4Ob78/65 – OGH Entscheidung
Kopf
SZ 38/141
Spruch
Voraussetzungen der Haftanrechnung nach § 6 Z. 6 OpferfürsorgeG. (§ 162 (1) nö. GBDO.)
Entscheidung vom 21. September 1965, 4 Ob 78/65
I. Instanz: Arbeitsgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:
Kreisgericht Wiener Neustadt
Text
Der Kläger, der das Buchbinderhandwerk erlernte, stand bis August 1945 nicht im öffentlichen Dienst. Er war aus politischen Gründen in der Zeit vom 26. Mai 1935 bis 7. Oktober 1935, 26. Oktober 1936 bis 8. Februar 1938 und 1. September 1939 bis 11. April 1945 in Haft. Vom 20. August 1945 bis 31. Dezember 1963 war der Kläger bei der beklagten Stadtgemeinde W. N. als Vertragsbediensteter beschäftigt. Auf sein Dienstverhältnis fand zuletzt das nö.
Gemeindevertragsbedienstetengesetz (GVBG.), LGBl. für NÖ. Nr. 463/1961, Anwendung. Auf Grund des Beschlusses des prov. Gemeindeausschusses der Stadtgemeinde W. N. vom 30. November 1948 war ihm eine nachgewiesene politische Haftzeit im Ausmaße von 7 Jahren, 3 Monaten und 16 Tagen, "für alle Rechte, die auf Dienstzeiten aufgebaut sind , mit Wirkung vom 1. Dezember 1948 angerechnet worden. Das Dienstverhältnis endete durch Kündigung seitens der beklagten Partei. Der Kläger erhielt, ausgehend von einer effektiven Dienstzeit von mehr als 15 und weniger als 20 Jahren (§ 39 (3) GVBG.) eine Abfertigung in der Höhe von sechs Monatsgehältern.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger von der beklagten Stadtgemeinde W. N. die Bezahlung von insgesamt 52.486 S s. Nbg. Dieser Betrag setzt sich aus den Teilbeträgen von 1) 31.152 S und 2) 21.334 S zusammen. Der erste Betrag wird aus dem Titel noch gebührender Abfertigung, der zweite Betrag als beanspruchte Gehaltsdifferenz begehrt. Die klagende Partei brachte dazu vor:
1. Die beklagte Gemeinde habe zu Unrecht bei der Bemessung der Abfertigung die dem Kläger am 30. November 1948 angerechnete Haftzeit nicht berücksichtigt, obwohl diese nach § 162 (4) GBDO. (Gemeindebeamtendienstordnung 1948, LGBl. f. NÖ. Nr. 35/1948) im Hinblick auf die Bestimmung des § 15 der Vertragsbedienstetenordnung der Stadt W. N. vom Jahre 1949 (VBO.) auch für das Ausmaß der Abfertigung einzurechnen gewesen wäre. Der Kläger habe deshalb bei einer Dienstzeit von über 25 Jahren (§ 39 (3) GVBG.) Anspruch auf eine Abfertigung im Ausmaße von 12 Monatsgehältern und damit auf Nachzahlung eines Betrages von 31.152 S.
2. Der Kläger habe aber auch Anspruch auf Nachzahlung einer Gehaltsdifferenz für die letzten drei Jahre (Verjährungszeit) im Betrage von 21.334 S. Dies deshalb, weil ihm die beklagte Partei bei der Bemessung seiner Bezüge zwar die Haftzeiten einfach, nicht jedoch gemäß § 6 Z. 6 Opferfürsorgegesetz im Zusammenhange mit § 27
(2) lit. d GVBG. doppelt angerechnet habe. Der Kläger sei in der Zeit vom 4. März 1933 bis 27. April 1945 aus politischen Gründen vom Eintritt in den öffentlichen Dienst ausgeschlossen gewesen.
