5Ob661/77 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel, Dr. Marold, Dr. Samsegger und Dr. Griehsler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, Partieführer, *, vertreten durch Dr. Alfred Gorscheg, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wider die beklagte Partei J*, Hausfrau, *, vertreten durch Dr. Gerald Weidacher, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wegen Rechnungslegung und Herausgabe (Streitwert 100.000,-- S) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgericht Graz als Berufungsgerichtes vom 22. Juni 1977, GZ 2 R 55/77-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 18. Februar 1977, GZ 23 Cg 270/76 13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurse wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Berufungsgerichte die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.
Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile waren Ehegatten, leben seit dem Jahre 1964 getrennt und sind seit 27. Jänner 1975 geschieden. Sie waren je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 20 KG * sowie der dazu gehörigen landwirtschaftlichen Maschinen und sonstigen Zubehörs. Die Liegenschaft wurde im Jahre 1970 verkauft; um den Erlös kauften die Streitteile unter Verbleib eines Betrages von S 159.140, der auf ein Sparbuch der Raiffeisenkasse N* eingelegt wurde, das Haus N* mit dazugehörigen 800 m 2 Grund, wo die Beklagte mit den aus der Ehe stammenden Kindern wohnt. Über die Einlage auf das Sparbuch verfügte die Beklagte allein, ebenso über den Verkaufserlös verschiedener landwirtschaftlicher Geräte, ohne daß dem Kläger hievon etwas zugekommen wäre. Über Aufforderung des Klägers fertigte die Beklagte im Jahre 1974 eine Aufstellung über ihre Verkäufe landwirtschaftlicher Maschinen um insgesamt S 36.550 sowie über die seit 9. Mai 1970 getätigten Ausgaben an, die jedoch zumeist keine Hinweise auf die Rechnungsaussteller enthielt. Der Kläger gab sich mit dieser Aufstellung nicht zufrieden, sondern verlangte von der Beklagten Belege über den Verkauf der Fahrnisse um die getätigten Ausgaben. Die Beklagte erklärte, zur Vorlage von Belegen nicht in der Lage zu sein, da auf dem Land in den seltensten Fällen schriftliche Bestätigungen und Quittungen ausgestellt würden.
Der Kläger begehrte mit Stufenklage zunächst das Urteil, die Beklagte sei „binnen einer richterlich zu bestimmenden Frist die Rechnung über die von ihr getätigten Einnahmen und Ausgaben aus Anlaß der Kaufverträge vom 6. Juni 1970 und des Verkaufes eines Traktors, eines Maisrittes, eines Breitdreschers, eines Häckslers, eines Elektromotorpfluges 7 PS, eines Futterkessels, einer Egge, einer Jauchenpumpe, einer Maismaschine, eines Elektroweidezaunes, einer Waage, eines 400 l Fasses, einer Oberdruckpresse, Fichtenbretter, einer Kuh, einer Siloschneidmaschine, einer Kalbin und einer trächtigen Sau für die Zeit vom 6. Juni 1970 bis heute durch Vorlage der Kaufverträge vom 6. Juni 1970, Bankgutschriften und Bankauszüge, der Belege für die verkauften angeführten Fahrnisse und Belege für die getätigten Ausgaben für den Zeitraum vom 6. Juni 1970 bis heute, die Abrechnung des Herrn Dr. J*, Notar in F*, Rechnung zu legen“. Die Beklagte wendete insbesondere ein, bereits im Jahre 1974 Rechnung gelegt zu haben und mangels Buchführung keine näheren Angaben machen zu können; der Anspruch des Klägers sei zudem verjährt; die Vorlage von Belegen dürfe nicht verlangt werden und sei darüber hinaus mangels Vorhandenseins unmöglich.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagte, binnen acht Wochen Rechnung über die von ihr in der Zeit vom 6. Juni 1970 bis heute erzielten Einnahmen aus dem Verkauf einer Maisriffel, eines Breitdreschers, eines Häckslers, eines Elektromotorpfluges 7 PS, eines Futterkessels, einer Egge, einer Jauchenpumpe, einer Maismaschine, eines elektrischen Weidezaunes, einer Waage und eines Fasses 400 l sowie die in diesem Zeitraum getätigten Ausgaben mit dem sich aus dem Abrechnungsschreiben des Notars Dr. J* vom 23. April 1974 ergebenden Differenzbetrages von 159.140 S und dem Erlös aus den genannten Verkäufen durch Vorlage von Bankgutschriften, Bankauszügen