13Os83/79 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Lackner als Schriftführers in der Strafsache gegen Hannes A wegen des Verbrechens der Notzucht nach dem § 201 Abs 1 StGB
und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 13.März 1979, GZ 3 c Vr 9.272/78-32, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Mit gesonderter Verfügung wird ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft angeordnet werden.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes wurde der Angeklagte Hannes A I. des Verbrechens der Notzucht nach dem § 201 Abs 1 StGB und II. des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 1.November 1978 in Wien I. die Maria B mit Gewalt gegen ihre Person, nämlich durch Drücken, Zuhalten des Mundes und Versetzen mehrerer Faustschläge in das Gesicht sowie die Ankündigung, er werde sie umbringen, wenn sie weiter schreie, mithin durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben widerstandsunfähig machte und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf mißbrauchte, II. eine fremde bewegliche Sache in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert, nämlich einen Bargeldbetrag von mindestens 250 S, der Maria B mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern. Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit den Rechtsmitteln der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, die Staatsanwaltschaft lediglich mit Berufung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten stützt sich ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO
In Ausführung der Verfahrensrüge des § 281 Abs 1 Z 4 StPO wendet sich die Beschwerde gegen die Ablehnung des von der Verteidigung in der Hauptverhandlung vom 13.März 1979 gestellten Beweisantrages auf zeugenschaftliche Einvernahme des Journalrichters OLGR Dr. Edwin D zum Beweis dafür, daß der Angeklagte von ihm befragt wurde, ob er das vorliegende Geständnis ablegte und ob es zur Bejahung dieser Frage kam, weiters zum Beweis dafür, daß das Geständnis mit dem Angeklagten nicht durchbesprochen wurde und die im Protokoll aufscheinende Fassung ('Ich halte meine Angaben vor der Polizei aufrecht') vom Journalrichter stammt, was die Möglichkeit eröffnet, daß zwischen dem Journalrichter und dem Angeklagten ein Mißverständnis über die Ablegung bzw. Aufrechterhaltung dieses Geständnisses auftrat.
Zur Begründung des diesen Antrag ablehnenden Zwischenerkenntnisses wurde laut Hauptverhandlungs-Protokoll ausgeführt, es sei der Sachverhalt genügend geklärt und es stehe das Beweisthema teilweise im Widerspruch zur Verantwortung des Angeklagten, der nie behauptet habe, es sei schon vor dem Journalrichter zum Widerruf seines (polizeilichen) Geständnisses gekommen. Außerdem bleibe es für die Wahrheitsfindung bedeutungslos, ob die Formulierung über die Aufrechterhaltung des Geständnisses vom Journalrichter herrühre. In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wurde zu dem in Rede stehenden Zwischenerkenntnis nachgetragen, es sei jedem Vorgeführten stets möglich, ein Geständnis in Kürze zu widerrufen, selbst dann, wenn für eine detaillierte Vernehmung im Zuge des Journaldienstes erfahrungsgemäß keine Zeit zur Verfügung stehe.
Rechtliche Beurteilung
Die Verfahrensrüge versagt.
Den Erwägungen des Erstgerichtes ist im wesentlichen beizupflichten:
Der Oberste Gerichtshof vertritt nach Prüfung der Akten die Auffassung, daß die begehrte Einvernahme des Cates Dr. D vorliegend keine weitere Aufklärung über erhebliche Tatsachen erwarten ließ, wie dies die hier sinngemäß heranzuziehende Norm des § 254 Abs 1 StPO verlangt. Der Angeklagte hatte im Zuge seiner polizeilichen Einvernahme am 10.November 1978 ein umfassendes Geständnis abgelegt (S. 41 ff. d.A.); am 12.November 1978 dem zuständigen Journalrichter vorgeführt, gab er zu Protokoll: 'Ich halte meine Angaben vor der Polizei vom 10.November 1978 aufrecht ...' (S. 63 f. d.A.). Ein Widerruf des polizeilichen Geständnisses wurde damals nicht protokolliert und vom Angeklagten, wie das Erstgericht zutreffend herausstellte, auch gar nicht behauptet. Unter diesen Umständen bedurfte es keineswegs der Einvernahme des Journalrichters, zumal es in der Beschwerdeschrift heißt, der Angeklagte hätte damals nur infolge Schüchternheit nicht die Wahrheit angegeben (S. 315 d.A.), ein Umstand, der die Richtigkeit der gerichtlichen Protokollierung vom 12.November 1978 gar nicht in Frage stellt.
Zusammenfassend durfte daher das Erstgericht den besagten Beweisantrag der Verteidigung ohne Schmälerung der Verteidigungsrechte des Angeklagten - zutreffend -
abweisen; der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO haftet dem Ersturteil im behaupteten Umfang nicht an. Aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO
macht der Angeklagte dem Ersturteil der Sache nach unvollständige und aktenwidrige Begründung zum Vorwurf.
