4Ob380/76 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch Dr. Heinrich Orator, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei J*, Inhaber des Unternehmens „R*“ *, vertreten durch Dr. Herwig Hirzenberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, infolge der Revisionen beider Parteien und des Rekurses der klagenden Partei gegen das Urteil und den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3. Juni 1976, GZ 1 R 123, 124/76 26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 16. Februar 1976, GZ 19 Cg 204/76 22, teils bestätigt, teils abgeändert und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
Spruch
I) zu Recht erkannt:
Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
II) den
B e s c h l u s s
gefasst:
1) Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten dieses erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
2) Hingegen wird der Revision der klagenden Partei Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird hinsichtlich der Abweisung des die Veröffentlichung des Entscheidungstenors in der „Wiener Zeitung“ betreffenden Mehrbegehrens aufgehoben und die Rechtssache auch in diesem Umfang an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und Fällung einer neuen Entscheidung zurückverwiesen.
III. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Entscheidungsgründe:
Text
Die klagende Partei ist eine Unternehmervereinigung, die nach ihren Statuten berechtigt ist, Unterlassungsansprüche im Sinne des § 14 UWG für ihre Mitglieder (Rechtsanwälte) geltend zu machen. Der Beklagte übt an dem Standort *, sein Gewerbe mit folgenden Berechtigungen aus:
a) treuhändige Verwahrung und Verwaltung von Vermögen und Vermögenswerten unter Ausschluss der Tätigkeit, die in den Berechtigungsumfang eines gebundenen oder konzessionierten Gewerbes fällt oder den Rechtsanwälten, Notaren, Wirtschaftstreuhändern und Banken vorbehalten ist;
b) Kreditvermittlungen unter Ausschluss von hypothekarischen Sicherstellungen;
c) Handelsagenturen.
Die klagende Partei begehrt den Beklagten schuldig zu erkennen, 1) er möge es unterlassen, geschäftsmäßig, insbesondere in Ausübung des Gewerbes eines Vermögensverwalters (Verwalters der Gesamtverbindlichkeiten seiner Auftraggeber) oder des Gewerbes eines Personalkreditvermittlers
a) mit Gläubigern zahlungsunfähiger Auftraggeber Verhandlungen über die Höhe und die Abstattung dieser Verbindlichkeiten zu führen;
b) Auftraggeber gegenüber Behörden welcher Art immer (insbesondere Finanzbehörden, Sozialversicherungsanstalten, Gerichten, Verwaltungsbehörden und Körperschaften öffentlichen Rechts), zu vertreten, insbesondere namens seiner Auftraggeber Verhandlungen über die Abstattung von Verbindlichkeiten seiner Auftraggeber zu führen und für seine Auftraggeber rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben;
c) Aufträge zu übernehmen, die Tätigkeiten gemäß lit a) oder lit b) zum Gegenstand haben;
d) sich zu Tätigkeiten gemäß lit b) in schriftlichen oder mündlichen Kundgebungen zu erbieten.
Die klagende Partei stellt ferner das Begehren, sie zu ermächtigen, den Entscheidungstenor in den Druckwerken „Die Presse“, „Kurier“ und „Wiener Zeitung“ auf Kosten des Beklagten zu veröffentlichen ((Punkt 2)).
Zur Begründung führt die klagende Partei aus, der Beklagte betätige sich in Wahrheit als Ausgleichsvermittler und führe überdies Verhandlungen mit Finanzbehörden, Sozialversicherungsanstalten, Gerichten, Verwaltungsbehörden und Körperschaften öffentlichen Rechts über zukünftige Zahlungsmodalitäten, Zahlungsfristen und Zahlungstermine, und gebe rechtsverbindliche Erklärungen dazu ab. Der Beklagte verstosse dadurch gegen den § 271 GewO 1973 und gegen den Art VIII Abs 1 lit d EGVG, weil er weder die für die Ausübung des Gewerbes eines Ausgleichsvermittlers erforderliche Konzession besitze noch als Gewerbetreibender berechtigt sei, vor Behörden über die Bereinigung und Abstattungsweise von öffentlichen Abgaben zu verhandeln und Absprachen zu treffen, soweit über derartige Zahlungserleichterungen mittels hoheitlicher Verfügung zu entscheiden sei. Derartige Tätigkeiten seien ausschließlich den berufsmäßigen Parteienvertretern vorbehalten. Durch dieses planmäßige Zuwiderhandeln gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen erziele der Beklagte einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern, zu denen die Mitglieder der klagenden Partei gehörten, und verstoße auf diese Weise gegen die guten Sitten im geschäftlichen Verkehr.
