6Ob694/76 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lassmann als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sperl und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Samsegger und Dr. Resch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, Chemiker, *, vertreten durch Dr. Leo Häusler, Rechtsanwalt in Leibnitz, wider die beklagte Partei K*, Inhaber eines Realitätenbüros, *, vertreten durch Dr. Leo Kaltenbäck, Rechtsanwalt in Graz, wegen 23.581,55 S samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 31. Mai 1976, GZ 2 R 74/76 39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 15. März 1976, GZ 11 Cg 117/74 34, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 1.814,64 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 116,64 S Umsatzsteuer und 240 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger bringt vor, er sei auf Grund eines Inserates mit dem Beklagten als Inhaber eines Realitätenbüros in Verbindung getreten, weil er nach Österreich übersiedeln und eine Liegenschaft erwerben wollte. Der Beklagte habe ein näher beschriebenes großes Bauernhaus und ein großes und ein kleines Wirtschaftsgebäude mit Grund angeboten und das Haus als sofort beziehbar bezeichnete. Es habe sich um die Liegenschaft EZ *, Katastralgemeinde *, des Grundbuches des Bezirksgerichtes * gehandelt. Nach Verhandlungen in der Kanzlei des Beklagten sei zwischen der Verkäuferin und dem Kläger eine Punktation mit einem Kaufpreis von 280.000 S samt näheren Bedingungen unterfertigt worden.
Hinsichtlich notwendiger durchzuführenden Arbeiten am Objekt (Dachreparatur, Stromanschluß, Wasseranschluß und Heizungseinbau) habe sich der Beklagte in der Folgekorrespondenz bereiterklärt, entsprechende Firmen zu rekommandieren und im Namen des Klägers und nach seinem Wunsch die jeweils erforderlichen Arbeiten zu beauftragen. Nach Detaillierung der Arbeiten ersuchte der Beklagte um Übersendung eines Betrages von 20.000 S auf sein Treuhandkonto bei der *, weil die zu beauftragenden Handwerker vor Inangriffnahme von Aufträgen eine Anzahlung verlangen würden.
In der Folge habe der Kläger an den Beklagten auf sein Treuhandkonto den Betrag von 4.000 sfr. = 23.581,55 S überwiesen.
Als sich herausgestellt habe, daß das Wohnhaus unbewohnbar gewesen sei und auf Grund seines desolaten Bauzustandes in wenigen Jahren zusammenbrechen werde, habe der Kläger Schätzungen und Begutachtungen eingeholt. Deshalb habe der Kläger mittels eingeschriebenen Briefes vom 6. 11. 1973 erklärt, daß die Mängel den ordentlichen Gebrauch des Hauses * verhinderten. Gegenüber der Verkäuferin erklärte er, sich an die Punktation nicht mehr gebunden zu erachten. Gegenüber dem Beklagten erklärte der Kläger mit Brief vom 6. 11. 1973, ihm das Recht zu entziehen, im Namen des Klägers Aufträge an verschiedene Professionisten zu erteilen. Zugleich habe er die Rückzahlung des Treuhanderlages verlangt, worauf aber der Beklagte eine Provisionsrechnung in Gegenrechnung gestellt habe. Letzterer Anspruch sei bestritten worden.
Der Beklagte beantragt kostenpflichtige Klagsabweisung und stellt unter Heranziehung einer Provisionsforderung samt Umsatzsteuer von 25.984 S eine Berechnung an, derzufolge aus der Gegenüberstellung des Treuhanderlages und seines Gegenanspruches ein Saldo zu seinen Gunsten von 2.402,45 S vorliege.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, während das Berufungsgericht dem Klagebegehren stattgab. Fest steht:
Der Kläger nahm die Vermittlungstätigkeit des Beklagten zum Ankauf eines Anwesens in * in Anspruch und schloß schließlich mit der Verkäuferin eine schriftliche Punktation ab, in welcher ein Kaufpreis von 280.000 S vereinbart und bestimmt wurde, daß im Falle des Rücktrittes vom Vertrag der zurücktretende Teil die Zahlung der Käufer- und Verkäuferprovision des Beklagten übernehmen müsse. Im Zuge einer Korrespondenz erklärte sich der Beklagte grundsätzlich bereit, dem Kläger bei der Bezugsfertigstellung des Wohnhauses behilflich zu sein.
