JudikaturOGH

2Ob135/77 – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. September 1977

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wittmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piegler, Dr. Fedra, Dr. Reithofer und Dr. Scheiderbauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt *, *, vertreten durch Dr. Leopold Hammer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Ing. K*, Bauleiter in *, und 2.) H*, Techniker in *, beide vertreten durch Dr. Gertrud Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 288.713,60 s.A. und Feststellung, infolge Revision der klagenden und der erstbeklagten Partei gegen das End- bzw. Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 31. Jänner 1977, GZ 7 R 236/76 11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 8. Oktober 1976, GZ 2 Cg 200/76 6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Keiner der beiden Revisionen wird Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, dem Zweitbeklagten die mit S 6.298,56 (darin S 466,56 Umsatzsteuer; keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens in Ansehung der erstbeklagten Partei werden dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 18. 10. 1973 ereignete sich bei der Aufstellung eines Betonfertigteilkörpers als Mahnmal im Bereich des ehemaligen Konzentrationslagers * ein Arbeitsunfall, bei dem der Kranführer F* getötet wurde. Er hinterliess eine Gattin und drei mj. Kinder.

Gestützt auf die §§ 334, 333 Abs. 4 ASVG begehrt die klagende Partei von den beiden Beklagten den Ersatz der den Hinterbliebenen des Getöteten erbrachten Leistungen in der behaupteten Höhe von 288.713,60 S s.A. und die Feststellung ihrer Haftung für die künftigen Aufwendungen der klagenden Partei aus Anlass dieses Arbeitsunfalles im wesentlichen mit der Begründung, dass die beiden Beklagten, die deshalb rechtskräftig wegen § 80 StGB verurteilt worden seien, den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt hätten. Der Erstbeklagte habe es als Bauleiter der Herstellerfirma L* unterlassen, eine exakte Ermittlung des Gewichtes des Stahlbetonkörpers vorzunehmen, und er habe die unsachgemässe Anbringung der Seile am Mahnmal geduldet. Auch der Zweitbeklagte habe sich um die Abwaage nicht gekümmert und er habe die unrichtige Anbringung der Seile nicht beanstandet. Dadurch habe es geschehen können, dass die Seile rissen und das Mahnmal auf den Kranführer F* fiel.

Beide Beklagten bestritten das Klagebegehren dem Grund und der Höhe nach und wendeten im wesentlichen ein, der Verunglückte sei selbst die für die Aufstellung des Mahnmales sach- und fachkundige Person gewesen. Er habe ein zu schwach dimensioniertes Seil ausgewählt, obwohl er an Hand einer Tabelle das richtige Gewicht des Mahnmales hätte feststellen können. Bereits beim Abheben des Mahnmales vom Tieflader hätte ihm auffallen müssen, dass das angegebene Gewicht von 12 Tonnen unrichtig sei.

Es wäre seine Aufgabe gewesen, die Beklagten darauf aufmerksam zu machen, die richtig dimensionierten Seile auszuwählen und auf die vom Erstbeklagten unrichtig gewählte Aufhängeart hinzuweisen; F* sei zu den besonders guten Kranführern zu zählen gewesen. Ein Verschulden des Verunglückten schliesse ein grob fahrlässiges Verhalten seiner Vorgesetzten prinzipiell aus.

Das Erstgericht wies das gegen beide Beklagte gerichtete Leistungs- und Feststellungsbegehren ab. Seiner Entscheidung legte es unter Bedachtnahme auf die Bindungsbestimmung des § 268 ZPO folgende im Berufungsverfahren unbekämpft g ebliebene Feststellungen zugrunde, die es dem im Strafverfahren ergangenen Urteil entnahm:

