1Ob738/77 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Schragel, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) W* G*, Kaufmann, 2.) E* G*, Hausfrau, beide *, beide vertreten durch Dr. Raimund Mittag, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) K*, Gesellschaft m.b.H., *, 2.) B*, beide vertreten durch Dr. Erich Schwinner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zustimmung zur Ausfolgung eines Gerichtserlages (Streitwert 114.658,10 S), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 4. Oktober 1977, GZ 5 R 151/77 25, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 27. April 1977, GZ 39 d Cg 726/75 21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit 5.788,90 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon 357,70 S Umsatzsteuer und 960 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Über das Vermögen des Erstklägers war zu 9 a Sa 3/74 des Kreisgerichtes St. Pölten ein Ausgleichsverfahren anhängig. Bei der Tagsatzung am 24. Juli 1974 trat die Zweitklägerin dem abzuschließenden Ausgleich als Bürgin und Zahlerin bei. Die Ausgleichsgläubiger stimmten mit den erforderlichen Mehrheiten folgendem Ausgleichsantrag zu: „Der Ausgleichsschuldner verpflichtet sich, eine Quote von 40 %, zahlbar innerhalb eines Jahres, zu leisten, wobei seine Gattin E* G* unter der Anschrift des Ausgleichsschuldners als Bürgin und Zahlerin bei Zwangsfolgen, jedoch nicht bei Wiederaufleben und Terminsverlust, übernimmt. Der Ausgleichsschuldner unterwirft sich dem Ausgleichsverwalter als seinem Sachwalter der Gläubiger bis zur vollständigen Erfüllung des Ausgleiches. Der Ausgleichsschuldner und dessen Gattin E* G* erteilten dem Ausgleichsverwalter eine unwiderrufliche Verkaufsvollmacht hinsichtlich der in ihrem gemeinsamen Eigentum stehenden Liegenschaft EZ * Katastralgemeinde * des Bezirksgerichtes Amstetten mit der Auflage, diese Verwertung sofort zu beginnen. Der Ausgleichsschuldner und seine Gattin E* G* verpflichten sich, daß der Verwertungserlös bis zur Höhe der 40 %igen Ausgleichsquote zur Erfüllung des Ausgleiches verwendet wird. Der Ausgleichsschuldner und dessen Gattin E* G* übergeben dem Ausgleichsverwalter binnen 24 Stunden ab Annahme des Ausgleiches grundbuchsfähige Unterlagen zur Begründung einer Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung und eine Spezialvollmacht zur Veräußerung hinsichtlich beider Liegenschaftshälften der EZ * Katastralgemeinde * bei sonstiger Versagung der Bestätigung des Ausgleiches.“ Der Ausgleich wurde mit Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten vom 4. Dezember 1974 bestätigt.
Im Sinne des Ausgleiches veräußerte der Sachwalter Dr. H* M* die Liegenschaft EZ * KG *. Der Verkaufserlös wurde auf ein Konto des Sachwalters eingezahlt. Nach Abzug der auf die Hypothekargläubiger entfallenden Beträge verblieb ein auf die Liegenschaftshälfte der Zweitklägerin entfallender Verkaufserlös von 114.658,10 S. Mit Beschluß vom 13. Dezember 1974 bewilligte das Bezirksgericht Amstetten über Antrag der zweitbeklagten Partei und mit Beschluß vom 20. Jänner 1975 über Antrag der erstbeklagten Partei zur Hereinbringung von Forderungen von 83.730 S samt Anhang bzw. 67.921 S samt Anhang die Pfändung und Überweisung zur Einziehung der der Zweitklägerin gegen Dr. H* M* angeblich zustehenden Forderung aus dem Verkauf der Liegenschaft EZ * KG *.
Am 11. Februar 1975 erlegte Dr. H* M* „wegen Unklarheit der Rechtslage und Vorhandenseins mehrerer Forderungsprätendenten“ den Betrag von 114.658,10 S zu 2 a Nc 2/75 beim Bezirksgericht St. Pölten, da sowohl die beklagten Parteien als auch sämtliche Ausgleichsgläubiger Anspruch auf diesen Betrag erhoben. Als Erlagsgegner nannte Dr. H* M* sowohl die beklagten Parteien als auch 34 Ausgleichsgläubiger.
