9Os13/78 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juni 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek und der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Friedrich und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maukner als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerhild A und andere wegen des Finanzvergehens nach § 33 Abs 1 lit. a (§ 13) FinStrG über die von den Angeklagten Gerhild A, Sieglinde A und Freya B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. Dezember 1976, GZ 6 c Vr 518/73-83, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Heiserer, Dr. Flendrovsky und Dr. Hoffmann und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik und der Ausführungen des Vertreters der Finanzstrafbehörde, Finanzoberkommissär Dr. Gerhard Kittler, zu Recht erkannt:
Spruch
Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
'Gerhild A, Sieglinde A und Freya B werden von der gegen sie
erhobenen Anklage, sie haben in Wien, teils im bewußten und
gewollten Zusammenwirken als Mittäter, durch Nichtverbuchung von
Umsätzen, Falschbuchungen, unrichtige Bilanzen und Abgabe
unrichtiger und unvollständiger Steuererklärungen, sohin durch
Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und
Wahrheitspflicht, 1.) Gerhild A, Sieglinde A und Freya B als
Abgabenpflichtige zu ihrem Vorteil und zum Vorteil der Geschwister A
OHG vorsätzlich Abgabenverkürzungen dadurch bewirkt, daß
bescheidmäßig festzusetzende Abgaben um nachgenannte Beträge
verkürzt festgesetzt wurden, und zwar a.) Gerhild A 1966 USt
............ S 70.292,--
GwSt............ S 85.067,--
ESt ............ S 60.399,--
S 215.758,--
1967 USt ............ S 77.272,--
GwSt............ S 91.456,--
ESt ............ S 66.162,--
S 234.890,--
b.) Sieglinde A 1965 USt ............ S 63.483,--
GwSt............ S 84.239,--
ESt ............ S 134.474,--
S 282.196,--
1966 USt ............ S 70.292,--
GwSt............ S 85.067,--
S 155.359,--
1967 USt ............ S 77.272,--
GwSt............ S 91.456,--
S 168.728,--
c.) Freya B 1965 USt ............ S 63.483,--
GwSt............ S 84.239,--
ESt ............ S 47.380,--
S 195.102,--
1966 USt ............ S 70.292,--
GwSt............ S 85.067,--
ESt ............ S 42.966,--
S 198.325,--
1967 USt ............ S 77.272,--
GwSt............ S 91.456,--
ESt ............ S 51.443,--
S 220.171,--, 2.) Gerhild A und Freyva B als
Abgabenpflichtige zu ihrem Vorteil und zum Vorteil der Geschwister A
OHG vorsätzlich zur wirklichen Ausübung des Finanzvergehens der
Abgabenhinterziehung führende Handlungen unternommen, wodurch
bescheidmäßig festzusetzende Abgaben für das Jahr 1968 um
nachangeführte Beträge verkürzt festgesetzt werden sollten, und zwar
a.) Gerhild A USt ............ S 100.126,--
ESt ............ S 78.347,--
S 178.473,--
b.) Freya B USt ............ S 100.126,--
ESt ............ S 57.071,--
S 157.197,--, wobei die Vollbringung der Übeltat nur wegen
Dazwischenkunft fremder Hindernisse, nämlich infolge der am 11.
April 1969 erstatteten Anzeige des Erhard C beim Finanzamt für den 6., 7. und 15. Bezirk und der hierauf durchgeführten finanzbehördlichen Erhebungen und Betriebsprüfung unterblieb, und hiedurch Gerhild A und Freya B zu 1.) und 2.): das Finanzvergehen der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 lit. a und 14 FinStrG (alte Fassung) sowie Sieglinde A zu 1.): das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 lit. a FinStrG begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.' Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die am 1. Jänner 1947 geborene Firmengesellschafterin Gerhild A, die am 13. Dezember 1938 geborene Geschäftsfrau Sieglinde A, geschiedene Pichler, und die am 21. Mai 1942 geborene Firmengesellschafterin Freya B des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 lit. a FinStrG, Gerhild A und Freya B überdies des Finanzvergehens der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33
Abs 1 und Abs 3 lit. a FinStrG schuldig erkannt.
Nach dem Inhalt dieses Schuldspruchs bewirkten die Angeklagten in
Wien, zum Teil in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken als
Mittäter, Gerhild A in den Jahren 1966 und 1967, Sieglinde A und
Freya B in den Jahren 1965 bis 1967, durch Nichtverbuchung von
Umsätzen, Falschbuchungen, unrichtige Bilanzen und Abgabe
unrichtiger und unvollständiger Steuererklärungen, sohin durch
Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und
Wahrheitspflicht vorsätzlich Abgabenverkürzungen, wodurch Abgaben,
die bescheidmäßig festzusetzen sind (Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und
Einkommensteuer; letztere bezüglich der Angeklagten Sieglinde A nur
für das Jahr 1965), um einen S 500.000,-- übersteigenden Betrag zu
niedrig festgesetzt wurden. Den Angeklagten Gerhild A und Freya B
wird ferner angelastet, sie hätten durch die geschilderten
Tathandlungen außerdem Abgabenverkürzungen an Umsatzsteuer und
Einkommensteuer für das Jahr 1968 zu bewirken versucht.
