JudikaturOGH

11Os85/79 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 1979

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juli 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Ackerl als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmut A wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 Abs 1

StGB (§§ 127 Abs 1, 129 Z 1; 15, 269 Abs 1; 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4; 125; 134 Abs 2 StGB) und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 26. März 1979, GZ 1 a Vr 867/78-63, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Vehandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Mayrhofer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Punkt B des Urteilssatzes (fahrlässige Herbeiführung einer Feuersbrunst) sowie im Strafausspruch aufgehoben und insoweit gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Helmut A wird von der Anklage, er habe am 28. Jänner 1978 fahrlässig an einer fremden Sache, nämlich am Wohnhaus in Wien 14., Zennerstraße 10, eine Feuersbrunst verursacht und hiedurch das Vergehen der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach dem § 170 Abs 1 StGB begangen, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Helmut A wird für das ihm nach dem aufrecht bleibenden Schuldspruch zur Last liegende Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 Abs 1 StGB (Punkt A des Urteilssatzes) nach dieser Gesetzesstelle unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31 und 40 StGB auf das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien vom 18. September 1978, AZ 1 a Vr 586/78, und unter Anwendung des § 11 JGG. zu 6 1/2 (sechseinhalb) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 18.September 1960 geborene (zur Tatzeit noch jugendliche) beschäftigungslose Helmut A des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 Abs 1 (§§ 127 Abs 1, 129 Z 1; 134 Abs 2; 15, 269 Abs 1; 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4; 125) StGB (Punkt A) des Urteils) und des Vegehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach dem § 170 Abs 1 StGB (Punkt B) des Urteils) schuldig erkannt.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte lediglich im Schuldspruch wegen Vergehens nach dem § 170 Abs 1 StGB

mit einer nur auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der er geltend macht, es sei die Herbeiführung einer Feuersbrunst für ihn nicht vorhersehbar gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen stieß der Angeklagte am 28. Jänner 1978 in der Wohnung seiner Großmutter in Wien 14., Zennerstraße 10, eine mit Benzin gefüllte, nur mangelhaft verschlossene 1/2-Liter-Flasche, deren Abstellplatz ihm bekannt war, um, als er in erheblich alkoholisiertem Zustand aus einem Einbauschrank eine Flasche Orangendicksaft hervorholen wollte. Die Benzinflasche zerbrach und es bildete sich auf einem synthetischen Läufer über dem PVC-Bodenbelag eine Benzinpfütze. Da der Angeklagte in der einen Hand eine brennende Zigarette hielt, entzündeten sich die aufsteigenden Benzindämpfe. Obwohl der Angeklagte und der zunächst im Nebenzimmer befindliche Vater Walter B Löschversuche unternahmen, griff das Feuer von der Küche auf das Vorzimmer über. Die (sodann) entstandene Feuersbrunst konnte schließlich durch den Einsatz der Feuerwehr gelöscht werden.

Fahrlässiges Handeln im Sinne des § 6 Abs 1 StGB

setzt voraus, daß der Täter nach den Umständen des Einzelfalls zur Sorgfaltsübung verpflichtet ist, diese aber, die er nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen einzuhalten befähigt und deren Einhaltung ihm auch im konkreten Fall zumutbar ist, außer Acht läßt und nicht daran denkt, daß sein Handeln tatbildmäßiges Unrecht verwirklichen könnte (Foregger-Serini2, Anm. II zu § 6). Das Maß der einzuhaltenden Sorgfalt bestimmt sich in jenen Fällen, für die keine Verhaltensnormen bestehen, danach, ob das Verhalten des Täters objektiv gesehen einen Sorgfaltsverstoß darstellt, bzw. ob er sich einer Vorgangsweise bediente, wie sie von einem sich der Pflichten gegen die Umwelt bewußten Menschen üblicherweise verlangt werden kann (ZVR. 1972/124). Letzteres ist vorliegend zu bejahen. Dem Angeklagten, der, um die ihm zur Last gelegte Handlung vorzunehmen, keiner Ausbildung bedurfte und den auch nicht besondere Pflichten trafen, kann aus dem Umstand, daß er trotz des Gebrauchs einer brennenden Zigarette aus einem Schrank eine Flasche Orangendicksaft entnahm, obwohl er wußte, daß sich in diesem auch eine mit Benzin gefüllte Flasche befand, und der dabei die Benzinflasche umstieß, so daß diese aus dem Schrank fiel, wobei eine leicht entzündbare Benzinpfütze entstand, kein Vorwurf gemacht werden. Schon mangels objektiv sorgfaltswidrigen Verhaltens ist daher die Frage, ob der Angeklagte fahrlässig gehandelt und deshalb den Tatbestand des § 170 StGB verwirklicht hat, zu verneinen, weshalb der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben, das Urteil im angefochtenen Punkt aufzuheben und der Angeklagte vom Vorwurf der fahrlässigen Verursachung einer Brandstiftung freizusprechen war. Zugleich war auch der Strafausspruch aufzuheben und die Strafe demgemäß neu zu bemessen.

Bei dieser Neubemessung wurden als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen derselben und auch verschiedener Art im Rahmen des Vergehens nach dem § 287 Abs 1 StGB, die Vorverurteilungen wegen auf gleicher schädlicher Neigung beruhender Taten und der Rückfall innerhalb der Probezeit gewertet, als mildernd hingegen der abnorme Geisteszustand des Angeklagten, seine vernachlässigte Erziehung, die teilweise Schadensgutmachung beim Diebstahl, sowie, daß es beim Grunddelikt des Widerstandes gegen die Staatsgewalt beim Versuch geblieben ist. Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe entspricht die verhängte Zusatzfreiheitsstrafe dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schuld des Täters.

Auf Grund der Vorstrafen des Angeklagten kann nicht angenommen werden, daß die bloße Androhung der Vollziehung genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, sodaß ihm im vorliegenden Fall die Rechtswohltat der bedingten Strafnachsicht nicht gewährt werden konnte (§ 43 Abs 1 StGB).

Mit seiner durch die Strafneubemessung gegenstandslosen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Rückverweise