JudikaturOGH

8Ob59/73 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. April 1973

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hager, Dr. Petretto, Dr. Benisch und Dr. Thoma als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma B* GesmbH, *, vertreten durch Dr. Hans Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei S*, vertreten durch Dr. Klaus Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Vertragszuhaltung (Streitwert 15.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 31. Oktober 1972, GZ 2 R 537/72 15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 25. Mai 1972, GZ C 1097/71 11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.404,16 S (davon 160 S Barauslagen und 92,16 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin stellt das Begehren auf Feststellung, dass zwischen den Parteien hinsichtlich des Hauses der Beklagten in K*, im Erdgeschoss gelegenen Geschäftslokals und des Lagerraums im Souterrain ein Mietvertrag zustandegekommen sei, und auf Übergabe dieses Mietobjekts an die Klägerin.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil dahin ab, dass es dem Klagebegehren stattgab. Es sprach aus, dass der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstands 1.000 S übersteigt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 502 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils, allenfalls Aufhebung des angefochtenen Urteils. In ihrer Revisionsbeantwortung begehrt die Klägerin, der Revision einen Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Vorinstanzen legten ihren Entscheidungen im Wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde:

Die Beklagte ist Eigentümerin des Hauses K*. Im Frühjahr 1971 suchte sie für die Geschäftsräume im Erdgeschoss einen Mieter. H* F*, Geschäftsführer der Klägerin, trat mit der Beklagten in Verbindung, woraus es zu mehreren Besprechungen über die Vermietung des im Erdgeschoss dieses Hauses nordseitig gelegenen Geschäftslokals samt dem ostseitig anschließenden Magazin und einem Lagerraum im Keller kam. Die Streitteile einigten sich im September 1971 über die Höhe des Mietzinses, der monatlich 3.000 S wertgesichert betragen sollte, und den Beginn des Mietverhältnisses am 1. 11. 1971. Im September 1971 begann die Klägerin mit der Anschaffung von Warenvorräten für das von ihr geplante Textilgeschäft. Sie gab die dafür benötigte Geschäftseinrichtung und Werbematerialien in Auftrag. Im selben Monat brachte sie bei der Stadtgemeinde K* einen Antrag auf Genehmigung einer Geschäftsaufschrift mit Neonbeleuchtung ein. Dieser Antrag wurde von der Beklagten als Hauseigentümerin mitunterfertigt. Beide Streitteile wollten von Anfang an einen schriftlichen Mietvertrag. Die Beklagte hatte bereits im Juli 1971 bei ihrem Vertreter Dr. Reisch einen ihren Vorstellungen entsprechenden Vertragsentwurf in Auftrag gegeben und diesen Entwurf umarbeiten lassen. Den revidierten Vertragsentwurf, Beilage 3, in dem noch von einem monatlichen Mietzins von 2.500 S die Rede ist, übersandte sie der Klägerin, die mit Schreiben vom 25. 8. 1971 mitteilte, dass sie diesen Entwurf bis auf einige geringfügige Änderungen zu akzeptieren bereit sei. In diesem Schreiben stellte sie den formellen Antrag auf Mietung der gegenständlichen Geschäftsräumlichkeiten.

Die Klägerin hat unabhängig davon, dass bereits ein Vertragsentwurf von Dr. Reisch vorlag, ihren Vertreter Dr. Rainer beauftragt, einen Mietvertragsentwurf auszuarbeiten. Diese von der Klägerin unterfertigte Vertragsurkunde ging der Beklagten mit Schreiben vom 28. 9. 1971 (Beilage G) zu. Mit Schreiben vom 4. 10. 1971 hat Dr. Reisch als Vertreter der Beklagten mehrere Änderungen dieses Mietvertrags begehrt und zwar, dass der Mietzins jeweils am Monatsersten ohne Respiro zu entrichten sei, dass die Wertsicherungsvereinbarung auf April 1971 abzustellen sei und dass der Satz, der Mietvertrag solle auch für Rechtsnachfolger des Mieters gelten, zu entfallen habe. Eine Beantwortung dieses Schreibens durch den Vertreter der Klägerin ist zunächst unterblieben, weil dieser mit dem Geschäftsführer, der sich viel auf Geschäftsreisen befand, keine Rücksprache halten konnte. Am 15. 10. 1971 ließ die Beklagte dem Klagevertreter mitteilen, dass sie der Klägerin vorsichtshalber eine Nachfrist von 5 Tagen setze, „wenngleich eine endgültige Bindung noch nicht vorliege“. Wenn der im Sinne des Schreibens vom 4. 10. 1971 geänderte schriftliche M i etvertrag mit der Unterschrift der Klägerin bis Ablauf dieser Frist bei Dr. Reisch nicht vorliege, sei sie auf keinen Fall mehr gebunden. Dieses Schreiben langte wegen des dazwischenliegenden Wochenendes am 18. 10. 1971 bei Dr. Rainer ein. Am 21. 10. 1971 verständigte Dr. Rainer fernmündlich die Kanzlei des Dr. Reisch, dass er den im Sinne des Schreibens vom 4. 10. 1971 abgeänderten Mietvertrag am 22. 10. 1971 übersenden werde. Dieses Schreiben vom 22. 10. 1971 mit dem geänderten Mietvertrag ist – gleichfalls wegen des dazwischenliegenden Wochenendes – am 25. 10. 1971 in der Kanzlei des Dr. Reisch eingelangt. Dieser hatte mittlerweile mit Brief vom 22. 10. 1971 dem Vertreter der Klägerin mitgeteilt, dass die Nachfrist fruchtlos verstrichen und eine allfällige Bindung der Parteien, soweit eine solche überhaupt bestanden haben sollte, am 21. 10. 1971 erloschen sei.

