JudikaturOGH

2Ob93/77 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Mai 1977

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wittmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piegler, Dr. Fedra, Dr. Scheiderbauer und Dr. Kralik als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach G* T*, vertreten durch den Verlassenschaftskurator E* T*, Hausfrau in *, vertreten durch Dr. Otto Haselauer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1) H* N*, Kraftfahrer in *, 2) Ing. Ge* P*, Kaufmann in *, und 3) K*Aktiengesellschaft, *, sämtliche vertreten durch Dr. Eduard Saxinger, Rechtsanwalt in Linz, unter Nebenintervention des J* R*, Bankangestellter in *, vertreten durch Dr. Walter Kunisch, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 100.000,-- s.A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 8. Februar 1977, GZ 4 R 205/76 50, womit infolge Berufung beider Streitteile das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 11. Oktober 1976, GZ 4 Cg 153/74 43, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 3 .614,40 (darin S 178,80 Umsatzsteuer und S 1.200,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

J* R*, G* T*, F* S* und W* To* besuchten in der Nacht vom 1. September auf den 2. September 1972 das * Volksfest. In den frühen Morgenstunden des 2. September 1972 fuhr J* R* mit seinem PKW Marke *, Kennzeichen *, auf der Bundesstrasse 1 von * nach * zurück. In seinem Fahrzeug hatten als Insassen G* T*, F* S* und W* To* Platz genommen. Gegen 4.45 Uhr fuhr J* R* durch die Ortschaft *. Zu diesem Zeitpunkt wollte der Erstbeklagte H* N* mit dem L KW Marke *, Kennzeichen * — Halter war der Zweitbeklagte, Haftpflichtversicherer die drittbeklagte Partei —, aus der unübersichtlichen Zufahrt zu den Häusern * rückwärts fahrend auf die Bundesstrasse gelangen. Dadurch kam es zwischen den von J* R* und H* N* gelenkten Fahrzeugen zu einem wuchtigen Zusammenstoss. Während F* S* kurze Zeit nach dem Unfall an den Folgen der erlittenen Verletzungen starb, erlag G* T* den Verletzungen die er sich bei diesem Unfall zugezogen hatte, am 15. März 1 9 7 3. Auch J* R* und W* To* wurden, verletzt.

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 17. Juli 197 3 , 19 Hv 22/7 3 24, wurden J* R* und H* N* in Beziehung auf den gegenständlichen Unfall schuldig erkannt, und zwar J* R* deshalb, weil er mit dem von ihm gelenkten Fahrzeug im Ortsgebiet mit der überhöhten Geschwindigkeit von etwa 70 km/h fuhr und d urc h Übermüdung zu spät reagierte, wobei er sich vor der Tat fahrlässig in einen alkoholbeeinträchtigten Zustand versetzt hatte, und H* N*, weil er mit dem LKW aus einer unübersichtlichen Sackgasse im Rückwärtsgang auf die Hauptverkehrsstrasse herausfuhr, ohne den dort flutenden Verkehr hinlänglich zu beobachten und ohne sich eines Einweisers bedient zu haben.

G* T* nahm mit der am 22. September 1972 eingebrachten Klage — er wurde durch die mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom 29. September 1972, 2 P 360/72 2 bestellte Kuratorin E* T* vertreten — ursprünglich J* R*, die Wi*-Aktiengesellschaft als dessen angeblichen Haftpflichtversicherer und die drei nunmehrigen Beklagten als Kraftfahrzeuglenker, Halter und Haftpflichtversicherer aus dem Titel des Schadenersatzes als Schuldner zur ungeteilten Hand in Anspruch. Die gegen die Wi*-AG gerichtete Klage wurde zurückgezogen; im Verhältnis zu J* R* trat Ruhen des Verfahrens ein.

G* T* machte einen Schmerzengeldanspruch von S 100.000,-- geltend mit der Behauptung, dass die Schwere der erlittenen Verletzungen diesen Anspruch rechtfertige. Selbst dann, wenn, der von den Bekl agt en erhobene Mitschuldeinwand berechtigt sei, wäre der begehrte Schmerzengeldbetrag gerechtfertigt. Zur Erhebung eines Mitschuldeinwandes seien aber die Beklagten nicht legitimiert. Diesen Einwand könnte nur J* R* erheben, in dessen Fahrzeug G* T* als Insasse mitgefahren sei. Überdies habe er die Alkoholisierung des J* R* nicht erkannt und auch auf Grund der eigenen Alkoholisierung nicht erkennen können.

