1Ob76/75 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Wurzinger, Dr. Schragel und Dr. Petrasch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) H*, 2.) E*, beide *, beide vertreten durch Dr. Helmut A. Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Gemeinde M* vertreten durch Dr. Alois Fuchs, Rechtsanwalt in Landeck, wegen Unterlassung (Streitwert 25.000 S) infolge Revisionsrekurses und Rekurses der klagenden Parteien gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes und Berufungsgerichtes vom 12. März 1975, GZ. 2 R 81, 82/75 9, womit der Beschluß und das Versäumungsurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 24. Jänner 1975, GZ. 24 Cg 700/74 5, abgeändert bzw. aufgehoben wurden, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
1.) Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck, mit dem der Beschluß des Erstgerichtes über die Zurückweisung der Klagebeantwortung der beklagten Partei ersatzlos aufgehoben wurde, aufgehoben und der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt.
2.) Dem Rekurs gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck, mit dem das vom Erstgericht erlassene Versäumungsurteil aufgehoben und die Rechtssache zur Fortsetzung der Verhandlung an das Prozeßgericht zurückverwiesen wurde, wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.
3.) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Kläger begehren, gestützt auf die Bestimmung des § 364 ABGB und die Behauptung, daß es sich um keine genehmigte Anlage im Sinne des § 364 a ABGB. handle, von der beklagten Partei, der Gemeinde M*, die Entzündung von Müll auf dem nordöstlich des Hauses M*, im wesentlichen auf dem Grundstück KG * gelegenen Müllablagerungsplatz, ausgenommen an einem Tag im Frühjahr und an einem Tag im Herbst eines jeden Jahres unter Beteiligung der Feuerwehr, zu unterlassen. Bei der ersten Tagsatzung erschien der Bürgermeister F* persönlich, dem die Klagebeantwortung bis 17. 12. 1974 aufgetragen wurde. Am 16. 12. 1974 langte beim Erstgericht auch eine von Rechtsanwalt Dr. Alois Fuchs unterfertigte Klagebeantwortung ein, der eine vom Bürgermeister der beklagten Partei und zwei Gemeinderäten unterschriebene Vollmacht beilag. Der Erstrichter ordnete die mündliche Streitverhandlung für den 21. Jänner 1975 an und übermittelte Dr. Alois Fuchs die Vollmacht mit der Aufforderung, sie durch Beisetzung des Gemeinderatsbeschlusses auf Genehmigung der Prozeßführung zu ergänzen und zur Streitverhandlung wieder vorzulegen. Bei der Tagsatzung am 21. Jänner 1975 stellte der Erstrichter fest, daß innerhalb der gesetzten Frist die Verbesserung des Mangels der Vollmacht durch Beisetzung des Gemeinderatsbeschlusses mit Genehmigung der Prozeßführung nicht erfolgt sei. Dr. Alois Fuchs bzw. sein Anwärter brachte vor, daß die Vollmacht zur Prozeßführung ausreiche, beantragte Abweisung des Klagebegehrens wie in der Klagebeantwortung und wendete Unzulässigkeit des Rechtsweges ein. Die Kläger beantragten Fällung eines Versäumungsurteiles.
Das Erstgericht wies die Klagebeantwortung zurück und fällte antragsgemäß das Versäumungsurteil im Sinne des Klagebegehrens. Gemäß § 54 Abs. 1 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 (TGO) seien Vollmachten durch den Bürgermeister und zwei Mitglieder des Gemeindevorstandes zu fertigen, aber auch mit dem Vermerk des Beschlusses des Gemeinderates oder Gemeindevorstandes zu versehen; letzteres sei trotz gewährter Frist zur Verbesserung nicht geschehen. Bei fehlender Ermächtigung zur Prozeßführung liege Nichtigkeit vor, so daß die Klagebeantwortung als nichtig zurückzuweisen sei. Die Zulässigkeit des Rechtsweges sei gegeben. Die Verpflichtung der Gemeinden zur Beseitigung des Mülls gehöre zwar nach den §§ 3, 19 des Tiroler Abfallbeseitigungsgesetzes, LGB1 1972/50, in den Bereich der Hoheitsverwaltung, doch stelle nach den Klagsbehauptungen, von denen auszugehen sei, die Müllablagerungsstätte keine genehmigte Anlage dar; auch hätten sich die Parteien nach den Klagsbehauptungen auf das zweimalige jährliche Abbrennen von Mist vorläufig geeinigt. Das Klagebegehren sei auch schlüssig.
