JudikaturOGH

8Ob251/76 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Januar 1977

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fedra, Dr. Benisch, Dr. Thoma und Dr. Kralik als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*, Tischlergeselle, *, vertreten durch Dr. Matthias Ritter, Rechtsanwalt in Leibnitz, wider die beklagten Parteien 1.) F*, Tischlergeselle, *, und 2.) B*gesellschaft, *, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 13.173,51 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 20. Oktober 1976, GZ 2 R 106/76 22, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS. Graz vom 14. Mai 1976, GZ 25 Cg 229/75 16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 2.122,24 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Umsatzsteuer von S 121,60 und die Barauslagen von S 480,--) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 24. März 1975 um ca. 5 Uhr 40 kam es im Ortsgebiet von * auf der Kreuzung der von * kommenden Landesstrasse mit der aus Richtung * einmündenden Gemeindestraße zu einem Zusammenstoß zwischen dem sich der Kreuzung auf der Landesstraße nähernden, vom Kläger gelenkten PKW und dem von rechts aus der Gemeindestraße nach links einbiegenden PKW des Erstbeklagten.

Der Kläger begehrt nach Modifizierung des Klagebegehrens (AS 123) Ersatz eines Schadens von S 21.582,52, sowie S 205,-- an Monatszinsen und S 50,-- an vierteljährlichen Bearbeitungsgebühren. Er macht Alleinverschulden des Erstbeklagten geltend, der ganz links gefahren sei. Der Erstbeklagte habe sein Alleinverschulden an dem Unfall sowohl mündlich als auch schriftlich nach dem Unfall anerkannt.

Die Beklagten behaupten Alleinverschulden des Klägers, bestreiten die Abgabe eines konstitutiven Anerkenntnisses des Erstbeklagten und wenden den F ahrzeugschaden des Erstbeklagten von S 5.000,-- aufrechnungsweise als Gegenforderung ein.

Das Erstgericht, das vom Alleinverschulden des Erstbeklagten ausging, stellte die Klagsforderung mit S 21. 3 47,02 als zu Recht bestehend, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend fest, sprach dem Kläger S 21. 3 47,02 zu und wies ein Mehrbegehren von S 2 3 5,50 sowie eines vierteljährlichen Betrages von S 50,-- ab.

Dieses Urteil blieb im abweisenden Teil unangefochten. Das Berufungsgericht, das von einer Schadensaufteilung im Verhältnisse 1 : 1 ausging, änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Klagsforderung mit S 10.67 3 ,51 als zu Recht bestehend, mit S 10.909,01 als nicht zu Recht bestehend, die Gegenforderung mit S 2.500,-- als zu Recht bestehend und mit S 2.500,-- als nicht zu Recht bestehend feststellte, demgemäß dem Kläger S 8.17 3 ,51 zusprach und das Mehrbegehren von S 1 3 .409,01 abwies.

Gegen den abändernden Teil dieses Urteiles richtet sich die Revision des Klägers aus den Anfechtungsgründen des § 50 3 Z . 2, 3und 4 ZPO. Er stellt die Anträge, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern oder es aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagten stellen den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsverfahren ist nur mehr die Verschuldensfrage strittig.