Die beklagten Parteien machten geltend, dass infolge rechtskräftiger Verurteilung des H* N* zwar dessen Verschulden feststehe, jedoch könne dieses und somit auch die Haftung der zweit und drittbeklagten Partei nur im Umfang von einem Viertel angenommen werden, weil das Eigenverschulden des Getöteten mit ¾ bewertet werden müsse. Dieser habe nämlich den alkoholisierten J* R* zur Rückfahrt nach * gedrängt und sich damit bewusst einem alkoholisierten Fahrer anvertraut. Überdies sei der Schmerzengeldanspruch nicht berechtigt, weil G* T* infolge der sofort eingetretenen tiefen Bewusstlosigkeit jede Schmerzempfindung gefehlt habe.

Das Erstgericht gab, ausgehend von einem Eigenverschulden des Getöteten zur Hälfte und einem Schmerzengeldanspruch von (rechnerisch) S 100.000,--, dem Klagebegehren im Umfang von S 50.000,-- samt Zinsen statt und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Etwa Mitte August 1972 organisierten J* R* und G* T* ein Treffen von * und * Arbeitskollegen der B*. Es war vereinbart worden, anlässlich des * Volksfestes eine Zusammenkunft durchzuführen. J* R* vereinbarte mit G* T*, W* To*, F* S* und einer Arbeitskollegin, mit seinem Personenkraftwagen von * nach * zu fahren, doch erklärte er allen, dass er alkoholische Getränke konsumieren und in derselben Nacht nicht mehr zurückfahren werde. Alle verliessen sich darauf, dass man entweder von * Kollegen zum Übernachten eingeladen werde oder der ihnen bekannte Ra* Br*, der bei der Weinkost an einem Verkaufsstand aushalf, eine Schlafstelle zur Verfügung stelle.

Am 1. September 1972 gegen 9 Uhr morgens rief Ka* Tr*, ein mit G* T* weder Verwandter noch Verschwägerter, den dieser anlässlich der Ableistung des Präsenzdienstes kennen gelernt hatte, aus * an. Er lud G* T* fernmündlich für das Wochenende nach * ein, weil Verlobung gefeiert werden sollte. G* T* erklärte, mit seinen Kollegen bereits vereinbart zu haben, das * Volksfest zu besuchen, stellte aber in Aussicht, am Nachmittag nochmals mit ihm zu reden. Ka* Tr* rief dann am Nachmittag desselben Tages nochmals an, doch erwiderte ihm G* T*, dass die Fahrt nach * schon lange vorbereitet und mit Kollegen vereinbart sei. Es sei auch geplant, in * zu übernachten, G* T* wisse nicht, wie lange er auf dem Volksfest bzw. der Feier bleiben werde. Daraufhin erklärte Ka* Tr* die Verlobungsfeier nicht absagen zu wollen, forderte jedoch G* T* auf, den Besuch zum nächsten Wochenende abzustatten.

Am 1. September 1972 kamen J* R*, G* T*, F* S* und W* To* gegen 22 Uhr am Volksfestgelände in * an, wo man sodann in einer grossen Gesellschaft in einer Bierhalle zusammensass. J* R* trank etwa 2 Halbe Bier, wobei G* T* teilweise neben ihm oder ihm gegenüber sass. Anschliessend begab man sich in eine Weinhalle, wo J* R* mehrere Achtel Wein, zumindest aber e ine Menge von ¾ 1 Wein trank. Auch während dieses Alkoholkonsums befand sich G* T* in unmittelbarer Gesellschaft des J* R*; während dieser Zeit unterhielten sich beide auch miteinander. G* T* trank somit mit J* R* gemeinsam Bier und Wein in solchen Mengen, die ihn erkennen liessen, dass J* R* in einem von Alkohol beeinträchtigten Zustand geriet. Aus dem Gespräch zwischen beiden entnahm dann L* He*, dass J* R* erklärte, es zahle sich nicht mehr aus, nach * zurückzufahren; es sei besser, in * zu bleiben.