Dem Rekurs und der Berufung gegen den Beschluß und das Versäumungsurteil des Erstgerichtes legte Dr. Alois Fuchs nunmehr die Vollmacht mit der Bestätigung bei, wonach der Gemeinderat von M* mit Beschluß vom 3. 2. 1975 die Prozeßführung gegen die Kläger genehmigt habe. Das Oberlandesgericht Innsbruck hob den erstgerichtlichen Beschluß über die Zurückweisung der Klagebeantwortung und das Versäumungsurteil auf, wies die Rechtssache zur Fortsetzung der Verhandlung an das Prozeßgericht zurück und sprach aus, daß das Verfahren in erster Instanz erst nach eingetretener Rechtskraft des das Versäumungsurteil aufhebenden Beschlusses fortzusetzen sei. Nach § 54 Abs. 1 TGO 1966 werde die Gemeinde nach außen durch den Bürgermeister vertreten. Nach Abs. 2 seien Urkunden, mit denen die Gemeinde privatrechtliche Verpflichtungen übernehme, vom Bürgermeister gemeinsam mit zwei weiteren Mitgliedern des Gemeindevorstandes zu unterfertigen; in der Urkunde sei der Beschluß des Gemeinderates oder des Gemeindevorstandes anzuführen. Die in Rede stehende Vollmachtsurkunde stelle zwar eine Urkunde dar, in der die beklagte Partei privatrechtliche Verpflichtungen übernommen habe; der Bestimmung des § 54 Abs. 2 TGO komme aber nur für das Innenverhältnis zwischen der beklagten Partei und dem Beklagtenvertreter Bedeutung zu; für das Außenverhältnis gegenüber Gericht und gegenüber Parteien, also für den verfahrensrechtlichen Zweck der Prozeßführung im Rahmen der Anforderungen der Zivilprozeßordnung, habe nach § 54 Abs. 1 TGO die Unterschrift des Bürgermeisters allein ausgereicht. Das Erfordernis einer besonderen Ermächtigung zur Prozeßführung sei den Bestimmungen der Tiroler Gemeindeordnung 1966 nicht zu entnehmen. Daß zwischen Vollmacht im Innenverhältnis und der Prozeßvollmacht im Sinne des § 31 ZPO im Außenverhältnis gegenüber Gericht und Parteien klar zu unterscheiden sei, ergebe sich aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 2 erster Halbsatz ZPO, aber auch daraus, daß eine Beschränkung der im § 31 Abs. 1 Z. 1 ZPO bezeichneten Befugnisse wirkungslos sei. Insoweit müsse die vertretene Partei auch eine im Innenverhältnis verbotswidrige Prozeßführung des von ihr mit Prozeßvollmacht ausgestatteten Rechtsanwaltes gegen sich gelten lassen, das Verbot im Innenverhältnis wäre für den prozessualen Bereich des Außenverhältnisses gegenüber Gericht und Prozeßgegner wirkungslos. Das Prozeßgericht habe nicht etwa die verfahrensrechtliche Möglichkeit zu prüfen, ob einer Prozeßvollmacht allenfalls materiellrechtlich ein unter dem Einfluß eines Willensmangels zustande gekommener Bevollmächtigungsvertrag zugrunde liege. Gewiß sei die Tiroler Gemeindeordnung 1966 ein "politisches Gesetz" im Sinne des § 867 ABGB, doch komme auch den sich aus dieser Gesetzesstelle ergebenden Beschränkung der rechtlichen Fähigkeit von Gemeindeorganen, mit Wirkung für und gegen die von ihnen vertretene Gemeinde rechtsgeschäftliche Willenserklärungen abzugeben, nur materiellrechtliche Bedeutung im Innenverhältnis zu. Die Zurückweisung der rechtzeitigen und prozessual wirksamen Klagebeantwortung stelle daher einen Verfahrensverstoß dar. Es liege aber auch keine Versäumung vor.
Gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Innsbruck richtet sich der Revisionsrekurs bzw. Rekurs der Kläger mit dem Antrag, sie aufzuheben und die Entscheidungen der ersten Instanz wieder herzustellen, in eventu sie in der Weise abzuändern, daß dem Rekurs und der Berufung der beklagten Partei gegen den Beschluß und das Versäumungsurteil des Landesgerichtes Innsbruck nicht Folge gegeben werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs und der Rekurs sind berechtigt.
Gemäß § 30 Abs. 1 ZPO haben Rechtsanwälte bei der ersten von ihnen in einer Streitsache vorgenommenen Prozeßhandlung ihre Bevollmächtigung seitens der Prozeßparteien durch eine Urkunde (Prozeßvollmacht: § 31 Abs. 1 ZPO) darzutun, welche in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift vorzulegen ist. Ihren Mangel hat das Gericht nach § 37 Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Rechtsstreites von Amts wegen zu berücksichtigen. Die damit vorgeschriebene Prüfung der Vollmacht hat sich allerdings auf den im § 30 ZPO enthaltenen Vollmachtsnachweis zu beschränken ( Fasching II 293; Pollak , System 2 , 15 f). Hiezu gehört auch die Beurteilung, ob die vorliegende Vollmacht nach Inhalt und Form den gesetzlichen Vorschriften entspricht ( Neumann 4 , 516). Juristische Personen können nur durch ihre gesetzlichen Vertreter handeln; welches Organ nach außen hin auftreten kann, bestimmt bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts das Gesetz, bei Gemeinden die in Betracht kommende Gemeindeordnung (§ 867 ABGB; vgl. Fasching II 144); nach ihr ist nicht nur zu beurteilen, wer Prozeßhandlungen setzen kann ( Sperl , Grundriß der bürgerlichen Rechtspflege 204), sondern auch in welcher Form Prozeßvollmachten auszustellen sind. Zu der in jeder Lage des Verfahrens vorzunehmenden Prüfungspflicht des Gerichtes gehört auch die Beurteilung, ob die für eine juristische Person des öffentlichen Rechts vorgelegte Prozeßvollmacht in der vom Gesetz vorgeschriebenen Form ausgestellt wurde.
Das Oberlandesgericht Innsbruck ging bei Prüfung der Frage, ob der für die beklagte Partei einschreitende Rechtsanwalt zur Vertretung ordnungsgemäß bevollmächtigt war, richtig von den Bestimmungen der Tiroler Gemeindeordnung 1966, LGBl 1966/4 in der geltenden Fassung (TGO), aus. Nach § 54 Abs. 1 dieses Gesetzes wird die Gemeinde nach außen durch den Bürgermeister vertreten. Diese Bestimmung kann jedoch, wie die Kläger richtig darlegen, nicht dahin verstanden werden, daß der Bürgermeister auf diese Weise die Tätigkeit der übrigen Gemeindeorgane ersetzen oder durch seine Erklärungen Beschlüsse der Gemeindeorgane vorwegnehmen kann; da nach dem Gesetz dem Bürgermeister allein nur wenig Vertretungsmacht für die Gemeinde zukommt, hat vielmehr nach Schumacher-Cornet, Tiroler Gemeindeordnung 1966, 70, der Gesetzgeber bei der Bestimmung des § 54 Abs. 1 TGO in erster Linie an Repräsentationspflichten, Vorsprachen und Interventionen im Interesse der Gemeinde gedacht. Grundsätzlich, soweit die Beschlußfassung nicht durch Gesetz ausdrücklich