Die Untergerichte gingen im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Die Landesstraße verläuft in Fahrtrichtung des Klägers (von Osten nach Westen) in einer Linkskurve. Sie ist 5,1 m breit u nd weist im Bereich der Unfallstelle eine Steigung von 7-8 % auf. Die von rechts einmündende Gemeindestraße besteht aus einem Makadambelag. Sie ist bis auf etwa 10 m vor der Einmündung 4,5 m breit und erweitert sich in dem mit ca. 2 % ansteigenden Einmündungstrichter auf 26 m. Im Bereich der Einmündung der Gemeindestraße ist weder ein Wegweiser, noch ein den Vorrang regelndes Verkehrszeichen vorhanden. Die Sicht ist vom Einmündungstrichter der Gemeindestraße in die Anfahrtsrichtung des Klägers durch den Kurvenverlauf der Landesstraße und durch eine ansteigende Böschung eingeschränkt. Eine weitere Sichtbe h inderung besteht bei Annäherung an die Kreuzung aus der Gemeindestraße auch dadurch, daß die beiden Straßen in entgegengesetzter Richtung ansteigen und im Bereich des östlichen Endes des Einmündungstrichters eine Kuppe bilden. Zur Unfallszeit herrschte noch leichte Dämmerung, die aber nicht sichtbehindernd war. Der Kläger näherte sich der Kreuzung auf seiner rechten Fahrbahnhälfte mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h in der Absicht, nach rechts in die Gemeindestraße einzubiegen, und betätigte den rechten Blinker. N och ehe er den Einmündungstrichter der Gemeindestraße erreichte, kam es auf der beschriebenen Fahrbahnkuppe zum Zusammenstoß mit dem ganz links fahrenden PKW des Erstbeklagten, der nach rechts (Westen) blickte und von der Gemeindestraße nach links in die Landesstraße einbiegen wollte. Der PKW des Erstbeklagten stieß mit der rechten Frontseite gegen die rechte Ecke des PKWs des Klägers, der dadurch nach links verschoben wurde. Der Erstbeklagte anerkannte schon an der Unfallstelle kurz nach dem Unfall in Gegenwart des Bruders des Klägers, daß der Unfall auf seine Unaufmerksamkeit zurückzuführen sei und stellte dem Kläger noch am Unfallstag eine schriftliche Erklärung aus, daß er am Unfall die alleinige Schuld trage.

Das Erstgericht, das seine Feststellungen vor allem auf die Parteiaussage des Klägers stützte, lastete dem Erstbeklagten einen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot des § 7 Abs. 2 StVO an, da er die linke Fahrbahnhälfte benützt habe, und war der Ansicht, daß ihn das Alleinverschulden treffe.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, wobei es darlegte, mit der Feststellung der Zusammenstoß habe sich ereignet, noch ehe der PKW des Klägers den Einmündungstrichter der Gemeindestraße erreicht habe, sei vom Erstgericht nicht zum Ausdruck gebracht worden, daß sich der Unfall östlich des Einmündungstrichters der Gemeindestraße ereignet habe, sondern nur, daß der PKW des Klägers im Zeitpunkt des Unfalles noch nicht von der Landesstraße nach rechts in den Einmündungstrichter der Gemeindestraße abgebogen sei. Dies ergebe sich aus der Feststellung über die Lage der Kollisionsstelle im Bereich des östlichen Endes des Einmündungstrichters und aus der Tatsache, daß das Erstgericht bei der Feststellung des Unfallsherganges der Aussage des Klägers gefolgt sei, der die Kollisionsstelle 1,6 m östlich der Bezugslinie, somit 2,40 m westlich des östlichen Endes des Einmündungstrichters angegeben habe. Die durch die Einmündung bedingte Verbreiterung der Gemeindestraße sei daher schon vor dem Unfallspunkt (östlich desselben) deutlich erkennbar gewesen, woraus sich ergebe, daß sich der Unfall innerhalb des Kreuzungsbereiches zugetragen habe. Der Kläger hätte daher schon vor dem Unfallspunkt den Vorrang des von rechts kommenden Erstbeklagten zu wahren gehabt und zwar auch dann, wenn der Erstbeklagte vorschriftswidrig auf der linken Fahrbahnhälfte nach links eingebogen sei. Den Kläger treffe daher ein Mitverschulden, das gegenüber der Verletzung des Rechtsfahrgebotes des Erstbeklagten eine Schadensaufteilung im Verhältnisse 1 : 1 rechtfertige. Dem festgestellten Verschuldensbekenntnis, das der Erstbeklagte nach dem Unfall abgegeben habe, komme nicht die Wirkung eines konstitutiven Anerkenntnisses zu.

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt der Kläger, das Berufungsgericht habe es unterlassen, Beweisergänzungen oder Beweiswiederholungen durchzuführen, um den Sachverhalt allenfalls noch zu klären. Das Erstgericht habe festgestellt, daß sich der Unfall auf der Landesstraße ereignet habe, aber nicht, daß der Unfallspunkt im Kreuzungsbereich liege.