Zwischen 2 und 3 Uhr morgens des folgenden Tages begab sich vorerst F* S* zu dem Weinstand, an dem Ra* Br* arbeitete. Schliesslich kamen auch noch J* R*, G* T* und W* To* nach. J* R* ging mit der Absicht zu Ra* Br*, ihn zu fragen ob er eine Möglichkeit für eine Übernachtung hätte. Ehe er aber diese Fragen stellen konnte, erklärte Ra* Br*, dass verschärfte Polizeikontrollen durchgeführt würden und dass s ie alle in seinem Wohnwagen oder im 1. Stock der Volksfesthalle, wo Matratzen gelagert seien, schlafen könnten. Hierauf erwiderte F* S*, J* R* habe ohnehin fast nichts getrunken und sei daher fahrtüchtig. Ausserdem wurde gesagt, dass man ja auch eine Übernachtungsmöglichkeit bei irgendwelchen Sparkassen oder Bankkollegen hätte. Nach Verlassen der Weinhalle bat G* T* den J* R*, er möge ihn nach * zurückfahren, weil er noch am Vormittag nach * fahren wolle, um die * Messe und seinen Neffen zu besuchen. Auf G* T* wiederholte Bitte erklärte J* R*, dass er sich nicht mehr fahrtauglich fühle und deshalb nicht nach * fahren wolle. Schliesslich liess sich aber J* R* von G* T* zur Rückfahrt nach * überreden, weil er ihm als seinem besten Freunde diesen Wunsch nicht abschlagen wollte. W* To* und F* S*, die sich an diesem Gespräch nicht beteiligt hatten; stiegen dann ebenfalls in das Fahrzeug des J* R* ein. Während sich G* T* neben J* R* setzte, nahmen W* To* und F* S* im Fonds des Wagens Platz. Als J* R* auf dem Wege nach * mit 70 km/h durch die Ortschaft * fuhr, war H* N* dabei, mit einem LKW von einer Sackgasse auf die * Bundesstrasse, a u f der sich eben J* R* mit seinem Fahrzeug näherte, im Rückwärtsgang im Schritttempo herauszufahren. Dadurch kam es zur Kollision. Zum Zeitpunkt des Unfalles hatte J* R* einen Blutalkoholgehalt von rund 1 ‰.

G* T* erlitt einen offenen Impressionsbruch des Stirnbeins mit Zerreissung der harten Hirnhaut und des Gehirns, einen offenen Schläfenbeinbruch mit Abriss des Gehörganges und sonstige zahlreiche Wunden im Kopfbereich. Er war bei seiner Einlieferung in das Krankenhaus bewusstlos, die Verletzung von vornherein lebensgefährlich. Er reagierte nicht auf Schmerzreize, wurde unverzüglich den erforderlichen Operationen unterzogen, auf die Intensiv s tation verlegt u n d an einen Respirator angeschlossen. Am 4. September 1972 wurden eine Lumbalpunktion sowie eine Tracheotomie durchgeführt. G* T* war noch immer bewusstlos, doch reagierte er bereits auf Schmerzreize. Am 6. September 1972 reagierte die linke Pupille prompt auf Licht, am 11. September 1972 war er nicht mehr so tief bewusstlos; er bewegte die Extremitäten, die Pupillen reagierten auf Licht. Die Tiefe der Bewusstlosigkeit wechselte in der Folge. Am 18. September 1972 war die Kreislauflage stabil, am Tag darauf konnte die Beatmung abgesetzt werden. Am 21. September 1972 hatte er die Augen geöffnet, die Pupillen reagierten auf Licht. Am 10. Oktober wurde festgestellt, das man auf Anruf den Eindruck habe, dass der Verletzte die Augen langsam öffne; ein Kontakt konnte jedoch nicht hergestellt werden. Nach Verschlechterung des Allgemeinzustandes trat wiederum eine Besserung ein. So öffnete G* T* am 25. Oktober 1972 wiederum die Augen, doch konnte ein näherer Kontakt nicht hergeste l lt werden. Zwei Tage später war aber der Allgemeinzustand wesentlich besser; so öffnete er auf Anrufe die Augen; das gleiche w urde auch am 30. Oktober 1972 festgestellt. Schliesslich konnte es doch zu einem Kontakt mit der Umgebung kommen. So vermochte er in der Folge Anrufen zu folgen, machte Blickwendungen zum Anrufer hin, öffnete zum Teil die Augen und blickte herum, öffnete in der Folge auch den Mund, weshalb versucht wurde, ihm Tee einzuflössen. Am 13. Feber 1973 wurde er als ansprechbar beschrieben und die ihn besuchende Mutter sowie seine Schwester hatten den Eindruck, dass er auch Gefühlsregungen zeige. Während eines Teiles seines Krankenhausaufenhaltes hatte G* T* wohl halbbewusste Schmerzempfindungen, die allerdings nicht an das normale Schmerzbewusstsein oder Schmerzerlebnis heranreichten. Ab Anfang März 1973 verschlechterte sich sein Zustand zusehends, worauf durch ein apallisches Syndrom am 15. März 1973 unfallskausal der Tod eintrat. Hätte G* T* seinen Zustand bewusst erlebt, müssten durch 195 Tage starke Schmerzen angenommen werden.