Der Beklagte wandte Unzulässigkeit des Rechtsweges ein, beantragte Klagsabweisung und bestritt die aktive Klagslegitimation mit der Begründung, die Mitglieder der klagenden Partei seien von der Gewerbeordnung ausgenommen, sodass sie nicht Mitbewerber des Beklagten seien. Er habe ausschließlich im Rahmen der ihm erteilten Gewerbeberechtigung gehandelt und befasse sich nicht mit zahlungsunfähigen Schuldnern, sondern allenfalls mit solchen, deren Zahlungen ins Stocken geraten seien.
Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und gab dem Klagebegehren mit der Maßgabe statt, dass es das Mehrbegehren, den Entscheidungstenor auch in den Tageszeitungen „Die Presse“ und „Kurier“ veröffentlichen zu dürfen, abwies. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:
Der Beklagte verwendete bei seiner geschäftlichen Tätigkeit unter anderem Formulare nach dem Muster der Beilage ./A, in deren vorgedrucktem Text er den Empfängern mitteilt, dass er von den namentlich genannten Auftraggebern unter Erteilung entsprechender Vollmachten mit der Verwaltung von dessen Gesamtverbindlichkeiten sowie ferner damit beauftragt worden sei, Verhandlungen mit dessen Gläubigern zu führen. Sein Auftraggeber sei auf Grund eines wirtschaftlichen Engpasses nicht in der Lage, seinen Verbindlichkeiten in der ursprünglich vereinbarten Weise bzw Höhe nachzukommen. Es sei beabsichtigt, für den Auftraggeber Ratenzahlungen zu überweisen und es werde gebeten, genaue Aufstellungen über die Forderung samt Nebengebühren zu übersenden. Im konkreten Fall der Beilage ./A wurde folgender Nachsatz geschrieben: „Im Namen unseres Mandanten ersuchen wir um Verständnis für seine momentane Lage und einer ratenweisen Abstattung zuzustimmen. Wir danken für Ihre Mühewaltung.“
Aus dem Gebrauch eines vorgedruckten Formulares und aus der Anführung der früheren Anschrift des Beklagten, die durchgestrichen und durch einen Stampiglienaufdruck der neuen Anschrift ersetzt wurde, ergebe sich, dass dieses nicht ein mal oder nur einige Male verwendet wurde, sondern laufend in Verwendung stand. Der Beklagte benützte ferner vorgedruckte Vollmachtsformulare, nach deren Inhalt er ermächtigt wird, zum Zwecke der Überprüfung und Regulierung der „Rechts und Vermögensverhältnisse“ des Auftraggebers Erkundigungen einzuziehen und mit den Gläubigern und Schuldnern des Auftraggebers, aber auch mit Finanzbehörden, Sozialversicherungsanstalten, Gerichten, Verwaltungsbehörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts, Verhandlungen über zukünftige Zahlungsweisen durchzuführen, für den Auftraggeber rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben und Zusagen zu machen. Derartige Formulare standen durch längere Zeit in Verwendung, wie sich aus dem Umstand ergibt, dass es sich um vorgedruckte Formulare handelt, auf denen noch die alte Telefon-Nummer des Beklagten aufgedruckt und die neue Telefon-Nummer mit Stampiglienaufdruck beigefügt worden ist. Die neuen Vollmachtsformulare sehen im Text eine Ermächtigung an den Beklagten vor, zur Überprüfung und Regulierung der „Rechts-und Vermögensverhältnisse“ des Auftraggebers Erkundigungen einzuholen und Akteneinsicht zu nehmen, bei sämtlichen Schuldnern und Gläubigern, ebenso bei Rechtsanwälten, Notaren und Wirtschaftstreuhändern, bei Arbeitgebern sowie bei lohn-, gehalt- oder pensionsauszahlenden Stellen; ferner die Ermächtigung, mit den Gläubigern und Schuldnern „Verhandlungen über zukünftige Zahlungsweisen, Fristen und Termine zu führen“ und für den Vollmachtgeber „rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben und Zusagen zu machen“. Am 16. Mai 1974 hat der Beklagte mit der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte namens seines Auftraggebers J* L* eine Ratenvereinbarung geschlossen. Der Beklagte ließ und lässt sich laufend zu Verhandlungen mit der Wiener Gebietskrankenkasse zum Zwecke des Abschlusses von Ratenvereinbarungen ermächtigen. Er hat überdies Aufträge nach dem Muster der Beilage ./A entgegengenommen und durchgeführt und musste sich, um sie zu erhalten, zu ihrer Entgegennahme und Durchführung erbieten.