JudikaturOGH

2Ob141/66 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 1966

Kopf

SZ 39/116

Spruch

Auf § 39 EisenbahnG. 1957 beruhende behördliche Maßnahmen begrunden keinen im ordentlichen Rechtsweg durchzusetzenden Ersatzanspruch

Entscheidung vom 23. Juni 1966, 2 Ob 141/66

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz

Text

Der Kläger betreibt auf dem ihm gehörigen Grundstück Nr. 453/1 der Landtafel 531, KG. G. des BG. Klagenfurt ein Ziegelwerk. Mit Bescheid des Bundesministeriums für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft vom 18. März 1963 wurde ihm auf Grund der Bestimmung des § 39 EisenbahnG. 1957, BGBl. 1957 Nr. 60, jeder weitere Geländeabbau zur Lehmgewinnung auf diesem, in unmittelbarer Nähe der Eisenbahn gelegenen Grundstück wegen Gefährdung der Sicherheit des Eisenbahnbetriebes untersagt und ausgesprochen, daß er für eine geplante Fortsetzung des Lehmabbaues die Bewilligung der Eisenbahnbehörde einzuholen habe. Mit Bescheid derselben Behörde vom 4. Juni 1963 wurde gemäß § 39 (3) des EisenbahnG. 1957 die Bewilligung für den weiteren Geländeabbau zur Lehmgewinnung im Gefährdungsbereich der Bahn auf dem genannten Grundstück unter im einzelnen angeführten Bedingungen, insbesondere auch der Festsetzung von Abbaugrenzen erteilt.

Der Kläger behauptet, durch die ihm mit den beiden Bescheiden auferlegten Beschränkungen einen Schaden von rund 4.500.000 S erlitten zu haben. Er begehrt mit der vorliegenden Klage die Zahlung eines Teilbetrages von 500.000 S.

Die beklagte Partei bestritt nach Grund und Höhe.

Das Erstgericht wies die Klage, ohne Beweise aufzunehmen, ab. Der Fall einer zur Entschädigung verpflichtenden Enteignung liege nicht vor, sondern eine auf die Anrainerbestimmung des § 39 EisenbahnG. 1957 gestützte gesetzliche Eigentumsbeschränkung. Eine solche begrunde nur ausnahmsweise eine Ersatzpflicht. Da nach der Rechtsprechung sogar eine entschädigungslose Enteignung möglich sei, müsse umsomehr eine entschädigungslose Eigentumsbeschränkung zulässig sein. Ersatz nach den Bestimmungen der §§ 1293 ff. ABGB. könne der Kläger mangels Rechtswidrigkeit nicht begehren. Nach den Materialien zum Eisenbahngesetz sei eine Entschädigung für die durch § 39 EisenbahnG. auferlegten Beschränkungen nicht vorgesehen. Eine hienach mögliche Entschädigung nach Billigkeitserwägungen könnte aber nur nach den Vorschriften des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 begehrt werden. Das Eisenbahnkonzessionsgesetz (Verordnung vom 14. September 1854, RGBl. 238), auf dessen § 10 (1) lit. b der Kläger zur Stützung seines Anspruches verweise, sei mit der Bekanntmachung des Eisenbahngesetzes vom 30. April 1943, DRGBl. II S. 138, außer Kraft gesetzt worden. Zwar habe die mit der genannten Bestimmung im wesentlichen gleichlautende Bestimmung des § 19 (2) EisenbahnG. 1957 die Erfolgshaftung der Eisenbahn normiert. Darunter fielen jedoch nicht Maßnahmen nach den Anrainerbestimmungen der §§ 38 f. EisenbahnG. 1957. Dem Ersatzanspruch des Klägers mangle die gesetzliche Grundlage.

Das Berufungsgericht bestätigte. Es bejahte die von Amts wegen aufgeworfene Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges, und zwar sowohl zufolge der gemäß § 41 (1) JN, auf Grund der Klagsbehauptungen vorzunehmenden Prüfung wie auch als Ergebnis der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes. Verbote von der Art des § 39 (1) EisenbahnG. träfen alle Liegenschaftseigentümer innerhalb des Gefährdungsbereiches und seien daher Legalservituten, während die Enteignung durch einen individuellen Verwaltungsakt gegenüber einzelnen Personen verfügt werde. Ausgehend von der Lehre (Klang-Komm.[2] II 190; Adamovich, Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechtes II S. 110 f.) bestehe kein Zweifel, daß das Verbot des § 39 (1) EisenbahnG. 1957 eine schon im Gesetz enthaltene, also eine Legalservitut darstelle. In den eingangs wiedergegebenen Bescheiden sei keine behördlich verfügte Eigentumsbeschränkung mit zumindest enteignungsähnlichem Charakter im Einzelfall zu erblicken, sondern eine Bewilligung nach § 39 (3) EisenbahnG. 1957, die einen Erlaubnisvorbehalt darstellen, der den Kläger überhaupt nicht beschränke, sondern ihm Rechte einräume, in denen er nach der Legalservitut des § 39 (1) EisenbahnG. 1957, also durch das Gesetz selbst beschränkt sei. Mangels Vorliegens einer Enteignung sei der ordentliche Rechtsweg gegeben. Materiell treffe die Ansicht des Erstgerichtes zu, daß dem Klager deshalb ein Entschädigungsanspruch nicht zustehe, weil das Gesetz einen solchen für Maßnahmen nach § 39 EisenbahnG. 1957 nicht vorsehe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach Ansicht der Revision kann der von den Vorinstanzen angenommene Ausschluß einer Haftung für die im § 39 EisenbahnG. 1957 angeführten Beschränkungen nicht aus dem Charakter dieser Beschränkungen als Legalservituten abgeleitet werden. Vielmehr ergebe sich insbesondere aus den Bestimmungen der §§ 16 (4), 18 (4), 19 (2) und 40 (2) und