Rechtlich führte das Erstgericht zunächst aus, dass G* T* als geschädigter Insasse seine Ansprüche im vollen Umfang gegen jeden Haftpflichtigen geltend machen könne, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass neben diesem unter Umständen noch ein anderer hafte. Jeder der Haftpflichtigen sei so ersatzpflichtig, als ob er allein, haftbar sei. So wie sich ein von mehreren Personen gemeinsam Verletzter von jedem der solidarisch haftenden Mittäter sein Mitverschulden einwenden lassen müsse, so müsse bei Beurteilung der Frage des Eigenverschuldens des Verletzten sein Verhalten und die daraus entspringenden Gefahren dem schuldhaften Verhalten der mehreren Schädiger und der sich insgesamt dadurch verursachten Gefahren entgegengesetzt werden. Da nun das Verschulden des J* R* und des H* N* durch das Strafgericht bindend festgestellt sei, müsse nur mehr das Ausmass des Mitverschuldens des Getöteten ausgemittelt werden. Es stehe fest, dass G* T* gemeinsam mit J* R* alkoholische Getränke in solchen Mengen zu sich genommen habe, die ihn erkennen liessen, dass J* R* in einen alkoholbeeinträchtigten Zustand geriet. Da G* T* die Alkoholisierung des J* R* offenbar erkennbar gewesen sein musste und er ihn durch Überreden dazu bewog, die Fahrt trotzdem anzutreten, sei es gerechtfertigt, das Mitverschulden des Getöteten mit der Hälfte zu bemessen.

Bei der Schmerzengeldbemessung müsse berücksichtigt werden, dass die Bewusstlosigkeit verschiedene Helligkeitsgrade hatte, weshalb zu folgern sei, dass G* T* auch Schmerzen erlitten haben müsse. Wenn auch keine volle Klarheit des Bewusstseins eingetreten sei, so müssten doch halbbewusste Empfindungen seelischer und körperlicher Art vorhanden gewesen sein. Der qualvolle Zustand, dem G* T* ausgesetzt gewesen sei, lasse ein Schmerzengeld von S 100.000,-- als angemessen erscheinen.

Das Berufungsgericht erkannte über die von beiden Streitteilen gegen das erstgerichtliche Urteil erhobenen Berufungen dahin, dass es der Berufung der beklagten Parteien nicht und der Berufung der klagenden Partei teilweise Folge gab. Es änderte das Ersturteil auf der Grundlage einer Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 2 zugunsten der klagenden Partei durch Zuspruch von S 66.666,-- s.A. und Abweisung des Mehrbegehrens auf Zahlung weiterer S 33.334 ,-- s.A. ab.

Das Berufungsgericht bezeichnete es (mit Koziol „Österreichisches Haftpflichtrecht“ I, 21 3 ff) als sachgerecht, dass dann, wenn mehrere Personen, darunter auch der Geschädigte selbst, an der Entstehung des Schadens — wenn auch unabhängig voneinander — mitgewirkt haben, zwischen allen diesen Personen ein Ausgleich geschaffen werden müsse. Sei also der Geschädigte an der Entstehung des Schadens mitverantwortlich, so müsse er auch wie einer unter mehreren Schädigern behandelt werden, weil der von ihm zu tragende Schadensanteil nach der Mitverantwortung aller Beteiligten zu bestimmen sei. Werde nun das zum Schaden führende vorliegende Unfallereignis einer Gesamtschau unterzogen, so ergebe sich, dass das Eigenverschulden des Getöteten im Verhältnis zu der vom Erstbeklagten und von J* R* ebenfalls schuldhaft verursachten Gefahr mit etwa ⅓ zu bemessen sei. Das Ausmass des Mitverschuldens eines Fahrgastes, der sich einem Fahrzeuglenker anvertraut, obwohl ihm dessen Alkoholisierung erkennbar war oder erkennbar sein musste, hänge von den Umständen des Einzelfalles ab. Im gegenständlichen Fall müsse davon ausgegangen werden, dass nach den Feststellungen J* R* seine Fahrgäste schon vor der Fahrt nach * darauf hinwies, dass er alkoholische Getränke konsumieren und daher nicht mehr in derselben Nacht nach * zurückfahren wolle. Die Freunde J* R *, unter ihnen der Getötete, hätten sich darauf verlassen, dass ihnen eine Übernachtungsmöglichkeit in * eingeräumt werde, weil sie offenbar von vornherein damit rechneten, dass J* R * in derselben Nacht nicht mehr nach * zurückfahre Auch G* T* sei der alkoholisierte Zustand J* R* nicht verborgen geblieben. Nur durch G* T* wiederholtes Ersuchen habe sich J* R* schliesslich zur Fahrt nach * überreden lassen. Somit habe G* T* die Absichten J* R* entscheidend beeinflusst und also ganz wesentlich zum Schaden beigetragen. Sein Verschulden sei daher mit dem J* R *, der alkoholisiert und übermüdet fuhr und dadurch zu spät reagierte, etwa gleich zu bewerten.