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, schon aus den Bemühungen des Beklagten, Schuldnachlässe zu erreichen, ergebe sich, dass unter den Auftraggebern auch Schuldner gewesen sein müssten, die ihren Verbindlichkeiten nicht mehr in voller Höhe oder auf die vereinbarte Weise nachzukommen in der Lage gewesen seien, sodass sie Nachlässe in Anspruch nehmen mussten. Das Wesen jedes Ausgleiches bestehe aber darin, dass die Gläubiger dem Gemeinschuldner Nachlässe auf ihre Forderungen gewähren. Verhandlungen über die Gewährung solcher Nachlässe seien daher eine Ausgleichsvermittlung. Da der Beklagte die hiefür erforderliche Konzession nicht besitze, trotzdem aber laufend und längere Zeit hindurch Vorschriften des Verwaltungsrechtes übertreten habe, habe er sich einen Wettbewerbsvorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft. Sein Verhalten sei sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Die Veröffentlichung des Entscheidungstenors in der „Wiener Zeitung“ reiche für die Aufklärung der Öffentlichkeit aus.
Das Berufungsgericht bestätigte den in das Urteil aufgenommenen Beschluss des Erstgerichtes über die Verwerfung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und bestätigte ferner das erstgerichtliche Urteil, das in seinem abweislichen Teil unbekämpft geblieben war, hinsichtlich des Unterlassungsgebotes, mit Gläubigern zahlungsunfähiger Auftraggeber Verhandlungen über die Höhe und die Abstattung dieser Verbindlichkeiten zu führen (Punkt I, 1, a) sowie Aufträge zu übernehmen, die derartige Tätigkeiten zum Gegenstand haben (I, 1, c), als Teilurteil. Es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstandes (in diesem Umfang) S 50. 000 ,— übersteigt. Hingegen änderte das Berufungsgericht die angefochtene Entscheidung in den Punkten I 1 lit d und 2 dahin ab, dass es das Mehrbegehren, der Beklagte sei schuldig, es zu unterlassen, sich zu Tätigkeiten gemäß Punkt I, 1, b (Auftraggeber gegenüber Behörden ... zu vertreten, insbesondere ... Verhandlungen über die Abstattung von Verbindlichkeiten seiner Auftraggeber zu führen und rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben) in schriftlichen oder mündlichen Kundgebungen zu erbieten, sowie das Begehren um Urteilsveröffentlichung, abwies, die auf dieses Teilurteil entfallenden Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz dem Endurteil vorbehielt und aussprach, dass der Wert des von der Abänderung betroffenen Streitgegenstandes S 1.000,— übersteigt. Im übrigen (das ist hinsichtlich der obgenannten Punkte I, 1, b, sowie I, 1, c, soweit letzterer die Übernahme von Aufträgen hinsichtlich Tätigkeiten gemäß lit b zum Gegenstand hat, und im darauf entfallenden Kostenausspruch) hob das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes mit der Einschränkung, dass der Beklagte die Formulare laut Beilage ./A zwar „laufend“ in dem Sinn verwendet hat, dass sich deren Gebrauch über einen längeren Zeitraum hinweg erstreckte, jedoch nicht in dem Sinn, dass er sie häufig benützte. Es sei weder die Anzahl der vom Beklagten vorgenommenen Vertretungshandlungen für Zahlungsunfähige noch der Umstand erwiesen, dass dies öfter der Fall gewesen sei. Der Beklagte habe wohl die Absicht gehabt, derartige Tätigkeiten öfters auszuführen. Dass er es tatsächlich getan hätte, sei nicht erwiesen.
