8Ob202/76 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fedra, Dr. Benisch, Dr. Thoma und Dr. Kralik als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T* OHG, *, vertreten durch Dr. Othmar Slunsky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, *, wegen 60.067,-- S samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 26. Mai 1976, GZ 10 R 82/76 35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 25. November 1975, GZ 30 Cg 850/73-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 1.944 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 19. Juli 1972 ereignete sich auf der Bundesstraße * im Gemeindegebiet von * ein Unfall. Dabei wurde der Dreiachsanhänger * der Klägerin beschädigt, weil er mit seinen rechten Rädern im Straßenbankett einbrach.
Die Klägerin begehrt den Ersatz ihres Unfallsschadens im Betrag von 60.067,-- S samt Nebengebühren. Die Bundesstraße sei an der Unfallstelle nur 4,80 m breit gewesen, der Anhänger und dessen Zugwagen hätten eine Breite von 2,50 m gehabt. Deshalb habe der Lenker zwangsläufig die Fahrbahnmitte überfahren und bei Begegnungen wie auch anläßlich des Unfalles nach rechts auf das Bankett ausweichen müssen. Hinweise auf eine höchstzulässige Breite der Fahrzeuge und Belastbarkeit der Bankette habe die Beklagte anzubringen unterlassen. Überdies sei das Bankett von der befestigten Fahrbahn nicht deutlich abgehoben und für den Fahrer nicht erkennbar gewesen.
Die Beklagte bestritt das ihr angelastete Fehlverhalten. Bankette und Fahrbahn seien deutlich zu unterscheiden gewesen. Der Fahrer hätte nicht das Bankett befahren dürfen. Der Unfall sei nur auf dessen unrichtige Fahrweise zurückzuführen.
Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin ab.
Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen: Die Klägerin hatte täglich Harnsäure von * nach * zu transportieren, weshalb täglich ihr Lastwagenzug diese Strecke befuhr. Am 19. Juli 1972 lenkte ihr Dienstnehmer F* einen solchen Zug. Dessen Zugwagen war ein LKW Marke Büssing Kommodore mit einem Leergewicht von 5 bis 6 t und einer Nutzlast von 9 t. Dieser zog einen dreiachsigen Anhänger Marke Augl-Blumhardt mit einem Leergewicht von 4 bis 5 t und einer Nutzlast von 16 t. Das Gesamtgewicht des Zuges betrug etwa 3 5 t.
F* benützte auf seiner Fahrt die Bundesstraße * , die in dem Gebiet, in dem sich der Unfall ereignete, eine befestigte Fahrbahn mit einer Breite von 4,80 bis 5 m hat. Längs dieser Fahrbahn befinden sich Bankette in der Breite zwischen 0,50 und 1 m. Diese Bankette bestanden aus verfestigtem Schotter, Lehm und Erde und waren zum Zeitpunkt des Unfalles nicht neu beschüttet. Auf ihnen standen in Abständen von etwa 3 0 bis 3 5 m ungefähr 3 0 cm außerhalb der befestigten Fahrbahn weiße Holzpflöcke. Längs der Bankette verliefen etwa 0, 3 0 bis 0,40 m tiefe grasbewachsene Straßengräben. Deren Bewuchs ging auch in Dichtung der befestigten Fahrbahn, sodaß auch die Bankette teilweise davon bedeckt waren.
F* fuhr insbesondere bei Gegenverkehr immer möglichst weit rechts, um mit dem 2,50 m breiten Lastzug so wenig wie möglich über der Fahrbahnmitte zu fahren. Unmittelbar vor dem Unfall kam ihm ein Volkswagen entgegen. Dieser wurde nicht am rechten Fahrbahnrand, sondern etwas zur Fahrbahnmitte hin versetzt gelenkt, ohne allerdings die Fahrbahnmitte zu erreichen. F* fuhr sehr weit rechts. Dabei lenkte er den LKW-Zug derart, daß der Anhänger in den Bereich des rechten Banketts kam. Dort sanken dessen rechte Räder etwa 10 cm tief ein, wichen in einem Winkel von ungefähr 10 bis 20 Grad zur Fahrbahnachse nach rechts ab und fuhren in den rechten Straßengraben. Der Anhänger kippte nach rechts um. Dabei wurde die mittlere Achse des dreiachsigen Anhängers herausgerissen und der Anhänger beschädigt. Für dessen Bergung mußte die klagende Partei 2.001,-- S bezahlen und für dessen Instandsetzung 58.066,-- S aufwenden.