Mit Schreiben vom 13. 9. 1973 erteilte der Kläger dem Beklagten den Auftrag, Handwerker anzuwerben, um die notwendigen Reparaturen und Verbesserungsarbeiten (Stromanschluß, Wasseranschluß, Heizungseinbau, Dach- und Dachrinnenreparaturen etc.) durchzuführen.
Mit Schreiben vom 18. 9. 1973 ersuchte der Beklagte den Kläger, ihm treuhändig einen Betrag von 20.000 S auf sein Treuhandkonto Nr. * bei der * für die erforderlichen Anzahlungen bei der Auftragserteilung an die jeweiligen Firmen zu überweisen. Der Kläger überwies am 22. 9. 1973 den Betrag von 4.000 sfr. = 23.581,55 S mit der Widmung „Vorauszahlung für Hausarbeiten “ an das genannte Konto des Beklagten. Dieser hat daraus keine Handwerker bezahlt.
Am 6. 11. 1973 teilte der Kläger dem Beklagten wegen der Unbewohnbarkeit des Wohngebäudes mit, daß er sich an die gefertigte Punktation nicht mehr gebunden erachte und verlangte Rückzahlung des Treuhanderlages. Zugleich entzog der Kläger dem Beklagten das Recht, in seinem Namen Aufträge an die Handwerker zu erteilen.
Mit Schreiben vom 12. 11. 1973 verrechnete der Beklagte gegenüber dem Kläger seinen Provisionsanspruch für die Vermittlertätigkeit und teilte darin mit, daß nach Abzug des Treuhanderlages noch ein restlicher Saldo von 2.402,45 S zugunsten des Beklagten bestünde.
Zur rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes führte das Berufungsgericht aus:
Nach herrschender Rechtsauffassung gelte zwar das Aufrechnungsverbot nach § 1440 Abs. 2 ABGB (richtig: Satz 2) für das Mandat nicht. Das Erstgericht habe aber übersehen, daß diese Ausnahme vom Kompensationsausschluß nur so weit reiche, als sich die Abrechnung auf das Auftrags-bzw. Bevollmächtigungsverhältnis erstrecke. Hinsichtlich aller sonstigen Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten finde dieser Ausschluß nicht statt. Der Machthaber dürfe Forderungen, die er aus sonstigen Rechtsbeziehungen gegen den Machtgeber habe, nicht mit dem kompensieren, was er nach der Abrechnung aus dem Bevollmächtigungsvertrag für den Machtgeber noch in Verwahrung habe.
Der Auftrag des Klägers, für den der Klagsbetrag gegeben worden sei, nämlich die Ermächtigung des Beklagten für den Kläger, Handwerker zu bestimmten Arbeiten aufzunehmen, sei von der zuvor ausgeübten Tätigkeit des Beklagten als Realitätenvermittler zu trennen. Sein Provisionsanspruch aus der Vermittlertätigkeit habe mit diesem Bevollmächtigungsverhältnis nichts zu tun. Forderungen, die dem Beklagten aus dem erteilten Auftrag zustehen würden, habe er nicht behauptet.
Aber selbst wenn man bei diesem Auftrag von einer Fortwirkung des ursprünglichen Vermittlungsauftrages ausgehen wollte, somit ein einheitliches Bevollmächtigungsverhältnis zwischen den Beteiligten annehmen würde, wäre für den Standpunkt des Beklagten nichts gewonnen. Die neue Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vertrete die Auffassung, daß die Nichtanwendung des Kompensationsverbotes bei Mandatsverhältnissen dann nicht gelte, wenn der betreffende Betrag zu einem bestimmten Zweck übernommen worden sei.