Zum Schaden habe aber auch der unabhängig von den anderen fahrlässig handelnde Erstbekl a gte beigetragen, weil er, ohne sich eines Einweisers z u bedienen und ohne die entsprechende Sicht zu haben, nach rückwärts auf die Bundesstrasse herausgefahren sei. Dieser Verkehrsverstoss sei ebenfalls, und zwar wegen seiner erkennbaren Gefährlichkeit, als besonders leichtfertig zu werten und habe die von J* R * verursachte Gefahrenlage noch wesentlich erhöht. Die das gesamte Ereignis erfassende Betrachtungsweise führe daher zu dem Ergebnis, dass mit Rücksicht auf den schwerwiegenden Verstoss J* R*s und den des Erstbeklagten gegen Schutzvorschriften das diesen Verhaltensweisen gegenüberzustellende Eigenverschulden des Getöteten mit weniger als der Hälfte, nämlich nur mit einem Drittel, angenommen werden könne. Dementsprechend gebühre der klagenden Partei das um den Mitschuldanteil des Getöteten verkürzte Schmerzengeld.

N ach den Feststellungen habe sich G* T* in der Zeit ab dem Unfall keineswegs in einem todesähnlichen Zustand voller Bewusstlosigkeit befunden, sondern es sei der Zustand der Bewusstlosigkeit nach einiger Zeit zunehmend in den Zustand von Bewusstseinsveränderungen übergegangen, welcher Zustand sich auf den grössten Teil der Zeit zwischen Unfall und Leben — am 4. September 1972 habe G* T* bereits auf Schmerzreize reagiert — erstreckt habe. Für den Schmerzengeldanspruch sei aber nicht erforderlich, dass der Verletzte seine Schmerzen mit klarem Bewusstsein erlebt und rational verarbeitet. Die Schwere der Verletzungen und die Länge des Zeitraums, während dessen G* T*, wenn auch bei eingeschränktem Bewusstsein, Schmerzen empfand, lies s en S 100.000,-- als angemessenes Schmerzengeld erscheinen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes „nach seinem ganzen Inhalte“ erheben die beklagten Parteien Revision aus den Gründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des berufungsgerichtlichen Verfahrens und beantragen Abände ru ng dahin, dass der Berufung der klagenden Partei nicht Folge, dagegen der Berufung der beklagten Parteien Folge gegeben und „das S 5.000,-- übersteigende Klagebegehren abgewiesen“ werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, mit der sie beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die beklagten Parteien sind auch in ihrer Revision der Auffassung, dass G* T* das bei weitem überwiegende Verschulden an der Herbeiführung seines Schadens treffe, sodass die Haftung der beklagten Parteien nur mit einem Viertel angenommen werden könne. Worin im gegenständlichen Fall das Verschulden des Erstbeklagten zu sehen ist, habe in Ansehung des Verschuldens des Klägers (G* T*) a usser Ansatz zu bleiben, da das Verschulden des Erstbeklagten und des J* R* am nachmaligen Unfall nicht dem Eigenverschulden des G* T*, welches sich nicht auf den Bereich des Unfalles selbst, sondern nur auf den der Alkoholisierung des J* R* beziehe, entgegengestellt werden könne.