Die Fahrbahnbreite von 4,80 bis 5 m Unfallsbereich war durch Verkehrszeichen nicht bekannt gemacht.
Rechtlich lehnte das Erstgericht eine Haftung der Beklagten für die Unfallsfolgen ab. Die Fahrbahn habe sich nicht plötzlich und nicht unvorhersehbar verengt, weshalb keine Pflicht zur Anzeige der Fahrbahnenge bestanden habe. Bankette dienten auch nicht dem Fahrzeugverkehr. Der Lenker des LKW-Zuges hätte wegen der schmalen Fahrbahn unter Bedachtnahme auf den Gegenverkehr nur auf halbe Sicht fahren dürfen, habe dies aber unterlassen und lediglich möglichst weit rechts zu fahren versucht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es übernahm die erstrichterlichen Feststellungen in dem oben wiedergegebenen Umfange, trat der rechtlichen Beurteilung durch das Erstgericht bei und führte ergänzend im wesentlichen aus:
Die Straße als für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zug befindlichen und jenem Verkehr dienenden baulichen Anlagen bestehe aus der Fahrbahn als ihrem für den Fahrzeugverkehr bestimmten Teil sowie den zwischen dieser und dem Straßenrand gelegenen seitlichen, nicht befestigten Teilen, die, soweit sie nicht für besondere Zwecke (wie z.B. Gehsteige, Rad- oder Reitwege und sonstige besondere straßenbauliche Anlagen) vorbehalten sind, als Bankette gelten. Diese seien nicht für den Fahrzeugverkehr bestimmt und kein Fahrzeuglenker sei trotz des in § 7 sowie in § 10 StVO 1960 enthaltenen Gebotes, einem entgegenkommenden Fahrzeug ausreichend nach rechts auszuweichen, mangels dieser Möglichkeit anzuhalten, verpflichtet die außerhalb der befestigten Fahrbahn befindlichen Teile der Straße zum Fahren, Ausweichen oder Anhalten zu benutzen. Hätte sich der Fahrer der Klägerin daran gehalten, wäre es nicht zum Einsinken des Anhängers des von ihm gelenkten Lastzuges gekommen. Außerdem habe trotz der verhältnismäßig geringen Breite der Fahrbahn an der Unfallstelle bei Bedachtnahme auf die Breite des LKW-Zuges bei dessen Begegnung mit einem Volkswagen, auch wenn dieser etwas zur Fahrbahnmitte hin versetzt gelenkt wurde, ohne daß er die Fahrbahnmitte erreichte, keine Veranlassung, geschweige denn die Notwendigkeit bestanden, den LKW-Zug von der Fahrbahn herunter auf das nach den unbekämpften Feststellungen als solches erkennbare Bankett zu lenken. Daher gingen alle Folgen daraus zu Lasten der Klägerin. Hingegen fehle es an einem haftungsbegründenden Verhalten der Beklagten.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Anfechtungsgrund des § 50 3 Z 4 ZPO mit dem Antrag, sie im Sinne der Klagsstattgebung abzuändern.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Es ist davon auszugehen, daß die Klägerin für ihren Unfallsschaden die privatrechtliche Haftung des Bundes als Straßenerhalter in Anspruch nehmen will. Da sich der Unfall am 19. Juli 1972 ereignet hat, ist diese – entgegen dem Standpunkt der Klägerin – nicht nach dem BundesstraßenG 1948, sondern nach den damals in Geltung gestandenen Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes 1971 zu beurteilen. Gemäß § 5 leg. cit. ist der Bund (Bundesstraßenverwaltung), wenn infolge des Zustandes einer Bundesstraße eine Person getötet oder verletzt oder eine Sache beschädigt wurde, zum Schadenersatz nur dann verpflichtet, wenn Organe des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) die Erhaltung der Straße vorsätzlich oder grob fahrlässig vernachlässigt haben. Mit Recht haben die Vorinstanzen ein haftungsbegründendes Verschulden des belangten Straßenerhalters verneint.
