JudikaturOGH

5Ob653/77 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Dezember 1977

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel, Dr. Marold, Dr. Samsegger und Dr. Griehsler als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. R*, Rechtsanwalt, *, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des W*, Elektrounternehmer, *, wider die beklagte Partei R*, vertreten durch Dr. Hans Pirker, Rechtsanwalt in Irdning/Steiermark, wegen S 278.077,85 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 27. April 1977, GZ 4 R 79/77 42, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 28. Jänner 1977, GZ 8 Cg 158/76 35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Unterinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Das Erstgericht hat am 5. Oktober 1972 in Ansehung des Vermögens des Schuldners W* das Ausgleichsverfahren eröffnet und am 9. August 1973 den vom Schuldner mit seinen Gläubigern auf eine Forderungsquote von 40 % geschlossenen Ausgleich bestätigt. Zur Zeit der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens schuldete W* der nun beklagten *bank aus der Gewährung von Krediten S 388.596,11. Für diese Schuld hatten noch vor Eröffnung des Ausgleichsverfahrens E*, K*, E* W* und M* die Haftung als Bürgen übernommen. Unter Berücksichtigung der Zahlungseingänge von insgesamt S 109.299,25 aus schon vor der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens vom Schuldner der *bank abgetretenen Forderungen betrug die von der Restforderung von S 279.296,86 berechnete Ausgleichsforderungsquote der beklagten *bank S 111.718,74. Am 13. April 1973 war durch die bis zu diesem Zeitpunkt eingegangenen Zahlungen die Ausgleichsforderung der *bank gegen W* erfüllt.

Mit der Behauptung, es bestehe bei Berücksichtigung der nach Erfüllung der Ausgleichsschuld zu seinen Gunsten bei der beklagten *bank eingegangenen Zahlungen ein Guthaben von S 278.077,85, begehrte W* in der vorliegenden Klage die Verurteilung der beklagten *bank zur Zahlung dieses Betrages samt 12 % Zinsen seit 14. April 1973.

Die beklagte Bank hat die Abweisung des Klagebegehrens beantragt. Sie behauptete, daß die zuletzt bestandene Schuld auf dem Kreditkonto des W* in der Zwischenzeit durch die Bürgen beglichen worden sei. W* habe kein Guthaben bei ihr, er sei vielmehr verpflichtet, gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen i. d. F. 1. Juli 1971 und dem Kreditvertrag der Parteien vom 29. November 1967 alle aus dem Kreditverhältnis entstehenden Kosten, Auslagen, Stempel, Gebühren, Steuern und sonstigen Abgaben jeglicher Art zu zahlen, die aus Anlaß der Begründung, des aufrechten Bestandes, der Befestigung und Beendigung des gegenständlichen Kreditverhältnisses erwachsen, und die beklagte Bank sei berechtigt, alle bei ihr für W* eingehenden Beträge zur Kompensation mit offenen Verbindlichkeiten zu verwenden.

Das Erstgericht stellte fest, daß am 13. April 1973 die Ausgleichsschuld des W* an die beklagte Bank erfüllt gewesen sei und zu diesem Zeitpunkt ein Guthaben des Schuldners von S 742,07 bestanden habe. Unter Berücksichtigung der in der Folge eingegangenen Zahlungen von S 423.331,45 und der zu seinen Lasten erfolgten Überweisungen von S 145.995,67 habe sich zugunsten des W* am 1. März 1976 ein Guthaben von S 278.077,85 bei der beklagten *bank ergeben. W* habe in dieser Höhe bei der V*bank * Kredite mit einer Verzinsung von 11,15 bzw 10,65 in Anspruch genommen.