Das Erstgericht vertrat die Ansicht, da für den Mietvertrag Schriftlichkeit vereinbart worden sei, ein von der Beklagten unterfertigter Vertrag aber nicht vorliege, könne die Klägerin ihren Klagsanspruch nicht aus einer mündlichen Vereinbarung ableiten. Außerdem sei die im Schreiben vom 15. 10. 1971 gesetzte Nachfrist von 5 Tagen bereits am 23. 10. 1971 abgelaufen gewesen. Es sei nicht erwiesen, dass noch an diesem Tag das Annahmeschreiben der Klägerin beim Beklagtenvertreter eingelangt sei.

Das Berufungsgericht legte dar, der Beklagtenvertreter habe mit Schreiben vom 4. 10. 1971 (Beilage C) den vom Klagevertreter mit Schreiben vom 28. 9. 1971 (Beilage G) übersandten Mietvertrag mit Ausnahme der oben angeführten drei Punkte akzeptiert und mitgeteilt, nach Vornahme dieser Änderungen werde die Unterfertigung des Vertrags durch die Beklagte rasch erfolgen. Das Schreiben vom 4. 10. 1971 könne nur dahin ausgelegt werden, dass die Beklagte den schriftlichen Vertragstext genehmige, wenn die von ihr gewünschten Änderungen vorgenommen werden. Auch der Beklagtenvertreter sei dieser Auffassung gewesen, weil er in seinem Schreiben vom 15. 10. 1971 (Beilage D) der Klägerin eine Nachfrist von 5 Tagen gesetzt habe, widrigenfalls die Beklagte nicht mehr gebunden sei. Die anbotstellende Beklagte habe sich daher mit ihrem Schreiben vom 4. 10. 1971 an den Mietvertragsentwurf gebunden, falls die verlangten Änderungen fristgerecht durchgeführt werden sollten. Hinsichtlich Einhaltung der von der Beklagten gesetzten Nachfrist von 5 Tagen müsse von dem Zeitpunkt ausgegangen werden, an dem das Schreiben vom 15. 10. 1971 beim Klagevertreter eingelangt sei, nämlich vom 18. 10. 1971. Nach der Regel des § 902 Abs 1 ABGB sei dieser Tag bei Berechnung der Frist nicht mitzuzählen. Die der Klägerin gesetzte Frist habe daher erst am 19. 10. 1971 zu laufen begonnen, sie habe erst am 25. 10. 1971 geendet, weil gemäß § 903 ABGB in Verbindung mit § 1 BGBl 189/1963 dann, wenn der letzte Tag der Frist ein Samstag (im vorliegenden Fall der 23. 10. 1971) sei, an dessen Stelle der nächstfolgende Werktag trete. Dies sei im vorliegenden Fall der 25. 10. 1971. Der Beklagtenvertreter habe den wunschgemäß geänderten Mietvertrag am 25. 10. 1971 erhalten, sodass die gesetzte Nachfrist eingehalten worden sei. Es sei demnach ein Mietvertrag zustandegekommen.

Unter dem im Vordergrund stehenden Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wird in der Revision vorgebracht, es sei schon infolge Nichterfüllung des vereinbarten Formerfordernisses der Schriftlichkeit ein bindender Vertrag nicht zustandegekommen; die Beklagte habe nämlich den Vertragsentwurf nicht unterfertigt. Folge man aber der Ansicht des Berufungsgerichts, dann liege eine Bindung gleichfalls nicht vor und zwar deshalb, weil das Schreiben des Beklagtenvertreters vom 4. 10. 1971, das sich als Anbot darstelle, nicht innerhalb der bestimmten Frist, die sich aus dem Postlauf und der angemessenen Überlegungszeit zusammensetze, angenommen worden sei. Die Klägerin habe zur Äußerung die Zeit vom 5. 10. bis zum 22. 10. 1971, sohin 17 Tage, zur Verfügung gehabt. Damit sei der vom Gesetz hiefür vorgesehene Zeitraum ohnehin weit überschritten worden. Das Schreiben vom 15. 10. 1971 enthalte nicht schlechthin eine Nachfristsetzung. Darin werde vielmehr betont, dass an sich keine Bindung vorliege. Im Übrigen wäre auch eine solche Nachfrist nicht vom Empfang des Schreibens vom 15. 10. 1971, sondern von der mit diesem Schreiben erfolgten Setzung der Frist an zu rechnen, sodass sie schon am 20. 10. 1971 abgelaufen wäre.