und Belegen zu legen. Das Rechnungslegungsmehrbegehren der Beklagten wies das Erstgericht rechtskräftig ab. Die Rechnungslegungspflicht der Beklagten ergebe sich aus den §§ 830, 1012, 1039 ABGB. Ihr Zweck liege darin, dem Kläger ausreichend Grundlagen zu liefern, damit er seine Herausgabe- und vielleicht auch Schadenersatzansprüche aus der Geschäftsbesorgung der Beklagten feststellen und geltend machen könne. Die einzeln anzuführenden Rechnungsposten seien zu individualisieren und zu belegen. Die von der Beklagen seinerzeit verfaßte Aufstellung habe diesen Erfordernissen nicht genügt, sie sei als nicht ordnungsgemäß und nicht überprüfbar anzusehen. Wenn schon keine Belege vorhanden sein sollten, müßte die Beklagte zumindest anführen, an wen die verschiedenen Fahrnisse zu den angegebenen Preisen verkauft wurden und an wen die einzelnen Ausgaben erfolgt seien, damit dem Kläger durch entsprechende Nachfrage die Möglichkeit eingeräumt werde, deren Richtigkeit festzustellen. Das sei auch von der Beklagten, selbst wenn sie nur eine einfache in der Buchhaltung nicht versierte Landwirtin sei, zu verlangen. Es müßte ihr doch klar gewesen sein, daß der Kläger Anspruch auf die Hälfte des Erlöses aus dem Verkauf der Landwirtschaft samt Zubehör abzüglich des Kaufpreises für die sodann gemeinsam erworbene Liegenschaft habe und Nachweise verlangen werde, wenn sie ihm davon nichts herausgebe und behaupte, die gesamte Summe für verschiedene Ausgaben benötigt zu haben. Der Kläger könne nach der bisherigen Abrechnung der Beklagten gar nicht überprüfen, welche Beträge für die Renovierung des Hauses in N*, deren Kosten er mitzutragen habe und sich anrechnen lassen müsse, überhaupt verwendet wurden.
Das Berufungsgericht hob den dem Klagebegehren stattgebenden Teil des erstgerichtlichen Teilurteils unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang die neuerliche Verhandlung und Urteilsfällung auf. Das Erstgericht erkenne richtig, die aus dem Privatrechtsverhältnis der Streitteile entstandene Rechnungslegungspflicht; der Anspruch des Klägers unterliege auch der allgemeinen Verjährung. Das Erstgericht habe jedoch übersehen, daß der Kläger nach seinem Prozeßvorbringen und dem Wortlaut des Klagebegehrens nur eine bestimmte eingeschränkte Art der Rechnungslegung wünsche, nämlich nur die Vorlage von Bankgutschriften, Bankauszügen und Belegen. Da dieses Begehren ein Minus gegenüber der allgemeinen Rechnungslegungspflicht sei, bestünden gegen seine Zulässigkeit keine Bedenken. Dagegen habe die Beklagte eingewendet, nicht mehr im Besitz solcher Belege zu sein. Dieser Einwand sei erheblich, da bei Unmöglichkeit der geschuldeten Leistung nicht mehr auf Erfüllung geklagt werden könne. Darüber habe das Erstgericht keine Erörterungen durchgeführt und keine Feststellungen getroffen. Seine Meinung, die Beklagte habe auch die näheren Umstände wie die Vertragspartner, Gläubiger etc, bekanntzugeben, sei durch das Klagebegehren nicht gedeckt. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht zu erörtern und festzustellen haben, ob die Beklagte im Besitz der begehrten Belege sei bzw, ob ihr die allfällige Neubeschaffung in den einzelnen Geschäftsfällen möglich und zumutbar sei. Davon werde die Berechtigung des Einwands der Unmöglichkeit der Leistung abhanden.
Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes wendet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrage, den Beschluß wegen Spruchreife aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Der Kläger war Miteigentümer der Liegenschaft EZ 20 KG * und der landwirtschaftlichen Geräte, die sich auf dieser Liegenschaft befunden hatten, jedoch kam der Beklagten der gesamte Verkaufserlös, soweit er nicht zur Anschaffung des Hauses in N* verwendet wurde, zu. Auch die Beklagte behauptet nicht, daß ihr dieser Erlös rechnungsfrei überlassen worden wäre, so daß der Kläger, wie die Untergerichte richtig erkannten, gegen die Beklagte Anspruch auf Rechnungslegung über die von ihr auch für den Kläger verwalteten Geldbeträge und auf Herausgabe der nicht vereinbarungsgemäß verbrauchten Beträge zur Hälfte hat. Der Anspruch unterliegt der normalen dreißigjährigen Verjährung.