Mit der rechtlichen Begründung, daß die nach Erfüllung der Ausgleichsquote von 40 % der ursprünglichen Forderung bei der beklagten *bank eingegangenen Zahlungen ein Guthaben des W* von S 278.077,85 darstellten und diesem der Anspruch auf Ersatz der Kosten des bei der V*bank * aufgenommenen Kredites zustehe, verurteilte das Erstgericht die beklagte *bank zur Zahlung von S 278.077,85 samt stufenweise berechneter Zinsen von 11,15 bzw 10,65 % und zum Ersatz der gesamten Prozeßkosten.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der beklagten Bank nicht Folge. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes und äußerte die Rechtsansicht, die beklagte Bank könne W* nicht mit Erfolg entgegenhalten, daß sie die von ihr in Anspruch genommenen Bürgen durch volle Anrechnung der auf dem Konto des Schuldners eingegangenen Beträge entlastet habe, weil sie dadurch die Befreiung des Ausgleichsschuldners vereiteln würde, sie hätte vielmehr den gesamten Ausfall gegen die Bürgen geltend machen und demgemäß die Eingänge auf dem Konto des Schuldners einer rechtlichen Wertung unterziehen müssen. Der Ausgleich sei gegenüber der beklagten Bank am 13. April 1973 erfüllt gewesen und die seither eingegangenen Beträge seien W* zugute gekommen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten *bank wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Hauptantrag, es im Sinne der vollen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern, und dem Hilfsbegehren, es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Konkurssenat des Erstgerichtes hat am 16. Juni 1977 über das Vermögen des Klägers W* den Konkurs eröffnet und Rechtsanwalt Dr. R* in L* zum Masseverwalter bestellt. Dieser hat das mit der Konkurseröffnung gemäß § 7 Abs 1 KO unterbrochene Verfahren am 1. August 1977 durch Erstattung der Revisionsgegenschrift im Sinne des § 7 Abs 2 KO aufgenommen und den Antrag gestellt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gerechtfertigt.

Bei Eröffnung des Ausgleichsverfahrens bestand eine durch Bürgschaften der E*, des K*, der E* W* und der M* sowie durch Forderungszessionen von S 109.299,25 besicherte Schuld des nunmehrigen Gemeinschuldners W* von insgesamt S 388.596,11 gegenüber der beklagten *bank. Aus den zedierten Forderungen sind Zahlungen in voller Höhe eingegangen. Die nach dem Inhalt des von den Gläubigern angenommenen und vom Erstgericht bestätigten Ausgleich festgesetzte Forderungsquote von 40 % ist demnach von S 279.296,86 zu berechnen und betrug somit S 111.718,74. Am 13. April 1973 war diese Forderung der beklagten *bank durch Zahlungseingänge auf dem Konto des nunmehrigen Gemeinschuldners getilgt, der Ausgleich also vom Schuldner gegenüber der beklagten *bank erfüllt. Wohl bleibt auch nach Erfüllung des Ausgleiches die vom Ausgleich betroffene Restschuld als eine natürliche Verbindlichkeit des Ausgleichsschuldners bestehen, doch kann sie vom Gläubiger weder eingeklagt noch gegen Forderungen des Schuldners aufgerechnet werden (SZ 16/67 ua). Die beklagte *bank darf deshalb auch nicht mit Berufung auf Vereinbarungen, die sie vor Eröffnung des Ausgleichsverfahrens mit dem Schuldner getroffen hat, nach Erfüllung der Ausgleichsquote auf dem Konto des Schuldners eingegangene Beträge mit der verbliebenen natürlichen Restschuld kompensationsweise verrechnen, es sei denn, es handelte sich – dies wurde freilich gar nicht behauptet – um solche Zahlungen, die mit ausdrücklichem oder schlüssigem Willen des Schuldners zur Tilgung der nach der Ausgleichserfüllung verbliebenen natürlichen Restschuld bestimmt waren; derartige freiwillige Leistungen des Schuldners dürften, da er doch damit eine Verbindlichkeit erfüllt hätte, von ihm nicht mit der Begründung zurückverlangt werden, die beklagte Bank hätte nach dem erfüllten Ausgleich darauf keinen Anspruch gehabt ( Koziol Welser , Grundriß I 4 162).