In rechtlicher Hinsicht ging das Berufungsgericht davon aus, dass es für die Annahme der Planmäßigkeit ausreiche, wenn der Beklagte gelegentlich für zahlungsunfähige Auftraggeber tätig geworden sei und in seinen gedruckten Formularen für diesen Fall Vorsorge getroffen habe. Der Beklagte habe dadurch die Tätigkeit eines Ausgleichsvermittlers unbefugt ausgeübt, habe sich einen Wettbewerbsvorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft und dadurch gegen den § 1 UWG verstoßen.
Hingegen habe die klagende Partei weder behauptet noch nachgewiesen, dass sich der Beklagte zu einer ihm nicht gestatteten Tätigkeit erboten habe. Dies ergebe sich auch nicht aus dem vorgedruckten Vollmachtsformular. Da nicht erwiesen sei, dass der Kläger die ihm vorgeworfenen Verstöße gegen die Gewerbeordnung und gegen die Vorschriften über Winkelschreiberei öfters vorgenommen habe, sodass sie einem größeren Kreis der Bevölkerung zur Kenntnis gekommen sei, bestehe für die Öffentlichkeit kein Aufklärungsbedürfnis in Form einer Urteilsveröffentlichung. Die Teilaufhebung sei deshalb notwendig, weil das Erstgericht nicht geprüft habe, ob der Beklagte die ihm vorgeworfene Parteienvertretung vor Behörden gewerbsmäßig verrichtet habe. Das Erstgericht werde aber auch mit der klagenden Partei die Notwendigkeit des Nachweises zu erörtern haben, in welchen konkreten Fällen der Beklagte noch vor Gerichten und Verwaltungsbehörden eingeschritten sei. Die Auflage eines den Beklagten dazu ermächtigenden Vollmachtsformulares allein stelle noch keinen Verstoß gegen die Vorschriften über die Winkelschreiberei dar.
Die klagende Partei ficht den Aufhebungsbeschluss mit dem Rechtsmittel des Rekurses und den abändernden Teil des Berufungsurteils ausschließlich hinsichtlich der Abweisung des auf die Veröffentlichung des Entscheidungstenors in der „Wiener Zeitung“ gerichteten Begehrens mit dem Rechtsmittel der Revision an. Im Rekurs beantragt sie, den Aufhebungsbeschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht die Fällung einer neuen Entscheidung aufzutragen. In der nur aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Revision beantragt sie die Abänderung des Berufungsurteiles in dem Sinn, dass das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich der Erteilung der Ermächtigung, den Entscheidungstenor in der „Wiener Zeitung“ zu veröffentlichen, wiederhergestellt wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte ficht das Berufungsurteil in seinem das erstgerichtliche Urteil (nicht auch den Verwerfungsbeschluss) bestätigenden Teil aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag an, das Berufungsurteil in diesem angefochtenen Umfang dahin abzuändern, dass der davon umfasste Teil des Klagebegehrens abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Beide Parteien haben in ihren Revisionsbeantwortungen beantragt, der Revision der Gegenseite den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Zur Revision des Beklagten:
Einen Verfahrensmangel erblickt der Beklagte in dem Umstand, dass von den Untergerichten Feststellungen darüber nicht getroffen worden seien, aus welchem Grund der vom Erstgericht geladene Zeuge Dr. W* W* zur Verhandlung nicht erschienen sei. Dieser bereits in seiner Berufung gerügte Mangel habe den Beklagten daran gehindert, einen auf Kostenersatz abzielenden Antrag im Sinne des § 333 Abs 1 ZPO zu stellen, sodass eine unrichtige Kostenentscheidung gefällt worden sei.
