JudikaturOGH

11Os169/72 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Dezember 1972

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Dezember 1972 in einem verstärkten Senat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Hartmann, in Gegenwart des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, der Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Tesar, Dr. Estl, Dr. Mayer, Dr. Spernoga und Dr. Harlfinger und der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, Dr. Stelzhammer, Dr. Harbich und Dr. Piska als Richter sowie des Landesgerichtsrates Dr. Ertl als Schriftführer in der Strafsache gegen Anton H* und andere wegen des Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens nach dem § 335 StG über die vom Angeklagten Anton H* gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 29. August 1972, GZ. 9 Vr 735/72 24, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung der Vorträge der Berichterstatter, Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Stelzhammer und Dr. Harbich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Johann Schindler und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Ersten Generalanwaltes Dr. Lotheissen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und über den Angeklagten in Anwendung des § 261 StG eine Geldstrafe in der Höhe von 10.000 (zehntausend) Schilling, für den Fall der Uneinbringlichkeit 2 Monate Arrest, verhängt.

Gemäß dem § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24. Dezember 1919 geborene verheiratete Angestellte Anton H* des Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens nach dem § 335 StG schuldig erkannt, weil er am 29. Februar 1972 in N*, die Dienstnehmerschutzverordnung vom 10. November 1954, BGBl. 267, mißachtend, den Josef G* zum Partieführer einer Arbeitsgruppe, die Abbrucharbeiten durchzuführen hatte, bestellte, ohne ihn über die zu beobachtenden Schutzvorschriften zu belehren, sodaß ein vorschriftswidrig aufgestelltes Bockgerüst während der Arbeiten umstürzte, woraus eine tödliche Verletzung des Johann L* erfolgte. Der Zweitangeklagte Josef G* wurde von der wider ihn wegen dieses Vorfalls erhobenen Anklage nach dem § 355 StG gemäß dem § 259 Z. 3 StPO rechtskräftig freigesprochen.

Das Schöffengericht stellte fest, daß in der Fa. B* AG in N* Abbrucharbeiten durchgeführt wurden. Am 29. Februar 1972 betraute der hiefür verantwortliche Angeklagte Anton H* den Hilfsarbeiter Josef G* mit der Leitung der Arbeiten in der alten Spinnhalle, die abzureißen war. Eine Belehrung des Josef G* über die verschiedenen Schutzvorschriften erfolgte nicht.

Als sich im Zuge der Abbrucharbeiten die Aufstellung eines Bock oder Schragengerüstes als notwendig erwies, fertigte dieses Josef G* unter Mithilfe seiner Arbeitspartie aus zwei ausziehbaren Metallböcken an, die in 3,28 m Entfernung voneinander aufgestellt und über die sodann Holzbohlen gelegt wurden; das Gerüst war etwa 2 m hoch und schloß unmittelbar an die Decke eines Holzvorbaues an, auf dem die Arbeiter während der Arbeiten gleichfalls stehen konnten. Eine Verstrebung der Schragen untereinander erfolgte nicht.

Auf dem Holzverbau befand sich der Hilfsarbeiter Johann L*, als er einen etwa 100 kg schweren Mauerbalken mit Hilfe seiner Arbeitskollegen aus einem Mauerloch ziehen wollte, in dem sich das eine Ende des Pfostens verklemmt hatte. Johann L* brachte unter ruckartigen Bewegungen des Balkens dessen freies Ende auf das Schragengerüst. Dieses wurde hiedurch, da eine (Längs )Verstrebung der beiden Böcke fehlte, seitwärts zum Einsturz gebracht, also „umgeschoben . Johann L* verlor das Gleichgewicht und fiel auf den Fuß eines der eisernen Böcke. Hiebei zog er sich schwere Verletzungen zu, denen er am nächsten Morgen im Krankenhaus erlag.