Mit Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt vom 14. 4. 1975, 8 a E Vr 1361/73 24, wurden die Beklagten des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach dem § 80 StGB rechtskräftig schuldig erkannt, weil sie am 18. 10. 1973 in * bei der Aufstellung eines Stahlbetonkörpers als Mahnmal zur Erinnerung an das seinerzeit dort befindliche Konzentrationslager *, und zwar der Erstbeklagte als Bauleiter der Firma L* dadurch, dass er von einer exakten Ermittlung des Gewichtes des Stahlbetonkörpers Abstand nahm und dieses Gewicht fälschlich mit 10 bis 12 Tonnen statt richtig mit 16,8 Tonnen schätzte, den Regeln der Technik zuwider die Tragseile des Mobilkranes Marke Pettibone TK 60 mit dem polizeilichen Kennzeichen * ohne Verwendung von Tragbügeln oder gespreizten Anschlagseilen und ohne Beachtung des Grundsatzes, dass Seile nicht mit scharfen Kanten in Berührung kommen dürfen, anbringen liess und die Auswahl des Seiles durch den Kranführer nicht überprüfte, und der Zweitbeklagte als Betriebstechniker der Firma L* dadurch, dass er als Verantwortlicher für den Transport und die Aufstellung des Mahnmales nicht für eine Abwaage des Stahlbetonkörpers vor dem Abtransport aus dem Werk sorgte und es unterliess, wenigstens annäherungsweise eine Ermittlung des Gewichtes durch einen Abhebeversuch mit dem Mobilkran am Aufstellungsort zu unternehmen, dass er die falsche Gewichtseinschätzung durch den Erstbeklagten und die unrichtige Anbringung der Seile am Mahnmal nicht beanstandete und die Auswahl des Seiles durch den Kranführer nicht überprüfte, wodurch die Drahtseile rissen, der aufzustellende Stahlbetonkörper zu Boden stürzte und in der Folge auf das Führerhaus des Mobilkranes fiel, fahrlässig den Tod des Kranführers F* herbeigeführt haben.

Das Strafgericht traf folgende für den Schuldspruch massgebende Tatsachenfeststellungen:

Der Erstbeklagte war zur Unfallszeit bei der Firma L* in * als Leiter des Fertigteilwerkes, der Eisenbiegerei, des Betonwerkes und des Transportbetonwerkes beschäftigt. In dieser Eigenschaft hatte er Aufträge für das Fertigbetonwerk oder für das Betonwerk durchzuführen. Ihm oblag die Aufsicht und Leitung der Planung, Herstellung und Montage der einzelnen Bauwerke. Zur Durchführung dieser Aufgaben waren ihm zehn Mitarbeiter unterstellt, die nach seinen Weisungen die anfallenden Arbeiten durchführten. Einer dieser Mitarbeiter war der Zweitbeklagte H*. Dieser war seit September 1971 bei der Fa. L* als Techniker beschäftigt. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte die Kalkulation der Arbeitsvorbereitung und die Planung im Fertigteilwerk. Er arbeitete somit unter der Oberaufsicht und Leitung des Erstbeklagten und hatte dessen Weisungen zu befolgen.

Der * Architekt Le* erhielt vom Verein „*“ den Auftrag, ein an die Ereignisse des * erinnerndes Mahnmal zu planen. Er verfertigte den Grundriss und reichte die Pläne für die Errichtung des Mahnmales der Baubehörde ein. Die künstlerische Ausgestaltung wurde dem akademischen Maler A* übertragen, der in seinem Atelier die Schalung aus Styropor herstellte. Nachdem die Firma L* den Auftrag erhalten hatte, das Monument herzustellen, zum Standort zu transportieren und dort aufzustellen, wurde vorerst die Schalung von * nach * gebracht und in der Werkshalle der Fa. L* von A* zusammengestellt. Nach Einlegen der Armierung oder Bewehrung wurde die Schalung mit Beton ausgegossen. Nach Durchführung dieser Arbeiten wurde die Schalung abgebrannt und abgeschlagen, womit das Mahnmal fertiggestellt war.

Der Zweitbeklagte wurde vom Erstbeklagten mit der Durchführung des Transportes und der Aufstellung beauftragt. Obwohl das Gewicht des Mahnmales für die Dimensionierung des Fundaments, für das Verladen auf einen Sattelaufleger durch den Werkskran, für die Auswahl des geeigneten Transportmittels und des geeigneten Mobilkranes und vor allem für die Aufstellung des Monumentes Auswahl der geeigneten Seilstärke von grösster Bedeutung war, wurde es weder errechnet noch durch Abwiegen bestimmt. Es wurde lediglich auf Grund der verwendeten Betonmenge eine grobe Schätzung vorgenommen. Dabei gelangten die Beklagten in Übereinstimmmg mit dem Werkmeister J* zur Annahme eines Gewichtes von l0 bis 12 Tonnen. Tatsächlich wog das Mahnmal jedoch 16,8 Tonnen, wie später durch Abwaage festgestellt wurde.