Die beklagte Partei hat die Ansprüche des Klägers dem Gründe und der Höhe nach bestritten und gegen den Grund des Anspruches eingewendet:
Zu 1: Der Kläger sei auf sein eigenes Ansuchen aus dem Dienst geschieden und nur zur formalen Erledigung sei eine Kündigung ausgesprochen worden. Dem Kläger gebühre daher überhaupt keine Abfertigung, eine solche sei ihm nur freiwillig bezahlt worden. Die Haft sei am 30. November 1948 wohl für alle Rechte, die auf Dienstzeiten aufgebaut sind, angerechnet worden. Unter diesen Rechten könnten aber nur jene verstanden werden, die nach der damaligen Rechtslage auf Dienstzeiten aufgebaut waren. Für das Dienstverhältnis des Klägers seien die Bestimmungen der Allgemeinen Tarifordnung für Angestellte im öffentlichen Dienst (TO. A.) maßgebend gewesen. Die TO. A. habe aber eine Abfertigung nicht gekannt, sondern bloß ein Übergangsgeld, auf das jedoch kein Rechtsanspruch bestand. Nach den folgenden Erneuerungen des Dienstvertrages des Klägers, und zwar mit Wirkung vom 1. Februar 1949 auf Grund der Vertragsbedienstetenordnung der Stadt W. N. und mit Wirkung vom 1. Jänner 1962 auf Grund des GVBG. seien die bisher angerechneten Haftzeiten gleichfalls nur für die Vorrückung in höhere Bezüge zu berücksichtigen gewesen, keinesfalls aber für die Bemessung der Abfertigung.
Zu 2: § 6 Z. 6 Opferfürsorgegesetz beziehe sich nur auf Beamte und Vertragsbedienstete, die als solche inhaftiert gewesen seien. Dies treffe beim Kläger jedoch nicht zu. Der Hinweis des Klägers auf § 27
(2) lit. d GVBG. gehe deshalb ins Leere, weil er durch die Haft nicht vom Eintritt in den öffentlichen Dienst ausgeschlossen gewesen sei. Der Kläger hätte nämlich weder eine spezielle Ausbildung für den öffentlichen Dienst genossen, noch sei er unmittelbar nach der Haftzeit in den öffentlichen Dienst getreten. Er habe in seinem Einstellungsgesuch auch darauf hingewiesen, daß er die Einstellung bei der Stadtgemeinde W. N. nur deshalb anstrebe, weil er derzeit in seinem Beruf als Buchbinder keine Arbeitsmöglichkeit habe.
Mit dem Ersturteil wurde das Klagebegehren abgewiesen. Das Erstgericht führte aus:
1. Der Anrechnungsbeschluß des prov. Gemeindeausschusses der beklagten Partei vom 30. November 1948 könne gemäß § 914 ABGB. nach der Übung des redlichen Verkehrs nur so verstanden werden, daß unter den "Rechten, die auf Dienstzeiten aufgebaut sind", nur solche Rechte gemeint seien, die nach der damaligen Rechtsordnung überhaupt bestanden und auf Dienstzeiten aufgebaut waren, wie die Besoldung, das Urlaubsausmaß und die Kündigungsfrist. Bei der Einstellung des Klägers sei ausgesprochen worden, daß auf sein Dienstverhältnis die Bestimmungen der TO. A. sowie die dazugehörigen Dienstordnungen Anwendung zu finden hätten. Daran habe sich bis zur Erneuerung des Dienstvertrages auf der Grundlage der Vertragsbedienstetenordnung der Stadt W. N. mit Wirkung vom 1. Februar 1949 nichts geändert. Die TO. A. habe aber eine Abfertigung nicht gekannt, lediglich die ADO. zu § 16 TO. A. habe im Punkt 1 ein Übergangsgeld vorgesehen, auf das jedoch kein Rechtsanspruch bestand. Durch die Erneuerung des Dienstvertrages mit dem Vertrage vom 21. April 1949 sei keine Änderung dahin eingetreten, daß etwa fortan die angerechneten Haftzeiten auch für die Bemessung der Abfertigung anrechenbar geworden wären. Im Punkte 7 seien nur die angerechneten Dienstzeiten festgestellt worden. In welchem Umfange diese Anrechnung rechtswirksam sein sollte, ergebe sich über Punkt 3. des Vertrages aus der Vertragsbedienstetenordnung der Stadt W. N., die im § 15 die Anrechnung nur für das Erlangen höherer Bezüge vorsehe. Auch das ab 1. Jänner 1962 in Kraft getretene Gemeindevertragsbedienstetengesetz habe in der Frage der Wirksamkeit einer Anrechnung keine Änderung gebracht; nach seinem § 27 (1) erfolge sie nur für die Vorrückung in höhere Bezüge.