Das Erstgericht machte dem Angeklagten zum Vorwurf, daß er den Partieführer Josef G* nicht entsprechend belehrt hatte, sodaß es zur fehlerhaften Errichtung des Gerüstes kam, das in mehreren Punkten dem § 22 der Dienstnehmerschutzverordnung vom 10. November 1954, BGBl. 267, nicht entsprach. Bockgerüste, die – wie vorliegend – unter Verwendung ausziehbarer Böcke errichtet werden, dürfen nämlich nur für leichte Arbeiten, wie Putz und Erhaltungsarbeiten benützt werden; der Abstand der Böcke voneinander darf 2 m nicht überschreiten und sie müssen untereinander fest verstrebt sein, im auch waagrechte Kräfte aufnehmen zu können. Insbesondere durch die Einhaltung der letztgenannten Vorschrift wäre, wie das Erstgericht annahm, der Unfall vermieden worden, weil dann das Gerüst durch die Bewegung des Balkens nicht umgestoßen worden wäre. Sohin sprach das Erstgericht den Beschwerdeführer des Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens schuldig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Nichtigkeitsgründe nach dem § 281 Z 5 und 9 lit. a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, in der zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund ausgeführt wird, das Urteil sei mangelhaft begründet, weil es unberücksichtigt lasse, daß das Schragenplateau im Zeitpunkt seines Einsturzes keine Gerüstfunktion gehabt, sondern nur als Widerlager für das freie Ende des Balkens gedient habe. Als Gerüst sei im Moment des Unfalles das Dach des Holzvorbaus verwendet worden, auf dem sich alle Arbeiter befunden hätten. Die Feststellungen des Erstgerichtes ließen auch nicht erkennen, warum das Schragengerüst zur Aufnahme der Last des etwa 100 kg schweren Balkens nicht geeignet gewesen sein sollte, zumal es bei der Rekonstruktion des Unfalles die Last von zwei Gendarmeriebeamten getragen hätte und weil auch bei der Durchführung leichter Putz und Erhaltungsarbeiten auf einem solchen Gerüst das Gewicht mehrerer Arbeiter und der Baumaterialien liege. Diese Umstände wären aber entscheidend, weil sie zu zeigen eigneten, daß den Einsturz der Verunglückte selbst und allein zu verantworten hätte, weil dieser nur durch die von ihm bewirkten Seitenschubkräfte ausgelöst worden sei. Das Abnehmen des Balkens sei für die Arbeitspartie der 5 Mann angehört hätten, überdies eine leichte Arbeit gewesen, für welche ein Bockgerüst zulässig sei.

Mit diesen Ausführungen wird der behauptete Begründungsmangel jedoch in Ansehung entscheidender Tatsachenfeststellungen nicht dargetan, sondern es wird – nach Art und Zielsetzung einer dem Nichtigkeitsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof fremden Schuldberufung – lediglich die Beweiswürdigung des Erstgerichtes bekämpft. Zum übrigen kommt nur jenen Umständen entscheidende Bedeutung zu, nach denen zu beurteilen ist, ob das Gerüst ein solches im Sinne des § 22 der Bauarbeiterschutzverordnung 1954 war und ob es diesen Vorschriften entsprach. Diese Feststellungen aber sind in den Verfahrensergebnissen – so vor allem im Sachverständigengutachten (S. 23, 88) – voll gedeckt. Zweck eines Arbeitsgerüstes im Sinn des Abschnittes 3 der Dienstnehmerschutzverordnung ist es, die Verrichtung von Arbeiten an Stellen zu gestatten, die dem Menschen ohne Benützung irgendwelcher Hilfsmittel nur schwer oder gar nicht zugänglich wären. Die Eigenschaft eines solchen Hilfsbauwerkes, als Gerüst zu dienen, geht nun naturgemäß durch den zufälligen Umstand, daß sich im Verlaufe der Arbeit gerade niemand darauf befindet, nicht verloren.