Die Beklagten erkannten, dass eine Berechnung des Gewichtes wegen der Bizarrheit des Gebildes nicht leicht möglich war. Statt jedoch eine exakte Gewichtsbestimmung durch Abwiegen zu veranlassen, begnügten sich beide mit einer Schätzung, die grob und ungenau war, weil sie zwar die Anzahl der verwendeten Betonkübel, nicht aber das Gewicht der Bewehrung, also des eingegossenen Baustahles, berücksichtigte.

Am 18. 10. 1973 erfolgte der Transport vom Werksgelände zum Standplatz und es sollte das Mahnmal unter der Leitung des Zweitbeklagten, der hiezu vom Erstbeklagten beauftragt worden war, aufgestellt werden. Der Zweitbeklagte veranlasste das Abheben des Mahnmales durch den Werkskran und die Verladung auf einen Sattelaufleger, den er in der zuständigen Abteilung seiner Firma anforderte. Weiter veranlasste er die Beistellung des Mobilkranes Pettibone 60 TK mit einer Tragfähigkeit von 27,2 Tonnen. Schliesslich bestimmte er die Anzahl und die Personen der erforderlichen Arbeiter, welche die Transport- und Aufstellungsarbeiten durchführen sollten. Dies waren der Kranführer F*, der Kraftfahrer Ka*, der das Sattelfahrzeug lenkte und beim Anbringen der Seile half, und der Hilfsarbeiter G*, der bei den Aufstellungsarbeiten anfallende Tätigkeiten, insbesondere das Anbringen der Seile, verrichtete. Die Aufstellung sollte auf einem Betonfundament erfolgen, für welches der Erstbeklagte die statischen Berechnungen vorgenommen hatte. Dabei ging er von einem Gewicht des Mahnmales von 12 Tonnen aus. Nach der Mittagspause des 18. 10. 1973 entschloss sich der Erstbeklagte spontan, zum Aufstellungsort zu fahren und die Aufstellungsarbeiten persönlich zu überwachen.

Der Zweitbeklagte und die ihm unterstellten Hilfskräfte waren vom Erscheinen des Erstbeklagten am Aufstellungsort nicht informiert und konnten sich daher nicht darauf verlassen, nach seinen Anweisungen zu arbeiten. Beim Erscheinen des Erstbeklagten wurde das Monument gerade abgeladen, was keine Schwierigkeiten bereitete, weil vier Anhängeschlaufen einbetoniert waren, welche die Befestigung an einem Viererseilgehänge ermöglichten. Dadurch war das Gesamtgewicht auf die vier Seile gleichmässig verteilt. Nachdem das Monument auf Holzpfosten abgelegt worden war, sollte die schwierigste Arbeit, nämlich das senkrechte Aufstellen des 9,18 m hohen Gebildes erfolgen. Für diese Arbeit konnten nicht mehr die einbetonierten Anhängeschlaufen verwendet werden, weil dadurch die Senkrecht s tellung des Monumentes nicht erreicht worden wäre. Ausserdem musste darauf geachtet werden, dass die Betonkanten durch die schmalen Drahtseile nicht eingeschnitten und solcherart beschädigt würden. Zur Vermeidung solcher Beschädigungen waren Kantenschutzwinkel aus Holz mitgebracht worden.

Über Weisung des Erstbeklagten wurden am obersten Querbalken des Monumentes die beiden Drahtseile angebracht. Die Anbringung der Seile erfolgte durch Ka* und G*. Um eine Reibung der Drahtseile mit den Betonkanten zu vermeiden, wurden an den Anbringungsstellen die mitgebrachten Kantenschutzwinkel untergelegt. Die Anbringung der Drahtseile erfolgte auf ausdrückliche Anordnung des Erstbeklagten im Widerspruch zu den Regeln der Technik und war unabhängig von der Belastung grundsätzlich unzulässig. Sie führte zu örtlichen Verformungen im Seil und erhöhte die Beanspruchungen im Seil, weil sich durch das Zusammenziehen des Seiles beim Anheben der Last der Spreizwinkel erhöhte, wodurch die Belastung des Seiles beträchtlich anstieg. Darüber hinaus kam es bei der gewähl t en Art der Seilbefestigung zu einer hohen Biegebeanspruchung des Seiles und überdies zu einer mechanischen Verletzung mit Entstehung einer Kerbwirkung und einer Querstützschwächung. Weder der für die Aufstellung des Monumentes allein verantwortliche Zweitbeklagte noch der Kranführer F* widersprachen den Anordnungen des Erstbeklagten. Der Erstbeklagte wählte diese grundsätzlich unzulässige Art der Befestigung deshalb, um ein Verrutschen der Seile beim Anheben des Monumentes zu verhindern. Durch ein derartiges Verrutschen hätte nämlich die Gefahr einer Beschädigung der Kanten des Monumentes bestanden.