Im vorliegenden Rechtsstreit stehe unbekämpft fest, daß der Klagsbetrag treuhändig zu einem genau bezeichneten Zweck (Anzahlung für die aufzunehmenden Handwerker) verlangt, bezahlt und auch übernommen worden sei. Nur im Rahmen einer wegen dieses Zweckes erfolgten Abrechnung könnte daher kompensiert werden. Darüber hinaus bestehe aber das Verbot des § 1440 zweiter Satz ABGB.
Nach diesen Gesichtspunkten habe der Beklagte wegen der Anwendbarkeit des Kompensationsverbotes auf das streitgegenständliche Rechtsverhältnis seine Provisionsforderung aus dem Realitätenvermittlungsgeschäft mit dem Klagsanspruch nicht kompensieren dürfen. Er sei verhalten, den ihm treuhändig übergebenen Klagsbetrag wieder an den Kläger herauszugeben.
Gegen das Urteil zweiter Instanz wendet sich die Revision des Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung erster Instanz abzuändern oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine Vorinstanz zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Rechtsrüge wendet sich vor allem dagegen, daß das Berufungsgericht das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen in zwei Teile zerlegt habe, nämlich in das Mandatsverhältnis und in das Verwahrungsvertragsverhältnis. Dies sei unzulässig, weil die gesamte rechtliche Materie im ganzen gesehen werden müsse. Es sei durchaus denkbar, daß im Rahmen des Maklervertrages auch Nebenleistungen erbracht würden. Im vorliegenden Fall habe es der Makler übernommen, als stillschweigende Nebenleistung zum Maklervertrag selbst für die Bewohnbarmachung des vermittelten Objektes Sorge zu tragen. Es dürfe nicht übersehen werden, daß der Auftrag zur Beschäftigung von Handwerkern eben für das vermittelte Objekt erteilt worden sei. Der Nebenauftrag zur Beschäftigung von Handwerkern als Nebenleistung des Maklers sei nicht als separates Treuhandverhältnis aufzufassen. Das Erstgericht habe richtig erkannt, daß im Rahmen dieses als Ganzes zu sehenden Mandatsvertrages das Aufrechnungsverbot nach § 1440 Abs. 2 ABGB (richtig: Satz 2) nicht gelte.
Die rechtliche Ableitung, auf die es hier ankommt, nämlich die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens des Aufrechnungsverbotes nach § 1440 Satz 2 ABGB, wie sie in der Revision vorgenommen wird, vermag nicht zu überzeugen.
Es mag durchaus sein, daß der Beklagte den Auftrag zur Heranziehung und Auftragserteilung an Handwerker nur im Zusammenhang mit seiner Vermittlertätigkeit im Realitätengewerbe übernommen hat und somit eine Nebenleistung gleichsam als Dienst am Kunden zu übernehmen bereit war. Doch ändert auch ein solches Motiv nichts an der rechtlichen Selbständigkeit einerseits des Maklervertrages und andererseits des Mandatsvertrages, in dessen Rahmen der Beklagte einen Treuhanderlag für die Vorschußleistung an die Handwerker verlangt und erhalten hat. Es entspricht dem Wesen der Treuhand, daß der Treuhänder – und sei es auch im Rahmen eines Mandatsverhältnisses als Nebenleistung – mit dem Treuhanderlag nur nach Maßgabe der Abrede mit dem Treugeber verfahren darf. Dies bedeutet, daß der Treuhanderlag nicht anders verwendet werden durfte als zum Zwecke der Bevorschussung von Handwerkern, denen der Beklagte im Namen des Klägers Aufträge zur Verbesserung des Wohnhauses erteilen sollte. Demgemäß hat das Berufungsgericht rechtlich einwandfrei und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung (SZ 36/151; MietSlg 24.207; JBl 1975, 655) ausgesprochen, daß die Nichtanwendung des Kompensationsverbotes des § 1440 Satz 2 ABGB bei Mandatsverhältnissen dann nicht gilt, wenn der betreffende Betrag zu einem bestimmten Zweck übernommen wurde.
Da die Revision die zutreffende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes nicht zu widerlegen vermag, war ihr ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.