2. Es sei nicht zu ergrunden, ob der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 6 Z. 6 Opferfürsorgegesetz die Begünstigung der doppelten Anrechnung nur solchen Beamten und Vertragsbediensteten habe zuteil werden lassen wollen, die als solche inhaftiert waren. Beim Kläger sei eine doppelte Anrechnung nicht möglich, weil die Voraussetzung, daß die Haftzeit "nach den geltenden Vorschriften anrechenbar sein müsse", nicht zutreffe. Die Vertragsbedienstetenordnung sehe eine Anrechnung von Haftzeiten überhaupt nicht vor und der Vertrag vom 21. April 1949 halte daher folgerichtig nur an der freiwilligen Anrechnung vom 30. November 1948 fest. Wohl sehe das GVBG. im § 27 die Anrechnung von Haftzeiten vor, während deren der Vertragsbedienstete aus politischen Gründen vom Eintritt in den öffentlichen Dienst ausgeschlossen war. Diese Voraussetzung sei aber beim Kläger nicht gegeben, denn ein solcher auf politischen Gründen beruhender Ausschluß vom Eintritt in den öffentlichen Dienst setze wohl voraus, daß sich der Betroffene um die Einstellung überhaupt ernsthaft bemühte und aus politischen Gründen abgewiesen wurde. Dies könne der Kläger nicht behaupten, insbesondere lasse sein Einstellungsgesuch vom 9. August 1945 eher darauf schließen, daß er die Einstellung mehr aus Verlegenheit, weil er in seinem erlernten Beruf gerade keine Arbeitsmöglichkeit hatte, als aus Neigung anstrebte.
Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung der klagenden Partei das Ersturteil. Es teilte im Ergebnis die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Es führte dazu aus:
1. Ob die Kündigung etwa auf Wunsch des Klägers ausgesprochen wurde, sei rechtlich ohne Belang. Die Frage, ob nach den Auslegungsregeln des § 914 ABGB. der Anspruch des Klägers verneint werden müßte, weil sich die Anrechnung vom 30. November 1948 nach der Übung des redlichen Verkehrs nur auf solche Rechte beziehen könne, die nach der damaligen Rechtsordnung überhaupt bestanden und auf Dienstzeiten aufgebaut waren, könne auf sich beruhen. Denn selbst unter der Annahme, daß der Beschluß des prov. Gemeindeausschusses vom 30. November 1948 auch erst später entstandene Rechte umfassen sollte, sei dadurch für den Kläger nichts gewonnen, weil während der gesamten Dauer des Dienstverhältnisses des Klägers zur beklagten Partei keine Norm bestanden habe, die eine Anrechnung von Haftzeiten für die Bemessung der Abfertigung verfügt habe. Nach der TO. A. sei eine Abfertigung nicht vorgesehen gewesen. Die VBO. der Stadt W. N. habe im § 15 nur eine Vordienstzeitenrechnung für das Erlangen höherer Bezüge anerkannt und die sinngemäße Anwendung der GBDO. könne nicht dazu führen, daß Dienstzeiten auch mit anderer rechtlicher Wirkung angerechnet werden könnten. Auch seit Wirksamkeit des GBVG. seien Vordienstzeiten (mit Ausnahme der nach § 25 (10) - § 39 (4)) bei Bemessung der Abfertigung nicht einzubeziehen. Entscheidend sei ferner, daß nach Punkt 15 des am 21. April 1949 zwischen der Stadtgemeinde W. N. und dem Kläger abgeschlossenen Dienstvertrages früher abgeschlossene