Nachdem die beiden Tragseile befestigt worden waren, wurde das Monument angehoben und in die senkrechte Lage gebracht. Dabei fiel dem Kranführer auf, dass auf dem Lastanzeiger, der eine Skaleneinteilung aufweist, die Grenzen der Tragfähigkeit nahezu erreicht waren, weil sich der Zeiger zwar noch im weissen Feld, jedoch knapp an der Grenze des roten Feldes bewegte. F* war sich nicht darüber klar, ob das ihm angegebene Gewicht von 12 Tonnen unrichtig war oder ob der Lastanzeiger nicht richtig anzeigte. Aus diesem Grunde verständigte er den Kraftfahrer Ka*, der zu ihm auf den Kran stieg und dabei feststellen konnte, dass der Zeiger des Lastanzeigers zwar noch im Bereiche des weissen Feldes, jedoch an der Grenze zum roten Feld stand. Ka* konnte nicht wahrnehmen, dass F* den Überlastschalter betätigt hätte.

Die Höchsttragfähigkeit eines Kranes von 27,2 Tonnen ist nur dann gegeben, wenn die Auslage des Kranarmes am geringsten ist. Je grösser jedoch die Auslage des Kranarmes wird, desto geringer wird die Tragfähigkeit, weil die Gefahr des Kippens bzw. der Überbeanspruchung einzelner Kranteile mit der zunehmenden Auslage immer grösser wird. Um das Verhältnis zwischen Auslage und zulässiger Belastung kontrollieren zu können, ist ein Lastanzeiger in Verbindung mit einem Überlastschalter vorhanden. Mit Hilfe des Überlastschalters kann der Lastanzeiger überbrückt werden, d.h., es kann trotz angezeigter Überbelastung der Kran weiterhin betätigt werden, während er ohne Betätigung des Überlastschalters automatisch anhalten würde. Vollkommen unabhängig von der geschilderten Einrichtung der Lastanzeige und des Überlastschalters ist die Auswahl der Seile und deren Stärke dem Kranführer überlassen. Er hat je nach dem Gewicht des Ladegutes die entsprechenden Seile auszuwählen, wobei nach dem § 69 der Verordnung über den Schutz von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten, BGBl. Nr. 267/54, die sechsfache Sicherheit gegen Bruch der Seile einzuhalten ist. Da dem Kranführer F* ein Gewicht von 12 Tonnen genannt wurde, wählte er 18 mm starke Drahtseile aus, welche eine rechnerische Bruchlast von 17.900 Kp besassen. Die tatsächliche Bruchlast eines solchen Seiles liegt jedoch etwas tiefer und kann mit 15.2 00 bis 16.1 00 kg angenommen werden. Die Seile entsprachen daher nicht den Vorschriften über die sechsfache Sicherheit, waren aber an sich geeignet, eine Last von 12 Tonnen zu tragen. Hingegen waren sie nicht geeignet, eine Last von 16,8 Tonnen zu tragen.