einem anderen Organ zugewiesen ist, obliegt die Beschlußfassung über Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde dem Gemeinderat (§ 26 TGO) bzw. unter den Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 TGO dem Gemeindevorstand. Das gilt insbesondere auch für die Übernahme privatrechtlicher Verpflichtungen, die nicht zur laufenden Geschäftsführung gehören (Schumacher-Cornet a.a.O. 71). Abweichend vom § 54 Abs. 1 TGO schreibt § 54 Abs. 2 TGO demnach auch vor, daß Urkunden, mit denen die Gemeinde privatrechtliche Verpflichtungen übernimmt, nicht nur vom Bürgermeister, sondern auch von zwei weiteren Mitgliedern des Gemeindevorstandes zu unterfertigen sind, in der Urkunde aber darüber hinaus auch der Beschluß des Gemeinderates oder des Gemeindevorstandes anzuführen ist. Der Vertrag eines Rechtsanwaltes mit seinem Klienten hat in der Regel die entgeltliche Besorgung von Geschäften in Vertretung des Klienten (Rechtshandlungen, Prozeßführung) zum Gegenstand; auf ihn sind in erster Linie die Vorschriften der Rechtsanwaltsordnung, hilfsweise die Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches über den Bevollmächtigungsvertrag (§§ 1002 ff) anzuwenden (EvBl 1972/124; Stanzl in Klang IV/1, 794). Mit der Erteilung einer Prozeßvollmacht an einen Rechtsanwalt übernimmt daher, wie das Oberlandesgericht Innsbruck richtig erkannte, die Gemeinde eine privatrechtliche Verpflichtung. Der Vertrag hierüber bedarf damit grundsätzlich einer Beschlußfassung des Gemeinderates, eine hierüber ausgestellte schriftliche Urkunde hat aber auch den formalen Erfordernissen des § 54 Abs. 2 TGO zu entsprechen. Da § 30 Abs. 1 ZPO ausdrücklich die Vorlage einer Urkunde verlangt, muß dann aber auch sie entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichtes dieser Vorschrift entsprechen. Der Rechtsansicht, daß beim einheitlichen Akt einer Vollmachtsausstellung für das Innen und Außenverhältnis bzw. den Verpflichtungsakt dem zu Bevollmächtigenden gegenüber und dessen Berechtigung dem Gericht und dem Prozeßgegner gegenüber andere Formerfordernisse bestünden, kann nicht beigepflichtet werden. Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Sinn auch bereits ausgesprochen, es sei wesentlich und vom Prozeßgericht zu prüfen, ob der Bevollmächtigte eine gültige Vollmacht besessen hat (3 Ob 172/55). Es wäre auch nicht einzusehen, warum die Tiroler Gemeindeordnung 1966 dahin verstanden werden sollte, daß trotz der Bestimmung des § 54 Abs. 2, die nicht zuletzt auch die Interessen der Gemeinde schützen und die Rechte des Bürgermeisters beschränken soll, der Bürgermeister allein dennoch zur verbindlichen Fertigung einer Prozeßvollmacht berechtigt sein und dann im Innenverhältnis haften soll. Es ist vielmehr notwendig, daß auch eine von einer Tiroler Gemeinde ausgestellte Prozeßvollmacht den formellen Erfordernissen des § 54 Abs. 2 TGO entspricht. Die Fertigung einer Prozeßvollmacht fällt also nicht in den engen Bereich des § 54 Abs. 1 TGO, in dem der Bürgermeister allein Handlungen für die Gemeinde setzen kann.