Auch der Umstand, daß das Schragengerüst an sich kräftig genug gewesen wäre, das Gewicht des Balkens – hätte es lotrecht auf das Gerüst gewirkt – aufzunehmen, ändert nichts daran, daß das Gerüst seiner im § 22 Dienstnehmerschutzverordnung geforderten Eignung, auch waagrechte Kräfte aufzunehmen, wegen des Mangels einer Verstrebung nicht entsprochen hat. Dieser Mangel aber war, wie das Erstgericht richtig erkannte, ursächlich für den Einsturz des Gerüstes. Im vorliegenden Fall ist daher nur zu untersuchen, ob das Verhalten des Angeklagten zum Unfallsgeschehen in einem Rechtswidrigkeitszusammenhang steht.

Rechtliche Beurteilung

Dies ist zu bejahen.

Wenn der Beschwerdeführer unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Z. 9 lit. a StPO dagegen vorbringt, daß das aus ausziehbaren Schragen errichtete Plateau im Moment seines Einsturzes nur als Auflager für den Balken und weder als Arbeits , noch als Schutzgerüst gedient hätte, sodaß die Vorschriften des § 22 Dienstnehmerschutzverordnung darauf nicht anzuwenden gewesen seien, damit den spezifischen Konnex zwischen dem Verstoß gegen die Schutznormen und dem Unfall negieren will, ist er nicht im Recht. Der Absturz des Johann L* ist nach der technischen Situation am Tatort allein durch das Umfallen des Gerüstes verursacht worden, mag er im Zeitpunkt der Lösung des Balkens aus dem Mauerloch auch nicht auf dem Gerüst selbst, sondern auf dem für die Durchführung derartiger Arbeiten durchaus geeigneten Dach des angrenzenden Holzvorbaues gestanden sein. Denn hätte das Gerüst den Schub des Balkens ausgehalten, ohne zu kippen, hätte auch L* entweder das Gleichgewicht nicht verloren oder wäre – fallend – vom Gerüst aufgefangen worden. Dies der Sache nach annehmend, gelangte das Erstgericht zutreffend zum Schuldspruch. Zum übrigen erfordert die Ausführung des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 281 Z. 9 lit. a StPO ein Festhalten an den erstrichterlichen Tatsachenfeststellungen und deren Vergleichung mit dem darauf angewendeten Gesetz. Den Boden dieser ihn bindenden Tatsachenfeststellungen verläßt aber der Beschwerdeführer mit seinen weiteren Darlegungen, so vor allem, wenn er vom tatsächlichen Unfallsverlauf abweichend das Geschehen dahin beurteilt sehen will, als ob das Gerüst nur zum Ablegen des Balkens hätte dienen sollen. Dieses Vorbringen kann somit keine Beachtung finden. Die Feststellungen des Erstgerichtes über die Eigenschaften des aus ausziehbaren Böcken errichteten Gerüstes aber sind gerade auch insoweit unbedenklich und zutreffend, als sie besagen, daß das Gerüst allein schon wegen des Fehlens einer Verstrebung nicht geeignet war, auch Seitenschubkräfte im genügenden Ausmaß aufzunehmen und daß dies zum Unfall geführt hat. Da der Beschwerdeführer eine entsprechende Unterweisung des Partieführers oder eine häufigere Kontrolle der Arbeiten in dieser Richtung unterließ, hat er den Unfall zumindest einleitend fahrlässig verschuldet, weil er die Gefahrenfolgen erkennen und vermeiden hätte können; denn die Unterlassung der Beachtung der Schutznorm stand mit dem späteren Unfall in einem Rechtswidrigkeitszusammenhang (vgl. Rittler , 2. Aufl. I S. 120; RZ. 1965 S. 160; SSt. 27/22, ZVR. 1961/86 u.a.).

Nach dem Gesagten ist also nicht mehr wesentlich, ob etwa auch die unzulässig große Entfernung zwischen den Böcken für den Einsturz ursächlich war oder nicht; denn bereits durch das Unterlassen der Verstrebung wurde eine – und zwar die wesentlichste – der zum Unfall führenden Komponenten schuldhaft gesetzt; ob dem Beschwerdeführer auch noch die Verletzung einer weiteren Schutzvorschrift zur Last fällt, ist darum nicht mehr entscheidend. Der Umstand aber, daß die genehmigten Schragen keine Vorrichtungen zum Anbringen einer Verstrebung hatten, vermag den Beschwerdeführer nicht zu entlasten, weil bei ihm die Kenntnis der einschlägigen Vorschriften vorausgesetzt werden konnte und er eben entweder andere Böcke beschaffen oder sonst für eine Anbringung der Verstrebung sorgen hätte müssen.