Dienstverträge oder sonstige Vereinbarungen hinsichtlich des Dienstverhältnisses durch diesen Vertrag aufgehoben worden seien. Im Punkt 1 dieses Dienstvertrages heiße es, daß das bestehende Dienstverhältnis gemäß § 40 der VBO. der Stadt W. N. auf unbestimmte Zeit erneuert werde. § 40 VBO. bestimme in seinem Absatz 1. daß im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Vorschrift bestehende Dienstverhältnisse, die in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen, erneuert werden können, wobei diese Erneuerung durch den Abschluß eines schriftlich auszufertigenden Vertrages erfolge. Im Absatz 2 des § 40 VBO. werde bestimmt: "Ist das Dienstverhältnis nach Maßgabe des ersten Absatzes erneuert worden, so gilt es als Fortsetzung des unmittelbar vorangehenden Dienstverhältnisses, soweit dieses in die Zeit nach dem 26. April 1945 fällt. Vordienstzeiten werden nach Maßgabe der hiefür geltenden Vorschriften angerechnet".
Schließlich sehe § 41 der VBO. der Stadt W. N. einen Härteausgleich vor, falls sich nach den Bestimmungen der VBO. ein niedrigeres Monatsentgelt als bisher ergebe. Daraus folge, daß zwar das erneuerte Dienstverhältnis als Fortsetzung des unmittelbar vorangegangenen aufzufassen sei, d. h. mit diesem eine zeitliche Einheit bilde, daß aber auf das erneuerte Dienstverhältnis nur die Bestimmungen der VBO. der Stadt W. N. Anwendung zu finden hatten. Dem Dienstgeber sei es auch freigestanden, eine Erneuerung seines Dienstvertrages abzulehnen, worauf es zur Kündigung im Sinne des Abs. 3 des § 40 VBO. gekommen wäre. Bezüglich der Vordienstzeitenanrechnung sei daher ab 21. April 1949 nur mehr Punkt 7 des Erneuerungsvertrages maßgebend. Dieser sehe aber eine Anrechnung der Vordienstzeiten für die Bemessung der Abfertigung nicht vor. Die Vordienstzeiten seien vielmehr im Sinne des § 40 (2) VBO. nur nach Maßgabe der hiefür geltenden Vorschriften anzurechnen. Vorschriften, die den Anspruch des Klägers begrunden könnten, bestunden jedoch nicht.
2. Auch für die beanspruchte doppelte Anrechnung der Haftzeiten
bestehe keine rechtliche Grundlage. Wenn die klagende Partei in
diesem Zusammenhang § 162 (4) GBDO. ins Treffen führe, sei dem die
ausdrückliche Normierung dieser Bestimmung entgegenzuhalten, daß die
doppelte Anrechnung unter der Voraussetzung des § 162 (1) zu
erfolgen habe. § 162 (1) GBDO. aber laute: "Die Zeit, die ein
Bediensteter, der bereits vor dem 13. März 1938 in einem
öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde gestanden ist,
in den Jahren von 1938 bis 1945 wegen seiner politischen Gesinnung
... in gerichtlicher oder politischer Haft zugebracht hat, ist, wenn
die Zeit nach den geltenden Vorschriften für die Vorrückung in
höhere Bezüge ... anrechenbar ist ... im doppelten Ausmaße