Wenn das Oberlandesgericht Innsbruck zu einem anderen Ergebnis gelangte, hat es Fasching II 244, auf den es sich beruft, wohl mißverstanden. Auch Fasching geht davon aus, daß die Bevollmächtigung ein Rechtsinstitut des Privatrechtes ist. Weiter weist er allerdings darauf hin, daß zwischen der bürgerlich-rechtlichen Vollmacht, die das Innenverhältnis bestimmt, und der prozessualen Vollmacht, die nach außen wirkt und allein in der Zivilprozeßordnung geregelt ist, genau zu unterscheiden ist. Während die Zivilprozeßordnung in das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Bevollmächtigtem nicht eingreift, regelt sie im Interesse der Rechtssicherheit das Verhältnis des Bevollmächtigten zum Gericht und zur Gegenpartei, indem sie den Umfang der Vertretungsmacht, ihre Wirkung und ihre Dauer zwingend festlegt (§ 33 Abs. 2 ZPO). Dieser Hinweis bedeutet aber nur, daß dann, wenn einmal eine nach Inhalt und Form ordnungsgemäße Prozeßvollmacht vorliegt, sie den Bevollmächtigten zu allen in der Zivilprozeßordnung vorgesehenen Vertretungshandlungen unabhängig davon berechtigt, ob sie mit den erhaltenen Aufträgen im Innenverhältnis übereinstimmen ( Holzhammer , Zivilprozeß Erkenntnisverfahren 83, Petschek-Stagel , Zivilprozeß 163; Sperl a.a.O. 207; Pollak a.a.O. 148). Das Gesetz sichert so die ungestörte Prozeßführung; der Bevollmächtigte kann im Prozeß wirklich die Partei vorstellen und sich niemals auf den Mangel im Inhalt seiner Vollmacht berufen (SZ 43/116). Daraus wird aber auch gefolgert, daß die nach Inhalt und Form ordnungsgemäß ausgestellte Prozeßvollmacht nur im Innenverhältnis, nicht aber mit Wirkung dem Gericht oder dem Prozeßgegner gegenüber etwa wegen Irrtums mit Wirkung für die Vergangenheit angefochten werden kann ( Pollak a.a.O. 150 f). Im Gegensatz zur sonstigen Rechtslage (vgl. JB1 1974, 619; SZ 25/96 u.a.) dürfte sich dann die Gemeinde auch nicht auf die mangelnde Vertretungsmacht ihrer Organe berufen können. Wurde also etwa durch den Bürgermeister einer Gemeinde und zwei Gemeindevorstandsmitglieder die Beschlußfassung durch den Gemeinderat auf der Vollmacht beurkundet, dürfte die Gemeinde Prozeßhandlungen nicht mit der Behauptung als unwirksam bezeichnen, daß kein Beschluß des Gemeinderates vorliege. Die sich aus der Zivilprozeßordnung ergebenden weitgehenden Wirkungen einer erteilten Prozeßvollmacht im Verhältnis zum Gericht und zur Gegenpartei haben aber immer zur Voraussetzung, daß sie formell so ausgestellt wurde, wie es nach dem Gesetz vorgeschrieben ist. Es muß eine prozessual wirksame Vollmacht vorliegen ( Fasching II 292). Die (durch eine dem Gesetz gemäß gezeichnete Prozeßvollmacht ausgewiesene) Vertretungsmacht des Rechtsanwaltes ist Prozeßhandlungsvoraussetzung; wenn sie fehlt, sind die Prozeßhandlungen des Einschreiters unbeachtlich ( Holzhammer a.a.O. 85). Wurde also bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechtes die vom Gesetz vorgeschriebene äußere Form der Vollmacht nicht eingehalten, liegt überhaupt keine dem Gesetz entsprechende Bevollmächtigung vor.