Soweit der Kläger mit diesen nicht sehr deutlichen Ausführungen zur Mängelrüge etwa eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht behauptet, weil es ohne Beweiswiederholung oder Beweisergänzung von den Feststellungen des Erstgerichtes abweichende Feststellungen getroffen habe, so trifft dieser Vorwurf nicht zu. Das Berufungsgericht hat die Feststellungen des Erstgerichtes über die Lage des Unfallspunktes, die es mit dem Bereich der Fahrbahnkuppe am östlichen Ende des Einmündungstrichters der Gemeindestraße näher umschrieben hat, übernommen, und auf die Übereinstimmung dieser Fixierung des Unfallspunktes mit der Parteiaussage des Klägers 1,6 m östlich der Bezugslinie und damit 2,4 m westlich des östlichen Endes des Einmündungstrichtens hingewiesen. Es kann daher keine Rede davon sein, daß das Berufungsgericht von den Feststellungen des Erstgerichtes in diesem Belange abgegangen sei.

Die Frage, ob diese Situierung des Unfallspunktes noch dem Kreuzungsbereich zuzurechnen ist, ist eine Rechtsfrage, auf die bei der Erörterung der Rechtsrüge noch einzugehen sein wird.

Soweit der Kläger unter dem Anfechtungsgrunde der Aktenwidrigkeit die Ausführungen dem Anfechtungsgrunde der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens inhaltlich wiederholt, ist auf obige Ausführungen zu verweisen. Eine Aktenwidrigkeit vermag der Kläger damit nicht aufzuzeigen. So ferne er unter diesem Anfechtungsgr u nde sich gegen die vom Berufungsgericht angenommene Vorrangsverletzung seitens des Klägers sowie dessen Ansicht über das nicht konstitutiv wirkende Verschuldensanerkenntnis des Erstbeklagten wendet, gehören diese Ausführungen zur Rechtsrüge, worauf dort zurückzukommen sein wird.

Auch die Rechtsrüge ist nicht begründet.

Verfehlt ist die Ansicht des Klägers, er sei gemäß § 19 Abs. 6 StVO im Vorrang gewesen, weil der Erstbeklagte aus einer Nebenfahrbahn gekommen sei. N ebenfahrbahn ist auch im Sinne des § 19 Abs. 6 StVO eine neben einer Hauptfahrbahn verlaufende, von dieser jedoch getrennte Fahrbahn einer Straße (§ 2 Abs. 1 Z. 4 StVO). Diesem Begriff ka nn die Gemeindestraße aber nicht unterstellt werden. Soferne er aber der Ansicht ist, daß die Gemeindestraße wegen ihrer geringeren Verkehrsbedeutung eine „Nebenstraße” mit Nachrang sei, so ist der StVO eine derartige Vorrangsregelung fremd. Da nach den getroffenen Feststellungen in der Gemeindestraße vor der Kreuzung kein auf den Vorrang der Landesstraße hinweisendes Verkehrszeichen angebracht war und weder behauptet wurde noch sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Landesstraße eine Vorrangstraße war, findet auf die gegenständliche Kreuzung die Vorrangsregelung des § 19 Abs. 1 StVO Anwendung.