anzurechnen." Nach dieser Bestimmung sei demnach eine doppelte Anrechnung nur dann möglich, wenn die Haftzeiten nach den geltenden Vorschriften für die Vorrückung in höhere Bezüge anrechenbar sind. Derartige geltende Vorschriften bestunden aber weder im Bereiche der GBDO. noch des GVBG. Nach § 162 (4) GBDO. könne eine doppelte Anrechnung auch nur anläßlich der Definitivstellung eines Bediensteten erfolgen. Es müsse daher angenommen werden, daß diese besondere Begünstigung einem Vertragsbediensteten nicht zukommen könne. Im übrigen habe das Erstgericht auch zutreffend erkannt, daß § 27 (2) lit. d GVBG. für den Kläger nicht Platz greifen könne, weil der Kläger vor dem Jahr 1945 weder im öffentlichen Dienst gestanden sei, noch sich um eine Aufnahme in den öffentlichen Dienst beworben habe.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte auf Grund der Berufung des Klägers die Abweisung des Begehrens auf Bezahlung einer Gehaltsdifferenz von 21.334 S, hob die Urteile der Untergerichte hinsichtlich der Abweisung des Begehrens auf Bezahlung einer weiteren Abfertigung von 31.152 S auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
1. Zur Anrechnung der politischen Haftzeiten bei Berechnung der Abfertigung:
Die klagende Partei leitet einen Anspruch auf Berücksichtigung der politischen Haftzeiten bei Berechnung ihrer Abfertigung nicht etwa aus einer bestimmten, diesbezüglich erlassenen positiven gesetzlichen Bestimmung, sondern ausschließlich aus vertraglichen Vereinbarungen und dabei in erster Linie aus dem Beschluß des provisorischen Gemeindeausschusses der beklagten Partei vom 30. November 1948 ab. Daher kann auch die Frage der Tragweite dieses Beschlusses nicht - wie das Berufungsgericht vermeint - auf sich beruhen. Auf Grund dieses Beschlusses wurde dem Kläger seine nachgewiesene politische Haftzeit ism Ausmaße von 7 Jahren, 3 Monaten und 16 Tagen "für alle Rechte, die auf Dienstzeiten aufgebaut sind", mit Wirkung ab 1. Dezember 1948 angerechnet. Damit wurde diese Anrechnung jedenfalls Bestandteil seines Dienstvertrages.
Nach dem Vertrag sollen "alle Rechte, die auf Dienstzeiten aufgebaut sind", angerechnet werden. Eine Beschränkung auf Rechte, die am 30. November 1948 auf Dienstzeiten aufgebaut waren, kann dem Wortlaut nicht entnommen werden. Eine solche zeitliche Beschränkung kann auch nicht dem Wort "sind" entnommen werden, weil der Nebensatz "die auf Dienstzeit aufgebaut sind" nur die Art der in Frage kommenden Rechte näher bezeichnet. Selbst wenn man diese Vertragsbestimmung als mehrdeutig ansehen würde, müßte § 915, 2. Halbsatz, ABGB. angewendet werden, weil die Formulierung dieser Vertragsbestimmung durch die beklagte Partei erfolgte. Den späteren Erneuerungen des Dienstvertrages kann nicht entnommen werden, daß durch sie irgendwelche Rechte des Klägers verkürzt werden sollten. Auch hier würde überdies eine undeutliche Vertragsbestimmung zu Lasten der beklagten Partei gehen. Der Kläger hat daher grundsätzlich Anspruch darauf, daß bei der Abfertigung auch die erwähnten Haftzeiten als Dienstzeiten berücksichtigt werden. Da die Höhe des dem Kläger zuletzt zustehenden Monatsbezuges weder außer Streit noch festgestellt wurde, waren bezüglich des erhobenen Anspruches auf Bezahlung weiterer Abfertigungsbeträge die Urteile der Untergerichte aufzuheben und dem Erstgericht eine entsprechende Verfahrensergänzung aufzutragen.