Zu Recht vermißte das Erstgericht die Anführung des Beschlusses des Gemeinderates nach § 54 Abs. 2 TGO auf der Prozeßvollmacht. Es handelte sich hiebei nicht um einen für ihre formelle Ordnungsmäßigkeit unerheblichen Mangel, ist die Bestimmung doch dahin zu verstehen, daß der Bürgermeister und die beiden weiteren Gemeindevorstandsmitglieder mit ihren Unterschriften auch die Fassung des erforderlichen Beschlusses zu beurkunden haben. Ohne Anführung eines Beschlusses des Gemeinderates lag das Fehlen eines solchen auch nahe; ein Beschluß, wie sich aus der später mit dem Rechtsmittel der beklagten Partei gegen die erstgerichtlichen Entscheidungen vorgelegten Vollmacht, die erst einen Gemeinderatsbeschluß vom 3. 2. 1975 ausweist, war auch tatsächlich noch nicht gefaßt worden. Zu Recht hat demnach das Erstgericht gemäß § 38 Abs. 2 ZPO die Ergänzung der Vollmacht unter Setzung einer Frist aufgetragen. Nachdem die vom Erstgericht gesetzte Frist fruchtlos abgelaufen war, war dann die beklagte Partei so zu behandeln, als ob für sie niemand eingeschritten wäre. Die vom nicht ordnungsgemäß bevollmächtigten Rechtsanwalt überreichte Klagebeantwortung war daher zurückzuweisen (vgl. Neumann a.a.O. 1140, Anm. 2) und nach Prüfung der Prozeßvoraussetzungen über Antrag der Kläger das Versäumungsurteil zu fällen (§ 398 ZPO). Ob die beklagte Partei schon bei der ersten Tagsatzung nicht ordnungsgemäß vertreten war, war dabei unerheblich, da ein Vorgehen nach § 398 ZPO auch möglich war, wenn bei der ersten Tagsatzung ein Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteiles nicht gestellt worden war, der Richter aber die Frist zur Klagebeantwortung erteilt hatte (vgl. Fasching II 293).
Zu den Prozeßvoraussetzungen gehört auch die Zulässigkeit des Rechtsweges, die in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen ist. Die Errichtung einer öffentlichen Abfallbeseitigungsanlage bedarf gemäß § 19 des Tiroler Abfallbeseitigungsgesetzes, LGB1 1972/50 in der geltenden Fassung, der Bewilligung durch den Bürgermeister. Nachbarn, die sich wegen ihres räumlichen Naheverhältnisses zur Abfallbeseitigungsanlage durch diese gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstigen dinglichen Rechte durch ein solches Naheverhältnis gefährdet erachten, können ihre Interessen auch nur in diesem öffentlich-rechtlichen Verfahren schützen (§ 19 Abs. 5 und 6). Die Kläger behaupteten in ihrer aus dem Nachbarrecht abgeleiteten Klage, deren Inhalt für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs maßgeblich ist, jedoch ausdrücklich, daß eine Bewilligung der Anlage nicht vorgelegen sei. Da ohne Durchführung des Verfahrens nach § 19 des Tiroler Abfallbeseitigungsgesetzes Privatrechte aus dem Nachbarrecht nicht eingeschränkt werden können, es aber auch private Abfallbeseitigungsanlagen der Gemeinde geben kann (§ 18 Abs. 5), war nach Inhalt der Klagsbehauptungen nicht Unzulässigkeit des Rechtsweges anzunehmen.
Dem Rekursantrag, der Oberste Gerichtshof möge in der Sache selbst erkennen und das Versäumungsurteil des Erstgerichtes wiederherstellen, kann der Oberste Gerichtshof schon deswegen nicht entsprechen, weil es ihm verwehrt ist, an die Stelle des aufhebenden Beschlusses des Berufungsgerichtes die der Sachlage entsprechende Urteilsentscheidung zu setzen. Dieser Fehler kann aber nicht schaden, weil ein verfehlter Rekursantrag nicht mit der Verwerfung des Rechtsmittels bedroht ist (JB1 1973, 87 u.a.). Das Berufungsgericht wird nun die Entscheidung des Erstgerichtes in der Hauptsache unter Abstandnahme vom angenommenen Aufhebungsgrund zu überprüfen haben. Nach allfälliger Rechtskraft des Versäumungsurteiles wird das Erstgericht sodann über den von der beklagten Partei subsidiär gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erkennen haben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.