In der Meinung, dass der Lastanzeiger unrichtig eingestellt sei und die Angaben der Beklagten über das Gewicht des Monumentes richtig seien, hob F* das Monument weiter an. Schon nach kurzem Anheben rissen die beiden Drahtseile in kurzer Aufeinanderfolge und das Monument stürzte aus geringer Höhe zu Boden. Zu diesem Zeitpunkt befand sich niemand unterhalb des Mahnmales. In der Folge neigte sich das Mahnmal langsam und stürzte auf das Führerhaus des Kranes. F* fand nicht mehr Zeit, das Führerhaus zu verlassen; er erlitt einen Schädelbruch mit Gehirnquetschung sowie schwere Kompressionsverletzungen des Rumpfes und wurde auf der Stelle getötet.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, dass eine Haftung der Beklagten (§§ 33 4 Abs. 1, 333 Abs. 4 ASVG) zu verneinen sei, weil ihnen keine grobe Fahrlässigkeit zur Last falle; ein vorsätzliches Handeln scheide von vornherein aus. Die blosse Schätzung des Gewichtes des Mahnmales durch die Beklagten könne im Hinblick darauf, dass die Gewichtsberechnung infolge der Bizarrheit nicht leicht möglich und eine Abwaage des Monumentes wegen der ungewöhnlichen Höhe von 9,18 m nicht ohne weiteres zu bewerkstelligen gewesen wäre, nur als eine Nachlässigkeit minderen Grades beurteilt werden. Auch der Irrtum in der Gewichtseinschätzung könne daher nur eine menschliche Fehlleistung gewesen sein. „Mag den Beklagten überdies noch zur Last liegen, das sie die Seile unsachgemäss anlegen liessen und damit eine weitere Unfallsursache schufen , so ergebe doch die Analyse der Unfallsursache, dass der Unfall nicht (allein) durch Fehler der Beklagten, sondern im Zusammenwirken mit der Vernachlässigung von Sicherheitsvorschriften durch den Getöteten zustande gekommen sei. Hätte der Kranführer nicht gegen die Sicherheitsvorschriften des § 69 BGBl. Nr. 267/5 4 verstossen, wonach die Seile des Krans eine sechsfache Sicherheit hätten haben müssen, und die nach den gesetzlichen Vorschriften für die Hebung einer Last von l 0 bis 12 Tonnen vorgeschriebenen Seile gewählt, dann wäre der Unfall trotz der Fehler der Beklagten unterblieben. Der Unfall sei somit durch eine unglückliche Verkettung verschiedener Ursachen zufälliger Art und von schuldhaft herbeigeführten Fehlern mehrerer Personen, nicht zuletzt auch des Verunglückten selbst, verursacht worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei teilweise Folge. Es bestätigte das erstgerichtliche Urteil in seinem das Klagebegehren gegen den Zweitbeklagten abweisenden Teil, änderte es in seinem das Feststellungsbegehren gegen den Erstbeklagten abweisenden Teil dahin ab, dass die Ersatzpflicht des Erstbeklagten gegenüber der klagenden Partei für sämtliche Aufwendungen aus Anlass des Arbeitsunfalles des F* vom 18. 10. 1973 an dessen hinterlassene Witwe W* sowie die Kinder K*, B* und We* feststellte und es im übrigen, also hinsichtlich der Abweisung des gegen den Erstbeklagten gerichteten Leistungsbegehrens sowie der Verpflichtung der klagenden Partei zum Prozesskostenersatz an diesen, aufhob und die Rechtssache in diesem Umfang zur Vefahrensergänzung und neuerlichen Urteilsfällung an das Prozessgericht erster Instanz zurückverwies.

Nach grundsätzlichen Rechtsausführungen zur Frage der Bindungswirkung des verurteilenden strafgerichtlichen Erkenntnisses gemäss § 268 ZPO, zum Begriff der groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 334 Abs. 1 ASVG und zur Bedeutung eines Mitverschuldens des Versicherten gemäss § 334 Abs. 2 ASVG erwog das Berufungsgericht:

Das Verhalten des Erstbeklagten, das zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung führte, sei als grob fahrlässig im Sinne des § 334 Abs. 1 ASVG zu bezeichnen. Der dem Erstbeklagten unterlaufene Fehler bei der Ermittlung des Gewichtes des Mahnmales könne nicht schwer genug gewertet werden, wenn man bedenke, dass das Gewicht für sämtliche Arbeitsvorgänge, angefangen von der Dimensionierung des Fundamentes bis zur Aufstellung des Mahnmales, daher auch für das Verladen auf dem Sattelaufleger, die Auswahl des Transportmittels und des geeigneten Mobilkrans und insbesondere auch für die Auswahl der geeigneten Seilstärke, von grösster Bedeutung gewesen sei. Wenn schon die bei einfachen Werkstücken übliche Gewichtsberechnung wegen der Bizarrheit des Gebildes als zu kompliziert abgelehnt worden sei, hätte eine Abwaage durchgeführt werden müssen. Gerade die durch Form, Grösse und Gewicht bedingte Aussergewöhnlichkeit des Werkstückes spreche gegen und keineswegs für den Erstbeklagten. Darüberhinaus sei die Schätzung des Gewichtes äusserst leichtfertig vorgenommen worden, da bei dieser bloss die Anzahl der verwendeten Betonkübel, nicht aber auch das Gewicht der Armierung berücksichtigt wurde. Selbst für einen Laien sei unschwer zu erkennen, dass sich das Gewicht eines Stahlbetonkörpers nicht nur aus dem Gewicht des Betons allein ergebe, um so eher also für einen als Bauleiter eingesetzten Ingenieur. Berücksichtige man den frühen Zeitpunkt der Schätzung durch den Erstbeklagten, der bereits bei den statischen Berechnungen für das Betonfundament von dem geschätzten Gewicht des zu errichtenden Mahnmales ausgegangen sei, seine Fachkenntnisse als Ingenieur und seine Position im Betrieb als eines Betriebsleiters, so habe der Erstbeklagte unbedingt damit rechnen müssen, dass die übrigen an der Herstellung des Werkes beteiligten, ihm unterstellten Mitarbeiter sich an dieser Schätzung orientieren würden. Nicht nur dieser offensichtlich auf Bequemlichkeitsgründe zurückzuführende Fehler des Erstbeklagten, sondern auch der im Zusammenhang mit der Seilanbringung unterlaufene zeige, wie wenig der Erstbeklagte der Unfallsverhütung Beachtung geschenkt und wie er sogar zwecks Vermeidung einer Beschädigung des Monumentes in unverantwortlicher Weise eine zusätzliche Gefahrenquelle für die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter geschaffen habe. Die von ihm, um ein Verrutschen der Seile beim Anheben des Monuments zu verhindern und damit der Gefahr einer Beschädigung der Kanten des Werkes zu begegnen, ausdrücklich angeordnete Art der Seilbefestigung widerspreche den Regeln der Technik und sei unabhängig von der Belastung grundsätzlich unzulässig gewesen. Dem Erstbeklagten sei zwar zuzubilligen, dass die unterlassene Überprüfung der Auswahl des Seiles durch den Kranführer für sich allein nicht wesentlich ins Gewicht falle, weil die ausgewählten Seile an sich geeignet gewesen wären, eine Last von 12 Tonnen zu tragen, doch müsse bei dem an den Tag gelegten Ges amt verhalten, seinen Fachkenntnissen und seiner leitenden Stellung dem Erstbeklagten grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden. Durch das Verhalten des Verunglückten könne der Verschuldensgrad des Erstbeklagten nicht herabgesetzt und seine Haftung nicht ausgeschlossen werden. Zwar sei richtig, dass F* durch den am Mobilkran befindlichen Lastanzeiger mit Hilfe der Tragkrafttabelle einen Rückschluss auf das tatsächliche Gewicht der Last hätte ziehen können, doch dürfe nicht übersehen werden, dass der Kranführer vor der undankbaren Aufgabe gestanden sei, zu entscheiden, ob das ihm (vom Erstbeklagten) angegebene Gewicht richtig sei und der Lastanzeiger unrichtig anzeige oder ob die Gewichtangabe unrichtig sei und der Lastanzeiger richtig anzeige. F* habe, zwar unrichtig gehandelt, doch könne dadurch kein Einfluss auf den Verschuldensgrad des Er st beklagten ausgeübt werden. Dies gelte auch für den Verstoss des Kranführers gegen die Sicherheitsvorschrift betreffend die Auswahl des Seils. Das dem Kranführer unterlaufene Fehlverhalten sei primär durch die Fehlschätzung des Gewichtes des Mahnmales ausgelöst worden und sein Verschulden werde dadurch gemindert, dass er trotz der zu Bedenken Anlass gebenden Anzeige des Lastanzeigers eher auf die Richtigkeit der Angabe seines technisch versierten Vorgesetzten vertraute. Der Erstbeklagte habe als ein dem Dienstgeber Gleichgestellter unter Berücksichtigung seines Gesamtverhaltens eine grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 334 Abs. 1 ASVG zu verantworten. Diese rechtliche Beurteilung lasse die Rechtssache in Ansehung des Feststellungsbegehrens entscheidungsreif erscheinen, während sie in Ansehung des Leistungsbegehrens nicht spruchreif sei und der Verfahrensergänzung durch das Erstgericht bedürfe.