Der Zweck der Rechnungslegungspflicht ist es, den Berechtigten in die Lage zu versetzen, Herausgabe- oder Schadenersatzansprüche gegen den Rechnungslegungspflichtigen feststellen und geltend machen zu können. Um diesen Zweck der Rechnungslegung zu erreichen, darf der Umfang der Rechnungslegungspflicht nicht allzu sehr eingeschränkt werden, sondern ist nach der Natur des Geschäfts und den Umständen des Falles auf das Verkehrsübliche abzustellen. Der Berechtigte hat demnach Anspruch darauf, eine ordnungsgemäß zusammengestellte, formell vollständige Rechnungslegung unter Vorlage der Belege oder mit Möglichkeit der Einsichtnahme in diese zu erhalten (EvBl 1977/151; SZ 37/186 ua). Eine ordentliche Rechnungslegung umfaßt auch alle Angaben, die eine Überprüfung der Rechnung ermöglichen (JBl 1968, 422). Diesen Anforderungen entsprach die Rechnungslegung der Beklagten im Jahre 1974 gewiß nicht, so daß sie ihren Pflichten noch nachzukommen hat. Dem Berufungsgericht ist allerdings beizupflichten, daß der Kläger selbst die der Beklagten obliegende umfassende Rechnungslegungspflicht dadurch einzuschränken schien, daß er die Rechnungslegung durch die Beklagte nicht „unter“, sondern „durch“ Vorlage von Bankgutschriften, Bankauszügen und Belegen beanspruchte bzw falls sein Klagebegehren, das allerdings auch das Wort „durch“ enthielt, noch anders verstanden hätte werden können, es hinnahm, daß das Erstgericht den Urteilstenor so formulierte. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes kann jedoch das Vergreifen im richtigen Ausdruck keine wesentliche Einschränkung der Verpflichtung der Beklagten bedeuten, da immerhin unmißverständlich eine vollständige Rechnungslegung verlangt wurde und der Begriff „Belege“ ein so allgemein gehaltener ist, daß darunter bei Fehlen schriftlicher Unterlagen durchaus auch eigene Hinweise der Beklagten verstanden werden können, die dem Kläger die Feststellung seiner Ansprüche ermöglichen.
Dem Rekurse ist auch beizupflichten, daß die Rechtssache im Sinne einer Bestätigung des erstgerichtlichen Urteils entscheidungsreif ist. Die Bestimmung des § 1447 ABGB gilt nämlich, wie sich schon aus ihrem Wortlaut ergibt, nur für die zufällige Unmöglichkeit der Leistung mit der Wirkung, daß die Verbindlichkeit zur Leistung aufgehoben wird. Wird hingegen die Erfüllung durch Verschulden des Verpflichteten oder durch einen von ihm zu vertretenden Zufall vereitelt, ist diese Bestimmung nicht anzuwenden (SZ 43/38 ua; Koziol-Welser 4 I 189; Gschnitzer , Schuldrecht Allgemeiner Teil 64; Gschnitzer-Pisko in Klang 2 VI 548; Ehrenzweig 2 II/1, 298). War die Beklagte aber nach ihren privatrechtlichen Beziehungen zum Kläger diesem gegenüber zur Rechnungslegung über die im gemeinsamen Eigentum stehenden Resterlöse und zur teilweisen Herausgabe nicht vereinbarungsgemäß verwendeter Beträge verpflichtet, kann es ihr nur als Verschulden angerechnet werden, wenn sie sich außerstande setzte, die Verwendung der ihrer Verfügung überlassenen Geldbeträge zu belegen. Von den dem Kläger gegenüber bestehenden privatrechtlichen Verpflichtungen kann sich die Beklagte nicht aus Gründen, die ausschließlich in ihrem Verantwortungsbereich liegen und jedenfalls nicht als die Beklagte entschuldigender Zufall angesehen werden können, befreien. Der Hinweis darauf, daß sie nicht buchhaltungspflichtig sei und die Belege nicht aufgehoben habe, kann keinesfalls genügen, um die Beklagte von ihrer Verpflichtung entbinden zu können, ebensowenig die festgestellte Äußerung des Klägers, daß die Ausgaben für das neue Haus und der notwendige Verkauf der landwirtschaftlichen Geräte ihn nichts angingen; damit mag der Kläger zwar Ausgaben für das neue Haus und den Verkauf der landwirtschaftlichen Geräte nach dem Ermessen der Beklagten genehmigt haben, befreite die Beklagte aber nicht von der Herausgabe der Hälfte der verbliebenen Beträge und der Rechnungslegung; daß dies auch die Beklagte so verstand, ergibt sich aus ihrer – wenn auch unzureichenden –Rechnungslegung; im Jahre 1974.
Der angefochtene Beschluß ist demnach aufzuheben und dem Berufungsgerichte die neuerliche Entscheidung über die Berufung aufzutragen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.