2. Zur begehrten Gehaltsnachzahlung:
Der Kläger kann seinen Anspruch auf doppelte Anrechnung der Haftzeiten jedenfalls nicht auf das Opferfürsorgegesetz stützen, dessen § 6 Z. 6 lautet:
"Die Zeit, die ein Beamter oder Vertragsbediensteter des öffentlichen Dienstes in den Jahren 1938 bis 1945 wegen seiner politischen Gesinnung oder wegen tatsächlicher oder angeblicher Betätigung gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft oder in den Jahren 1933 bis 1938 wegen seiner politischen Gesinnung oder wegen Betätigung für eine aufgelöste Partei, ausgenommen die NSDAP und den Heimatschutz (Richtung Kammerhofer) in gerichtlicher oder polizeilicher Haft zugebracht hat, ist, wenn die Zeit nach den geltenden Vorschriften für die Vorrückung in höhere Bezüge und für die Bemessung des Ruhegenusses anrechenbar ist, und wenn die Haft nicht auf Handlungen zurückgeht, die den Betroffenen der Begünstigung unwürdig erscheinen lassen, im doppelten Ausmaß anzurechnen ... ". Diese Begünstigung nach § 6 Z. 6 Opferfürsorgegesetz setzt also die Anrechenbarkeit nach den geltenden Vorschriften voraus und ist auf diese Weise nur jenen Beamten zugesichert, denen die Haftzeit schon nach den geltenden Vorschriften (Hinweis auf § 11 B.-ÜG.) angerechnet werden kann, entweder deshalb, weil sie auch während der Haft in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gestanden sind (§ 11 (1) B.- ÜG.) oder weil sie durch die erlittene Maßregelung aus dem Dienst, in dem sie standen, entfernt wurden (§ 11 (2) B.-ÜG.). (So auch Erkenntnis des VwGH. Slg. NF. Nr. 3050 (A.) und Birti, Opferfürsorgegesetz, Anm. 8 zu § 6). Auf den Kläger trifft aber weder das eine noch das andere zu. Ihm wurde die Haftzeit nicht auf Grund geltender Vorschriften, sondern auf Grund eines individuellen Aktes, nämlich des Gemeinderatsbeschlusses vom 30. November 1948, angerechnet. Der Kläger kann daher sein Begehren auf doppelte Anrechnung der Haftzeit nicht auf § 6 Z. 6 Opferfürsorgegesetz stützen.
Auch aus den übrigen vom Kläger herangezogenen gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen kann nichts für die von ihm gewünschte doppelte Anrechnung der Haftzeiten gewonnen werden. § 15 der Vertragsbedienstetenordnung der Stadt W. N. verweist bezüglich Anrechnung auf die sinngemäße Anwendung der jeweils geltenden Bestimmungen der GBDO. Eine doppelte Anrechnung nach § 162 (4) GBDO. könnte nur unter den Voraussetzungen des § 162 (1) GBDO. erfolgen, denn § 162 (4) GBDO. kann wohl nur so ausgelegt werden, daß alle Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen müssen, bis auf die, daß ein Vertragsbediensteter erst nach dem 27. April 1945 - wie der Kläger - in den Dienst der Gemeinde getreten ist. § 162 (1) GBDO. knüpft aber die doppelte Anrechnung von Haftzeiten - mit den gleichen Worten wie § 6 Z. 6 Opferfürsorgegesetz - u.a. an die Voraussetzung, daß die Haftzeit nach den geltenden Vorschriften für die Vorrückung in höhere Bezüge und auf die Bemessung des Ruhegenusses anrechenbar ist. Daß beides auf den Kläger nicht zutrifft, wurde bereits oben ausgeführt. Auch auf § 162 (4) GBDO. kann daher der Kläger seinen Anspruch auf doppelte Anrechnung der Haftzeit nicht stützen.
§ 27 GVBG. hingegen kennt so wie § 10 GBDO. 1960. LGBl. f. NÖ. Nr. 233, eine doppelte Anrechnung von Haftzeiten überhaupt nicht. Einfach wurden dem Kläger aber die Haftzeiten ohnehin angerechnet. Bezüglich der Abweisung des Begehrens auf Gehaltsnachzahlung sind daher die Urteile der Untergerichte zu bestätigen.