Hingegen wurde Gerhild A vom Anklagevorwurf, im bewußten und
gewollten Zusammenwirken mit den beiden Mitangeklagten und dem
abgesondert verfolgten - inzwischen verstorbenen (Bd. II S. 423) -
Wilhelm A als Mittäterin Abgabenverkürzungen auch für das Jahr 1965
bewirkt zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO (rechtskräftig)
freigesprochen.
Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten mit getrennt ausgeführten
Nichtigkeitsbeschwerden, in denen die Nichtigkeitsgründe des § 281
Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit. b StPO, von Gerhild A und Freya B überdies
jene der Z 9 lit. a, 9 lit. c und 10 der zitierten Gesetzesstelle
angerufen werden.
Rechtliche Beurteilung
Den Beschwerden kommt Berechtigung zu. Im Ergebnis zutreffend machen die Beschwerdeführer nämlich geltend, daß die Strafbarkeit der ihnen angelasteten Finanzvergehen durch Verjährung erloschen sei. Nach den zur Zeit der Begehung der Straftaten in Geltung gestandenen und gemäß Art. VII § 2 Abs 1 FinStrGNov.
1975 auf dieses Verfahren anzuwendenden Vorschriften des § 55 FinStrG alte Fassung beträgt die Verfolgungsverjährungsfrist für Finanzvergehen fünf Jahre (Abs 2); diese wird durch Verfolgungshandlungen unterbrochen (Abs 1). Die durch eine Verfolgungshandlung bereits unterbrochen gewesene Verfolgungsverjährung beginnt mit Ende des Jahres neu zu laufen, in dem die Unterbrechung eingetreten ist (Abs 7) und wird nur durch die mündliche Verkündung der Entscheidung erster Instanz unterbrochen (Abs 5). Verjährung tritt nach diesen Bestimmungen sohin ein, wenn zwischen dem der ersten Verfolgungshandlung folgenden Jahresende und dem Zeitpunkt der Urteilsfällung in erster Instanz fünf Jahre verstrichen sind.
Im vorliegenden Fall war daher mit Rücksicht auf die erst am 10. Dezember 1976 erfolgte Urteilsfällung zu prüfen, wann die erste, die Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung gegen die Angeklagten gesetzt wurde. Nach § 55 Abs 4 FinStrG alte Fassung ist darunter jede aktenkundig gemachte Amtshandlung eines Gerichtes, einer Finanzstrafbehörde oder eines im § 89 Abs 2
FinStrG genannten Organes zu verstehen, wenn sie sich gegen eine bestimmte Person als den eines Finanzvergehens Verdächtigten, als Beschuldigten oder Angeklagten richtet, worunter u.a. auch Prüfungsmaßnahmen nach § 99 Abs 2
FinStrG fallen.
Nach den dem Urteil zugrundegelegten Verfahrensergebnissen teilte Erhard C, der damalige Ehemann der Angeklagten Sieglinde A, mittels einer als Selbstanzeige bezeichneten Eingabe vom 10. April 1969 dem Finanzamt für den 6., 7. und 15. Bezirk (dortselbst eingelangt am 11. April 1969) mit, daß er Einkommensteuererklärungen der Jahre 1966 und 1967 für sich und seine Gattin berichtigen wolle und daß die Umsätze und Gewinne der Jahre 1966
und 1967, sowie der Umsatz des Jahres 1968 wesentlich höher gewesen seien, als die bisher veranlagten bzw. erklärten. Diese von Erhard C im eigenen Namen und namens seiner Gattin eingebrachte Eingabe ergänzte letztere am 21. April 1969 dahin, daß die Selbstanzeige auch für den Zeitraum vom 1. Jänner 1965 bis 3. März 1966 gelte (vgl. Band I, S. 7 f, 351 d. A). Aus Anlaß und unter Berücksichtigung dieser Selbstanzeige wurde am 25. April 1969 vom Finanzamt für den 6., 7. und 15. Bezirk eine Betriebsprüfung des Unternehmens 'Geschwister A OHG, Blumenhandel' betreffend die Jahre 1965 bis 1968 (unter Wiederaufnahme des Bemessungsverfahrens in bezug auf die Jahre 1965 bis 1967, für die zu diesem Zeitpunkt rechtskräftige Abgabenfestsetzungen bereits vorlagen) angeordnet (vgl. Band I, S. 8, 347, 351, Band II, S. 181).