Die Verfahrensrüge versagt jedoch schon deshalb, weil Mängel des Verfahrens erster Instanz dann nicht mehr im Revisionsverfahren geltend gemadt werden können, wenn das Berufungsgericht – den Fall der hier in diesem Zusammenhang nicht in Betracht kommenden Aktenwidrigkeit ausgenommen – bereits erkannt hat, dass der in der Berufung geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vorliegt (ZBl 1922, 213; JBl 1972, 569; 4 Ob 549/75 u. v. a.). Da der Beklagte diesen angeblichen Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens bereits erfolglos gerügt hat, ist die neuerlich erhobene Verfahrensrüge unberechtigt.
Aktenwidrig soll nach Meinung des Beklagten die angefochtene Entscheidung deshalb sein, weil das Berufungsgericht „festgestellt“ habe, es bestanden keine Bedenken gegen den Schluss des Erstgerichtes, der Beklagte habe auch zahlungsunfähige Parteien vertreten wollen. Diese „Feststellung“ sei durch keine Zeugenaussage belegt und lasse überdies das Schreiben des Beklagten vom 26. August 1974 außer Acht, in welchem der Beklagte den Rechtsanwalt Dr. G* davon in Kenntnis gesetzt habe, dass der Beklagte für Frau G* nicht mehr tätig werden könne.
Eine Aktenwidrigkeit liegt jedoch nur dann vor, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen wurden, das heißt, wenn der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolles oder eines sonstigen Aktenstückes unrichtig wiedergegeben und infolgedessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde. In der Gewinnung tatsächlicher Feststellungen durch Schlussfolgerungen liegt selbst für den Fall der Unrichtigkeit dieser Folgerungen keine Aktenwidrigkeit begründet. Beruhen sie auf einem mangelhaften Verfahren oder auf einer unlogischen Gedankentätigkeit, so können sie den Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens oder der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bilden (Arb 7377; JBl 1955, 503; 7 Ob 182/75 u. v. a.; Fasching IV, 318 f). Dass die geltendgemachte Unrichtigkeit der Schlussfolgerungen auf einem Verfahrensmangel beruhe, wurde nicht behauptet. Ob sie auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruht, wird im Rahmen der Erörterung der Rechtsrüge untersucht werden.
Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wendet sich der Beklagte gegen die auf einer Verkennung des Unterschiedes zwischen Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsstockung zurückzuführende Auffassung der Untergerichte, er habe zahlungsunfähige Parteien vertreten. Aus der bloßen Verwendung von Formularen könne auf eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit vertretener Personen nicht geschlossen werden. Die bloße Übernahme von Aufträgen verstoße selbst dann nicht gegen die Bestimmungen des UWG, wenn sie nicht ausgeführt werden dürften.