Dem Zweitbeklagten könne hingegen grobe Fahrlässigkeit nicht vorgeworfen werden. Eine unsachgemässe Anlegung des Seiles liege ihm nicht zur Last. Er sei zwar vom Erstbeklagten mit der Durchführung des Transportes und der Aufstellung des Mahnmales beauftragt worden, doch sei der Erstbeklagte noch vor Beginn des schwierigsten und gefährlichsten Arbeitsvorganges (des senkrechten Aufstellens des Mahnmales) am Aufstellungsort erschienen, habe sich nicht nur mit dessen Überwachung begnügt, sondern offensichtlich auch dessen Leitung übernommen, als er anordnete, wie die Seile angebracht werden sollten. Auch dürfe nicht übersehen werden, dass der Erstbeklagte der Vorgesetzte des Zweitbeklagten war. Im Hinblick darauf müsse die vom Zweitbeklagten unterlassene Beanstandung der falschen Gewichtseinschätzung durch den Erstbeklagten und dessen die unrichtige Anbringung der Seile betreffende Anordnung einer milderen Beurteilung unterzogen werden. Es sei zwar nicht zu entschuldigen, aber nach den Erfahrungen des täglichen Lebens doch verständlich, dass ein Verhalten eines Vorgesetzten, der noch dazu als akademisch Vorgebildeter offensichtlich höheres technisches Wissen besitze (Betriebsleiter, Bauingenieur), von einem nur die Stellung eines Betriebstechnikers bekleidenden Untergebenen nur ungern einer Kritik unterzogen werde. Dass der Zweitbeklagte die Auswahl des Seiles durch den Kranführer nicht überprüfte, sei offensichtlich darauf zurückzuführen gewesen, dass der Erstbeklagte wenn auch unvorhergesehen am Aufstellungsort erschien und sich nicht mit einer blossen Überwachung begnügte, sondern auch Anordnungen traf. In b ezug auf die unterlassene Abwaage des Mahnmales vor dem Abtransport aus dem Werk und eines Abhebeversuches zwecks annäherungsweiser Ermittlung des Gewichtes, müsse dem Zweitbeklagten zugute gehalten werden, dass zu diesem Zeitpunkt bereits die vom Erstbeklagten aus Anlass der statischen Berechnung für das Fundament vorgenommene Schätzung des Gewichtes des Mahnmales vorlag. Wenn auch der Zweitbeklagte von diesem Schätzungsergebnis ausging und die ihm in diesem Zusammenhang obliegenden Pflichten vernachlässigte, so könne darin ebenfalls ein grob fahrlässiges Verhalten nicht erblickt werden.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes, insoweit damit die Abweisung des Klagebegehrens gegen den Zweitbeklagten bestätigt wurde, erhebt die Klägerin Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne eines klagsstattgebenden Teilurteils, betreffend die Beststellung der Ersatzpflicht des Zweitbeklagten zur ungeteilten Hand mit dem Erstbeklagten, abzuändern und hinsichtlich des Leistungsbegehrens (auch in bezug auf den Zweitbeklagten ) mit Aufhebung vorzugehen.

Der Erstbeklagte bekämpft das berufungsgerichtliche Teilurteil aus den Revisionsgründen des § 503 Z 4 und Z 2 ZPO mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils. Beide Revisionswerber stellen hilfsweise Aufhebungsanträge.

Sowohl der Erstbeklagte als auch die Klägerin haben Revisionsbeantwortungen erstattet, mit denen sie jeweils beantragen, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Die Revision der klagenden Partei bekämpft die Annahme des Berufungsgerichtes, dass, obwohl der Zweitbeklagte die gleichen Fehler wie der Erstbeklagte zu verantworten habe, sein Verhalten (die unterlassene Beanstandung der falschen Gewichtseinschätzung durch den Erstbekagten und der unrichtigen Anbringung der Seile) angesichts seiner Untergebenenstellung eine mildere Beurteilung verdiene und daher grobe Fahrlässigkeit nicht angenommen werden könne. Diese sei aber anzunehmen, da der Zweitbeklagte mit dem Transport und der Aufteilung des Mahnmals beauftragt gewesen s ei und der Unfall auch dann geschehen wäre, wenn der Erstbeklagte nicht zufällig am Unfallsort erschienen wäre.