Die Kläger begehren mit der am 31. Juli 1975 erhobenen Klage das Urteil, die beklagten Parteien seien schuldig, darin einzuwilligen, daß der beim Bezirksgericht St. Pölten zu 2 a Nc 2/75 hinterlegte Betrag von 114.658,10 S an den Ausgleichsverwalter Dr. H* M* zur Erfüllung des Ausgleiches zu AZ 9 a Sa 3/74 des Kreisgerichtes St. Pölten zur Befriedigung der Ausgleichsgläubiger ausgefolgt werde. Der Sachwalter sei berechtigt, aber auch verpflichtet gewesen, aus dem Erlös des Verkaufes der Liegenschaft EZ * KG * die Ausgleichsgläubiger zu befriedigen. Durch Übergabe des Verwertungserlöses an den Sachwalter sei dieser aus dem Vermögen der Kläger ausgeschieden und in das Eigentum der Gläubiger übergegangen. Durch die von den beklagten Parteien geführten Forderungsexekutionen hätten daher keine Ansprüche auf den Verkaufserlös mehr erworben werden können, da dieser zur Gänze fremdes Vermögen darstelle, welches auf Grund der im Ausgleich geschlossenen Vereinbarungen aus dem Eigentum der Zweitklägerin ausgeschieden sei. Sie habe auf jede Forderung aus dem Verkaufserlös zugunsten der Ausgleichsgläubiger verzichtet. Die Kläger behaupten, sie hätten ein rechtliches Interesse an der Ausfolgung des hinterlegten Betrages, um den Ausgleich erfüllen zu können.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Kläger selbst behaupteten, der Verkaufserlös der Liegenschaft sei durch Übergabe an den Sachwalter der Gläubiger aus ihrem Vermögen ausgeschieden und in das Eigentum der Gläubiger übergegangen; ihre Klageführung stehe damit in unauflösbarem Widerspruch. Stehe nämlich den Klägern schon nach ihren eigenen Behauptungen ein Verfügungsrecht über den Verkaufserlös nicht mehr zu, seien sie auch nicht berechtigt, von den beklagten Parteien dazu die Abgabe irgendwelcher Erklärungen zu verlangen.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000,-- S übersteige. Die Kläger hätten dadurch, daß sie sich dem Ausgleichsverwalter als einem Sachwalter der Gläubiger unterwarfen, ihre Verfügungsberechtigung über den Verkaufserlös der Liegenschaft EZ * KG * nicht verloren; die Abtretung der Kaufpreisforderung bis zur Höhe der Ausgleichsquote an die Gläubiger, so daß diese ab dem 24. Juli 1974 hierüber verfügungsberechtigt gewesen wären, könne dem Ausgleich nicht entnommen werden. Die Kläger hätten sich vielmehr ausdrücklich verpflichtet, „daß der Verwertungserlös bis zur Höhe der 40 %igen Ausgleichsquote zur Erfüllung des Ausgleiches verwendet wird“. Durch wen der Erlös hiezu verwendet werden sollte, werde im Ausgleich nicht ausdrücklich festgelegt, wenngleich die Absicht offensichtlich dahin gegangen sei, daß die Zahlungen an die Ausgleichsgläubiger durch den Sachwalter als den Bevollmächtigten der Kläger durchgeführt werden und die Kläger insoweit auf die Geltendmachung der Ausfolgung des Verkaufserlöses an sich verzichten. Die Frage, ob die Kläger nach dem bestätigten Ausgleich berechtigt waren, von Dr. H* M* als dem Sachwalter der Gläubiger und als ihrem Bevollmächtigten die Ausfolgung des Verkaufserlöses zu verlangen, könne jedoch auf sich beruhen, da die Kläger nicht ein solches Begehren stellten, sondern von den beklagten Parteien die Einwilligung anstrebten, daß der von Dr. H* M* erlegte Betrag an diesen zur Befriedigung der Ausgleichsgläubiger ausgefolgt werde. Erlege aber der Schuldner die Schuld zugunsten mehrerer Ansprecher zu Gericht, so könne die Ausfolgung nur auf Grund ihrer Einigung oder auf Grund eines von einem Ansprecher gegen die anderen erwirkten rechtskräftigen Urteiles erfolgen. Der Erleger sei Dr. H* M* persönlich gewesen. Ein Ausfolgungsanspruch stehe nicht den Klägern, sondern allein den Erlagsgegnern zu.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Kläger, die die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrage geltend machen, das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, daß in Stattgebung ihrer Berufung das Urteil erster Instanz aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz rückverwiesen werde, allenfalls das Urteil des Berufungsgerichtes aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zu neuer Verhandlung und Urteilsschöpfung zurückverwiesen werde. In eventu wird die Aufhebung der Urteile beider Instanzen bzw. deren Abänderung, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde, begehrt.