Dem Erstgericht ist sohin auch kein Irrtum bei der rechtlichen Subsumtion des festgestellten Verhaltens unterlaufen; die Nichtigkeitsbeschwerde des Anton H* war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten Anton H* nach dem § 355 StG unter Bedachtnahme auf § 260 lit. b StG zur Strafe des Arrestes in der Dauer von drei Monaten, verschärft durch einen Fasttag monatlich. Gemäß den §§ 1 und 2 des Gesetzes über die bedingte Verurteilung 1949 schob es die Vollziehung der Freiheitsstrafe für eine Probezeit von drei Jahren vorläufig auf.

Bei der Strafzumessung fand das Erstgericht nichts als erschwerend, wertete aber als mildernd das Tatsachengeständnis des Angeklagten, seine Unbescholtenheit und ein gewisses Mitverschulden des Verunglückten Johann L*. Unter Bedachtnahme auf die Sorgepflicht des Angeklagten für seine Gattin verkürzte es die Strafe unter entsprechender Verschärfung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens auf das so als schuldangemessen erachtete Maß. Vom Gesetz über die bedingte Verurteilung 1949 machte es im Hinblick auf die Unbescholtenheit des Angeklagten und sein Tatsachengeständnis Gebrauch.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Umwandlung der bedingten Freiheitsstrafe in eine schuldangemessene (unbedingte) Geldstrafe an.