Mit Schreiben vom 19. Juni 1974 teilte das Finanzamt für den 6., 7. und 15. Bezirk über gerichtliche Anfrage mit, daß seiner Meinung nach die am 12. Mai 1969 begonnene Betriebsprüfung die für die Frage der Verjährung entscheidende Verfolgungshandlung im Sinne des § 55 Abs 4 FinStrG darstelle (vgl. Band I, S. 309 d. A). Demgegenüber vertraten die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland und das Finanzamt für den 6., 7. und 15. Bezirk in ihren Schreiben vom 24. März 1975 und 11. April 1975
die Auffassung, daß - wie aus dem Prüfungsauftrag eindeutig ersichtlich - die Betriebsprüfung nicht gemäß § 99 Abs 2 FinStrG angeordnet bzw. durchgeführt, sondern lediglich auf Grund der Selbstanzeige des Erhard C und der Sieglinde C (nunmehr wieder A) im Turnus vorgezogen worden sei und daher keine Verfolgungshandlung im Sinne des § 55 Abs 4 FinStrG darstelle. Eine Unterbrechung der Verfolgungsverjährung sei erstmals durch die Vernehmungen der Angeklagten (sowie des Wilhelm A und des Erhard C) im April und Mai 1972 erfolgt (vgl. Band I, S. 345 ff, 375 f d. A). Die letztgenannte Ansicht der Finanzbehörde findet indes im Gesetz keine Deckung. Die 'Vorziehung der Betriebsprüfung im Turnus', welche faktisch die Anordnung einer solchen bedeutet, fand ihren Grund jedenfalls in einer Selbstanzeige, derzufolge die Gesellschafterinnen der 'Geschwister A OHG, Blumenhandel', also die Angeklagten Gerhild A, Sieglinde A und Freya B, des Finanzvergehens nach § 33 Abs 1 lit. a FinStrG verdächtig waren. Es liegt also materiell eindeutig eine Prüfung im Sinne des § 99 Abs 2 FinStrG durch das zuständige Finanzamt vor, welches sie gemäß §§ 80, 82 FinStrG als Finanzstrafbehörde erster Instanz vorzunehmen hatte. Diese Prüfungsmaßnahme bildete eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 55 Abs 4 FinStrG. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß diese Betriebsprüfung, wie die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland und das Finanzamt für den 6., 7. und 15. Bezirk in ihren Schreiben vom 24. März 1975 und 11. April 1975 meinen, 'nicht gemäß § 99 Abs 2 FinStrG angeordnet worden war', worunter nach Lage des Falles nur das formale Unterbleiben einer ausdrücklichen Bezugnahme auf die angeführte Gesetzesstelle verstanden werden kann. Letztere ist aber kein gesetzliches Erfordernis für die Bejahung eines Verfolgungsaktes gemäß § 55 Abs 4 FinStrG (alte Fassung). Hienach genügt zur Annahme eines solchen, wie bereits dargelegt, eine aktenkundig gemachte Amtshandlung u. a. einer Finanzstrafbehörde (oder eines in § 89 Abs 2 FinStrG genannten Organes), die sich gegen bestimmte Personen als eines Finanzvergehens Verdächtigte (Beschuldigte oder Angeklagte) richtet, und wird in bezug auf die (in der beispielsweisen Aufzählung ausdrücklich als Verfolgungshandlung genannten) Prüfungsmaßnahmen nach § 99 Abs 2
FinStrG lediglich gefordert, daß sie im Sinne der letzteren Gesetzesstelle der Klärung eines Sachverhaltes dienen, der den Tatbestand eines Finanzvergehens zu verwirklichen geeignet ist. Diesen Voraussetzungen ist vorliegend jedoch voll entsprochen. Aus all dem folgt, daß die Verfolgungsverjährung in Ansehung der Angeklagten am 12. Mai 1969 (im Zeitpunkt des Beginnes der Betriebsprüfung) unterbrochen wurde, mit Ende des Jahres 1969 neu zu laufen begann und mit Ende des Jahres 1974, sohin schon (weit) vor der Urteilsfällung in erster Instanz abgelaufen war, sodaß die Strafbarkeit des den Angeklagten angelasteten Finanzvergehens durch Verjährung erloschen ist.
Da das Urteil demnach in den Schuldsprüchen sämtlicher Angeklagten mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit. b StPO behaftet ist, war - ohne daß es eines Eingehens auf die außerdem noch geltend gemachten Nichtigkeitsgründe bedurfte - in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten spruchgemäß zu erkennen.