Die beklagten Parteien beantragen der Revision keine Folge zu geben und das Urteil der Unterinstanzen im vollen Umfange zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Auszugehen ist davon, daß Dr. H* M* in eigenen Namen den streitgegenständlichen Betrag zugunsten mehrerer Prätendenten, der beklagten Parteien und der Ausgleichsgläubiger, bei Gericht erlegte. Dr. H* M* ging also davon aus daß er nicht wisse, ob er ihn den Ausgleichsgläubigern oder den beiden beklagten Parteien auf Grund der von ihnen erwirkten exekutionsgerichtlichen Überweisungsaufträge schulde. Die Auffassung, er könnte den Betrag auch den Klägern, schulden, vertrat er nicht. Die Ausfolgung eines erlegten Betrages kann nur dann geschehen, wenn diejenigen, zu deren Gunsten erlegt wurde, zustimmen oder wenn die Bedingungen, die beim Erlag für die Ausfolgung gesetzt wurden, erfüllt sind. Bei einer Mehrheit von Begünstigten sind in der Regel die Bedingungen nur erfüllt, wenn die anderen Begünstigten zustimmen oder der Begünstigte, an den ausgefolgt werden soll, gegen die anderen Begünstigten ein Urteil erwirkt (EvBl 1970/3; JBl 1969, 36; SZ 39/123 u.a.). Ein Recht auf Ausfolgung erlangen mit dem Erlag aber auch im Hinterlegungsantrag nicht namhaft gemachte Personen, die Rechte an der hinterlegten Summe besitzen, da die Hinterlegung nicht die Folge haben soll, daß Forderungsberechtigte in ihren Rechten verletzt oder beeinträchtigt werden (SZ 27/59). Eine gerichtlich hinterlegte Summe betreffender Rechtsstreit kann also, soweit der Anspruch nicht auf eine privatrechtliche Verpflichtungserklärung des Beklagten gestützt werden kann, nur in der Weise geführt werden, daß entweder alle vom Erleger namhaft gemachten, anderen Prätendenten auf Zustimmung zur Ausfolgung geklagt werden oder daß ein Dritter alle namhaft gemachten Prätendenten klagt. Diese Voraussetzungen, sind wie das Berufungsgericht richtig erkannte, im vorliegenden Fall nicht gegeben. Woher der Erstkläger seine Legitimation ableitet, ist überhaupt nicht zu ersehen, da er niemals Eigentümer der Liegenschaftshälfte war, deren Resterlös die klagsgegenständliche Summe ist; er ist nur daran interessiert, daß die Summe im Sinne der Erklärung der Zweitklägerin zur Erfüllung seiner Ausgleichsverbindlichkeiten frei wird, steht aber zu den beklagten Parteien, die Forderungen gegen die Zweitklägerin haben, in diesem Zusammenhang in keiner wie immer gearteten rechtlichen Beziehung. Aber auch die Zweitklägerin schätzt ihre Rechtslage irrig ein. Hatte sie im Zeitpunkt der Exekutionsführungen durch die beklagten Parteien noch Anspruch darauf gehabt, über die streitgegenständliche Summe zu verfügen, wäre die von den beklagten Parteien erwirkte Pfändung und Überweisung des Anspruches der Zweitklägerin gegenüber Dr. H* M* wirksam erfolgt, weil der Betrag noch nicht den Ausgleichsgläubigern zugekommen war und die beklagten Parteien ihnen zuvorgekommen wären. Wäre aber die Verfügungsgewalt der Zweitklägerin über den Resterlös aus der Veräußerung ihrer Liegenschaftshälfte auf Grund der Verpflichtung vom 24. Juli 1974 in einer Weise endgültig verloren gegangen, daß auch ihr Eigentum untergegangen wäre, könnten ihr keine Rechte zustehen, in den Meinungsstreit, der jedenfalls nicht mehr ihr Vermögen beträfe, einzugreifen. Gibt sie nämlich selbst zu, nicht mehr anspruchsberechtigt zu sein, weil sie alle Rechte längst aufgegeben habe, kann sie von den beklagten Parteien auch nicht die Zustimmung zur Aufgabe von Ansprüchen, die zudem ohnehin nur für den Fall des Bestehens von Rechten der Zweitklägerin gegenüber Dr. H* M* Bedeutung haben sollten und konnten, verlangen; dazu wäre nur der in der Lage, der selbst anspruchsberechtigt ist. Damit erweist sich die Auffassung der Untergerichte, daß die Begehren der Kläger schon nach ihrem eigenen Prozeßstandpunkt unberechtigt sind, ohne daß es der Aufnahme von Beweisen bedurfte, als richtig. Den Untergerichten kann daher auch weder ein Verfahrensmangel noch eine wesentliche Aktenwidrigkeit unterlaufen sein; auf die ausführlichen Darlegungen der Revision, die nicht den Kern des Rechtsproblems betreffen, muß im einzelnen nicht eingegangen werden.
Der Revision ist vielmehr ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.