Die zutreffende und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ZVR 1960/218, 1961/95, 1964/226, 1969/238, 1971/78, 8 Ob 248/75 u.a.) vertretene Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß das Bankett nicht für den Fahrzeugverkehr bestimmt ist, weshalb es dem Straßenerhalter nicht als haftungsbegründendes Verschulden anzulasten ist, wenn er diesen unbefestigten Teil der Straße (§ 2 Abs 1 Z. 6 StVO) nicht in einer Weise verfestigte, daß er von einem 35 t schweren LKW-Zug befahren werden kann, wird von der Revision nicht mehr bekämpft. Die Revision meint jedoch, der Beklagten die Nichtanbringung eines Verkehrszeichens nach § 50 Z. 8 StVO anlasten zu können. Dem ist zu erwidern, daß das Gefahrenzeichen „ Engpaß” (Straßenenge) nach dem Wortlaut der zitierten Gesetzesstelle eine gefährliche Verengung der Fahrbahn anzeigt. Aus der Legaldefinition schloß Kammerhofer in MGA d StV O 5 Anm. 10 zu § 50 Z. 8 mit Recht, daß übersichtliche und von weiten wahrnehmbare Straßenengen nicht anzuzeigen sind. Umsoweniger kommt, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, eine derartige Anzeigepflicht auf einem weit einsehbaren langen Straßenstück mit einer zwischen 4,80 m und 5 m schwankenden Breite der Fahrbahn in Betracht. Aber auch aus der Nichtanbringung des von der Revision geforderten Fahrverbotszeichens nach § 52 Z. 9 a StVO ist für den Standpunkt der Klägerin nichts gewonnen. Das dem Straßenerhalter nach § 98 Abs. 3 StVO eingeräumte Recht, auch ohne behördlichen Auftrag Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (§ 31 Abs. 1 StVO) anzubringen, bezieht sich nicht auf die im § 44 Abs. 1 genannten Straßenverkehrszeichen, zu denen auch Verbote nach § 52 StVO gehören. Die Anordnung derartiger Verkehrszeichen obliegt vielmehr nach § 43 StVO der Behörde. Die Vollziehung der Agenden der Straßenpolizei ist aber Hoheitsverwaltung und gemäß Art. 11 Abs. 1 Z. 4 B VG Landessache. Die durch die StVO-Novelle 1969 geregelte Bestimmung des § 44 b StVO 1960 räumt unter den dort angeführten Voraussetzungen der Unaufschiebbarkeit dem Straßenerhalter wohl die Befugnis zu entsprechendem Tätigwerden ein, doch sollte ihn nicht eine dementsprechende Pflicht treffen (SZ 46/102, EB III abgedruckt in Drittreich-Veit-Schuchlenz Anm. 2 zu § 44 b StVO).
Abschließend ist festzuhalten, daß der Straßenerhalter auch für die Verletzung der Schutznorm des § 98 Abs. 4 StVO nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit seiner Organe haftet. Gemäß § 98 Abs. 4 StVO hat der Straßenerhalter der Behörde Umstände, die in der Anlage oder Beschaffenheit der Straße begründet sind und für die Erlassung einer Verordnung nach § 43 StVO maßgebend sein können, bekanntzugeben (2 Ob 56/72). Es kann dem belangten Straßenerhalter nicht als haftungsbegründendes Verschulden angelastet werden, wenn er in einer Fahrbahnbreite von 4,80 m bis 5 m nicht einen Umstand erblickte, der ein Fahrverbot für Fahrzeuge mit einer Breite von 2,50 m erfordert hätte. Die gegenteilige Argumentation der Revision vermag nicht zu überzeugen. Schon ihrem Ausgangspunkt, wonach ein Fahrstreifen in jedem Fall 2,50 m breit sein muß, kann nicht gefolgt werden (vgl. z.B. § 9 (1) der Bodenmarkierungsverordnung). Für den rein hypothetischen Fall der Begegnung zweier Kraftfahrzeuge mit der gesetzlich zulässigen Höchstbreite von 2,50 m an der Unfallstelle hat der Gesetzgeber durch die Bestimmung des § 10 StVO Vorsorge getroffen. Wenn aber der Lenker des LKW-Zuges angesichts eines entgegenkommenden Volkswagens, der bei Einhaltung der Verkehrsvorschriften durch die beteiligten Lenker eine gefahrlose Begegnung leicht ermöglicht hätte, den LKW-Zug statt erforderlichenfalls anzuhalten, auf das für ihn erkennbar unbefestigte Bankett lenkte, dann hat die Klägerin die Unfallsfolgen selbst zu tragen.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.