Mit diesen Ausführungen wendet sich der Beklagte gegen die Annahme der Untergerichte, er habe Geschäfte eines Ausgleichsvermittlers geführt. Um diese Frage beantworten zu können, ist es notwendig, Inhalt und Umfang der Ausgleichsvermittlung darzulegen. Die gewerbsmäßige Ausgleichsvermittlung war bis zum Inkrafttreten des VEG als „Privatgeschäftsvermittlung“ eine von den gewerberechtlichen Vorschriften ausgenommene Tätigkeit. Im Jahre 1925 wurde sie zum konzessionierten Gewerbe erklärt. Diese Regelung wurde in der Gewerbeordnung 1973 beibehalten (§ 130 VI). Zur Tätigkeit der Ausgleichsvermittlung wird in den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage über die Gewerbeordnung 1973 (395 BlgNR 13 GP, 239) ausgeführt, dass sie dort ihre Grenze findet, wo in die den Rechtsanwälten vorbehaltenen Tätigkeiten eingegriffen würde. Zugleich wird die Vermittlerrolle, die dem Ausgleichsvermittler zukommt, hervorgehoben. Seine wesentliche Aufgabe besteht darin, den Vermögensstatus des an ihn herantretenden Schuldners festzustellen und Vorschläge zur ausgleichsweisen Bereinigung der schwebenden Forderungen zu erstatten. Der Ausgleichsvermittler ist auch befugt, in direkte Verhandlungen mit den einzelnen Gläubigern zu treten und deren Zustimmung zum Ausgleichsvorschlag einzuholen. Die Tätigkeit des Ausgleichsvermittlers wird im Interesse und in Vertretung des Schuldners entfaltet und erstreckt sich auf die außergerichtliche Vorbereitung eines Ausgleichs oder auf die Vermittlung eines aussergerichtlichen Ausgleichs. Der Ausgleichsvermittler ist zu einer mit der Vermittlung des Ausgleichs im Zusammenhang stehenden wirtschaftlichen Beratung seines Auftraggebers jedenfalls befugt (ÖBl 1975, 37 und die dort zitierte Judikatur und Literatur).
Im gegenständlichen Fall ist der Beklagte, wie unbestritten ist, zur Ausübung der gemäß dem § 271 GewO der Konzessionspflicht unterliegenden Ausgleichsvermittlung nicht berechtigt. Nach den Feststellungen der Untergerichte hat er zahlungsunfähige Schuldner zu dem Zweck vertreten, in Verhandlungen mit deren Gläubigern Ratenvereinbarungen und andere Zahlungsmodalitäten zu erreichen. Er hat den Gläubigern mitgeteilt, dass sein Kunde „auf Grund eines wirtschaftlichen Engpasses nicht in der Lage sei, seine Zahlungsverpflichtungen in der ursprünglich vereinbarten Weise und Höhe nachzukommen.“ Der aus der Verwendung dieses vorgedruckten Formulares von den Untergerichten gezogene Schluss, es habe sich bei den Kunden (Auftraggeber) um zahlungsunfähige Schuldner gehandelt, beruht nicht auf einem unlogischen Gedankengang oder auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung des Begriffes der Zahlungsunfähigkeit. Der Wortlaut des verwendeten Formulares lässt es naheliegend erscheinen, dass die Auftraggeber des Beklagten mangels bereiter Zahlungsmittel ihre fälligen Schulden nicht zahlen konnten, sodass um eine Änderung der Zahlungsmodalitäten und um einen Nachlass angesucht wurde. Die vom Beklagten hiebei entfaltete Tätigkeit ist als Bemühen um die Vermittlung eines aussergerichtlichen Ausgleichs aufzufassen und widerstreitet der Gewerbeordnung, da der Beklagte die hiezu erforderliche Konzession nicht besitzt. Dieses Vorgehen begründet aber auch einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG, wenn es dauernd und planmäßig geschieht, um einen Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen ( Hohenecker-Friedl , Wettbewerbsrecht 83; ÖBl 1974, 106, ÖBl 1974, 9; 4 Ob 338, 339/76 u. v. a.).
Diese Voraussetzungen treffen auf den vorliegenden Fall zu, wie sich aus dem Umstand ergibt, dass der Beklagte für diesen Zweck vorgedruckte Formulare einen längeren Zeitraum hindurch laufend verwendet hat. Die vom Berufungsgericht getroffene Feststellung, es sei nicht erwiesen, dass dies öfters geschehen sei, vermag an der Planmäßigkeit und an der sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Übertretung der Bestimmungen der Gewerbeordnung nichts zu ändern. Der Vorteil, den sich der Beklagte vor den gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft hat, liegt darin, dass er das Gewerbe eines Ausgleichsvermittlers ausgeübt hat, ohne die dazu erforderliche Konzession zu besitzen. Sein Verstoß liegt aber nicht nur in der Ausführung derartiger Aufträge, sondern auch in deren Übernahme begründet, sodass die Untergerichte dem Klagebegehren zu I a und c (letzteres, soweit es Tätigkeiten im Sinne der lit a betrifft) mit Recht stattgegeben haben. Die Revision des Beklagten musste daher erfolglos bleiben.
