1Ob744/77 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Schragel, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Heinrich Foglar-Deinhardstein und Dr. Harald Foglar-Deinhardstein, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ing. B*, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Rechtsanwalt in Wien, wegen US$ 23.586,18 samt Anhang (Streitwert S 424.550,–), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 20. Oktober 1977, GZ 1 R 182/77 53, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 25. Mai 1977, GZ 19 Cg 185/74 47, unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes aufgehoben wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Rekurswerber hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin vereinbarte mit dem Beklagten, daß dieser 1.000 Magnetventile liefere, und zwar 440 Stück bis 10. November 1973, den Rest bis 10. April 1974.
Die Klägerin begehrt den Betrag von US-Dollar 23.586,18 umgerechnet zum Devisenkurs der Wiener Börse (Ware) New York am Zahlungstag und brachte vor, sie habe mangels Lieferung am 10. April 1974 mit Schreiben vom 12. April 1974 unter Setzung einer Nachfrist bis 6. Mai 1974 den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Der Beklagte habe innerhalb der Nachfrist nicht geliefert, er sei dazu gar nicht in der Lage gewesen und habe eine Lieferung auch verweigert. Die Klägerin sei daher genötigt gewesen, einen Ersatzkauf vorzunehmen, wodurch ihr Mehrkosten in der Höhe von insgesamt US-Dollar 23.586,18 erwachsen seien.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Begehrens und wendete im wesentlichen ein, daß die Klägerin nach der getroffenen Vereinbarung erst bei einem Lieferverzug im Ausmaß von 3 Monaten das Recht hatte, den Auftrag zu stornieren. Ein Vertreter der Klägerin habe ihm erklärt, daß er bei der vereinbarten Nachfrist von drei Monaten sehr wohl dieser Verpflichtung nachkommen könne und nur das vereinbarte Pönale riskiere. Auf Grund dessen habe er den Vertrag dahin ausgelegt, daß das vereinbarte Pönale die obere Schadensbegrenzung darstelle. Durch die Setzung der Nachfrist bis 6. Mai 1974 habe die Klägerin die im Vertrag vereinbarte dreimonatige Frist nicht eingehalten. Bei einem Gespräch am 6. Mai 1974 habe er erklärt, in ca. einem Monat liefern zu können, die Klägerin habe aber auf der Stornierung des Vertrages bestanden, obwohl er, Beklagter, darauf hingewiesen habe, daß er die weitere Produktion einstellen müsse, falls ihm die Abnahme nicht zugesichert werde. Er sei daher aus dem Verschulden der Klägerin an der Lieferung innerhalb der vereinbarten dreimonatigen Nachfrist gehindert worden. Im übrigen sei die Verzögerung des Liefertermines 10. April 1974 nur dadurch eingetreten, daß sein Werkmeister durch einen Unfall im Jänner 1974 mehrere Monate lang ausgefallen sei. Es treffe ihn daher kein Verschulden. Ein Ersatzkauf sei im Hinblick auf seine Bereitschaft zur Lieferung binnen einem Monat nicht notwendig gewesen. Bei der Vornahme des Deckungskaufes habe die Klägerin gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, sie habe andere und höherwertige Ventile erworben, als die bei ihm bestellten.
Einredeweise machte der Beklagte eine Gegenforderung in der Höhe von S 60.000,– geltend, weil er durch die vertragswidrige vorzeitige Stornierung einen Schaden in dieser Höhe erlitten habe.
Das Erstgericht erkannte mit dem angefochtenen Urteil, daß die Klagsforderung mit US-Dollar 23.568,18 samt Zinsen zu Recht, die Gegenforderung jedoch nicht zu Recht bestehe und der Beklagte daher schuldig sei, der Klägerin den vorgenannten Betrag (Schilling-Gegenwert) samt Zinsen und Kosten zu bezahlen.
Das Erstgericht traf im wesentlichen folgende Sachverhaltsfeststellungen:
Im Auftragsschreiben der Klägerin vom 28. Juni 1973 Beilage ./2 war die Lieferung bestimmter, im Anhang des Kontraktes spezifizierter Waren im Gesamtwert von 18.600,– US-Dollar vorgesehen. Je 200 Stück der Positionen 1 und 2 der technischen Spezifikation sollten am 10. November 1973, der Rest der Bestellung am 10. April 1974 geliefert werden. Für den Fall der Nichteinhaltung der Lieferfristen wurde ein zeitlich gestaffeltes, in Prozentsätzen des Gesamtwertes festgelegtes Pönale vereinbart. Wenn sich die Verzögerung der Lieferung über einen Zeitraum von 3 Monaten hinziehe, habe der Käufer das Recht, den Auftrag zu stornieren, wobei die Pönaleforderung aufrecht bleibe (Punkt VIII der Beilage ./2). Diese Vertragsbestimmung entsprach einer gleichlautenden Bestimmung des Vertrages zwischen der Klägerin und ihrem russischen Abnehmer, wurde aber mit dem Beklagten nicht näher erörtert. Eine Zusage an den Beklagten, bei einer Überschreitung des Liefertermines bis zu drei Monaten nur das Pönale zahlen zu müssen, ist nicht feststellbar.