Kreuzung” ist eine Stelle, auf der eine Straße eine andere überschneidet oder in sie einmündet, gleichgültig, in welchem Winkel (§ 2 Abs. 1 Z. 17 StVO). Der Umfang des Kreuzungsbereiches bestimmt sich nach den Abgrenzungen der Überschneidungen der Straßen (vgl. Dittrich Veit Schuchlenz , StVO, Anm. 48 zu § 2). Bei einer trichterförmigen Einmündung gehört die gesamte innerhalb eines Mündungstrichters liegenden Fläche zum Kreuzungsbereich, wobei der Beginn dieses Bereiches in der Regel dort anzunehmen ist, wo die durch die Einmündung bedingte Verbreiterung der Fahrbahn deutlich sichtbar wird (vgl. ZVR 1974/123; ZVR 1975/177; 8 Ob 159/76 u.a.). Nach den getroffenen Feststellungen erfolgte der Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge im Bereich des östlichen Endes des Einmündungstrichters der Gemeindestraße, wie der Kläger nach seiner den Feststellungen zugrundeliegenden Aussage darlegte, 1,6 m vor der Bezugslinie und damit 2,4 m nach dem Beginn der trichterförmigen Erweiterung der Einmündung. Das Berufungsgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß der Unfallspunkt im Kreuzungsbereich liegt. Es trifft daher nicht zu, daß sich der Unfall außerhalb der Kreuzung und somit im Begegnungsverkehr abgespielt habe und daher die Vorrangsregel des § 19 Abs. 5 StVO anzuwenden sei. Seit der Änderung des § 1 3Abs. 2 StVO 1960 durch die StVO Novelle 1964 (tangentiales Linkseinbiegen) bezieht sich der Vorrang auf die ganze Fahrbahn (vgl. ZVR 1968/179; ZVR 1970/105; ZVR 197 3 /24; ZVR 1974/12 3 und 210). D er von links kommende hat daher den Vorrang des von rechts kommenden Verkehrsteilnehmers auch dann zu beachten, wenn sich dieser vorschriftswidrig auf der linken Fahrbahnhälfte bewegt. D er Vorrang geht durch ein vorschriftswidriges Verhalten des im Vorrang befindlichen Verkehrsteilnehmers nicht verloren (vgl. ZVR 1968/179; ZVR 1974/12 3 ). D ies gilt für den von links kommenden Verkehrsteilnehmer ohne Rücksicht darauf, ob er die Kreuzung übersetzen oder nach rechts in die Querstraße einbiegen will. Aus der Linksabbiegeabsicht kann der Kläger für sich keinen Vorrang nach § 19 Abs. 5 StVO ableiten (vgl. ZVR 1968/179). D er Kläger war daher gegenüber dem Erstbeklagten wartepflichtig und hatte dessen Vorrang auf der Kreuzung zu beachten. In der Annahme des Berufungsgerichtes, daß der Kläger den Vorrang des Erstbeklagten verletzt habe, kann daher ein Rechtsirrtum nicht erkannt werden.

D em Erstbeklagten fällt zur Last, daß er die Vorschrift des § 1 3 Abs. 2 StVO mißachtete, wonach auf Kreuzungen beim Linkseinbiegen nach dem Einordnen bis unmittelbar vor die Kreuzungsmitte vorzufahren und am Kreuzungsmittelpunkt links vorbeizufahren ist. Diese Vorschrift ist auch zu beachten, wenn eine Straße deltaförmig einmündet (vgl. ZVR 1968/141; ZVR 1972/41).

Schließlich wendet sich der Kläger noch gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß dem vom Erstbeklagten nach dem Unfall mündlich und schriftlich abgegebenen Ver s chuldensbekenntnisses nicht die Wirkung eines konstitutiven Anerkenntnisses zukomme.

N ach der von der neueren Rechtsprechung vertretenen Ansicht (vgl. ZVR 1969/121 oder 32 3 ; ZVR 1972/11 und 102), die auch vom Schrifttum gebilligt wird (vgl. Mänhardt ZVR 1970, 117 f f ), reicht das Bekenntnis eines wirklichen oder vermeintlichen Verschuldens an einem Verkehrsunfall zur Begründung eines konstitutiven Anerkenntnisses nicht aus. Hiebei war der entscheidende Gesichtspunkt, daß eine Erklärung, an einem Unfall schuld zu sein oder sich schuldig zu fühlen, an sich nur das Bekenntnis eines Fehlverhaltens im Verkehr, also eine einseitige Tatsachen- bzw. Wissenserklärung darstelle. Nur dann, wenn aus der Erklärung allenfalls im Zusammenhang mit den Umständen, unter denen sie abgegeben wurde eindeutig hervorgeht, daß sich der Erklärende zum Ersatz des Schadens ohne Rücksicht auf die Leistungen seines Versicherers verpflichtet, könne ihr die Wirkung eines konstitutiven Anerkenntnisses zukommen. Im vorliegenden Falle hat der Erstbeklagte nur die Erklärung abgegeben, an dem Unfall schuldig zu sein. Die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der Erstbeklagte dem Kläger aus dieser Erklärung nicht zu haften habe, weil ihr nicht die Wirkung eines konstitutiven Anerkenntnisses zukomme, erscheint somit frei von Rechtsirrtum.

Die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensaufteilung erfolgte nicht zum Nachteil des Klägers.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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