Die Mängelrüge ist nach keiner Richtung hin im Recht. Zu Unrecht wendet der Beschwerdeführer ein, daß die Urteilsbegründung schon deshalb unvollständig geblieben sei, weil das Erstgericht verschiedene Widersprüche in der Aussage der Zeugin Maria B unberücksichtigt gelassen habe. Nach den tatsächlichen Urteilsfeststellungen hielt das Schöffengericht die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung auf Grund einer Reihe von Beweisumständen für eindeutig widerlegt. Dabei ging es im gegebenen Zusammenhang besonders ausführlich und sehr sorgfältig auf den Inhalt der Aussage der (im Jahr 1903 geborenen) Zeugin Maria B ein und nahm auch auf gewisse Unklarheiten Bezug, wobei es ersichtlich zur Auffassung gelangte, daß diese in den Kreis seiner Überlegungen einbezogenen und als nicht ausschlaggebend gewerteten Differenzen den Umständen nach erklärbar erscheinen und nichts daran ändern, daß die den Nichtigkeitswerber in der Hauptsache belastenden - und den Urteilsannahmen (mit-) zugrundegelegten - Angaben der greisen Zeugin im Kern als glaubhaft erachtet wurden. Es kann aber - entgegen dem Beschwerdevorbringen - auch keine Rede davon sein, daß sich das Erstgericht stillschweigend über die Aussage der Mutter des Angeklagten, der Zeugin Hedwig E, oder das Gutachten des beigezogenen gerichtspsychiatrischen Sachverständigen hinwegsetzte. Vielmehr fanden auch diese Beweismittel in die Urteilsgründe hinlänglich Eingang, wie insbesondere die Seiten 10 und 15 der Urteilsurschrift zeigen. Die sinngemäße Beschwerdeeinrede, daß das Urteil sich nicht mit allen in der Mängelrüge weitwendig und detailliert präzisierten Argumenten und zugunsten des Nichtigkeitswerbers auslegbaren Abweichungen befaßte und die Aussagen der in Rede stehenden Zeugen in der Begründung des bekämpften Schuldspruchs nicht in sämtlichen Einzelheiten besprach, bringt noch keinen formalen Begründungsmangel zur Darstellung: Nach der in der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO zitierten Bestimmung des § 270 Abs 2 Z 5 StPO ist es keineswegs notwendig, in den Urteilsgründen zu jedem Vorbringen Stellung zu nehmen und alle im Beweisverfahren hervorgekommenen Umstände eingehend bis ins Letzte zu erörtern;
es genügt vielmehr, wenn der erkennende Gerichtshof - in den Entscheidungsgründen seines Urteils - in gedrängter Kürze und unter Vermeidung jedweder überflüssigen Weitwendigkeit jene entscheidenden Umstände bezeichnet, die er als erwiesen annimmt, und - der Vorschrift des § 281 Abs 1 Z 5 StPO entsprechend - jene Gründe benennt, die ihn von der Richtikgeit dieser Annahme überzeugen. Daß das Schöffengericht im gegebenen Fall dieser strafprozessualen Verpflichtung nicht nachgekommen sei, vermag die Beschwerde - zusammengefaßt - nicht darzutun.
Schließlich trifft auch der Einwand nicht zu, daß das Erstgericht die Aussage des gleichfalls in der Hauptverhandlung einvernommenen Zeugen Gottfried F aktenwidrig zitiert habe, wenn es auf Seite 9 der Urteilsurschrift sinngemäß heißt, der Angeklagte hätte offenbar nach seiner Vernehmung durch den Journalrichter mit seinem Zellengenossen (F) rege Gespräche geführt, denn dieser Zeuge sagte in der Hauptverhandlung - laut Hauptverhandlungsprotokoll - u.a. aus, daß er vermutlich mit dem Angeklagten A (tatsächlich erst) nach Vernehmung durch den Journalrichter sprach, er könne sich aber nicht mehr genau daran entsinnen (S. 262 d.A.).
In Wahrheit richtet sich die Mängelrüge nach Inhalt und Zielsetzung in erster Linie gegen die im Nichtigkeitsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof jeder Anfechtung entrückte freie schöffengerichtliche Beweiswürdigung, indem sie die Beweiskraft und den Beweiswert des Beweismaterials erörtert, die vom Schöffengericht als widerlegt erachtete leugnende Verantwortung des beschwerdeführenden Angeklagten - dem Sinn nach - als richtig hinzustellen sucht und die in erster Instanz in den hauptsächlichen Punkten überzeugend befundene Tatschilderung der Tatzeugin B in Zweifel zieht, ohne dem Urteil anhaftende Begründungsmängel formaler Natur im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1
StPO nachzuweisen.
Auch der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO
liegt darum im geltend gemachten Umfang nicht vor.
Aus diesen Erwägungen war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Hannes A teils als offenbar unbegründet gemäß dem § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach dem § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit dem § 285 a Z 2 StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Gemäß dem § 296 Abs 3 StPO wird über die Berufungen des Angeklagten Hannes A und der Staatsanwaltschaft ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung anberaumt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.