Zu der damit aufgeworfenen Frage, ob die angestrebte Strafe als milder anzusehen sei als die verhängte, dem Angeklagten sohin das Berufungsrecht in der Richtung, in der es in Anspruch genommen wird, überhaupt zusteht, und ob die Berufung nicht etwa wegen des Fehlens dieser Voraussetzung zurückzuweisen wäre (§ 294 Abs. 4 StPO), hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Nach § 283 Abs. 2 StPO idF des StrafrechtsänderungsG 1971 kann die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe zugunsten des Angeklagten von allen zur Ergreifung der Nicthigkeitsbeschwerde Berechtigten unter anderem dann ergriffen werden, wenn das Gericht nicht auf die mildeste bei Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechts zulässige Strafart erkannt hat. Gegenüber der – vom Berufungswerber angestrebte – Geldstrafe (als Strafe am Vermögen) ist nun grundsätzlich jede Freiheitsstrafe die strengere (siehe schon KH. 1449, 2371, 3026, 3558 u.a.m.). Das ergibt sich schon daraus, daß die österreichische Rechtsordnung die individuelle Freiheit, deren Entziehung den Übelscharakter der Freiheitsstrafe ausmacht, als Grundwert und Grundrecht anerkennt und besonders schützt. § 261 StG etwa bestimmt, daß „bei besonders rücksichtswürdigen Umständen die Strafe des einfachen Arrestes (also die mildeste Freiheitsstrafe) „auch in eine ... angemessene Geldstrafe verändert “ werden könne; gerade diese Formulierung zeigt, daß das geltende Recht seit jeher bereits die Geldstrafe als mildere Strafart wertete. Auf diese graduelle Einordnung der beiden Strafarten in das Strafensystem bleibt die Frage, ob im Einzelfall die Voraussetzungen eines bedingten Strafnachlasses im Sinne des Gesetzes über die bedingte Verurteilung 1949 in geltender Fassung vorliegen, ohne jeden Einfluß: Eine Freiheitsstrafe kann – im Verhältnis zur Geldstrafe – auch dann nicht die mildere sein, wenn sie bedingt nachgelassen wird; denn die Frage nach der Gewährung des bedingten Strafnachlasses ist von der Wahl der Strafart völlig unabhängig; sie stellt sich erst dann, wenn die anzuwendende Strafart, das ist Geld oder Freiheitsstrafe, bereits feststeht; die Notwendigkeit einer solchen Trennung ergibt sich schon aus den Abstimmungsregeln des § 20 StPO, denen zufolge bei Meinungsverschiedenheiten die zur Behandlung stehenden Fragen getrennt zur Abstimmung zu bringen sind. Diese Rechtslage ist seit dem Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1971 nicht mehr zweifelhaft: Nach Art. III Z. 1 dieses Gesetzes richtet sich die formale Zulässigkeit des bedingten Strafnachlasses nicht mehr (wie nach dem Gesetz über die bedingte Verurteilung 1949 alter Fassung) ausschließlich nach der Strafdrohung, sondern auch nach dem Ausmaß der über den Angeklagten tatsächlich verhängten Strafe, die folglich schon feststehen muß, wenn das Gericht in der Prüfung der Voraussetzungen des bedingten Strafnachlasses eintritt ( „... keine strengere Strafe als ein Jahr schweren Kerker verhängt, ...“). Die in der Entscheidung SSt. 24/9 ua vertretene Auffassung, daß eine vorläufig nicht vollstreckbare Freiheitsstrafe milder als eine sofort zu vollstreckende Geldstrafe sei, kann daher nicht aufrecht erhalten werden. Die zur Begründung dieser Ansicht angestellte Überlegung, ein Strafübel müsse im ersten Fall bei Bewährung überhaupt nicht, im zweiten jedoch unter allen Umständen – sogleich – erlitten werden, vermengt zunächst, wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt, die erst in zweiter Linie zu beachtende Frage des bedingten Nachlasses einer Strafe mit der vorweg vorzunehmenden Wahl der Strafart (und der Festsetzung des Strafausmaßes) und vernachlässigt damit den stufenweise aufgebauten Ablauf der Straffestsetzung (EvBl. 1968/252; SSt. 8/177); sie läßt überdies außer acht, daß die mit dem bedingten Strafnachlaß einhergehenden Konsequenzen an das Verhalten des Verurteilten während der Probezeit hohe (und langdauernde) Anforderungen stellen, die mit der unbedingt verhängten Geldstrafe nicht verbunden sind. Sieht man den bedingten Strafnachlaß im Lichte der Strafrechtsentwicklung als spezifisches strafrechtliches Reaktionsmittel, greift diese Maßnahme – vor allem dann, wenn sie im Sinne des § 2 BedVG 1949 in geltender Fassung von Weisungen oder Schutzaufsicht begleitet wird – in die Lebensführung des Verurteilten spezialpräventiv oft wirksamer oder doch nicht minder ein als die Vollstreckung einer bloßen Geldstrafe. Nicht zu überzeugen vermag ferner der Einwand, eine unbedingte Geldstrafe sei schon deshalb strenger als eine bedingt nachgelassene Freiheitsstrafe, weil die nach § 266 StPO festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit der Primärstrefe jedenfalls sofort vollzogen werden müsse; denn gemäß § 241 Abs. 3 StG sind bei Bemessung der Geldstrafe die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters gebührend zu berücksichtigen. Eine nach diesem Grundsatz ausgemessene Geldstrafe wir daher im Regelfall einbringlich und nur im praktisch außer Betracht zu lassenden Ausnahmefall uneinbringlich sein, so etwa dann, wenn der Verurteilte nachträglich in Not gerät (siehe im übrigen auch § 410 StPO über die nachträgliche Strafmilderung). Der Standpunkt, daß für den Angeklagten eine bedingte Strafe stets günstiger sei als eine unbedingte, wurde vom Obersten Gerichtshof zudem bereits in der Entscheidung SSt. 8/117 (siehe auch EvBl. 1968/252) ausdrücklich abgelehnt. Die Gewährung des bedingten Strafnachlasses benimmt dem zu Freiheitsstrafe verurteilten Angeklagten darum niemals das im § 283 Abs. 2 StPO in der Fassung des Strafrechtsänderungsgesetzes 1971 verankerte Recht, den Ausspruch über die Strafe mit Berufung anzufechten, weil nicht auf die zulässige (mildere und damit günstigere) Strafart der Geldstrafe erkannt wurde. Gegenstand der Anfechtung ist hier allerdings nur die Strafart (§ 294 Abs. 2 StPO); von der Anfechtung in Frage gestellt und berührt – wenngleich als Teil des Ausspruchs über die Strafe selbst unangefochten (siehe § 6 Abs. 1 BedVG 1949 in geltender Fassung) – ist aber auch der Ausspruch über den bedingten Strafnachlaß (vgl. §§ 288 Abs. 2, 295 Abs. 1 StPO), der – zufolge der wesensmäßigen Verschiedenheit der beiden Strafakten – nur bei unveränderter Strafart, nicht hingegen losgelöst von der Art der ihm zugrundeliegenden Strafe aufrecht bleiben und bestehen kann. Mit Stattgebung dieser Berufung fällt folglich (auch) der Ausspruch über den bedingten Strafnachlaß als Annex zur zuerkannten Straf art (hier Freiheitsstrafe) dahin; das Berufungsgericht kann in Neubemessung der Strafe die als geboten erachtete Geldstrafe unbedingt verhängen oder aber auch diese Strafe bedingt nachlassen.