Zum Rekurs der klagenden Partei:
Die Rekurswerberin vertritt die Auffassung, der Beklagte habe durch seine Vertretung vor Behörden nicht nur gegen den Art VIII Abs 1 lit d EGVG, sondern auch planmäßig gegen die Vorschriften über die Ausübung des Vermögensverwaltergewerbes verstoßen. Da dies in Ausübung des Gewerbes des Beklagten geschehen sei, liege auch das Tatbestandsmerkmal der Gewerbsmäßigkeit im Sinne des Art VIII Abs 1 lit d EGVG vor. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht der Wiener Gebietskrankenkasse den Charakter einer Behörde nicht zuerkannt.
Dieser Auffassung kann jedoch nicht zur Gänze zugestimmt werden. Nach den Feststellungen hat der Beklagte ein einziges Mal vor der Wiener Gebietskrankenkasse eine Ratenvereinbarung getroffen. Ob er auch in anderen Fällen vor diesem oder einem anderen Sozialversicherungsträger einen Auftraggeber vertreten hat, wurde nicht festgestellt. Die weitere Feststellung, er sei laufend zu Verhandlungen mit der Wiener Gebietskrankenkasse zum Zwecke des Abschlusses von Ratenvereinbarungen ermächtigt worden, lässt zwar weitere Vertretungshandlungen vermuten, vermag die fehlenden Feststellungen über solche Handlungen jedoch nicht zu ersetzen. Die bloße Entgegennahme der Vollmacht zu einer unerlaubten Vertretungstätigkeit ist, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nicht gesetzwidrig (EvBl 1976/234).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes ist jedoch, wie die Rekurswerberin richtig darlegt, die Wiener Gebietskrankenkasse als Träger der Sozialversicherung eine Behörde im Sinne des Art VIII Abs 1 lit d EGVG. Darunter sind nicht nur die in Art II EGVG genannten Behörden zu verstehen, weil der eingeschränkte Behördenbegriff des Art VI Abs 1 EGVG nur für den Bereich des AVG und des VStG Anwendung zu finden hat; es sind darunter vielmehr alle jene Behörden zu verstehen, deren Tätigkeit der Republik Österreich rechtlich zuzurechnen ist ( Hellbling , Verwaltungsverfahrensgesetz, I, 81; Mannlicher-Quell , Das Verwaltungsverfahren 8 , 122). Eine Behörde ist eine mit Befehls- und Zwangsgewalt (Imperium) ausgestattete Einrichtung. Entscheidend ist ihre Funktion, nicht ihre organisatorische Stellung im Verwaltungsapparat. Nur eine Verwaltungsbehörde kann Bescheide erlassen ( Hellbling a. a. O., 94; Antoniolli , Allgemeines Verwaltungsrecht, 143; Merkl , Allgemeines Verwaltungsrecht, 306; Adamovich , Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechts 5 , I, 50). Diese Voraus s etzungen treffen auf die Träger der Sozialversicherung, die vom Gesetzgeber mit Aufgaben der Bundesvollziehung beauftragt und mit Hoheitsrechten ausgestattet worden sind, zu, sodass deren Tätigkeit insoweit der Republik Österreich zuzurechnen ist. (VerfGHSlg 4591/1963). Dies ergibt sich insbesondere aus der Verpflichtung der Versicherungsträger, in Leistungssachen (§ 367 ASVG) und in Verwaltungssachen (§ 410 ASVG) Bescheide zu erlassen.
