diesen Nichtigkeitsgrund darstellen, erschöpfend aufgezählt sind (SSt 32/9 u. a.) und § 202 StPO. nicht zu ihnen gehört. Zur gerügten Unterlassung der Aufklärung weiterer vom Beschwerdeführer behaupteter strafbarer Handlungen des Mitangeklagten B ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, daß insoweit die Staatsanwaltschaft Wien am 14. August 1979 die Erklärung abgab, zur Verfolgung des Robert B hinsichtlich der vom Beschwerdeführer angezeigten Diebstahlsfakten werde kein Grund gefunden (Bd. I S. 3 d verso), nach welcher Erklärung vom Gericht das Verfahren in diesem Umfang einzustellen war.
Den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO. geltend machend behauptet die Beschwerde, im erstgerichtlichen Urteil lägen Aktenwidrigkeiten vor, es habe entscheidende Tatsachen mit Stillschweigen übergangen und für den Schuldspruch insgesamt nur offenbar unzureichende Gründe angegeben. In diesem Zusammenhang wird von der Beschwerde vorerst darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer das gewichtigere Urteilsfaktum I 2 A unumwunden gestanden habe und es nicht einzusehen wäre, weshalb er das geringfügigere Urteilsfaktum I 2 B wahrheitswidrig leugnen sollte. Mit dieser Argumentation bekämpft der Beschwerdeführer jedoch in Wahrheit - trotz einer gegenteiligen Erklärung - die erstgerichtliche Beweiswürdigung, da es keineswegs denkunmöglich und lebensfremd ist, daß ein Angeklagter die Täterschaft in einem Faktum zugesteht, in einem anderen Faktum aber leugnet. Im übrigen kann von einem 'unumwundenen' Geständnis auch im Urteilsfaktum I 2 A keine Rede sein, erfolgte doch das Geständnis des Beschwerdeführers erst nach Gegenüberstellung mit dem Mitangeklagten (Bd. I S. 143) und war er doch - auch noch in der Hauptverhandlung - bestrebt, bei Schilderung der Tatmodalitäten seinem Komplicen fälschlich den führenden Anteil an der Tat zuzuschreiben.
Einen Widerspruch zwischen der erstgerichtlichen Entscheidung und dem Akteninhalt sieht der Beschwerdeführer darin, daß das bekämpfte Urteil von gleichlautenden Angaben des Mitangeklagten B vor der Polizei und vor Gericht spricht, dieser jedoch nach seinen Angaben vor der Polizei zum Urteilsfaktum I 2 B deponiert habe, vor dem Beschwerdeführer gegangen zu sein, als dieser in einen im 19. Bezirk abgestellten PKW eindrang, während er in der Hauptverhandlung angegeben habe, er sei hinter dem Beschwerdeführer gewesen; auch seien die Angaben B insoweit nicht gleichlautend gewesen, als er vor der Polizei angegeben habe, er und der Beschwerdeführer hätten sich in den 19. Bezirk begeben, um dort Straftaten zu begehen, während er in der Hauptverhandlung behauptet habe, im 19. Bezirk sei nur ein Spaziergang beabsichtigt gewesen, er habe vor der Polizei sicher nichts über dort geplante Straftaten gesagt. Mit diesen Ausführungen übergeht die Beschwerde jedoch, daß das erstgerichtliche Urteil ohnedies geringfügige Widersprüche in den Angaben der Angeklagten - und damit auch in jenen des Angeklagten B - nicht übersah, diese vielmehr mit dessen Bestreben, sich in ein besseres Licht setzen zu wollen, erklärte und im übrigen als bloß irrelevante Abweichung in den Schilderungen der Tatmodalitäten ansah (Bd. II S. 192 d. A.). Ersichtlich wird damit auch auf die verhältnismäßig geringfügigen Abweichungen in den Angaben des Mitangeklagten B Bezug genommen: Hatte dieser bei seiner Vernehmung vor der Polizei (Bd. I S. 70 d. A.) und durch den Untersuchungsrichter (Bd. I S. 131 b verso d. A.) seinen eigenen Tatbeitrag zum Urteilsfaktum I 2 B beschänigend dem Sinne nach noch vorgebracht, er sei durch eine spontane Tatbegehung des hinter ihm gehenden Beschwerdeführers gewissermaßen überrascht worden, so hatte er in der Hauptverhandlung dann eingeräumt, für den vor ihm befindlichen Beschwerdeführer Aufpasserdienste geleistet zu haben (Bd. II S. 162/163 d. A.). Wenn die Beschwerde weiters moniert, daß hinsichtlich des Urteilsfaktums I 2 B keine Anzeige (des Geschädigten) vorliege, so ist dem entgegenzuhalten, daß dies keine Voraussetzung für ein verurteilendes Erkenntnis bildet und im übrigen der Versuch einer Beischaffung einer solchen Anzeige angesichts der den Umständen nach dürftig gebliebenen Angaben über Tatzeit und Tatort scheiterte (vgl. Bd. I S. 279).
Letztlich wird unter Anrufung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO - der Sache nach eine Nichtigkeit im Sinn der Z. 4 der genannten Gesetzesstelle geltend machend - gerügt, der Tatzeitpunkt des Urteilsfaktums I 2 B sei unter Außerachtlassung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigungen und angebotenen Beweismittel keiner Klärung zugefügt worden, in welchem Zusammenhang auf die Anträge ON 90 und 91 d. A.
verwiesen wird.
Die beiden genannten Eingaben des Beschwerdeführers (ON 90 und 91) erfolgten außerhalb der Hauptverhandlung. Sie wurden nicht zum Gegenstand von Beweisanträgen in der Hauptverhandlung gemacht. In dieser wurden vielmehr vor Schluß des Beweisverfahrens keine weiteren Beweisanträge gestellt (Bd. II S. 171). Allein unter der Voraussetzung, daß entsprechende Beweisanträge in der Hauptverhandlung gestellt worden wären, könnte sich der Beschwerdeführer durch eine unzureichende Beachtung 'vorgelegter Bestätigungen und angebotener Beweismittel' beschwert erachten. Aus den angeführten Erwägungen ergibt sich somit, daß die Nichtigkeitsbeschwerde als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war. Zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des Angeklagten wird ein Gerichtstag mit gesonderter Verfügung anberaumt werden. Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.