Somit erweist sich die Berufung des Angeklagten als zulässig und es war über sie meritorisch zu entscheiden. Sie ist aber auch begründet.

Die Strafe war nach dem zweiten Strafsatz des § 335 StG in der Fassung des Art. I/Punkt 14 des Strafrechtsänderungsgesetzes 1971 zu bemessen. Die Veränderung der danach vorgesehenen Arreststrafe ersten Grades (Arrest bis zu einem Jahr) in eine den Vermögensumständen des Angeklagten angemessene Geldstrafe ist gemäß dem § 261 StG „bei besonders rücksichtswürdigen Umständen“ möglich. Ein solcher besonders rücksichtswürdiger Fall ist allerdings – für den Bereich des Vergehens nach dem § 335 StG – regelmäßig vorweg zu verneinen, wenn dem Täter schweres Verschulden, das heißt eine ungewöhnliche, auffallende Sorglosigkeit zur Last liegt und ihm der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich – nicht etwa bloß als entfernt möglich – vorhersehbar war (vgl. 11 Os 191/71 v. 15. November 1971 = EvBl. 1972 Nr. 118 = RZ. 1972 S. 28). Da jedoch im gegebenen Falle der Angeklagte nach Lage der Verhältnisse qualifizierte Fahrlässigkeit in der eben entwickelten Bedeutung keinesfalls zu verantworten hat, rechtfertigen schon die zugebilligten Milderungsumstände, denen keine Erschwerungsumstände gegenüberstehen, nicht zuletzt auch im Hinblick auf das sicherlich gegebene gewisse Mitverschulden des Verunglückten Johann L*, eine Strafveränderung im Sinne des § 261 StG.

Bei Festsetzung der sohin über den Angeklagten zu verhängenden Geldstrafe ließ sich der Oberste Gerichtshof von den vom Angeklagten einbekannten Einkommens und Vermögensverhältnissen unter Bedachtnahme auf seine Sorgepflicht für die Gattin leiten und erachtete demgemäß eine Geldstrafe in der ausgesprochenen Höhe als dem Schuldgehalt der Tat und der Täterpersönlichkeit angemessen.

Unter Berücksichtigung der schon vom Erstgericht zutreffend angeführten Milderungsgründe, denen keine Erschwerungsumstände entgegenstehen, und des Verschuldensgrades des Angeklagten erachtete der Oberste Gerichtshof auch das ausgesprochene Maß der gemäß dem § 266 StPO festzusetzenden Ersatzfreiheitsstrafe als angemessen.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

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