8Ob201/67 – OGH Entscheidung
Kopf
SZ 40/116
Spruch
Daß ein sechsstöckiges Gebäude nicht in eine Villengegend hineinpaßt, kann nicht als eine nach § 364 (2) ABGB. zu beurteilende, unzulässige Immission geltend gemacht werden.
Entscheidung vom 12. September 1967, 8 Ob 201/67.
I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Die gefährdeten Parteien haben bereits einmal, und zwar als Beklagte in dem gegen sie von ihrer Gegnerin angestrengten Prozeß 3 Cg.../66 des Kreisgerichtes Wels, eine einstweilige Verfügung gleichen Inhaltes beantragt. Dieser Antrag wurde vom Rekursgericht, bestätigt mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 3. Februar 1963, 8 Ob 29/63, abgewiesen. Es wurde der Anspruch in keiner Weise als bescheinigt angesehen. Die gefährdeten Parteien haben nunmehr gegen ihre Gegnerin eine Widerklage eingebracht, mit dem Begehren, die Errichtung des geplanten sechsgeschossigen Wohnhauses auf der Parzelle 139/1 der EZ. 123 KG. I. zu unterlassen. Mit dieser Klage haben sie den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbunden, mit der der Gegnerin die Fortsetzung der bereits begonnenen Bauführung und die Einstellung der in Angriff genommenen baulichen Maßnahmen, insbesondere des Entfernens von Erdreich zur Schaffung oder Vertiefung der Baugrube aufgetragen werden soll. Zur Bescheinigung des Anspruches haben sich die gefährdeten Parteien nunmehr auf ein von ihnen vorgelegtes Privatgutachten und auf die von ihnen in der Bauverhandlung vom 26. Juni 1964 erhobenen Einwendungen berufen. Diese Einwendungen gingen im wesentlichen dahin, daß mit der Errichtung des Hauses und dessen zukünftigen Benützung durch eine der Größe des Hauses entsprechenden Anzahl von Bewohnern eine erhöhte Lärm-, Geruchs- und Abgasentwicklung verbunden sein werde, daß der Neubau die benachbarten Bauwerke, insbesondere durch Wegnahme von Luft und Sonne, beeinträchtigen werde und daß die Benützbarkeit der benachbarten Häuser für Zwecke der Fremdenbeherbergung in Frage bestellt werde.
Das Erstgericht hat die beantragte einstweilige Verfügung erlassen. Es hat den Anspruch schon allein deshalb als bescheinigt angesehen, weil die Widerbeklagte lediglich im Besitz eines Bescheides der Verwaltungsbehörde sei, mit dem die Bauführung nur vom öffentlichrechtlichen Gesichtspunkt aus als zulässig erklärt werde, während über die Einwendungen privatrechtlicher Art gegen die Bauführung erst im vorliegenden Rechtsstreit entschieden werden müsse. Die Fortführung des Baues bedeute unter diesen Umständen eine Eigenmächtigkeit. Sie laufe auf eine Vorwegnahme des Prozeßergebnisses hinaus. Die Gefährdung hielt das Erstgericht auf Grund des vorgelegten Privatgutachtens und der Tatsache, daß die Bauarbeiten fortgeführt werden, für bescheinigt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Gegnerin der gefährdeten Parteien Folge. Es wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Es war der Ansicht, daß sich auch aus dem vorgelegten Privatgutachten keine Bescheinigung des Anspruches der gefährdeten Parteien, den Bau zu untersagen, ergebe. Der Sachverständige habe nur ganz allgemein verschiedene Gefahrenmomente aufgezeigt, denen jedoch durch entsprechende Vorsichtsmaßnahmen und Vorkehrungen begegnet werden könnte. Es werde gar nicht behauptet, daß solche notwendige Vorkehrungen unterlassen worden seien.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der gefährdeten Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es handelt sich, wie schon das Rekursgericht zutreffend hervorgehoben hat und von den gefährdeten Parteien auch nicht bestritten wird, nicht etwa um eine Bauverbotsklage, verbunden mit dem Antrag auf Erlassung eines einstweiligen Bauverbotes im Sinn der Bestimmungen der §§ 340 ff. ABGB. Die Tatsache allein, daß der Bau trotz Ausstehens der Entscheidung über die privatrechtlichen Einwendungen der gefährdeten Parteien begonnen wurde und fortgeführt wird, vermag daher, entgegen der Ansicht des Erstgerichtes, die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung nicht zu rechtfertigen. Es bedarf vielmehr der Bescheinigung des behaupteten Untersagungsanspruches und dessen Gefährdung.
Es trifft nicht zu, daß das Rekursgericht der Ansicht gewesen sei, die gefährdeten Parteien müßten schon vor Erlassung der einstweiligen Verfügung den Nachweis erbringen, daß ihnen der zu sichernde Anspruch zustehe. Das Rekursgericht hat unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß eine Bescheinigung dieses Anspruches ausreichen würde. Es war aber der Ansicht, daß es an jeglicher Bescheinigung des Anspruches mangle. Darin ist dem Rekursgericht beizupflichten. Das vorgelegte Privatgutachten, auf das sich die gefährdeten Parteien zur Bescheinigung ihres Anspruches berufen, enthält zwar verschiedene Hinweise auf Schwierigkeiten, die bei der Bauführung auftreten und die sich für die Nachbarn nachteilig auswirken könnten. Wegen solcher Schwierigkeiten kann aber nicht von vornherein jede Bauführung untersagt werden. Daß diese Schwierigkeiten nicht durch entsprechende Vorkehrungen behoben werden könnten, wird auch im vorgelegten Gutachten nicht behauptet. Schon in dem auf Grund der Bauverhandlung von der Verwaltungsbehörde erlassenen Bescheid, mit dem die Bauführung vom öffentlichrechtlichen Gesichtspunkt aus für zulässig erklärt wurde, scheinen zahlreiche Auflagen auf, durch die einer Gefährdung vorgebeugt werden soll. Daß eine dieser Auflagen nicht befolgt worden sei, wurde nicht bescheinigt, ja nicht einmal behauptet. Daß ein sechsstöckiges Gebäude nicht in eine Villengegend hineinpasse, kann nicht als eine nach § 364 (2) ABGB. zu beurteilende, unzulässige Immission geltend gemacht werden. Soweit dadurch öffentlichrechtliche Belange betroffen werden, steht die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu. Dem in der Bauverhandlungssache noch ausständigen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes kann keine präjudizielle Bedeutung für das vorliegende Provisorialverfahren zukommen, weil es hier lediglich darum geht, ob ein privatrechtlicher Anspruch der gefährdeten Parteien auf Untersagung der Bauführung als bescheinigt gelten kann.