Am 14. August 1973 bestätigte der Beklagte die Bestellung von 400 Magnetventilen zum Preis von 16,40 US Dollar und 600 Ventilen zum Preis von 20,- US Dollar pro Stück. Die Lieferzeiten waren in diesem Bestätigungsschreiben für je 200 Stück der Positionen 1 und 2 mit Ende November 1973, für den Rest der Bestellung mit 10. April 1974 angegeben. Der Vertrag wurde später hinsichtlich der technischen Ausführung eines Teiles der Ventile abgeändert.
200 Stück Ventile wurden am 19. Dezember 1973, weitere 200 Stück am 24. Jänner 1974 ausgeliefert. Der Beklagte wurde wiederholt darauf verwiesen, daß die genaue Einhaltung der Liefertermine notwendig sei, zumal die Klägerin Bedenken wegen der Einhaltung des Liefertermines 10. April 1974 hegte. Ein Angestellter der Klägerin, der wiederholt im Betrieb des Beklagten war, stellte fest, daß vom Jänner 1974 bis Anfang April 1974 200 Ventilunterteile im Betrieb unbearbeitet lagerten. Der Beklagte behauptete stets, rechtzeitig liefern zu können.
Mit dem Schreiben vom 12. April 1974, Beilage ./3 setzte die Klägerin unter Hinweis auf die Nichteinhaltung des am 10. April 1974 vereinbarten Liefertermines dem Beklagten eine Nachfrist bis zum 6. Mai 1974 und erklärte, für den Fall der Nichtlieferung bis zu diesem Termin, die Kaufvereinbarung als aufgelöst zu betrachten. Sie erklärte weiters, sich die durch die schuldhafte Nichterfüllung entstehenden Schadenersatzansprüche vorzubehalten. Im Antwortschreiben vom 17. April 1974, Beilage ./4 verwies der Beklagte darauf, daß er ein dreimonatiges „Respiro“ habe und innerhalb dieser Frist liefern werde. Am letzten Tag der Nachfrist erkundigten, sich Angestellte der Klägerin beim Beklagten nach dem Stande der Angelegenheit. Der Beklagte antwortete hierauf, er habe den Auftrag auf Grund des Schreibens vom 12. April als storniert betrachtet. Er vertrat allerdings den Standpunkt, die Klägerin sei zur Vornahme eines Deckungskaufes nicht berechtigt. Die Klägerin kaufte am 24. Juni 1974 von der Firma S* Co. 600 Magnetventile zum Preis von DM 94.128,–. Diese Ventile wurden am 26. Juli 1974 geliefert. Der Preis des Deckungskaufes war den damaligen Verhältnissen angemessen, ein billigerer Einkauf wäre wegen der erforderlichen kurzen Lieferfristen kaum möglich gewesen.
Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Klägerin sei wegen des Verzuges des Beklagten, gemäß § 918 ABGB berechtigt gewesen, unter Nachfristsetzung vom Vertrag zurückzutreten. Im Vertrag sei dem Beklagten ein dreimonatiges Respiro nicht eingeräumt worden. Der Beklagte habe auch der Auflösungserklärung der Klägerin selbst zugestimmt und keinen Versuch unternommen, den Vertrag nachträglich zu erfüllen. Es wäre auch Sache des Beklagten gewesen, zu beweisen, daß ihn kein Verschulden an der Nichterfüllung treffe. Der behauptete unfallsbedingte Ausfall seines Werkmeisters könne ein solches Verschulden nicht ausschließen, weil jeder Unternehmer in einem solchen Fall für eine Ersatzkraft sorgen müsse. Daher sei die Klägerin berechtigt, den Ersatz des durch die teilweise Nichterfüllung erlittenen Schadens zu verlangen. Dieser bestehe in der Differenz zwischen dem mit dem Beklagten vereinbarten Preis und den Kosten des Deckungskaufes. An der Geltendmachung dieses Schadens sei die Klägerin auch durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe nicht gehindert (Art 8 Nr 3 der 4. EVzHGB). Der mit dem Beklagten vereinbarte Kaufpreis der nichtgelieferten Ventile betrage 11.300,– US-Dollar, die Differenz zum Dollar-Preis des Ersatzkaufes (36.898,18) liege daher über dem Klagsbetrag. Im Hinblick auf den berechtigten Rücktritt sei die Gegenforderung des Beklagten nicht begründet.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung Folge, hob es unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf und verwies die Sache zur Ergänzung der Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der Beklagte habe, so führte das Berufungsgericht aus, behauptet, daß die von der Klägerin im Rahmen des Deckungskaufes erworbenen Ventile qualitativ höherwertig gewesen seien, als die seinerzeit bei ihm bestellten. Hiezu habe der Erstrichter keine Feststellungen getroffen. Die Klägerin könne aber als Schadenersatz nur die Differenz begehren, die sich daraus ergebe, daß sie gleichwertige Waren angekauft habe. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren ergänzende Feststellungen in der Richtung zu treffen haben, ob es sich bei der im Rahmen des Deckungsgeschäfts angeschafften Ventile um gleichwertige Waren gehandelt habe.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich der Rekurs der klagenden Partei, dem Berechtigung nicht zukommt.
Der Rekurswerber räumt zunächst ein, daß der Erstrichter eine ausdrückliche Feststellung, ob es sich bei den angeschafften Ventilen um gleichartige Ventile gehandelt habe, nicht getroffen hat, meint aber, daß sich dies ohnehin aus der Feststellung ergebe, daß die Preise des Deckungskaufes angemessen gewesen seien. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. MGA-ZPO 13 § 519/3/10) kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, einem Auftrag des Berufungsgerichtes zur Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage dann nicht entgegentreten, wenn dieser Erhebungsauftrag auf einer richtigen rechtlichen Beurteilung der Sache beruht. Nun erachtete das Berufungsgericht die Sachverhaltsfrage, ob die klagende Partei gleichartige Ventile zum Gegenstand des Deckungskaufes gemacht hat, noch nicht als hinreichend erklärt. Diese Frage ist aber bei richtiger rechtlicher Beurteilung der Sache auch entscheidungswesentlich.
Nach § 921 Satz 1 ABGB läßt der Rücktritt vom Vertrag den Anspruch auf Ersatz des durch die verschuldete Nichterfüllung verursachten Schadens unberührt. Der Schuldner muß – Verschulden vorausgesetzt –, das positive Vertragsinteresse leisten. Im Hinblick auf die Beseitigung des Vertragsverhältnisses kommt die Schadensberechnung nur in Form des Differenzanspruches in Betracht. Dieser Differenzanspruch kann nun grundsätzlich konkret oder abstrakt berechnet werden (vgl. Koziol-Welser Grundriß I 4 197). Der konkrete Schaden besteht entweder in dem Nachteil den der Gläubiger dadurch erleidet, daß er die Leistung nicht erhält oder in dem Aufwand, den er gemacht hat, um sich eine Leistung gleicher Art anderweitig zu beschaffen ( Gschnitzer in Klang 2 IV/1, 485). Gegenstand des Deckungskaufes darf also immer nur eine gleichartige Sache sein. Die Kosten der Anschaffung einer qualitativ höherwertigen Sache können nicht auf den Vertragsbrüchigen Schuldner überwälzt werden. Ob die Klägerin den Deckungskauf auch hätte unterlassen und dann jenen Schaden hätte geltend machen können, der durch Nichterfüllung ihrer Lieferverpflichtung gegenüber dem russischen Abnehmer entstanden wäre, kann hier dahingestellt bleiben. Die Klägerin hat nach ihren Behauptungen einen Deckungskauf vorgenommen und berechnet ihren Schadenersatzanspruch auf der Grundlage des behaupteten Deckungsgeschäfts. Ein anderer Anspruch als jener, der sich aus dem abgeschlossenen Deckungsgeschäft ergibt, wurde nicht erhoben. Ob der beim Deckungsgeschäft erwachsene Mehraufwand vom Beklagten gefordert werden kann, hängt aber davon ab, ob es gleichartige Waren wie jene, zu deren Lieferung sich der Beklagte verpflichtete, zum Gegenstand hatte; diese entscheidungswesentliche Frage soll im fortgesetzten Verfahren durch den Erstrichter geklärt werden.
Demzufolge war aber dem unberechtigten Rekurs der Klägerin der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.