Die Revision des Erstbeklagten ist der Auffassung, dass im Hinblick auf die völlig ausserhalb des Gewohnten liegende Art des gegenständlichen Arbeitsvorganges kein besonders strenger Maßstab an das Verhalten des Erstbeklagten gelegt und daher grobe Fahrlässigkeit nicht angenommen werden dürfe. Die Unterlassung der genauen Gewichtsermittlung sei nur als auslösendes Moment, zu dem weitere Umstände hinzugekommen seien, anzusehen, doch habe der Erstbeklagte darauf vertrauen dürfen, dass ihm der Werkmeister das richtige Gewicht genannt habe und sich der Kranführer vorschriftsmässig verhalten und beim Anheben der Last die falsche Gewichtsermittlung entdecken würde.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind nicht gerechtfertigt.

Soweit der Erstbeklagte Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens zufolge Nichtaufnahme der von ihm angebotenen Beweise geltend macht, ist er dazu als in erster Instanz obsiegend zwar auch noch im Revisionsverfahren berechtigt, doch kann auf die Rüge nicht weiter eingegangen werden, weil der Revisionswerber nicht darlegt, was sich bei deren Aufnahme für seinen Standpunkt ergeben hätte. Die Mängelrüge ist solchert nicht dem Gesetz gemäss ausgeführt.

Im übrigen sind beide Revisionswerber nicht imstande, eine dem angefochtenen Urteil anhaftende unrichtige rechtliche Beurteilung aufzuzeigen.

Grobe Fahrlässigkeit ist eine Ausserachtlassung der erforderlichen Sorgfalt, die sich aus der Menge der Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als eine auffallende Sorglosigkeit hervorhebt. Der Verstoss gegen das normale Handeln muss auffallend und der Vorwurf der Sorglosigkeit in höherem Mass gerechtfertigt sein. Es ist in jedem Einzelfall mit Bedachtnahme auf die persönlichen Verhältnisse zu prüfen, ob eine auffällige Sorglosigkeit vorliegt. Diese ist dann anzunehmen, wenn sich jemand über grundlegende und leicht erkennbare Vorschriften, aber auch über den Stand der jeweiligen Wissenschaft hinwegsetzt und sein Handeln den Eintritt eines Schadens nicht bloss als möglich, sondern als wahrscheinlich erkennen liess (vgl. SZ 43/80; SZ 42/132, SZ 25/32, EvBl 1966/520, 1973/265, 1972/118 u.a.).

Bei Bedachtnahme auf diese Kriterien ist die Annahme grober Fahrlässigkeit auf Seiten des Erstbeklagten gerechtfertigt. Auf Grund seiner Ausbildung als Fachschulingenieur und seiner leitenden Stellung im Betrieb und im Hinblick auf die Besonderheit der Aufgabe musste der Erstbeklagte um die Bedeutung einer genauen Gewichtsermittlung wissen und durfte sich daher nicht mit einer groben Schätzung der verwendeten Betonmenge zufrieden geben. Dies und die Tatsache, dass der Erstbeklagte die Anbringung der Drahtseile in Widerspruch zu den Regeln der Technik ausdrücklich anordnete, stellt unzweifelhaft klar, dass er einfache und naheliegende Überlegungen, die von ihm nach seiner beruflichen Erfahrung erwartet werden konnten, nicht anstellte oder ihnen gar zuwiderhandelte (vgl. SZ 40/81; SV-Slg 22.242). Demzufolge hat aber der Erstbeklagte grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 334 Abs. 1 ASVG zu verantworten.

Dagegen trifft dies für den Zweitbeklagten nicht zu, weil er nur dies ist entscheidungswesentlich im Unfallszeitpunkt unter der Leitung des an der Unfallstelle erschienenen Erstbeklagte, der dort auch Anordnungen traf, tätig war. Seine tatsächliche Funktion, die für die Qualifikation nach §§ 334 Abs. 1, 33 3 Abs. 4 ASVG massgeblich ist, war zur Zeit, als sich der Unfall ereignete, keine selbständige; er war zu diesem Zeitpunkt nicht Repräsentant des Dienstgebers dies war der Erstbeklagte und war auch nicht „Aufseher im Betrieb (vgl. SZ 26/215, SZ 35/80; ZVR 1968/212, ZVR 1969/325 u.a.; Koziol Haftpflichtrecht II 174 bei Anm. 44-46). Schon aus diesem Grunde kommt eine Haftung des Zweitbeklagten aus dem geltendgemachten Rechtsgrund nicht in Betracht.

Demnach erweisen sich beide Revisionen als nicht berechtigt, weshalb ihnen ein Erfolg zu versagen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 und 52 Abs. 2 (392 Abs. 2 ) ZPO.

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