Die Parteien waren sich über Mietobjekt, Höhe des Mietzinses und Beginn des Bestandverhältnisses bereits grundsätzlich einig, als der Beklagtenvertreter mit Schreiben vom 4. 10. 1971 an den Klagevertreter das Anbot übersandte, in dem sich die Beklagte bereiterklärte, den Vertragsentwurf der Klägerin dann zu unterfertigen, wenn drei darin enthaltene Punkte (Tag der Mietzinszahlung, Wertsicherungsklausel auf der Basis von April 1971, Wegfall des Nachfolgerechts) abgeändert würden. Wenn auch zwischen den Parteien besprochen wurde, es sollte der Mietvertrag schriftlich abgeschlossen werden, so besagt dies noch nicht, dass sie davon nicht mehr abgehen konnten. In dem Anbot der Beklagten vom 4. 10. 1971 ist keine Rede davon, dass der Vertrag erst durch die Unterschrift der Beklagten zustandekommen werde. Die Beklagte ist daher, selbst wenn ursprünglich Schriftlichkeit zur Bedingung des Vertrags gemacht und nicht etwa bloß zu Beweiszwecken gedacht gewesen sein sollte, von dieser Vereinbarung in ihrem Anbot wieder abgegangen. Dieses Anbot enthielt die Zusicherung der Vertragsunterfertigung durch die Beklagte, sobald die gewünschten Änderungen durchgeführt sein würden; dieser Antrag wurde von der Klägerin angenommen. Die Beklagte war somit mangels einer ausdrücklichen Fristsetzung in diesem Schreiben innerhalb der gesetzlichen Annahmefrist des § 862 ABGB an ihren Antrag gebunden. Diese Frist setzt sich zwischen Abwesenden aus drei Zeiträumen zusammen: Erstens aus der regelmäßigen Beförderungsfrist für die Offerte, zweitens aus der Zeit, die der Antragsempfänger zur Prüfung des Anbots, zur reiflichen Überlegung und schriftlichen Beantwortung benötigt, wozu im vorliegenden Fall, da die Offerte an den Vertreter des Antragsempfängers gerichtet war, auch die Zeit der Benachrichtigung des Anbotempfängers gehören, und drittens aus der zu erwartenden Zeit der Beförderung der Antwort (vgl Gschnitzer in Klang 2 IV/1 S 65, Ehrenzweig 2 , II/1 § 313 S 132). Der im letzten Halbsatz des Anbotschreibens vom 4. 10. 1971 gemachte Vorbehalt („soferne sich nicht indessen hier wieder bei Einzug oder sonstigen Abwicklungen irgendwelche besonderen Schwierigkeiten ergeben“) ist, soweit er überhaupt verständlich ist, für die Entscheidung ohne Bedeutung. Das Unterbleiben der Erörterung dieses Vorbehalts stellt sich entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht als Verfahrensmangel dar, weil in erster Instanz nichts vorgebracht wurde, was aufgrund dieses Vorbehalts ein Zustandekommen des Mietvertrags verhindern hätte können. Die Beklagte konnte auch durch den Beisatz im Schreiben vom 15. 10. 1971, die Nachfristsetzung erfolge nur vorsichtshalber, weil an sich von einer endgültigen Bindung noch nicht gesprochen werden könne, ihre infolge der Nachfristsetzung noch andauernde Anbotsbindung nicht aufhoben. Sie blieb vielmehr bis zum Ablauf der mit dem vorerwähnten Schreiben gesetzten Nachfrist an ihr Anbot gebunden. Die Annahme des Anbots durch die Klägerin war unter Bedachtnahme auf die mit Schreiben des Beklagtenvertreters vom 15. 10. 1971 gestellte Frist nicht verspätet. Der Beklagtenvertreter musste im Hinblick auf die 5 Tage Woche damit rechnen, dass sein Brief nicht am Samstag, den 16. 10. 1971, sondern erst am Montag, den 18. 10. 1971, dem Adressaten zugestellt werde. Die fünftägige Frist begann demnach am folgenden Tag (19. 10 1971) zu laufen (§ 902 Abs 1 ABGB). Für die Annahme stand dem Klagevertreter die Zeit bis einschließlich 23. 10. 1971 zur Verfügung. Dies war ein Samstag. Gemäß § 1 des BG BGBl 1961/37 idF des BGBl 1963/189, welche Bestimmung auch für materiell rechtliche Fristen Geltung hat (JABl 1961 Nr 22 S 61 f), tritt die im § 903 ABGB vorgesehene Hemmung auch dann ein, wenn das Ende der Frist auf einen Samstag fällt. Im vorliegenden Fall ergab sich demnach, dass die Frist tatsächlich erst am Montag, den 25. 10. 1971, zu Ende ging. An diesem Tag war aber die Annahmeerklärung beim Beklagtenvertreter bereits eingelangt. Dadurch wurde der Mietvertrag perfekt. Folglich hat das Berufungsgericht dem Klagebegehren mit Recht stattgegeben.

Die Revision erweist sich sohin als unbegründet.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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