Der beklagten Bank hafteten allerdings die Bürgen des Schuldners für den gesamten ursprünglichen Forderungsbetrag, der bei Eröffnung des Ausgleichsverfahrens aushaftete, weil sich die Wirkungen des Ausgleiches nicht auch auf diese erstrecken (§ 48 AusglO). Nach der Erfüllung der Ausgleichsquote bei der beklagten *bank eingegangene Zahlungen der Bürgen fallen deshalb bis zur Höhe der vom Ausgleich betroffenen Restforderung in die alleinige Rechtszuständigkeit der beklagten *bank. Aus dem vom Erstgericht seinen Feststellungen über die Kontenbewegungen nach der Erfüllung des Ausgleiches zugrunde gelegten Gutachten des Sachverständigen * S* ergibt sich jedoch, daß zum 29. Februar 1976 S 40.149,16 als Eingang aus einer „Einzahlung der Bürgen“ auf dem Konto des Schuldners verbucht und bei Kontoabschluß zum 1. März 1973 als Habenpost des Schuldners berücksichtigt wurde. Dieser Betrag darf daher aus rechtlichen Gründen nicht bei der Berechnung des Habensaldos des nunmehrigen Gemeinschuldners zugunsten dieses Schuldners einbezogen werden, auch wenn die beklagte *bank diesen Betrag infolge ihrer unrichtigen Rechtsansicht, es werde damit die (natürliche) Restschuld des nunmehrigen Gemeinschuldners aus dem Ausgleich verringert, diesem gutgebucht hat. Billigte man die Ansicht der Unterinstanzen, daß dieser Betrag dem nunmehrigen Gemeinschuldner zusteht, dann käme die Zahlung der Bürgen auf Grund ihrer Haftung gegenüber der beklagten *bank nicht dieser als der forderungsberechtigten Gläubigerin, sondern ihrem Schuldner aus dem seinerzeitigen Ausgleich zugute, dem jeder Rechtstitel dazu fehlt. Dieser Betrag hat deshalb jedenfalls bei der Berechnung des Guthabens des Gemeinschuldners bei der beklagten Bank außer Betracht zu bleiben. Da nicht feststeht, ob nicht auch noch andere Zahlungen der Bürgen nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens infolge ihrer unrichtigen Verbuchung durch die beklagte Bank bei der Berechnung des Guthabens des Gemeinschuldners zu Unrecht zu seinen Gunsten und zum Nachteil der Beklagten Berücksichtigung gefunden haben, erweist sich der Sachverhalt als zu einer abschließenden Entscheidung noch nicht hinreichend geklärt.

Die beklagte *bank hat schon in erster Instanz vorgebracht, daß sie auf Grund des Kreditvertrages mit dem Schuldner berechtigt sei, ihm die ihr im Zusammenhang mit der Begründung und Durchsetzung ihrer Haftungsansprüche gegen die Bürgen des Schuldners erwachsenen Kosten, Spesen und Gebühren zu verrechnen (Punkt 9 des Kreditvertrages). Da diese Vereinbarung noch vor Eröffnung des Ausgleichsverfahrens mit dem Schuldner getroffen wurde, unterliegt im Sinne des § 14 Abs 1 AusglO die Ersatzforderung als Ausgleichsforderung der im Ausgleich bestimmten Kürzung auf 40 %. Dabei spielt es zufolge der universellen Wirkung des Ausgleiches (§ 53 Abs 1 AusglO) keine Rolle, daß die beklagte Bank diese Forderung nicht als Ausgleichsforderung angemeldet hat. Infolge seiner unrichtigen Rechtsansicht hat es das Erstgericht unterlassen, mit den Parteien zu erörtern, ob überhaupt und bejahendenfalls in welchem Umfange derartige Kosten, Spesen und Gebühren von der beklagten *bank dem Schuldner verrechnet worden sind, und es fehlen in dieser Beziehung auch entsprechende Feststellungen, sodaß die Rechtssache auch aus diesem Grunde noch nicht abschließend rechtlich beurteilt werden kann. Aus der dargelegten rechtlichen Erwägung sind in Stattgebung der Revision der beklagten Bank die Urteile der Unterinstanzen aufzuheben und es ist die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahren gründet sich auf § 52 ZPO.

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