Daraus ist für den vorliegenden Fall zu folgern, dass der Beklagte in dem einen festgestellten Fall vor einer Behörde im Sinne des Art VIII Abs 1 lit d EGVG eine Partei vertreten hat. Ob er aber den Vorschriften über die Winkelschreiberei zuwidergehandelt und damit auch gegen den § 1 UWG verstoßen hat, kann nach den bisherigen Verfahrensergebnissen noch nicht abschließend beurteilt werden, weil das Erstgericht zur Frage der Gewerbsmäßigkeit keine Feststellungen getroffen hat. Gewerbsmäßig ist eine regelmäßig und nachhaltig in der Absicht auf Gewinn entfaltete Tätigkeit ( Hellbling a. a. O. 80), wobei dieses Erfordernis im Einzelfall vor allem aus dem Umfang der Vertretungshandlungen und der längeren Zeitspanne, in welche sie fallen, zu erschließen ist (EvBl 1976/234; EvBl 1954/282 u. a.). Wenn das Berufungsgericht, wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist, die Auffassung vertritt, der Sachverhalt sei nicht vollständig geklärt, um das Vorliegen der Gewerbsmäßigkeit abschließend beurteilen zu können, so ist es dem Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, versagt, dieser Auffassung entgegenzutreten ( Fasching IV, 414; JBl 1975, 549; SZ 43/167 u. v. a.). Die näheren Umstände der festgestellten Vertretung sowie die Frage, ob der Beklagte nicht auch in anderen Fällen vor Behörden Parteien vertreten hat, wurde vom Erstgericht nicht geklärt, sodass sich die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung im gegenständlichen Umfang als notwendig erweist.
Der von der klagenden Partei gegen den Beklagten erhobene Vorwurf der unerlaubten Parteienvertretung vor Behörden wurde vor dem Erstgericht ausschließlich auf den Art VIII Abs 1 lit d EGVG und auf das – allerdings insoweit außer Kraft gesetzte (vgl EvBl 1976/234) – Hofkanzleidekret vom 5. Februar 1847 gestützt, sodass ein den geltend gemachten Unterlassungsanspruch allenfalls begründender weiterer Verstoß, wie er nun im Rekurs erstmals behauptet wird, nicht zu berücksichtigen ist.
Dem Rekurs der klagenden Partei konnte daher ein Erfolg nicht beschieden sein.
Zur Revision der klagenden Partei:
Durch die Urteilsveröffentlichung soll eine durch die wettbewerbswidrige Handlung hervorgerufene unrichtige Meinung des Publikums richtiggestellt und verhindert werden, dass sie weiterhin um sich greift. Die Urteilsveröffentlichung dient daher der Aufklärung des durch die wettbewerbswidrige Handlung irregeführten Publikums. Die Berechtigung eines solchen Begehrens hängt somit davon ab, ob ein schutzwürdiges Interesse der klagenden Partei an der Aufklärung des Publikums besteht (ÖBl 1975, 45; 4 Ob 335/76; 4 Ob 369/76 u. a.).
Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich des Teilurteils vor, weil das Publikum ein Informationsbedürfnis über die fehlende Berechtigung des Beklagten besitzt, mit Gläubigern zahlungsunfähiger Auftraggeber Verhandlungen über die Höhe und die Abstattung dieser Verbindlichkeiten zu führen. Diesem Informationsbedürfnis kann nur im Wege der Urteilsveröffentlichung Rechnung getragen werden. Da aber über den aufgehobenen Teil des Unterlassungsanspruches der klagenden Partei noch nicht entschieden worden ist, musste zur Vermeidung von allenfalls zwei Urteilsveröffentlichungen der die Abweisung des noch unerledigten Veröffentlichungsbegehrens betreffende Teil des angefochtenen Urteils aufgehoben und die Rechtssache auch in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen werden. Dieses wird im Endurteil auch über das noch offene Veröffentlichungsbegehren unter einem abschließend zu entscheiden haben.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40, 50, 52 ZPO begründet.