(3) dieses Gesetzes, daß für diese Beschränkungen ein Ersatzanspruch bestehe. Andernfalls sei dieser aber in den §§ 4 und 5 des Hofkanzleidekretes vom 29. August 1844, Pol. Gesetzessammlung Nr. 113 begrundet, das entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nach wie vor in Kraft sei. Auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß bei Eigentumsbeschränkungen durch Legalservituten eine Entschädigung nur gebühre, wenn sie in einem Gesetz vorgesehen sei, wobei davon ausgegangen werden könne, daß in der Regel im Fall einer Enteignung, nicht aber im Fall einer Legalservitut eine Entschädigung vorgesehen sei, treffe nicht zu. Vielmehr lösten, wie sich aus zahlreichen anderen Gesetzen ergebe, auch gesetzliche Eigentumsbeschränkungen Entschädigungsansprüche aus, sofern sie nicht nur geringfügig und daher dem Belasteten zumutbar seien. Sollte entgegen der Ansicht der Revision aber der Standpunkt vertreten werden, daß die den Kläger treffenden behördlichen Maßnahmen nicht die Geltendmachung von Ersatzansprüchen im ordentlichen Rechtsweg zulasse, dann sprächen erhebliche Überlegungen dafür, daß eine Enteignung im Sinn des EisenbahnG. 1954 vorliege.

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig.

Der Kläger hat in seiner Klage vorgebracht, es sei ihm zufolge der auf Grund des § 39 EisenbahnG. 1957 getroffenen Maßnahmen von der beklagten Partei eine Entschädigung zu leisten, und die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung dieser Entschädigung begehrt. Damit hat er, entsprechend dem Erfordernis des § 226 (1) ZPO., wonach die Klage u. a. die Tatsachen anzugeben hat, auf die sich der Klagsanspruch grundet, behauptet, einen im Prozeßweg durchzusetzenden Anspruch nach bürgerlichem Recht zu haben. Dies hat zur Folge, daß allen übrigen Bestimmungen, die der Kläger zur Begründung seines Anspruches zusätzlich herangezogen hat und nach denen allfällige Entschädigungsansprüche teils im Verfahren außer Streitsachen, teils im Verwaltungsweg geltend zu machen sind, lediglich illustrative Bedeutung zukommt und daß sie als Rechtsgrundlage für das gegenständliche Klagebegehren außer Betracht zu bleiben haben; denn es ist nicht möglich, eine Klage kumulativ auf Tatbestände, die im streitigen Verfahren und Tatbestände, die im außerstreitigen Verfahren und im Verwaltungsweg geltend zu machen sind, zu stützen. Es erübrigt sich daher, zu prüfen, ob diese Bestimmungen überhaupt noch gelten.

Der Ansicht der Revision, aus den von ihr genannten Bestimmungen des EisenbahnG. 1957 ergebe sich das grundsätzliche Zurechtbestehen des klagsgegenständlichen Entschädigungsanspruches, kann nicht gefolgt werden. Denn wie die beklagte Partei als Revisionsgegner zutreffend bemerkt, handelt es sich bei den in den §§ 16 (4) und 19 (2) EisenbahnG. 1957 geregelten Haftungsfällen um Schäden, die an benachbarten Grundstücken, sei es anläßlich der Vornahme von Vorarbeiten für den Bahnbau, sei es durch den Bau oder Bestand der Eisenbahn selbst verursacht werden, also um von der Eisenbahn ausgehende Einwirkungen auf Nachbargrundstücke. Ähnlich verhält es sich mit der Bestimmung des § 18 (4) EisenbahnG. 1957, welche das Eisenbahnunternehmen berechtigt, von Grundstückseigentümern zu verlangen, daß sie in einem näher bezeichneten beschränkten Umfang die Errichtung von für den Betrieb erforderlichen Einrichtungen auf ihren Grundstücken ohne Entschädigung dulden. Zweck der Bestimmung des § 39 EisenbahnG. 1957 ist es hingegen, Handlungen von Liegenschaftseigentümern im Gefährdungsbereich der Eisenbahn hintanzuhalten. Ist somit schon nach diesen Erwägungen der von der Revision aus den angeführten Bestimmungen gezogene Schluß nicht berechtigt, daß die Bahn für Nachteile hafte, die den Gründeigentümer durch ein auf § 39 EisenbahnG. 1957 beruhendes Verbot treffen, so kann an der Richtigkeit der Auffassung der Vorinstanzen bei Bedachtnahme auf die Begründung der Regierungsvorlage und den Bericht des zuständigen Nationalratsausschusses kein Zweifel bestehen. Nach dem Inhalt dieser Materialien hat der Gesetzgeber die Frage der Entschädigung mit dem Ergebnis erwogen, daß eine solche für die in Rede stehenden, auf den Anrainerbestimmungen beruhenden Beschränkungen nicht zu gewähren ist (vgl. auch Unkart, Raumplanung und Eigentumsgarantie, JBl. 1966 S. 298 ff.). Damit ist aber durch das Schweigen des Gesetzestextes selbst zu dieser Frage - negativ - hinlänglich bestimmt ausgesprochen, was nach dem Zeugnis der Materialien gesagt werden sollte.

Demnach fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage für den mit der vorliegenden Klage erhobenen Anspruch.

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