Die Revisionswerber gehen bei diesen und ihren weiteren, ausschliesslich auf den Umfang des Eigen oder Mitverschuldens — diese Worte enthalten nur einen sprachlichen, nicht aber begrifflichen Unterschied — des G* T* abstellenden Ausführungen daran vorbei, dass G* T* als beim Unfall zu Schaden gekommener Insasse eines der beiden beteiligten Fahrzeuge seine Ansprüche im Sinne der §§ 1301, 1302 ABGB, § 8 EKHG in vollem Umfang gegen jeden der beiden Schädiger (J* R* und H* N*), deren Verschulden zudem gemäss § 269 ZPO bindend feststeht, geltend machen kann. Freilich muss sich der Geschädigte (die klagende Partei) von jedem der gemeinsam oder gesondert in Anspruch genommenen Schädiger sein Eigen oder Mitverschulden einwenden lassen (§ 1304 ABGB). Bei der Beurteilung dieses Verschuldensanteils des Gesch ä digten ist sein Verhalten auf die eingewendete, von ihm für den selbst erlittenen Schaden ursächlich gesetzte Komponente hin zu prüfen, d.h. sein Fehlverhalten dem der mehreren Schädiger und der durch das Verhalten aller (der Schädiger und des Geschädigten) verursachten Gefahr gegenüberzustellen (vgl. ZVR 1973/176; SZ 32/24).

Nun steht gemäss § 268 ZPO bindend fest, dass der Unfall, bei dem G* T* die zu seinem späteren Tode führenden Verletzungen erlitt, durch J* R* und den Erstbeklagten verschuldet wurde, und zwar von s e i ten J* R*s dadurch, dass er mit dem von ihm gelenkten Fahrzeug im Ortsgebiet mit der überhöhten Geschwindigkeit von etwa 70 km/h fuhr und durch Übermüdung zu spät reagierte, wobei er sich vor der Tat fahrlässig in einen alkoholbeeinträchtigten Zustand versetzt hatte. Das Verschulden des Erstbeklagten H* N* liegt darin, dass dieser mit dem LKW aus einer unübersichtlichen Sackgasse im Rückwärtsgang auf die Hauptverkehrsstrasse herausfuhr, ohne den dort flutenden Verkehr hinlänglich beobachtet und ohne sich eines Einweisers bedient zu haben. Das Zustandekommen des Unfalls wurde somit von beiden Lenkern durch grobe Verstösse gegen Verkehrsvorschriften bewirkt. Eine Gesamtübersicht des Unfallsgeschehens und des vorangegangenen Verhaltens G* T*s und J* R*s lässt das Verschulden G* T*s gegenüber der Summe des Verschuldens der beteiligten Lenker geringer erscheinen. Dass G* T* J* R* gegen dessen ursprüngliche Absicht zur Fahrt bewog und sich ihm in Kenntnis von dessen Alkoholisierung anvertraute, kann unter den gegebenen Umständen nicht so sehr ins Gewicht fallen, dass es zu einer für die beklagten Parteien günstigeren Schadensteilung führen müsste. G* T* kann daher nicht mehr als ein Drittel Verschulden angelastet werden.

Zutreffend hat das Berufungsgericht, was die Beklagten unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügen, das Vorliegen von Feststellungsmängeln —lägen solche vor, wäre dies unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu rügen — verneint. Den von den Beklagten für erforderlich gehaltenen näheren Feststellungen zur Kollision zwischen den von J* R* und dem Erstbeklagten gelenkten Fahrzeugen kommt im vorliegenden Verfahren — anders als in einem allfälligen Regressprozess gegen J* R* — keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

Zur Höhe des Schmerzengeldes meinen die Revisionswer b er, dass ein Betrag von maximal S 20.000,-- gerechtfertigt wäre, da G* T* höchstens halbbewusst oder minimale Empfindungen möglich gewesen und ihm auch der Wegfall einer positiven Lebensfreude nicht bewusst geworden sei. Dass der Verletzte seine Schmerzen mit klarem Bewusstsein erlebt und rational verarbeitet, ist für den Schmerzengeldanspruch nicht erforderlich (vgl. SZ 44/150).

Ausgehend von den Feststellungen über die Verletzungen G* T*s und seinen Zustand bis zu dem nach 195 Tagen eingetretenen Tod kann ein Schmerzengeld von S 100.000,-- nach dem Gesamtbild nicht als überhöht erachtet werden.

Der unbegründeten Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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